Ilja Richter

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Februar 2017 um 13:40 Uhr durch 46.235.158.77 (Diskussion) (2017: Ilja Richter sing Georg Kreisler, de.neidig.org/ilja-richter-singt-georg-kreisler). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ilja Richter bei einer Lesung in Leipzig, 2013

Ilja Richter (* 24. November 1952 in Berlin) ist ein deutscher Schauspieler, Synchronsprecher, Sänger und Fernsehmoderator.

Leben

Ilja Richter wurde als drittes Kind von Eva und Georg Richter in Berlin-Karlshorst geboren. Der Vater war damals Kommunist, die jüdische Mutter hatte mit gefälschter „arischer“ Identität die Zeit des Nationalsozialismus überlebt.[1] Sie benannten den Sohn nach Ilja Ehrenburg. Nachdem die Familie in der DDR politisch in Schwierigkeiten geraten war, zog sie 1953 nach West-Berlin. Dort pachteten die Eltern eine Gaststätte. 1955 wurde Iljas Schwester Janina geboren, und 1959 siedelte die Familie nach Köln über. Auch dort betrieben die Richters eine Gaststätte, zogen aber 1961 zurück nach West-Berlin, wo sie eine Pension eröffneten. Die Mutter, eine ehemalige Schauspielerin, brachte Ilja zum Vorsprechen zum SFB.

Ilja Richter war von 1975 bis 1978 mit der Sängerin Marianne Rosenberg liiert, was seit Anfang der 1980er Jahre bekannt ist. Bis Februar 2004 war er mit der Filmeditorin Stephanie von Falkenhausen verheiratet. Sein Sohn (* 2001) entstammt einer Beziehung mit einer französischen Maskenbildnerin. Ilja Richter lebt und wohnt in Berlin.[2]

Der Fernsehfilm Gott und die Welt. Grenzgänge mit Ilja Richter[3] dokumentiert die komplizierte Auseinandersetzung Ilja Richters mit seinen jüdischen Wurzeln.[4]

Karriere

Der RIAS, ein West-Berliner Radiosender, engagierte den talentierten Sprecher und Sänger, als er acht war. Seine erste Sprecherrolle war das „Mäuschen Kukuruz“ in dem Hörspiel Schwarz auf weiß von Ephraim Kishon, in dessen Fernsehverfilmung er 1963 an der Seite von Edith Hancke zu sehen war. Damit war ein Kinderstar entdeckt, der in der Folgezeit an über 60 Hörspielen des RIAS mitwirkte und für Kinderrollen an die Berliner Theater weiterempfohlen wurde.

Seine erste Bühnenrolle bekam Ilja Richter 1961 in Belvedere am Berliner Renaissance-Theater mit Viktor de Kowa in der Hauptrolle. Er besuchte eine Privatschule. 1963 übernahm er eine kleine Rolle in dem Musical Annie Get Your Gun am Theater des Westens. Die Hauptrolle spielte Heidi Brühl. 1966 trat er mit Vico Torriani – ebenfalls im Theater des Westens – in dem Singspiel Im weißen Rößl auf. Seine Begabung fand viel Beachtung, als er 1966 in dem Zwei-Personen-Stück Freunde und Feinde als Partner von Martin Held spielte.

Richter spielte 1967 in der ZDF-Fernsehserie Till, der Junge von nebenan mit. Als 16-Jähriger übernahm er ab Februar 1969 (zusammen mit Suzanne Doucet) die Co-Moderation der Musiksendung 4-3-2-1 Hot & Sweet im ZDF. Es sollte die Antwort des ZDF auf den Beat-Club der ARD sein. Ein Unterschied zum Stil des Beat-Clubs war, dass Ilja Richter – in deutlichem Kontrast zu der Art, wie Jugendliche sich damals kleideten – öfter in Sakko mit Krawatte und Bügelfaltenhose auftrat. Gedreht wurde in Berlin. Ab 1970 moderierte Richter die Musiksendung alleine.

Am 13. Februar 1971 wurde daraus Disco. Richters Sprüche („Licht aus! Whoom! Spot an! Jaaa …!“) waren damals geflügelte Worte. Disco erreichte hohe Einschaltquoten. Wegen des Erfolgs kam die Sendung bald ins Abendprogramm.

Das Außergewöhnliche an der Sendung war, dass Interpreten völlig unterschiedlicher Musikrichtungen (Schlager, Pop, Rock) nacheinander auftraten. Zwischen den Musikdarbietungen wurden vorher aufgezeichnete Sketche eingespielt, in denen Ilja Richter, als deutlicher Enthusiast der Operette, häufig überbetonend und mit affektierter Körpersprache, meist vorhersehbare Kalauer darbot.[5][6][7][8]

Insgesamt blieb Richter mit Disco elf Jahre im Programm. Im November 1982 wurde das Format eingestellt. 1975 hatte Ilja Richter den „Bravo Otto“ bekommen. Noch 1997 wurde Disco in der 100. Folge von Kalkofes Mattscheibe bei Premiere parodiert.

Im Jahr 1978 produzierte der Tucholsky-Liebhaber Richter mit der Schauspielerin Ursela Monn das Album Riekes Jesäng mit Berliner Chansons.

Danach arbeitete er als Schauspieler und Regisseur. Den Einstieg dazu fand er in der Berliner Komödie Treppauf–Treppab und ging mit diesem Stück im Herbst 1983 auch auf Tournee, wobei es für das Fernsehen aufgezeichnet und 1984 ausgestrahlt wurde. Sein bekanntester Auftritt war das Ein-Personen-Stück Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht auf von Bodo Kirchhoff in der Regie von Detlef Altenbeck. Eine Zeit lang war Richter Mitglied des Ensembles des Bremer Schauspielhauses. Als Holzwurm in der Oper schuf er mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft Opernnacherzählungen.

Von 1985 bis 1987 war er Kolumnist bei der taz und der Hamburger Morgenpost.

Richter betätigt sich auch als Synchronsprecher, vor allem für Trickfilme. Zu den bekanntesten Figuren, denen er seine Stimme lieh, zählen das Erdmännchen Timon aus dem Disney-Film Der König der Löwen, Graf Duckula aus der gleichnamigen Zeichentrickserie und Mike Glotzkowski aus den Disney-Filmen Die Monster AG und Die Monster Uni.

Neben seiner Autobiografie (Spot aus! Licht an!) veröffentlichte Ilja Richter das Buch Der deutsche Jude, in dem er sich gemeinsam mit seiner Mutter ironisch mit der deutsch-jüdischen Geschichte auseinandersetzt. Sein auch als Hörbuch veröffentlichtes Buch Bruno – von Bären und Menschen (September 2007) ist eine Parabel über den 2006 erschossenen „Problembären“ Bruno. Am 8. Mai 2013 veröffentlichte er Du kannst nicht immer 60 sein. Mit einem Lächeln älter werden.

Im Jahr 2011 hatte die ZDF-Disco ihr 40-jähriges Jubiläum, Ilja Richter ging auf eine „disco Tour“.[9] Anlässlich des Jubiläums veröffentlichte Sony Music mehrere CDs und DVDs, die teilweise in den Charts vertreten waren. Außerdem produzierte Ilja mit seinem Sohn Kolja die Kinderplatte „Die kleine Schnecke“. 2012 nahm Richter mit „Die letzte disco tour“ Abschied von der „disco“-Bühne.

Auszeichnungen

Filmografie

Filmsynchronisation

Theater und Musicals

Ilja Richter bei den Proben zu seinem Stück Altweibersommer am Münchner Volkstheater, 1998
  • 1961: Belvedere
  • 1962: Fußgänger der Luft
  • 1966: Freunde und Feinde
  • 1967: Im weißen Rössl
  • 1982: Treppauf-Treppab
  • 1983: Sweet Charity
  • 1984: Wie man was wird im Leben, ohne sich anzustrengen
  • 1984: Der reinste Wahnsinn
  • 1985: Nur keine Panik
  • 1987: Häuptling Abendwind … als Friseur
  • 1987: Designern gibts der Herr im Schlaf
  • 1988: Augenblicke für Feinde und Freunde
  • 1990: Schergen bringen Glück
  • 1990: Die Möwe … als Medwedenko
  • 1992: Sommernachts-Sexkomödie
  • 1992: Die Hose
  • 1992: Stepping Out
  • 1993: Lasst uns endlich anfangen
  • 1995: Der Ansager einer Stripteasenummer gibt nicht aufDüsseldorfer Schauspielhaus
  • 1996: Das Kryptogramm – Düsseldorfer Schauspielhaus
  • 1997: Zuständ wie im alten RomTheater des Westens, Berlin
  • 1998: The Black RiderRenaissance Theater Berlin und Bad Hersfelder Festspiele … als Teufel
  • 1998: AltweibersommerMünchner Volkstheater
  • 2000/2001: Chicago – Theater des Westens, Berlin … als Amos Hart
  • 2001: Der SnobWestfälisches Landestheater
  • 2001/2002: Mord auf Rezept – Kleine Komödie am Max II, München und Theater am Kurfürstendamm, Berlin … als Dr. Flemming
  • 2003–2005: Galanacht – Komödie am Winterhuder Fährhaus, Hamburg
  • 2003–2006: My fair lady – Tournee … als Prof. Henry Higgins
  • 2004: Hohner – das Musical – Trossingen … als Liquidator
  • 2004/2005: Pinkelstadt – das Musical … als Werdmehr von Mehrwerth
  • 2005: Jedermann – Ital-Reding-Hofstadt, Schweiz und im Berliner Dom … als Mammon
  • 2006: Verrückte muss man gar nicht erst in Stimmung bringen – Tournee
  • 2006–2008: Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran – Tournee … als Momo
  • 2007: Monsieur Ibrahim und die Blumen des KoranErnst-Deutsch-Theater Hamburg … alle Rollen
  • 2007: Blattschuss (Düsseldorf) … als Ehemann
  • 2007: Ilja Richter erinnert sich – Show oder So
  • 2007: Nibelungen Festspiele-Worms … als Rüdiger von Bechelaren
  • 2007: AIDS Gala-Hamburg
  • 2007: Verrückte muss man gar nicht erst in Stimmung bringen
  • 2007: Kiss me, Kate – Duisburg
  • 2007: Hello, Dolly! – Tournee
  • 2008: Richard III.
  • 2008: Nibelungen Festspiele-Worms … als Rüdiger von Bechelaren
  • 2010: Monsieur Ibrahim und die Blumen des KoranSchlossparktheater Berlin
  • 2011: Sechzehn VerletzteAltes Schauspielhaus Stuttgart
  • 2011: Komiker aus VersehenKomödie im Marquardt in Stuttgart
  • 2016: My Fair Lady – Bad Hersfelder Festspiele[12]
  • 2017: Ilja Richter singt Georg Kreisler - Tournee

Hörspiele

  • 1989 – Graf Duckula
  • 1994 – König der Löwen (Teile 1, 2 und 3), als Timon
  • 1999 – Tobias Totz und sein Löwe, als Nashorn
  • 2001 – Der Holzwurm der Oper erzählt
  • 2003 – Die drei ???: Gefährliches Quiz (Folge 109), als Nick Nobel
  • 2003 – TKKG: Argentinische Entführung
  • 2004 – Artemis Fowl als Foaly
  • 2005 – Große Geschichten neu erzählt – Alice im Wunderland, als Erzähler
  • 2006 – Kabale und Liebe von Friedrich von Schiller, als Hofmarschall von Kalb, MDR, auch als Hörbuch
  • 2008 – Der Räuber Hotzenplotz – Die grosse 6 CD-Hörspielbox, als Petrosilius Zwackelmann
  • 2009 – Radio Tatort – Kaltfront, als Paul Breitner
  • 2014 – Der Mentor von Daniel Kehlmann, als Erwin Wangeroth, MDR/ORF/WDR, auch als Hörbuch

Hörbücher

  • 2003 – Schiffbruch mit Tiger
  • 2004 – Bambiland
  • 2005 – Die Hintergründe zu den Helsinki Roccamatios
  • 2005 – Die Bären-Strategie
  • 2006 – Groß ist die Welt
  • 2006 – Gedichte von Ringelnatz
  • 2007 – Bruno – von Bären und Menschen, Gugis, Lahr 2007, ISBN 978-3-939461-24-1.

Schallplatten (Auswahl)

  • 1961 – Schokolade, Pfefferminz, saure Drops
  • 1961 – Lausbubentwist
  • 1961 – Ich möchte am Broadway Blümchen pflücken
  • 1969 – Tip-Tap in die Tulpen
  • 1970 – Ich hol' dir gerne vom Himmel die Sterne
  • 1972 – Eine Goldmedaille für deine Supertaille
  • 1977 – Tip-Tap in die Tulpen (Neuversion)
  • 1979 – Liebe im Büro
  • 1984 – Liebeslied
  • 1999 – disco CD Reihe
  • 2011 – 40 Jahre ZDF disco CD und DVD Serie
  • 2012 – Best Of disco Buch und CD Reihe

Bücher

  • Star-Szene ’77. 1000 Top-Stars präsentiert von Ilja Richter, Verlagsgesellschaft für Nachschlagewerke, Taunusstein 1977.
  • Eva Richter, Ilja Richter: Der deutsche Jude. In: Bibliothek der deutschen Werte. Droemer Knaur 2766 Satire, München 1993, ISBN 3-426-02766-6.
  • Ilja Richter, Harald Martenstein: Meine Story. dtv 2001, ISBN 3-423-20436-2 (Originaltitel: Spot aus! Licht an! – Meine Story. Hoffmann und Campe, Hamburg 1999, ISBN 3-455-11277-3).
  • Ilja Richter, Viola Roggenkamp: Meine Mamme. Mit einem Essay über nachgeborene Juden in Deutschland und ihr Erbe, Fischer 16740, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16740-1.
  • Ilja Richter, Erich Rauschenbach (Illustrator): Bruno – Von Bären und Menschen. Boje, Köln 2007, ISBN 978-3-414-82047-1.
  • Du kannst nicht immer 60 sein. Mit einem Lächeln älter werden Riva, München 2013, ISBN 978-3-86883-294-5
Commons: Ilja Richter – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Dieter Bartetzko: Ilja Richter: Das große traurige Kind. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 270, 19. November 2012, S. 30.
  2. „Disco“-Moderator Ilja Richter feiert Sechziger. In: nachrichten.at. OÖ. Online GmbH, 22. November 2012, abgerufen am 22. November 2012.
  3. daserste.de (Memento vom 16. September 2015 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt Grenzgänge mit Ilja Richter. ARD
  4. Spurensuche. Der Fünf-Minuten-Jude. Wie der Schauspieler Ilja Richter seine jüdischen Wurzeln entdeckt. In: juedische-allgemeine.de Aktualisierung am 10. Juni 2016
  5. Wiebke Brauer: Legendäre TV-Show. Als Disco nach Deutschland kam. In: Spiegel Online. 20. Oktober 2008, abgerufen am 4. Juni 2015: „Ilja Richter, der Störfaktor zwischen den heißen Hits, dessen operettenhafte Einlagen ein Odeur von Rentnerhumor verströmen: Richter verkleidet sich als Nana Mouskouri, er singt auf einem Surfbrett stehend auf dem Canale Grande in Venedig ‚Heiße Chosen aus Athen‘. Kein Witz scheint zu flach, kein Kalauer zu brachial. In der Praxis von Dr. Sigmund Freudlos wird ‚Hokus Pokus Ödipus‘ gezaubert. Eine Frau kreischt, Ilja Richter ruft: ‚Vorsicht Glas‘, und aus einem zerberstenden Glaskasten entsteigt – die Uschi Glas. Spießiger geht es kaum.“
  6. Gunda Bartels: Quasselstrippe mit Charakter. In: Tagesspiegel.de. 23. Dezember 2012, abgerufen am 4. Juni 2015: „Der Mann ist eine Nervensäge. War er schon immer. Dieser Wortschwall, diese Manierismen, das Aufgedrehte und die Kalauer, kurzum – keiner entkommt der Welle, die der komische Ilja Richter macht.“
  7. Disco mit Ilja Richter. Abgerufen am 4. Juni 2015: „Die Sketche zeichnete eine verheerende Experimentierfreude mit der neuen Technik der Blue Box aus, die Moderationen ein skrupelloser Hang zum Kalauer um jeden Preis.“
  8. Veronika Immler, Antje Steinhäuser: Sie sind der Meinung das war spitze!: Als sich Käseigel und John Boy Walton im Partykeller Gute Nacht sagten. 1. Auflage. mvg Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86882-156-7, S. 13 (Leseprobe als PDF beim Verlag).
  9. Dominante Mutter triezte Ilja Richter zum Erfolg, welt.de, 10. Juni 2013
  10. goldenekamera2016.de: Preisträger 1978
  11. a b Archiv der ECHO Klassik Gewinner zuletzt abgerufen am: 2. Februar 2014
  12. hna.de: Bad Hersfelder Festspiele: „My Fair Lady“ feiert Premiere. In: hna.de. 7. Juli 2016, abgerufen am 16. Juli 2016.