Benutzer:Arne Müseler/Baustelle 5

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Tagebau Garzweiler (I und II)
Allgemeine Informationen zum Bergwerk
Tagebau Garzweiler
Andere Namen Grube Neurath
Abbautechnik Tagebau auf 30,96 km²
Abraum pro Jahr 175–225 Mio. t
Förderung/Jahr 35–40 Mio. t
Informationen zum Bergwerksunternehmen
Betreibende Gesellschaft RWE Power
Beschäftigte 1.725
Betriebsbeginn vor 1940 (Grube Neurath), 1987 (Zusammenschluss zu Großtagebau Garzweiler), 2006 (Garzweiler II)
Betriebsende 2038 (geplant)[1]
Nachfolgenutzung Rekultivierung, Restsee
Geförderte Rohstoffe
Abbau von Braunkohle/Braunkohle/Braunkohle
Braunkohle

Flözname

Garzweiler
Mächtigkeit 9 m
Braunkohle
Abbau von Braunkohle

Flözname

Frimmersdorf
Mächtigkeit 10 m
Braunkohle
Abbau von Braunkohle

Flözname

Morken
Mächtigkeit 11 m
Größte Teufe 250 m
Geographische Lage
Koordinaten 51° 3′ 50″ N, 6° 30′ 7,3″ OKoordinaten: 51° 3′ 50″ N, 6° 30′ 7,3″ O
Tagebau Garzweiler (I und II) (Nordrhein-Westfalen)
Tagebau Garzweiler (I und II) (Nordrhein-Westfalen)
Lage Tagebau Garzweiler (I und II)
Standort Garzweiler
Gemeinde Bedburg, Grevenbroich, Jüchen, Erkelenz und Mönchengladbach
Landkreis (NUTS3) Rhein-Kreis Neuss, Kreis Heinsberg
Land Land Nordrhein-Westfalen
Staat Deutschland
Revier Rheinisches Braunkohlerevier

Der Tagebau Garzweiler ist ein Braunkohle-Tagebau der RWE Power (bis 2003 der RWE Rheinbraun AG) im nördlichen Rheinischen Braunkohlerevier. Das Abbaugebiet erstreckt sich zwischen den Städten Bedburg, Grevenbroich, Jüchen, Erkelenz und Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen.

Tagebau Garzweiler
Rheinisches Braunkohlerevier
Schaufelradbagger 258 im Tagebau

Der Großtagebau Garzweiler (später Garzweiler I genannt) entstand im Jahre 1983 durch den Zusammenschluss der Abbaufelder Frimmersdorf-Süd sowie Frimmersdorf-West. Frimmersdorf-Süd war um 1960 aus dem Zusammenschluss der Gruben Neurath und Heck hervorgegangen, deren Abbaugeschichte bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreicht.[2] Der Abbau durch das RWE-Tochterunternehmen Rheinbraun erfolgte zunächst im ersten von zwei als Garzweiler I und II bezeichneten Abschnitten. Garzweiler I betrifft ein 66 Quadratkilometer großes Gebiet östlich der ursprünglichen Trasse der Autobahn A 44, das Abbaugebiet Garzweiler II betrifft ein Gebiet direkt westlich von Garzweiler I einschließlich der ursprünglichen Autobahntrasse und ist 48 Quadratkilometer groß.

Am 31. März 1995 genehmigte die nordrhein-westfälische Landesregierung (Kabinett Rau IV) den Braunkohlenplan Garzweiler II. Sechs Wochen später ergab die Landtagswahl zur 12. Wahlperiode einen Verlust der absoluten SPD-Fraktionsmehrheit. In der Folge wurde erstmals in der Landesgeschichte eine Koalition von SPD und B’90/Die Grünen (Kabinett Rau V) gebildet. Indes sollte die Koalitionsbildung hinsichtlich der Braunkohleförderung und -verstromung wesentliche Probleme zeitigen.

Aufgrund von Nacharbeiten ist der geplante Tagebau Garzweiler II durch den Bergbaubetreibenden verkleinert worden: Ursprünglich war ein Flächenbedarf von 68 Quadratkilometer vorgesehen, d. h. Abbaggerung bis zur A 46 bei Erkelenz und Hochneukirch[3], später wurden nur noch 48 Quadratkilometer beansprucht. Die Dörfer Venrath, Kaulhausen, Wockerath und Kückhoven auf Erkelenzer Gebiet und der Mönchengladbacher Stadtteil Wanlo werden somit nicht abgebaggert.

Der Koalitionsvertrag von SPD und B’90/Die Grünen aus dem Jahre 1995 ließ die endgültige Entscheidung über Garzweiler II bis zum Jahr 2000 offen und schrieb damit den Status quo trotz Widerstands des zahlenmäßig kleineren Koalitionspartners gegen dieses Projekt fest.[4]

Während B’90/Grüne als einzige Fraktion während der 12. Landtags-Wahlperiode geschlossen gegen das Projekt opponierte, war Garzweiler II innerhalb der Fraktionen von CDU und SPD hochumstritten. Allerdings ist der Widerstand innerhalb der CDU-Fraktion nie während Ausschusssitzungen oder gar plenarisch artikuliert worden.[5] Der damalige stellvertretende nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Christoph Zöpel, seinerzeit Bundestagsabgeordneter, opponierte indes gegen das Projekt und sagte: „Garzweiler II ist ein Anachronismus“;[6] Vertreter von SPD-nahestehenden Industrie-Gewerkschaften unterstützten das Projekt Garzweiler II.[7] Die Fraktion von B’90/Die Grünen scheiterte 1997 mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Genehmigung von Garzweiler II noch während der 12. Wahlperiode.[8]

Am 18. Juni 2006 – seit Juni 2005 regierte eine Koalition von CDU und FDP unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers – griffen die Schaufelradbagger auf das neue Gebiet über. Betroffen ist erstmals die Stadt Erkelenz (Kreis Heinsberg), wo mit 40 Quadratkilometern annähernd ein Drittel der Gemeindefläche genutzt wird. Zusätzliche 6,5 Quadratkilometer liegen auf dem Gebiet der Stadt Jüchen und etwa 1,5 Quadratkilometer auf dem Gebiet der Stadt Mönchengladbach, erstmals hat der Tagebau den Abbaunorden vollends ergriffen.

2005/06 wurde im Tagebau Garzweiler der größte geogeschichtliche Lackabzug durchgeführt.

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 prägte die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2013 energiepolitisch grundlegend. Die angestrebte Energiewende sowie der Preisverfall im Strom-Großhandel, seit Mai 2013 zusätzlich der fast verdoppelte Preis für CO2-Emissionsrechte[9] haben RWE zu einem Strategiewechsel geführt. Im Herbst 2013 spekulierte RWE öffentlich, elf der Braunkohlekraftwerk-Blöcke stillzulegen[10] (Ein Kraftwerk hat mehrere Blöcke; zum Beispiel hat das Kraftwerk Niederaußem neun Blöcke. Sie sind unabhängig voneinander betreibbar). Daraufhin kündigte die Stadt Erkelenz am 9. Oktober 2013 in einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das sofortige Ende der Vorbereitung von weiteren Umsiedlungen an.[11]

Im März 2014 kündigte die rot-grüne NRW-Landesregierung an, die zukünftige Tagebaufläche zu verkleinern. Es werde angestrebt, das sogenannte Abbaugebiet 4 mit den Ortschaften Holzweiler und Dackweiler fortan den Abbauplänen anzupassen.[12] Im Juli 2016 entschied die NRW-Landesregierung dann endgültig, das Abbaugebiet von Garzweiler II zu verkleinern.[13]

Geologie der Lagerstätte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Garzweiler II besitzt nach geologischen Schätzungen Reserven von 1,3 Milliarden Tonnen. Die Braunkohle entstand aus weitflächigen Wäldern und Mooren, die sich in der Niederrheinischen Bucht vor 30 bis vor 5 Millionen Jahren entwickelten. Die Geologie der Niederrheinischen Bucht ist gekennzeichnet durch langanhaltende Senkungsbewegungen in den letzten 30 Millionen Jahren, die zur Ablagerung eines bis zu 1300 m mächtigen Sedimentpaketes durch die Nordsee und durch viele Flüsse geführt haben, in dem sich heute bis zu 100 m mächtige Braunkohleflöze befinden.

Nutzung der Kohle

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die in Garzweiler abgebaute Braunkohle wird überwiegend in den Kraftwerken der Region verbrannt, der Transport von Garzweiler zum Kraftwerk Frimmersdorf und zum Kraftwerk Neurath erfolgt sowohl über die auch als Nord-Süd-Bahn bekannte Eisenbahnstrecke der RWE Power AG als auch per Bandförderung.

teilweise abgerissene A 61

Zwei Autobahnen liegen im geplanten Tagebaugebiet: die A 44 und die A 61. Die A 44 wurde im Oktober 2005 für den Verkehr gesperrt und bis Juni 2006 abgetragen. Die A 61, die seit der Sperrung der A 44 deren Verkehr aufnahm, war zuvor auf Kosten von RWE Power auf drei Fahrspuren je Richtung ausgebaut worden. Mit dem Bau des neuen Abschnitts der A 44 zwischen dem neuen, südöstlich des alten Standorts gelegenen Autobahnkreuz Jackerath und dem Autobahnkreuz Holz wurde am 30. Mai 2012 begonnen.[14] Am 1. Juli 2018 wurde die A 61 in nördlicher Richtung zwischen dem neuen Kreuz Jackerath und der Anschlussstelle Mönchengladbach-Wanlo gesperrt und die neue Trasse der A 44 in Richtung Düsseldorf freigegeben.[15] Die offizielle Freigabe der A 44 erfolgte durch NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst am 29. August 2018, jedoch wurde die Autobahn erst am 3. September auch in Richtung Aachen für den Verkehr freigegeben und die A 61 im Gegenzug auch Richtung Süden gesperrt.[16] Anschließend wich das Stück der A 61 dem Tagebau. Ab 2035 soll es wieder aufgebaut werden und neben der A 44(n) den Verkehr aufnehmen.[17] Das übrige Straßennetz, das dem Braunkohletagebau gewichen ist, wird zunächst nicht wieder aufgebaut oder ersetzt, so dass dort nur noch Autobahnen als Durchgangsstraßen existieren und Radfahrer das Gelände weiterhin über Grubenrandstraßen weiträumig umfahren müssen.

Umsiedlung von Ortschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Spenrath 2007
Spenrath 2009 im September – Blick vom ähnlichem Standpunkt wie im obigen Bild
Abriss und Planierung von Otzenrath

Der Braunkohletagebau Garzweiler erfordert die Umsiedlung ganzer Ortschaften. Zwölf Dörfer und 7600 Bürger sind vom geplanten Garzweiler II betroffen. Mit Urteil vom 17. Dezember 2013 hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden: „Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Tagebau Garzweiler genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen, nicht aber die darauf aufbauende konkrete Enteignung eines Naturschutzverbandes.“[18]

Ort Einwohner

vor Beginn der

Umsiedlung

Umsiedlungsbeginn Bergbauliche

Inanspruchnahme

(geplant)

Einwohner

umgesiedelt nach

Reisdorf 69 ca. 1963
Darshoven 1967[19]
Epprath-Tollhaus 1968 Kaster[20]
Geddenberg 1969 Bedburg-West
Muchhaus 1969 Bedburg-West
Oberschlag 1969 Bedburg-West
Omagen 1976
Morken-Harff 1950 1976 Neu-Morken-Harff
Königshoven 1983 Neu-Königshoven
Elfgen 786 1987 Neu-Elfgen
Belmen 1988 Neu-Elfgen
Jüchen-Süd Neu-Garzweiler
Priesterath 1984 1997 Neu-Garzweiler
Stolzenberg 2000 Neu-Garzweiler
Garzweiler 1841 1980 2003 Neu-Garzweiler
Otzenrath 1569 1997 2006 Neu-Otzenrath
Spenrath 189 1997 2008 Neu-Spenrath
Holz 510 1997 2008 Neu-Holz
Pesch 96 01.07.2006 2014 Pescher Kamp
Borschemich 518 2007 2017 Borschemich (neu)
Immerath 939 01.07.2006 ca. 2021 Immerath (neu)
Lützerath 74 01.07.2006 ca. 2021 Immerath (neu)
Keyenberg 840 01.12.2016 ca. 2027 Keyenberg (neu)
Kuckum 460 01.12.2016 ca. 2027 Kuckum (neu)
Oberwestrich 24 01.12.2016 ca. 2027 Westrich (neu)
Unterwestrich 143 01.12.2016 ca. 2027 Westrich (neu)
Berverath 117 01.12.2016 ca. 2028 Berverath (neu)
Eggeratherhof ca. 2030er
Roitzerhof ca. 2030er
Weyerhof ca. 2030er

Soziale Probleme der Umsiedlung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Protestschild am Ortseingang von Holzweiler

Nach dem Abriss der Ortschaften Garzweiler und Otzenrath wurden Holz, Spenrath und Pesch eingeebnet. Die meisten Bewohner wurden an neue Standorte bei Jüchen, Hochneukirch sowie an den Rand von Erkelenz umgesiedelt. Dort entstanden und entstehen neue Wohnsiedlungen, in die nur einzelne Relikte der alten Heimat mitgenommen wurden. Während die Otzenrather zu 80 % an den neuen Standort umgesiedelt sind, gelang dies bei anderen Orten nicht in vergleichbar hohem Maße. Bauern können zudem am neuen Standort nicht mit den nötigen Wirtschaftsflächen rechnen. Für das Weiterleben der alten Dorfgemeinschaften am neuen Ort kommt dem Vereinswesen eine zentrale Bedeutung zu, das dementsprechend vom Tagebaubetreiber gefördert wird.

In den Ortschaften, die ebenfalls abgebaggert werden sollen, leben die noch ausharrenden Bewohner mit den negativen Folgen der Umsiedlung. Häuser werden zunehmend verlassen; die Dörfer entwickeln sich nicht mehr und veröden. Schaulustige besuchen diese Verlassenen Ortschaften.

Abgesehen von den Kohlendioxidemissionen bei Verbrennung der Braunkohle in den benachbarten Braunkohlekraftwerken und der Grundwasserabsenkung, die zur Schädigung von Feuchtgebieten führt, wird der Tagebaubetrieb auch für eine Reihe von anderen Umweltproblemen verantwortlich gemacht, so für die Übersäuerung des Bodens durch das Abkippen von Abraum und für eine hohe Feinstaubbelastung in der Region.[21]

Die Sümpfungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um das Grundwasser abzupumpen, reichen weit über den Tagebau hinaus. So sind auch die Bruchwälder im Naturpark Maas-Schwalm-Nette durch das Absinken des Grundwasserspiegels bedroht. Mit großem Aufwand wird Ersatzwasser mittels eines Systems von Rohrleitungen und Sickergräben in diesen Bereich gefördert.

Bergbaufolgelandschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Geplante Nachfolgelandschaft im Jahr 2100, Detailplanungen bezüglich genauer Abbaugrenzen und Rekultivierung stehen noch aus

Als Bergbaufolgelandschaft soll nach dem Abbau der Braunkohle das verbleibende Restloch im westlichen Teil des Tagebaues zu einem See umgestaltet werden.[22] Ab 2030 sollen etwa 70 Jahre lang rund 60 Millionen m3 Wasser jährlich aus dem Rhein in das Loch geleitet werden. Dieser See wird bis zu 190 m tief sein, eine Fläche von 23 Quadratkilometern besitzen und eine Füllmenge von 2 Milliarden Kubikmeter Wasser aufweisen. Bezogen auf das Wasservolumen würde der See damit in Deutschland nur vom Bodensee und vom Starnberger See übertroffen.[23] Die Fläche des Sees wird fast so groß sein wie das Steinhuder Meer in Niedersachsen, aber bis zu 60-mal so tief.

Alternativ war die Möglichkeit einer Nutzung von Tagebaulöchern als Pumpspeicherkraftwerk diskutiert worden. Zusammen mit dem Tagebau Inden hätte der Tagebau Garzweiler als Oberbecken und der deutlich tiefere Tagebau Hambach als unteres Becken dienen können.[24]

Auch im Gespräch war der Bau eines Großflughafens im Bereich des (ca. 2035 wieder verfüllten) östlichen Abbaugebietes.[25][26]

Protest und Widerstand von Tagebaugegnern

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gerichtsverfahren, Besetzung, Räumung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Protest von Tagebaugegnern der Anti-Kohlekraft-Bewegung auf einer Obstwiese des BUND am Grubenrand

Unter dem Dach der Vereinten Initiativen sammelte sich der Bürgerprotest der betroffenen Ortsteile. Verschiedene Klagen der Städte Erkelenz und Viersen gegen den Tagebau in den Jahren 1997 bis 2001 vor dem Verwaltungsgericht Aachen und im Instanzenzug vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wurden ebenso abgewiesen wie eine Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster. Während sich die Gemeinden seitdem auf die Umsiedlungen konzentrieren, sind die juristischen Auseinandersetzungen noch nicht völlig abgeschlossen. Die Berufungsverfahren gegen die Fortführung des Tagebaus eines Immerather Bürgers und des BUND vor dem Oberverwaltungsgericht Münster wurden am 21. Dezember 2007 zurückgewiesen. Der BUND besaß als Tagebaugegner eine Obstwiese am Grubenrand bei Otzenrath. Gegen die Nichtzulassung der Revision legten die Kläger Beschwerde ein. Als Protest gegen die anstehende Räumung hatten sie ein Zeltlager auf der Obstwiese errichtet. Nach neuntägiger Besetzung wurde es am 10. Januar 2008 zwangsweise geräumt und die 87 Obstbäume anschließend vom Tagebaubetreiber entfernt.

Im Dezember 2008 setzten der BUND und der Immerather Bürger ihren stellvertretenden Widerstand juristisch fort und legten jeweils Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.[27] Am 17. Dezember 2013 entschied der Erste Senat in Karlsruhe, dass die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Tagebau Garzweiler den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, die Enteignung der Obstwiese des BUND wurde dagegen als fehlerhaft kritisiert, da es im Verfahren nicht möglich war, rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen. (Az. 1 BvR 3139/08 und 1 BvR 3386/08)[28] Am 25. April 2015 demonstrierten 6000 Teilnehmer einer 7,5 km langen Menschenkette entlang der Tagebaukante zwischen Keyenberg und Immerath gegen klimaschädliche Kohleverstromung.[29]

Ende Gelände 2015

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Morgen des 15. August 2015 drangen bei der Protestaktion Ende Gelände 2015 bei Erkelenz mehrere hundert bis 1000 Demonstranten in den Tagebau Garzweiler ein und besetzten einen Bagger. Die Polizei räumte mit 1200 Beamten unter Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken den Tagebau und nahm rund 100 Personen fest. 36 Personen wurden verletzt. Auch wurde laut der Journalistenorganisation DJU die Arbeit der Presse behindert. RWE erstattete Anzeige, worauf 797 Strafverfahren eingeleitet wurden.[30][31][32][33][34]

Ende Gelände 2019

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Protestaktion Ende Gelände 2019 auf der Nord-Süd Bahn vor dem Kraftwerk Neurath

Ende Juni 2019 organisierte die Initiative Ende Gelände 2019 an drei Tagen mit rund 6000 Menschen Blockaden des Tagebaus Garzweiler und der Bahnstrecken zu den Kraftwerken Neurath und Niederaußem. Trotz Warnung seitens RWE und der Polizei vor den Gefahren des unbefugten Betretens und bestehender Lebensgefahr kletterten Demonstranten an den Abbruchkanten des Tagebaus. Im Zentrum der Proteste standen der Braunkohletagebau und die Eisenbahngleise der Nord-Süd-Bahn. Auch ein Haus in der vom Tagebaus Hambach bedrohten Ortschaft Morschenich wurde besetzt. In ihrem 48-stündigen Dauereinsatz entfernte die Polizei mehrere hundert Demonstranten aus dem RWE-Betriebsgelände und räumte die besetzten Bahngleise. Die Polizei erstellte Anzeigen wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch, Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.[35]

Am Freitag, den 21. Juni 2019, veranstaltete die Bewegung Fridays for Future eine friedliche Demonstration in Aachen mit rund 40.000 Teilnehmern. Tags darauf folgte eine weitere Demonstration mit rund 8.000 Teilnehmern am Grubenrand in Keyenberg, so die Angaben der Organisatoren. Die Aachener Polizei äußerte sich nicht zur Zahl der Teilnehmer.

In Folge der Proteste entwickelte sich ein politischer Zwist innerhalb der Unionsparteien. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Forderung nach einem Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung im Jahr 2030 bekräftigte, sich somit auf die Seite der Protestierenden stellte, lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diese Forderung ab. Sie wolle den Ausstieg erst 2038.[36]

Garzweiler als Thema in den Medien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Umsiedlungsprozess der Ortschaft Otzenrath in Jüchen wurde mehrfach filmisch dokumentiert. Unter der Regie von Jens Schanze entstanden die beiden den Umsiedlungsprozess begleitenden Dokumentarfilme Otzenrather Sprung (2001)[37] und Otzenrath 3° kälter (2007). Der erste Film erhielt 2002 den Adolf-Grimme-Preis, der zweite den Phoenix-Dokumentarfilmpreis 2009.[38] In den Jahren 2005 und 2006 entstand der Film OTZENRATH, Last Day. Er ist das Abschlussprojekt von Martijn Smits an der Niederländischen Filmakademie in Amsterdam und gewann 2006 den Zuschauerpreis auf dem Dokumentar- und Kurzfilm-Festival im spanischen Bilbao.[39] Der Dokumentarfilm Letzte Chance für unser Klima (2016) von Christian Jentzsch fragt nach der Verantwortung der Verursacher der globalen Erwärmung für entstandene Schäden.

1999 veröffentlichte Kurt Lehmkuhl seinen Krimi Begraben in Garzweiler II.[40] Der verlassene Ort Otzenrath bot 2004 die Kulisse für die WDR-Tatortproduktion Schürfwunden mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär (Ballauf und Schenk). 2011 erschien Die Grube von Ingrid Bachér, die die wiederholenden Umsiedlungsgeschichten von Garzweiler und Borschemich am Beispiel einer fiktiven Familie erzählt.[41]

2013 entstand der Kurzfilm Good Soil unter der Regie von Sebastian Lemke, der das Leben der beiden Brüder Helmut und Joachim Meier in ihrer kleinen Gärtnerei unmittelbar an der Abbruchkante des Tagebaus porträtiert. Der Film erhielt das Prädikat „besonders wertvoll“ der Deutschen Film und Medienbewertung, gewann den West-Art Zuschauerpreis während der 14. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und den Förderpreis Schnitt auf dem Filmplus – Forum für Schnitt und Montagekunst 2013. 2014 war der Film für den Deutschen Menschenrechts-Filmpreis nominiert.

2019 inszenierte die Kölner Regisseurin Eva-Maria Baumeister das Musiktheaterstück Verschwindende Orte oder was uns jetzt noch retten kann. Das Stück basierte auf Recherchen und Field Recordings in den von der Zerstörung bedrohten Dörfern.[42]

Aussichtspunkte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Panoramaaufnahme vom Tagebau Garzweiler mit diversen Baggern im Einsatz und den Kraftwerken in Grevenbroich-Frimmersdorf (links) und -Neurath sowie Bergheim-Niederaußem (rechts) im Hintergrund, links des Kraftwerks Frimmersdorf ein Windpark

Der Tagebau Garzweiler verfügt über zwei Aussichtspunkte.

Der Aussichtspunkt Jackerath befindet sich in der Nähe der Autobahnanschlussstelle Jackerath. Der sogenannte Skywalk am südlichen Ende des Tagebau, an dem sich auch der Verteilfächer befindet, bietet einen Blick ins Abbaugebiet. Der Verteilfächer ist der Materialumschlagplatz für das abgebaggerte Erdreich auf der westlichen Seite des Loches zur anderen Seite auf der Ostseite. Die abgebaggerte Kohle verlässt an diesem Sammelpunkt den Tagebau auf Fließbändern zu den Kraftwerken.

Der Aussichtspunkt Hochneukirch befindet sich am nördlichen Ende nahe der Autobahnanschlussstelle Mönchengladbach-Wanlo.

  • A. Beil, S. Noethlichs, D. Olles: Garzweiler II – Eine Region im Protest. In: Heimatkalender des Kreises Heinsberg, 2000, S. 199–221.
  • Holger Kaiser, Frederik Petersohn: Opposition im Landtag von Nordrhein-Westfalen: Die CDU-Fraktion und der Braunkohletagebau „Garzweiler II“ in der 12. Wahlperiode (1995–2000). Münster, Berlin, London 2007, ISBN 978-3-8258-0167-0.
  • Horst Ulrich: Städtebauliche Dokumentation Umsiedlung Garzweiler, Priesterath, Stolzenberg, Jüchen, südliche Jülicher Straße. Jüchen 1997, ISBN 3-9804847-0-X.
  • Rolf Sevenich: Garzweiler II. Kersting, Aachen 1996, ISBN 3-928047-12-4.
  • Adelheid Schrutka-Rechtenstamm (Hrsg.): Was bleibt, ist die Erinnerung. Volkskundliche Untersuchungen zu Dorfumsiedlungen im Braunkohlenrevier. Erkelenz 1994.
  • Eusebius Wirdeier, Johannes Nitschmann: Garzweiler oder wie die Braunkohlen-Connection eine ganze Region verheizt. Vorwort von Bärbel Höhn. Emons, Köln 1995, ISBN 3-924491-68-2.
  • Hambachgruppe (Hrsg.): Verheizte Heimat – Der Braunkohletagebau und seine Folgen. Aachen 1985, ISBN 3-924007-14-4 (PDF)
Commons: Arne Müseler/Baustelle 5 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Christian Wernicke: „Hambi“ bleibt – aber andernorts beginnt der Widerstand erst. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Januar 2020, abgerufen am 19. Januar 2020.
  2. Forschungsstelle Rekultivierung (Memento vom 3. Februar 2014 im Internet Archive), abgerufen am 23. September 2010
  3. Karte der Braunkohle-Lagerstätten aus einer Untersuchung von Rheinbraun und der Landesregierung, auf der die Entscheidung für den Tagebau Garzweiler II (= Frimmersdorf West-West) in den 1980er-Jahren basiert@2Vorlage:Toter Link/static.illdefined.org (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven)
  4. Vgl. zur parlamentarischen Auseinandersetzung im Landtag von Nordrhein-Westfalen zwischen 1995 und 2000 grundlegend Kaiser, Holger und Frederik Petersohn: Opposition im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Die CDU-Fraktion und der Braunkohletagebau „Garzweiler II“ in der 12. Wahlperiode (1995–2000), S. 39ff.
  5. Vgl. dies., S. 140ff.
  6. Landtag intern 22 Seite 2, abgerufen auf www.landtag.nrw.de am 19. Mai 2010
  7. Vgl. Kaiser, Holger und Frederik Petersohn: Opposition im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Die CDU-Fraktion und der Braunkohletagebau „Garzweiler II“ in der 12. Wahlperiode (1995–2000), S. 142.
  8. „Garzweiler II“ – Chronologie des Genehmigungsverfahrens (PDF; 81 kB), bund-nrw.de, abgerufen am 18. Mai 2010
  9. boerse.de
  10. Garzweiler: Erkelenz droht RWE mit Stopp der Umsiedlung
  11. rp-online.de
  12. Braunkohle: NRW will Tagebau Garzweiler kappen. Spiegel Online, 28. März 2014, abgerufen am 1. April 2014.
  13. Rot-Grün in NRW besiegelt das Ende von Garzweiler II. RP Online, 6. Juli 2016, abgerufen am 7. Mai 2017.
  14. Baubeginn für neue A 44. In: RP Online. 31. Mai 2012, abgerufen am 31. Mai 2012.
  15. Autobahn 61 weicht Tagebau Garzweiler II. In: wdr.de. Westdeutscher Rundfunk, 6. Juli 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  16. Gundhild Tillmanns, Andreas Speen: Jüchen: A44n wird vom NRW-Verkehrsminister eingeweiht. Abgerufen am 15. September 2018.
  17. A44, A61: Eine Autobahn weicht Garzweiler II | Straßen.NRW. Abgerufen am 17. Februar 2018.
  18. bundesverfassungsgericht.de
  19. Darshoven - Bedburg, Germany - Ghost Towns on Waymarking.com. Abgerufen am 23. Januar 2020.
  20. Harff in Bildern.de - Epprath, Darshoven & Tollhaus. Abgerufen am 23. Januar 2020 (deutsch).
  21. Braunkohlentagebau Garzweiler. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen, abgerufen am 7. November 2020.
  22. Braunkohlenplan Garzweiler II der Bezirksregierung Köln, Text und zeichnerische Darstellung, 1:50.000, PDF, abgerufen am 16. Mai 2016.
  23. Daniel Gerhards: Rheinwasser für den Garzweiler-See und den Naturpark. In: Aachener Zeitung. 5. Februar 2020, abgerufen am 6. Februar 2020.
  24. Pumpspeicherkraftwerke in stillgelegten Tagebauen : am Beispiel Hambach-Garzweiler-Inden, Wuppertal-Papers 194, abgerufen am 5. Februar 2019
  25. Abheben über Garzweiler, Welt am Sonntag vom 10. August 2003
  26. Großflughafen bewegt das Land, Welt am Sonntag vom 21. Oktober 2007
  27. Garzweiler II kommt vors höchste Gericht (Memento vom 7. Dezember 2008 im Internet Archive)
  28. bundesverfassungsgericht.de
  29. rp-online.de
  30. RWE-Tagebau Garzweiler blockiert – Widerstand in der Mondlandschaft, TAZ vom 16. August 2015
  31. Protest in Garzweiler – Tagebau von Presse befreit, TAZ vom 18. August 2015
  32. Protest – #EndeGelaende - 1200 Polizisten beenden Garzweiler-Besetzung, Der Westen vom 16. August 2015
  33. Protest in Garzweiler – Bündnis „Ende Gelände“ besetzt Braunkohlebagger, Die Welt vom 15. August 2015
  34. Klima – Braunkohle-Gegner dringen in Tagebau Garzweiler ein, focus vom 15. August 2015
  35. Klima-Proteste beendet – Innenminister Reul kritisiert „gewalttätige Aktionen“. In: Die Welt. 23. Juni 2019 (welt.de).
  36. Merkel stoppt Söders Kohlepläne. In: Rheinische Post. 25. Juni 2019 (rp-online.de)
  37. Inhalt Otzenrather Sprung
  38. phoenix.de (Memento vom 27. Juni 2009 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt
  39. imdb.com
  40. Kurt Lehmkuhl: Begraben in Garzweiler II. – Serie Tatort Grenzland, Aachener Krimis. Meyer & Meyer 1999, ISBN 3-89124-574-2.
  41. Ingrid Bachér: Die Grube. Dietrich Verlag. Berlin 2011, ISBN 978-3-937717-70-8.
  42. „Als sei eine Seuche ausgebrochen“. Gespräch mit Eva-Maria Baumeister. In: Corso – Kunst & Pop. Deutschlandfunk, 30. Oktober 2019 (Online, abgerufen am 1. November 2019).