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Alfred Wegener

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Alfred Lothar Wegener (* 1. November 1880 in Berlin; † November 1930 in Grönland) war ein deutscher Meteorologe, Polar- und Geowissenschaftler. Als sein wichtigster Beitrag zur Wissenschaft gilt posthum die Theorie der Kontinentalverschiebung, die zu einer wesentlichen Grundlage für das heutige Modell der Plattentektonik geworden ist. Zu seinen Lebzeiten war Wegener vor allem für seine Verdienste in der Meteorologie und als Pionier der Polarforschung bekannt.

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Alfred Wegener

Leben

Frühe Jahre

Alfred Wegener war das jüngste von fünf Kindern einer Pastorenfamilie. Sein Vater war Dr. phil. Richard Wegener, Theologe und Lehrer für alte Sprachen am Gymnasium zum Grauen Kloster. Die Liebe zur Natur wurde in den Kindern wohl geweckt, als man 1886 das Gutshaus der alten Glashütte in Zechlinerhütte bei Rheinsberg als Feriendomizil erwarb und später als Wohnsitz der Familie nutzte. Das Gymnasium schloss er als Klassenbester ab, danach studierte er von 1900 bis 1904 Physik, Meteorologie und Astronomie in Berlin, Heidelberg und Innsbruck. 1902 bis 1903 war Wegener während des Studiums Assistent an der Volkssternwarte „Urania“ in Berlin. Seine Doktorarbeit schrieb er zwar in Astronomie, er wandte sich danach aber mehr der Meteorologie und Physik zu. Seiner Meinung nach gab es in der Astronomie nicht mehr viel zu erforschen, zudem störte ihn, dass ein Astronom stark an seinen Beobachtungsort gebunden ist.

1905 wurde Wegener Assistent am Aeronautischen Observatorium Lindenberg/Beeskow bei Berlin. Er arbeitete dort mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Kurt zusammen, der ebenfalls Naturwissenschaftler war und der mit ihm das Interesse für Meteorologie und Polarforschung teilte. Bei ihren Ballonaufstiegen für Luftuntersuchungen stellten die Wegener-Brüder vom 5. April bis 7. April 1906 mit 52 Stunden einen neuen Dauerrekord für Ballonfahrer auf.

Erste Grönlandfahrt und Marburger Jahre

Eisbärjäger in Grönland, 1904

Im gleichen Jahr nahm Alfred Wegener an der ersten von insgesamt vier Grönland-Expeditionen teil. Wegener selbst hielt diese Entscheidung für einen der bedeutendsten Wendepunkte in seinem Leben. Der Auftrag der Expedition unter Leitung des Dänen Ludvig Mylius-Erichsen war es, das letzte unbekannte Stück der grönländischen Nordostküste zu erforschen. Wegener baute die erste meteorologische Station in Grönland bei Danmarkshavn und ließ als Erster Drachen und Fesselballons für meteorologische Messungen im arktischem Klima aufsteigen. Wegener machte auch die erste Bekanntschaft mit dem Tod im Eis: Bei einer Erkundungsfahrt mit Schlittenhunden kam der Expeditionsleiter zusammen mit zwei Gefährten ums Leben.

Nach seiner Rückkehr 1908 wurde er bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs Privatdozent für Meteorologie, praktische Astronomie und kosmische Physik in Marburg (Lahn). 1909/10 arbeitete er an seinem Buch „Thermodynamik der Atmosphäre“, in dem er auch zahlreiche Ergebnisse der Grönlandexpedition verwertete. Seine Studenten und Mitarbeiter in Marburg schätzten besonders Wegeners Talent, auch komplizierte Fragen und aktuellste Forschungsergebnisse klar und verständlich zu vermitteln, ohne dabei auf Exaktheit zu verzichten. Diese Jahre gehören mit zu den wichtigsten Schaffensperioden Wegeners. Am 6. November 1912 stellte er bereits seine ersten Gedanken zur Kontinentalverschiebung in der Öffentlichkeit vor. In dieser Zeit traf er Else Köppen, die 1913 seine Frau wurde. Sie war die Tochter des bekannten Meteorologen Wladimir Köppen, der auch Wegeners Lehrer gewesen war.

Zweite Grönlandfahrt

Noch vor der Hochzeit nahm Wegener an einer zweiten Grönlandexpedition teil. Nach einem Zwischenstopp auf Island, wo sie die Ponys für den Lastentransport kauften und erprobten, gelangten sie wieder nach Danmarkshavn. Bevor man überhaupt mit dem Aufstieg auf das Inlandeis begonnen hatte, wäre die Expedition beinahe durch das Kalben eines Gletschers ausgelöscht worden. Beim Sturz in eine Gletscherspalte brach sich der dänische Expeditionsleiter Johan Peter Koch einen Unterschenkel und musste für Monate das Krankenlager hüten. Ansonsten verlief die erste jemals unternommene Überwinterung auf dem Inlandeis ohne Zwischenfälle. Die Expeditionsteilnehmer führten die ersten Eisbohrungen auf einem bewegten Gletscher in der Arktis durch und machten viele meteorologische Beobachtungen. Im Sommer 1913 folgte die Durchquerung des Inlandeises, auf der die vier Expeditionsteilnehmer eine doppelt so lange Strecke zurücklegten wie einst Fridtjof Nansen bei seiner Durchquerung Südgrönlands 1888. Nur wenige Kilometer von der westgrönländischen Siedlung Kangersuatsiaq entfernt gingen der kleinen Gruppe in den unwegsamen Gletscherabbrüchen die Nahrungsmittel aus, selbst das letzte Pony und der Hund wurden verspeist. Im letzten Moment wurden sie aber an einem Fjord vom Pastor von Upernavik aufgelesen, der gerade eine entlegene Gemeinde besuchte.

Nach seiner Rückkehr fand die Hochzeit mit Elsa Köppen statt, und das junge Paar zog nach Marburg, wo Wegener wieder seine Privatdozentur aufnahm.

Erster Weltkrieg

Als Reserveoffizier der Infanterie wurde Wegener bei Kriegsbeginn 1914 sofort eingezogen. Sein Kriegseinsatz an der Front in Belgien war mit heftigen Kämpfen verbunden, dauerte aber nur wenige Monate, da er nach zweimaliger Verwundung felddienstuntauglich geschrieben wurde. Danach wurde er dem Heereswetterdienst zugeteilt. Diese Tätigkeit erforderte ständiges Umherreisen zwischen den verschiedenen Wetterwarten in Deutschland, auf dem Balkan, an der Westfront und im Baltikum.

Dennoch erarbeitete er 1915 die erste Fassung seines Hauptwerks „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“. Wie sein Bruder Kurt dazu anmerkte, ging es Alfred Wegener dabei um die „Wiederherstellung der Verbindung zwischen der Geophysik einerseits und der Geographie und der Geologie andererseits, die durch die spezialisierte Entwicklung dieser Wissenschaftszweige vollständig abgerissen war“.

Das allgemeine Interesse an dem Bändchen war aber, auch wegen der herrschenden Kriegswirren, nur gering. Bis zum Ende des Krieges hatte Wegener ansonsten nahezu 20 meteorologische und geophysikalische Arbeiten publiziert, in denen er sich immer wieder auf wissenschaftliches Neuland begab.

Nachkriegszeit und letzte Grönlandfahrten

Nach dem Krieg zog Wegener mit seiner Frau und den beiden Töchtern nach Hamburg, wo er bei der Deutschen Seewarte als Meteorologe arbeitete. 1921 wurde er dort zum außerordentlichen Professor an der neu gegründeten Universität berufen.

1919 bis 1923 arbeitete Wegener sein Buch „Die Klimate der geologischen Vorzeit“ aus, in dem er versuchte, den neuen Wissenschaftszweig der Paläoklimatologie im Rahmen seiner Kontinentalverschiebungstheorie zu systematisieren.

1922 erschien die dritte, völlig neu bearbeitete Auflage seiner „Entstehung der Kontinente und Ozeane“. In dieser Zeit setzte auch die verstärkte Diskussion um seine Verschiebungstheorie ein, zunächst nur im deutschsprachigen Raum, dann auch international. Die Kritik in der Fachwelt war meist vernichtend.

1924 erhielt Alfred Wegener einen ordentlichen Lehrstuhl für Meteorologie und Geophysik in Graz, wo er endlich eine gesicherte Position für sich und seine Familie fand. Hier widmete er sich vor allem der Physik und der Optik der Atmosphäre sowie dem Studium der Tromben (Wirbelstürme). Die wissenschaftliche Auswertung seiner zweiten Grönlandexpedition (Eismessungen, atmosphärische Optik, etc.) verzögerte sich bis an das Ende der 1920er Jahre.

Im November 1926 fand in New York ein wichtiges Symposium der American Association of Petroleum Geologists zur Kontinentalverschiebungstheorie statt. Bis auf den Vorsitzenden verwarfen auch hier fast alle Beteiligten Wegeners Verschiebungstheorie. Drei Jahre später erschien die „Entstehung der Kontinente und Ozeane“ in der vierten, erweiterten und letzten Ausgabe.

1929 unternahm Wegener seine dritte Reise nach Grönland, die nur als Vorbereitung für die Hauptexpedition geplant war. Ziel war unter anderem die Erprobung der neuartigen Propellerschlitten. Die Hauptexpedition ein Jahr später unter Leitung Wegeners, auf der von drei festen Stationen aus die Mächtigkeit des Festlandeises und das ganzjährige Wetter gemessen werden sollte, stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Der Zeitverlust von 38 Tagen durch ungünstige Eisverhältnisse bei der Landung an der Weststation konnte im Folgenden nicht wieder aufgeholt werden. Bei dem erfolglosen Versuch, die Forschungsstation Eismitte (im wesentlichen eine in das Eis gegrabene Höhle) mit Lebensmitteln zu versorgen, kam Wegener vermutlich um den 16. November 1930 ums Leben. Todesursache war der Verzehr von Fleisch eines an Trichinen erkrankten Polarbären und eine nachfolgende Trichinose. Die Expedition wurde von seinem Bruder erfolgreich weitergeführt. Am 12. Mai 1931 fand man Wegeners sorgfältig angelegtes Grab im Eis. Sein grönländischer Begleiter Rasmus Villumsen blieb verschollen.

Wegeners Theorie der Kontinentalverschiebung

Alfred Wegeners Name wird immer mit der Theorie der Kontinentalverschiebung verbunden bleiben, die zu einer der wichtigsten Grundlagen für die heutige Plattentektonik werden sollte. Wegener war nicht der erste, dem der ähnliche Kurvenverlauf der afrikanischen West- und der südamerikanischen Ostküste auffiel. Als er aber im Herbst 1911 zufällig auf die paläontologischen Zusammenhänge zwischen Brasilien und Afrika aufmerksam wurde, keimte in ihm die Idee von einem Urkontinent, der zerbrochen war und dessen Teile danach auseinander drifteten. Bisher hatte man das Vorkommen bestimmter Fossilien auf verschiedenen Kontinenten mit der Landbrückentheorie erklärt. Man ging davon aus, dass die Lebewesen der Vorzeit auf solchen Landbrücken, ähnlich dem heutigen Isthmus von Panama, von einem Kontinent zum anderen gewandert seien.

In einem Brief vom 6. November an seinen Mentor Wladimir Köppen schreibt Wegener:

Wenn ich auch nur durch die übereinstimenden Küstenkonturen darauf gekommen bin, so muß die Beweisführung natürlich von den Beobachtungsergebnissen der Geologie ausgehen. Hier werden wir gezwungen, eine Landverbindung zum Beispiel zwischen Südamerika und Afrika anzunehmen, welche zu einer bestimmten Zeit abbrach. Den Vorgang kann man sich auf zweierlei Weise vorstellen: 1) Durch Versinken eines verbindenden Kontinents „Archhelenis“ oder 2) durch das Auseinanderziehen von einer großen Bruchspalte. Bisher hat man, von der unveränderlichen Lage jedes Landes ausgehend, immer nur 1) berücksichtigt und 2) ignoriert. Dabei widerstreitet 1) aber der modernen Lehre von der Isostasie und überhaupt unseren physikalischen Vorstellungen. Ein Kontinent kann nicht versinken, denn er ist leichter als das, worauf er schwimmt. [...] Warum sollten wir zögern, die alte Anschauung über Bord zu werfen?

Tatsächlich scheint diese Hypothese aber auch schon anderswo „in der Luft gelegen“ zu haben. Bereits am 29. Dezember 1908 hatte der nordamerikanische Geologe Frank B. Taylor in einem Vortrag vor der Geological Society of America behauptet, die Kontinente seien nicht abgesunken, sondern langsam auseinandergedriftet. Im Gegensatz zu Taylor (der später zu einem von Wegeners ersten Anhängern wurde) gelang es Wegener jedoch, seine Theorie auch durch vielfältige Untersuchungen in den verschiedenen Zweigen der Geowissenschaften zu untermauern.

Argumente gegen die alte Landbrückentheorie

Wegeners Vorstellungen über das Auseinanderdriften der Kontinente

Wegener wies zunächst auf die Unzulänglichkeiten des bisherigen geotektonischen Modells hin, das von der unveränderlichen Lage der Kontinente ausging („Fixismus“). Zum Beispiel erkannte er, dass die erst kürzlich entdeckte natürliche Radioaktivität den bisher angenommenen Wärmehaushalt des Erdkörpers völlig über den Haufen warf. Selbst bei nur mäßigem Vorkommen von radioaktiven Mineralen im Erdinneren würde ihre Wärmeentwicklung den bisher behaupteten unaufhaltsamen Erkaltungs- und Schrumpfungsprozess der Erde, der für die Auffaltung der Gebirgsketten und das Einsinken der Ozeanbecken verantwortlich gemacht wurde, unmöglich machen.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte man erkannt, dass die Kontinente aus vorwiegend granitischem Material (dem so genannten Sial) spezifisch leichter sind als die vorwiegend basaltischen Ozeanböden (Sima). Vor Wegener hatte aber niemand diese Idee bis zu Ende gedacht. Wenn die Kontinente (bzw. die bisher postulierten Landbrücken zwischen den Kontinenten) wirklich in einem isostatischem Gleichgewicht auf dem dichteren Material schwammen, dann konnten sie genau so wenig versinken wie ein Eisberg im Meer. Schließlich war ja auch bekannt, dass ganz Skandinavien von den riesigen Eismassen der letzten Eiszeit in den Untergrund gedrückt worden war, und heute konnte man an den fallenden Küstenlinien beobachten, wie es ganz von selbst langsam wieder auftauchte.

Ein weiteres Argument gegen die Landbrückentheorie lieferten die Echolot-Messungen des Forschungsschiffes Meteor von 1924 bis 1927 im Atlantik. Diese damals noch sehr junge Technologie lieferte genauere Informationen über die Topographie des Mittelatlantischen Rückens. Anstatt der erwarteten von Ost nach West verlaufenden und versunkenen Landbrücken zwischen den Kontinenten entdeckte man überraschenderweise einen von Nord nach Süd verlaufenden Gebirgszug in der Mitte des Ozeans.

Argumente für die Kontinentalverschiebung

Geologische Verbindungen über Ozeane hinweg

Zur Stützung seiner Theorie konnte Wegener die Ähnlichkeit von Gesteinsformationen in Indien, Madagaskar und Ostafrika anführen. Ein Gebirgszug in Südafrika schien seine Verlängerung in einem ähnlich aufgebauten Gebirge in Argentinien zu haben. Präkambrische Gesteine in Schottland entsprachen denen in Labrador auf der anderen Seite des Atlantiks. Auch die Faltengebirge in Norwegen und Schottland schienen sich in den Appalachen in Nordamerika fortzusetzen.

Paläontologie

Im Bereich der Paläontologie wurden Fossilien eines primitiven Zungenfarns (Glossopteris) samt der zugehörigen Flora sowohl in Afrika als auch in Brasilien gefunden. Eine fossile Schnecke (Helix pomata) kommt in Europa sowie im Osten Nordamerikas vor, aber nicht im Westen Nordamerikas.

Klimazeugen

Als Meteorologe befasste sich Wegener besonders mit der Geschichte des Klimas auf der Erde (Paläoklimatologie). Gerade auf diesem Gebiet sammelte er einige seiner wichtigsten Argumente: In der Antarktis hatte man Kohlevorkommen entdeckt, die sich fast nur unter tropischen Bedingungen bilden können. Auf Spitzbergen fanden sich tertiäre Fossilien von Bäumen, die heute im Mittelmeergebiet vorkommen. Im Jura existierten dort sogar tropische Pflanzen. Zur selben Zeit war die Sahara teilweise von Gletschern bedeckt.

Schlussfolgerungen Wegeners

Alle diese verwirrenden Befunde ließen sich erklären, wenn man die Existenz eines ehemaligen Urkontinents annahm, dessen Teile später auseinander drifteten. Wegener nannte ihn Pangäa. Ein besonders klares Beispiel liefert Wegeners Rekonstruktion der Klimazeugen in der Epoche der Permo-karbonen Eiszeit: Während sich die heute über alle Südkontinente verstreuten Vereisungsspuren (wie Moränen, Gletscherschliffe, und die kälteliebende Glossopteris-Flora) rund um den damaligen Südpol gruppieren, zeichnen die Salz- und Gipsablagerungen die subtropischen Trockengebiete nach. Die Kohlelagerstätten in Eurasien und Nordamerika gruppieren sich hingegen entlang der damaligen Äquatorialregion.

Die jungen Kettengebirge, wie die amerikanischen Kordilleren oder die Alpen, wären dann durch das Zusammenschieben der Gesteinsschichten an der Stirnseite der auseinander treibenden Kontinente entstanden, ähnlich wie eine „Bugwelle“. Das Auseinanderbrechen dieses Kontinents in einen nördlichen und südlichen Teil schätzte er auf einen Zeitpunkt vor etwa 200 Millionen Jahren.

Selbst die Rolle, welche den Mittelozeanischen Rücken in der heutigen Plattentektonik zukommt, hatte Wegener in gewisser Weise voraus geahnt:

Da wir für größere Gebiete doch auch am Boden der Tiefsee isostatische Kompensation annehmen müssen, so besagt der Unterschied [in der Tiefe] , daß die nach unserer Auffassung alten Tiefseeböden spezifisch schwerer sind als die jungen. Nun ist der Gedanke wohl nicht von der Hand zu weisen, daß frisch entblößte Simaflächen, wie der Atlantik oder westliche Indik, noch lange Zeit hindurch nicht nur eine geringere Riegheit [Starre] sondern auch eine höhere Temperatur [...] bewahren als die alten, schon ausgekühlten Meeresböden. Und eine solche Temperaturdifferenz würde [...] doch wahrscheinlich genügen, um die relativ geringfügigen Niveaudifferenzen der großen ozeanischen Becken untereinander zu erklären. Diese scheinen auch nahezulegen, die mittelatlantischen Bodenschwelle als diejenige Zone zu betrachten, in welcher bei der noch immer fortschreitenden Erweiterung des Atlantischen Ozeans der Boden desselben fortwährend aufreißt und frischem, relativ flüssigem und hoch temperiertem Sima aus der Tiefe Platz macht.

Allerdings muss betont werden, dass der Boden des Atlantiks für Wegener im Wesentlichen frisch entblößt war und nicht frisch gebildet. Und obwohl Wegener bereits spekulierte, dass es sich bei den großen Grabensystemen, wie dem ostafrikanischen Rift Valley, um die ersten Anfänge eines neuen Ozeans handeln könnte, so blieb ihm die Bedeutung der vulkanisch aktiven Spaltensysteme auf Island (also auf dem Mittelatlantischen Rücken) für die Kontinentaldrift verborgen.

Ursache der Kontinentaldrift

Das Problem an Wegeners Theorie war, dass es ihm nicht gelang, die wirkenden Kräfte plausibel zu machen. Er versuchte die Bewegungen der Erdplatten auf Zentrifugal- und Gezeitenkräfte zurückzuführen, die aber, wie der britische Astronom und Geophysiker Harold Jeffreys 1924 nachwies, dafür viel zu schwach sind. Auch konnten seine Gegner, wie der Leipziger Geologe Franz Kossmat, geltend machen, dass die ozeanische Kruste doch zu fest sei, als dass die Kontinente einfach „hindurchpflügen“ könnten, wie es Wegeners Theorie nahe zu legen schien.

In der letzten Ausgabe seiner „Entstehung der Kontinente und Ozeane“ griff Wegener bei der Suche nach den Ursachen der Drift aber bereits auf die Vorstellungen des Geologen und Geophysikers Robert Schwinner über thermisch bedingte Strömungen im Erdinnern zurück. Heute gelten solche Konvektionsströme tatsächlich als der wahrscheinlichste Motor der Plattentektonik.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Wegener erst so spät und so halbherzig auf dieses Konzept einging. Schließlich waren er und Schwinner viele Jahre lang Kollegen an der Universität Graz. Möglicherweise spielten Animositäten gegenüber dem persönlich schwierigen Schwinner mit; vielleicht begann Wegener aber auch schon, die allgemeine Ablehnung seiner Theorie durch die Geologen mit einer Ablehnung „der Geologen“ im Allgemeinen zu erwidern.

Weitere Leistungen

Geologie der Einschlagskrater

Der Berringer Crater bei Flagstaff (Arizona)

Wenig bekannt sind Wegeners Arbeiten auf dem Gebiet der Impaktforschung. Ein Meteorit, der 1916 in Hessen auftraf, veranlasste Wegener, sich mit Einschlagskratern zu beschäftigen, und er schrieb eine Abhandlung über die Entstehung der Mondkrater. Nach systematischen Experimenten mit Mörtelklumpen, die er auf Zementpulver fallen ließ, vertrat er die Meinung, die Mondkrater seien hauptsächlich von Meteoriten erzeugt worden. Mit dieser Ansicht war er ebenfalls seiner Zeit voraus.

Schon 1921 prognostizierte er, dass man in Zukunft noch viele Meteoritenkrater auch auf der Erde nachweisen würde. Zu dieser Zeit war nur der Barringer Crater bei Flagstaff (Arizona) bekannt, und selbst dieser wurde erst 1930 allgemein als Einschlagskrater anerkannt. Wegener selbst identifizierte und beschrieb 1927 den Krater auf der Insel Ösel (heute Saaremaa, Estland). Dies war damals der vierte Meteoritenkrater, der weltweit bekannt war.

Meteorologie

Daneben forschte Wegener vor allem auf dem Gebiet der Meteorologie und befasste sich insbesondere mit der Physik der Atmosphäre. Er führte als erster das Konzept der Turbulenz in die Meteorologie ein und entwickelte das Konzept der geschichteten Atmosphäre. Außerdem beschrieb er als erster korrekt das Prinzip der Fata Morgana als Lichtspiegelung an unterschiedlichen Luftschichten und untersuchte die Entstehung von Wolken und Tornados sowie die Zusammensetzung der Luft in höheren Atmosphärenschichten.

Wirkung

Ablehnung

Wegeners Theorie von der Verschiebung der Kontinente blieb zu seinen Lebzeiten immer umstritten und geriet nach seinem Tod rasch in Vergessenheit. Nur wenige Wissenschaftler, wie der Paläogeograph Edgar Dacqué, oder der Belgrader Astronom Milutin Milankovic, unterstützten Wegener von Anfang an. Andere Kollegen sprachen eher von „Gedankenspielerei, Phantasiegebilden“, oder gar von „Fieberfantasien der von Krustendrehkrankheit und Polschubseuche schwer Befallenen“. Einer der wohlmeinenderen Kritiker, der Direktor des französischen Amtes für geologische Landesaufnahme, Pierre-Marie Termier, meinte zumindest: „Seine Theorie ist ein wundervoller Traum der Schönheit und Anmut, der Traum eines großen Poeten.

In Deutschland war besonders die Ablehnung durch die damals maßgeblichen Geologen Hans Stille und Hans Cloos entscheidend. Während Stille bis zu seinem Tod 1966 ein entschiedener Gegner des Wegenerschen „Mobilismus“ blieb, war Cloos zumindest von Wegeners Persönlichkeit beeindruckt und unterstützte ihn nach Kräften bei der Aufarbeitung der geologischen Fachliteratur.

Da Wegener sich stets der Solidität seiner Theorie sicher war, nahm er selbst die teilweise sehr unsachliche Kritik mit einer erstaunlichen Gelassenheit hin, die ihn auch auf seinen Grönlandexpeditionen ausgezeichnet hatte. Außerdem durchschaute er die Motive seiner Kritiker:

Die Leute, die so recht darauf pochen, auf dem Boden der Tatsachen zu stehen und mit Hypothesen durchaus nichts zu tun haben wollen, sitzen doch allemal selbst mit einer falschen Hypothese drin [...] Hätten sie die Verschiebungstheorie schon auf der Schule gelernt, so würden sie sie mit demselben Unverstand in allen, auch den unrichtigen Einzelheiten, ihr ganzes Leben hindurch vertreten, wie jetzt das Absinken von Kontinenten.

Späte Rehabilitation

Tatkräftige Unterstützung erfuhr Wegener nur von dem südafrikanischen Geologen Alexander Du Toit, der sich intensiv mit der Vereisungsgeschichte der Südkontinente befasst hatte, und der bei einem fünfmonatigen Aufenthalt in Südamerika zahlreiche Pflanzen- und Tierfossilien entdeckt hatte, die er aus Südafrika kannte. In seinem 1937 erschienen Buch Our Wandering Continents (Unsere wandernden Kontinente), das er Wegener widmete, wich er jedoch von der ursprünglichen Theorie ab und postulierte zwei Urkontinente, den Südkontinent Gondwanaland, und den Nordkontinent Laurasia.

Der irische Physiker und Geologe John Joly und der schottische Geologe Arthur Holmes befassten sich mit den Kräften, die die Kontinentalverschiebung bewirkten konnten, und verbesserten, unter Einbeziehung älterer Arbeiten der Österreicher Otto Ampferer und Robert Schwinner, das Modell der Konvektionsströmungen.

Weitere Untersuchungen nach dem Zweiten Weltkrieg, wie die seismische Messung der Mächtigkeit von Meeresbodensedimenten durch den amerikanischen Geophysiker Maurice Ewing, bestätigten Wegeners Annahmen über das junge Alter der Ozeanböden. Die von Forschungsschiffen Anfang der 1960er Jahre entdeckten Zonen der Ozeanbodenspreizung, an denen neue ozeanische Kruste zwischen den auseinanderdriftenden Kontinenten gebildet wird, lieferten einen weiteren Hinweis zum Verständnis der tektonischen Vorgänge.

Der britische Geophysiker Edward Bullard fand zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen Arthur Maxwell heraus, dass der Wärmefluss in der ozeanischen Kruste (und besonders an den Mittelozeanischen Rücken) deutlich höher war als in kontinentaler Kruste, so wie Wegener es vorausgesagt hatte.

Nach den Erkenntnissen des amerikanischen Geophysikers Hugo Benioff über die Natur der Tiefseerinnen am Rand des Pazifiks und den paläomagnetischen Messungen der britischen Wissenschaftler Patrick Blackett und Keith Runcorn, deren Rekonstruktionen der Lage des Nordpols im Lauf der Erdgeschichte nur Sinn ergab, wenn Europa und Nordamerika einstmals zusammen lagen und dann auseinder gedriftet waren, begann der amerikanische Geologe Harry Hess in den 1960er Jahren alle diese einzelnen Puzzlesteine zusammen zu setzen. Ab den 1970er Jahren ist die aus diesen Untersuchungen hervor gegangene Plattentektonik in Wissenschaftskreisen allgemein anerkannt.

Der schon von Wegener geforderte direkte Nachweis der Kontinentalverschiebung konnte mittlerweile durch satellitengeodätische Messungen erbracht werden.

Trivia

Für die Teilnehmer an seinen letzten Grönlandexpeditionen entwarf Wegener Spezialkleidung nach dem Vorbild des grönländischen Anorak. Dieses Modell wurde später im Wesentlichen in der europäischen Wintersportmode übernommen.

Seine Tochter Lotte Wegener heiratete 1938 den berühmten Bergsteiger Heinrich Harrer.

In Anerkennung von Wegeners wissenschaftlichen Verdiensten wurde der Asteroid (29227) Wegener nach ihm benannt.

Werke

  • Thermodynamik der Atmosphäre, 1911 und 1924
  • Die Entstehung der Kontinente und Ozeane, 1. Aufl. 1915, in weiteren erweiterten Auflagen bis zur 4. Aufl. 1929. (Nachdrucke siehe unten)
  • Wind- und Wasserhosen in Europa, 1917. (Online digitalisiert unter [1])
  • Das detonierende Meteor vom 3. April 1916, 3 1/2 Uhr nachmittags in Kurhessen, 1917 und 1918
  • Der Farbenwechsel grosser Meteore, 1918
  • Durch die weiße Wüste, 1919
  • Theorie der Haupthalos, 1926
  • Versuche zur Aufsturztheorie der Mondkrater, 1920
  • Die Entstehung der Mondkrater, 1921
  • Pilotballonaufstiege auf einer Fahrt nach Mexiko März bis Juni 1922
  • Vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929
  • Vorlesungen über Physik der Atmosphäre, 1935
  • Mit Motorboot und Schlitten in Grönland, 1935

Nachdrucke

  • Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Nachdruck der Ausgabe Vieweg, Braunschweig 1915. Mit handschriftlichen Bemerkungen von Alfred Wegener, Notizen und Briefen sowie neu erstelltem Index. Nachdruck der 4., umgearb. Aufl. Ausgabe Vieweg, Braunschweig 1929. Mit neu erstelltem Index. Hrsg. vom Alfred-Wegener-Instititut für Polar- und Meeresforschung. Borntraeger, Berlin 2005. ISBN 3-443-01056-3
  • Alfred Wegener: Das detonierende Meteor vom 3. April 1916, 3 1/2 Uhr nachmittags in Kurhessen. Nachdruck der Ausgaben von 1917 und 1918. Elwert, Marburg 2001. ISBN 3-7708-1160-7
  • Alfred Wegener: Alfred Wegeners vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929. Akademische Druck- und Verl.-Anst., Graz 1980. ISBN 3-201-01128-2

Literatur

  • Hermann Günzel: Alfred Wegener und sein meteorologisches Tagebuch der Grönland-Expedition 1906–1908, Schriften der Universitätsbibliothek Marburg 59, Universitätsbibliothek, Marburg 1991. ISBN 3-8185-0091-6
  • Christine Reinke-Kunze: Alfred Wegener: Polarforscher und Entdecker der Kontinentaldrift, Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1994. ISBN 3-7643-2946-7
  • Klaus Rohrbach: Alfred Wegener, Erforscher der wandernden Kontinente, Freies Geistesleben, Stuttgart 1993. ISBN 3-7725-1103-1
  • Martin Schwarzbach: Alfred Wegener und die Drift der Kontinente, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1980. ISBN 3-8047-0582-0
  • Ulrich Wutzke: Durch die weiße Wüste. Leben und Leistungen des Grönlandforschers und Entdeckers der Kontinentaldrift Alfred Wegener, Perthes, Gotha 1997. ISBN 3-623-00354-9

Siehe auch

Weblinks