Thorsten Schäfer-Gümbel

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Thorsten Schäfer-Gümbel (2016)

Thorsten Schäfer-Gümbel (geborener Schäfer; * 1. Oktober 1969 in Oberstdorf) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er ist Fraktionsvorsitzender und Landesvorsitzender der hessischen SPD und seit dem 15. November 2013 stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD.

Leben

Ausbildung und Beruf

Als Sohn eines in Oberstdorf stationierten Zeitsoldaten wurde Schäfer-Gümbel im Allgäu geboren, wuchs jedoch seit seinem fünften Lebensjahr in Gießen auf.[1] Nach dem Abitur an der dortigen Landgraf-Ludwigs-Schule im Jahr 1989 studierte Schäfer-Gümbel zunächst Agrarwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wechselte dann zu den Politikwissenschaften, in denen er das Studium 1997 mit dem Magister Artium abschloss. Nach einer Zwischenstation als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Europäische Integration am Institut für Politikwissenschaft der Universität Gießen war er von 1998 bis 2001 Referent des Sozial- und Jugenddezernenten der Stadt Gießen. Hier war er unter anderem für die Implementierung des Bund-Länderprogramms „Soziale Stadt“ in der Gießener Nordstadt zuständig. Weitere Schwerpunkte waren die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Wohnungspolitik. Ab März 2002 nahm er eine Beratertätigkeit für die SPD-Landtagsfraktion Hessen wahr. Seit 2002 arbeitete er erneut als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Dezernat II der Stadt Gießen.[2]

Parteilaufbahn

Wahlkampf in Frankfurt am Main (September 2013)

Schäfer-Gümbel ist seit 1986 Mitglied der SPD und der Jusos und dort in verschiedenen Vorstandsämtern aktiv. Er gehörte keiner Juso-Strömung an, sondern war als Nachfolger der südhessischen Juso-Vorsitzenden Nina Hauer gemeinsam mit ihr ein Verfechter der eigenständigen linken Ausrichtung des Bezirks Hessen-Süd. Außerdem war er stellvertretender Juso-Landesvorsitzender in Hessen und stellvertretender Vorsitzender der Europäischen JungsozialistInnen. Seit 2004 ist er Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Gießen und war von 2001 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der SPD Hessen-Süd. Thorsten Schäfer-Gümbel war in der 16. Legislaturperiode Fachsprecher für Industrie- und Beschäftigungspolitik sowie Technologie- und Forschungspolitik der SPD-Landtagsfraktion.

Seit dem 28. Februar 2009 ist Schäfer-Gümbel Vorsitzender der hessischen SPD. Er wurde mit 90,3 Prozent in dieses Amt gewählt.[3]

Auf dem Bundesparteitag in Dresden wurde Schäfer-Gümbel am 14. November 2009 in den Parteivorstand sowie in das Präsidium der SPD gewählt. Er erzielte mit knapp 80 Prozent der Stimmen das drittbeste Ergebnis aller Kandidaten.

Nachdem Schäfer-Gümbel bei der Landtagswahl 2009 als Ministerpräsidentkandidat an Amtsinhaber Roland Koch (CDU) gescheitert war, wurde er SPD-Fraktionsvorsitzender und damit auch Oppositionsführer im Hessischen Landtag, er löste damit Andrea Ypsilanti ab. Im Januar 2010 kündigte er an, dass er bei der Landtagswahl 2013 wieder als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten antreten wolle.[4] Am 8. Oktober 2011 wurde er auf dem Landesparteitag der SPD in Kassel mit 94,6 % der Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt.[5]

Thorsten Schäfer-Gümbel ist im SPD-Parteivorstand für den Finanzmarkt zuständig. Seit Dezember 2012 ist er Berater des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in diesen Fragen. Am 14. Oktober 2013 wurde er als neuer stellvertretender Parteivorsitzender nominiert und wurde auf dem Bundesparteitag vom 14. bis 16. November als Nachfolger von Klaus Wowereit gewählt.[6]

Abgeordnetentätigkeit

Seit 2001 ist er Abgeordneter des Kreistags des Landkreises Gießen. Auf kommunaler Ebene gehört Schäfer-Gümbel zudem seit 2006 der Regionalversammlung Mittelhessen an[2].

Im Hessischen Landtag ist er seit dem 5. April 2003 Abgeordneter und stand der Ober- und Mittelhessenrunde der SPD-Landtagsfraktion in der 16. und 17. Wahlperiode vor. In der 17. Wahlperiode fungierte Schäfer-Gümbel als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und Mitglied im Europa-Ausschuss. Bei der Landtagswahl 2008 unterlag er im Wahlkreis Gießen II gegen Innenminister Volker Bouffier (CDU) im Kampf um ein Direktmandat. Seit dem 27. Januar 2009 führt er im Landtag die SPD-Fraktion. In der 18. Legislaturperiode gehört Schäfer-Gümbel dem Hauptausschuss des Hessischen Landtags an.

Für die Landtagswahl 2009 wurde er am 8. November 2008 von der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti als Spitzenkandidat vorgeschlagen und am 13. Dezember 2008 auf einem Parteitag gewählt. Er trat nach der Selbstauflösung des Hessischen Landtages bei den Neuwahlen am 18. Januar 2009 an der Spitze der Landesliste an.[7][8] In seiner Strategie grenzte er sich von Andrea Ypsilanti ab, indem er zugab, dass es ein Fehler gewesen sei, dass die SPD trotz anderslautender Versprechen ein Bündnis mit der Linkspartei angestrebt habe. Er selber zeigte sich für alle Bündnisse offen.[9]

Der Online-Wahlkampf Schäfer-Gümbels fand ein großes Medienecho.[10][11] Schäfer-Gümbel kommuniziert intensiv über Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter und bietet YouTube-Videobotschaften an.

Landtagswahl 2013

Zur Landtagswahl am 22. September 2013 trat Schäfer-Gümbel erneut als Spitzenkandidat der SPD an. Er war diesmal der Herausforderer von Volker Bouffier, der Roland Koch im Sommer 2010 als Ministerpräsident nachfolgte.

Bei dieser Landtagswahl legte die SPD zwar deutlich zu (30,7 Prozent, +7 Prozentpunkte). Durch den Umstand bedingt, dass sowohl die FDP (5,0 Prozent der Stimmen) wie auch die Linkspartei (5,2 Prozentpunkte) den Sprung in den Landtag knapp schafften, reichten die 11,1 Prozent der Grünen nicht aus, eine Rot-Grüne Mehrheit im Landtag zu erzielen, da die CDU mit 38,3 Prozent (+1,1 Prozentpunkte) stärkste Kraft blieb. Jedoch verfehlte auch die schwarz-gelbe Regierung ihre bislang innegehabte Mehrheit.

Aus dieser Situation heraus formte sich schließlich die erste schwarz-grüne Regierung eines deutschen Flächenlandes, das Kabinett Bouffier II, welches am 18. Januar 2014 vereidigt wurde.

Privates

Schäfer-Gümbel heiratete 1998 Annette Gümbel, eine promovierte Historikerin.[12] Das Paar hat drei Kinder. Schäfer-Gümbel ist evangelisch (konvertiert vom römisch-katholischen Glauben).[13]

Im Alter von 20 Jahren erlitt er eine Netzhautablösung; komplizierte Notoperationen verhinderten eine Erblindung. Seitdem trägt er eine Brille mit speziellen Prismengläsern (siehe Foto).[14]

Positionen

Als Ziele nennt Thorsten Schäfer-Gümbel faire Arbeitsbedingungen, mehr Mitbestimmung und die Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro. Außerdem mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit, den bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung und den Kampf gegen Kinderarmut. Die in Hessen umstrittene Schulzeitverkürzung (Abitur nach Klasse 12) möchte Schäfer-Gümbel beenden und zu G9 zurückkehren sowie jährlich 100 Grundschulen zu Ganztagsschulen ausbauen.[15][16]

Schäfer-Gümbel unterstützte die Kampagne Hands off Venezuela der trotzkistischen Internationalen Marxistischen Tendenz zugunsten des venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez, was ihm z.B. von Seiten der Frankfurter Allgemeinen heftige Kritik einbrachte.[17] Laut Frankfurter Rundschau äußerte er auf Nachfrage der FAZ, „es liege schon einige Jahre zurück, dass er den Aufruf unterzeichnet habe. Damals sei es um die internationale Solidarität gegangen.“[18]

Weblinks

Commons: Thorsten Schäfer-Gümbel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gießener BLICK, Dezember 2008, S. 1
  2. a b Lebenslauf auf schaeferguembel.de, aufgerufen am 20. August 2010
  3. Schäfer-Gümbel folgt auf Ypsilanti. Hessischer Rundfunk, 28. Februar 2009, abgerufen am 28. Februar 2009.
  4. Schäfer-Gümbel: Ich werde 2014 Spitzenkandidat in der FAZ, 22. Januar 2010
  5. Schäfer-Gümbel zum Spitzenkandidaten gewählt auf wetterauer-zeitung.de, 8. Oktober 2011
  6. SPD-Vize: Schäfer-Gümbel soll Wowereit ersetzen
  7. Hessen-SPD: Ypsilanti verzichtet auf Spitzenkandidatur. Spiegel Online, 8. November 2008, abgerufen am 8. November 2008.
  8. Thorsten Schäfer-Gümbel führt die SPD in den Landtagswahlkampf. SPD Hessen, 8. November 2008, archiviert vom Original am 13. November 2008; abgerufen am 9. November 2008.
  9. „Der Fehler war der Wortbruch“. In: Süddeutsche Zeitung, 1. Dezember 2008
  10. Annett Meiritz: Debatte um Wahlbetrug: Schäfer-Gümbel bittet per Videoblog um Verzeihung. In: Spiegel Online, 7. Dezember 2008
  11. Patrick Brauckmann: Schäfer-Gümbel will online punkten in: politik-digital.de, 8. Dezember 2008
  12. „Der Thorsten hat das sehr geschickt gemacht“
  13. Vita auf der Website des Hessischen Landtags, aufgerufen am 16. Juni 2008
  14. FAZ: Aufstieg aus der dritten Reihe (ein Porträt vor der Landtagswahl in Hessen 2013)
  15. Hessens SPD-Vorsitzender Schäfer-Gümbel „Ich bin ja keine Maschine“. In: Frankfurter Rundschau, 26. Mai 2012.
  16. Thorsten Schäfer-Gümbel „Wir wollen 2014 regieren“ In: [FAZ] 7. Juli 2012
  17. Schäfer-Gümbel unterstützte linksextremistische Kampagne. In: FAZ, 13. Dezember 2008
  18. Robert John: Wahlkampf in Hessen: FAZ verweigert Solidarität radikal. In: Frankfurter Rundschau, 14. Dezember 2008