Brody (Ukraine)
Brody | ||
Броди | ||
Basisdaten | ||
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Oblast: | Oblast Lwiw | |
Rajon: | Rajon Brody | |
Höhe: | 223 m | |
Fläche: | 8,67 km² | |
Einwohner: | 23.919 (2010) | |
Bevölkerungsdichte: | 2.759 Einwohner je km² | |
Postleitzahlen: | 80606 | |
Vorwahl: | +380 3266 | |
Geographische Lage: | 50° 5′ N, 25° 9′ O | |
KOATUU: | 4620310100 | |
Verwaltungsgliederung: | 1 Stadt | |
Bürgermeister: | Bohdan Semtschuk | |
Adresse: | пл. Ринок 20 80600 м. Броди | |
Website: | http://www.brody.lviv.ua/ | |
Statistische Informationen | ||
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Brody (ukrainisch Броди, polnisch Brody, russisch Броды – Brody, jiddisch בראָד – Brod) ist eine ukrainische Kleinstadt mit 23.239 Einwohnern (2001); sie liegt 90 km nordöstlich von Lwiw (Lemberg) in der Oblast Lwiw.
Geschichte
Archäologische Funde deuten darauf hin, dass sich in der Nähe des heutigen Stadtgebiets bereits um 12.000 v. Chr. menschliche Ansiedlungen befanden.
Kiewer Rus
Brody (deutsch: Furten) wurde 1084 das erste Mal urkundlich erwähnt, es gehörte damals zur Kiewer Rus.
Königreich Polen
1340 kam sie unter die Herrschaft Polens. Sie wurde vom polnischen Adel als „ideale“ Stadt konzipiert und neu angelegt. 1584 bekam sie Magdeburger Stadtrecht. Im 16. und 17. Jh. nahm die Stadt durch den Zuzug von Juden, Armeniern, Schotten und Griechen einen rasanten Aufschwung.
Ein großer Teil der Bevölkerung war jüdisch. Besonders ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierten sie den Fernhandel. Brody wurde Umschlagplatz für Waren aus Westeuropa im Austausch gegen Rohstoffe aus Polen-Litauen, Russland und dem Osmanischen Reich. Brody gehörte in jener Zeit zu den reichsten und bedeutendsten Städten Polens.
Seit Mitte des 18. Jh. war Brody Sitz des Vier-Länder-Rats, des wichtigen Gerichts- und Verwaltungsrats der Juden in Polen-Litauen.
Kaiserreich Österreich
Nach der Ersten Teilung Polens 1772 kam Brody an die Habsburgermonarchie, dort in das neugeschaffene Kronland Galizien.
Wirtschaftliche Entwicklung
1779 wurde die Stadt nach dem Vorbild der Adriahäfen Triest und Fiume mit einem Umland von 264 Quadratkilometer zur Freihandelszone erklärt. Nun nahm die Stadt einen unerhörten Aufschwung und wurde bald zu einem der wichtigsten Handelsplätze in Mittel- und Osteuropa. Zehn Jahre lang erließ der Staat den Bürgern von Brody die Steuern, damit sie ihre Häuser erneuern und neue Unternehmungen gründen konnten.
Galizische und polnisch-litauische Rauchwaren, Wachs und Honig, Hanf und Leinen wurden in Brody umgeschlagen und weiter im Westen auf der Breslauer, Frankfurter und vor allem der Leipziger Messe gegen Baumwollgewebe, edle Stoffe wie französische Seide sowie englische Industrieprodukte getauscht wurden. Aus Italien kamen Seidenstoffe, Schmuck und Korallen, aus der Steiermark und Oberösterreich wurden Sensen für Osteuropa geliefert. Gewürze, Perlen und Juwelen wurden aus dem Fernen Osten eingeführt. Russland lieferte Tee, Zucker, Wolle, Borsten, Federn, Pelzwaren und Pferde, die zweimal im Jahr auf einem großen Pferdemarkt angeboten wurden.
Seit 1809 war Brody der wichtigste Umschlagplatz für die Einfuhr von Kolonialwaren nach Österreich, nachdem dieses die illyrischen Hafenstädte an Frankreich verloren hatte. Da für diese Güter aufgrund der Kontinentalsperre ein Importverbot bestand, wurde ein großer Teil dieser Waren bis 1815 über die Grenze geschmuggelt.
Nach 1815 ging die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt deutlich zurück, da der Warenverkehr mit Russland abnahm.
Bis 1860 war Brody die drittgrößte Stadt Galiziens nach Lemberg und Krakau. 1866 wurde es Sitz eines gleichnamigen Bezirks. Erst 1869 wurde die Stadt an das österreichische Eisenbahnnetz angeschlossen, 1873 wurde die grenzüberschreitende Verbindung zum Nachbarort Radsiwilow im Russischen Kaiserreich hergestellt. Zu diesem Zeitpunkt war etwas weiter südlich bei Pidwolotschysk ebenfalls eine Verbindungsstrecke erbaut worden, die Brody starke Konkurrenz machte.
Die Aufhebung des Freihandelspatents Ende 1879 verschlechterte die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich, da sich in Brody kaum Industrie entwickelt hatte.
Bevölkerungszahl
Juden in Brody[1] | |||||||
Jahr | Ges.-Bev. | Juden | Anteil | ||||
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1869 | 18.700 | 15.138 | 80,9 % | ||||
1880 | 20.000 | 15.316 | 76,3 % | ||||
1890 | keine Angaben | ||||||
1900 | 16.400 | 11.854 | 72,1 % | ||||
1910 | 18.000 | 12.150 | 67,5 % |
Die Bevölkerungszahl hatte mit 20.000 Personen im Jahr 1880 (1820: 18.000 Einwohner) ihren Höhepunkt erreicht. In einer Zeit, die den Städten durch die Industrialisierung gigantisches Bevölkerungswachstum bescherte, stagnierte die Bevölkerung Brodys und ging bis 1900 auf 16.400 zurück. Bis in die 1860er war Brody nach Lemberg und Krakau die drittgrößte Stadt Galiziens, 1910 belegte sie nur mehr den zehnten Rang. Die bis dahin fast vollständig jüdische Stadt mit einem jüdischen Bevölkerungsanteil von 80,9 % bei 18.700 Einwohnern im Jahr 1869 erlebte mit der Wirtschaftskrise auch erstmals einen spürbaren Rückgang der jüdischen Bevölkerungsgruppe.
Bildung
Neben der Bedeutung als Handelsstadt ist Brodys Rolle als Bildungszentrum hervorzuheben, insbesondere die deutsch-jüdische Realschule, die 1815/16 als eine der Haskala (jüdische Aufklärung) verbundene israelitische Privatschule gegründet wurde. 1854 wurde sie eine öffentliche überkonfessionelle Schule, die schließlich ab den 1860ern sukzessive in ein vollständiges Staatsgymnasium umgewandelt wurde und ab 1883 offiziell K.K. Kronprinz-Rudolf-Gymnasium hieß. Bemerkenswert ist, dass die Unterrichtssprache bis 1906 Deutsch war, während es im restlichen Galizien, abgesehen von Lemberg, nur mehr polnische und (wenige) ukrainische Gymnasien gab.
Brody im 20. Jahrhundert
Im November 1918 war die Stadt, nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie am Ende des Ersten Weltkriegs, kurzzeitig Teil der Westukrainischen Volksrepublik. Im Polnisch-Ukrainischen Krieg besetzte Polen im Juli 1919 auch die letzten Teile der Westukrainischen Volksrepublik. Am 21. November 1919 sprach der Hohe Rat der Pariser Friedenskonferenz für eine Zeitdauer von 25 Jahren[2] Ostgalizien Polen zu. Nach der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit lag der Ort von 1921 bis September 1939 in der Woiwodschaft Tarnopol in der Zweiten Polnischen Republik.
Im September 1939 besetzte die Rote Armee, gemäß den Vereinbarungen im geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrages, die Stadt, woraufhin die Eingliederung in die Ukrainische SSR (siehe Geschichte der Ukraine) erfolgte.
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion fand vom 26. bis zum 29. Juni 1941 in der Nähe eine große Panzerschlacht zwischen der deutschen 1. Panzerarmee und fünf sowjetischen mechanisierten Korps statt, bei der beide Seiten hohe Verluste erlitten. In den folgenden drei Jahren unter deutscher Besatzung wurden praktisch alle ca. 9000 jüdischen Einwohner Brodys zuerst geplündert, teilweise zur Zwangsarbeit eingesetzt, ab Dezember 1942 in ein Ghetto gesperrt und schließlich ermordet, wobei nur der kleinere Teil in Vernichtungslager deportiert wurde. Der weitaus größere Teil wurde am Waldrand hinter dem jüdischen Friedhof oder am Schlossplatz erschossen. An diesen Massenmord erinnert ein dreisprachiger Gedenkstein neben dem Friedhof, auf dem heutzutage (Stand Juni 2016) teilweise Gemüsebeete angelegt sind.
Im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde Brody stark zerstört, besonders als die Wehrmacht gemeinsam mit der SS-Halytschyna die Stadt zu halten versuchte (Brodyer Kesselschlacht Juli/August 1944). Fast 2000 Häuser wurden völlig zerstört, insbesondere das Stadtzentrum um den Ringplatz.
1945 wurde die Ostgrenze Polens von den Alliierten neu festgelegt und verlief weitgehend entlang der Demarkationslinie des Hitler-Stalin-Paktes. Das Gebiet um Lemberg fiel nun endgültig an die Sowjetunion.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg größtenteils entvölkerte Stadt wurde mit ukrainischen Bauern aus der Umgebung wieder besiedelt. Große Teile der Stadt mussten neu aufgebaut werden, und Ende der 1970er Jahre begann man mit der Trockenlegung der die Stadt umgebenden Sümpfe.
Als Rajonsstadt hat Brody heute nur eine untergeordnete administrative Rolle. Der wichtigste Arbeitgeber der Stadt sind die Pipelines Druschba und Odessa-Brody, die in Brody ihre Schnittstelle haben.
Patenschaften
Brody als literarischer Ort
Das Leben in der Grenzstadt wird in mehreren Werken des in Brody geborenen Joseph Roth behandelt, der die Welt der meist jüdischen Händler schilderte und Soldaten, Zöllner und Schmuggler porträtierte. Zu nennen ist etwa Das falsche Gewicht, aber auch die Erzählung Der Leviathan, für deren fiktiven Schauplatz Progody Brody erkennbar lautlich Pate gestanden hat. Auch in Roths Roman Radetzkymarsch gibt Brody die trostlose Kulisse für den Dienstort des Carl Joseph Trotta von Sipolje am äußersten Ende der Donaumonarchie. In seinem Essayband Juden auf Wanderschaft beschreibt Roth ein namenloses „jüdisches Städtchen“, das nach seiner Beschreibung ganz und gar auf Brody passt.
In Isaak Babels Werk Die Reiterarmee spielen mehrere Kapitel in Brody.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Brody von der polnischen Armee, Weißgardisten, ukrainischen Nationalisten und der sowjetischen Reiterarmee unter General Budjonny hart umkämpft. In seinen Memoiren beschreibt Budjonny die völlig zerstörte Stadt.
Söhne und Töchter der Stadt
- Adolph Baller (1909–1994), österreichisch-amerikanischer Pianist
- Berl Broder (eigentlich Berl Margulis, 1818–1867), jiddischer Volkssänger, Gründer der Broder-Sänger (benannt nach Brody)
- Heinrich Byk (1845–1923), deutscher Chemiker und Unternehmer
- Zvi Hirsch Chajes (1805–1855), orthodoxer Rabbiner und Talmudgelehrter
- Israel Finkelscherer (1866–1942), deutscher Rabbiner
- Leo Herzberg-Fränkel (1827–1915), österreichischer Schriftsteller und Journalist
- Sigmund Herzberg-Fränkel (1857–1913), österreichischer Historiker und Journalist
- Johann Freiherr von Hiller (1754–1819), österreichischer Feldzeugmeister
- Stefan von Kéler (1897–1967), polnisch-deutscher Entomologe
- Oser Kokesch (1859–1905), Politiker und Rechtsanwalt
- Józef Korzeniowski (1797–1863), polnischer Schriftsteller
- Nachman Krochmal (1785–1840), Religionsphilosoph
- Markus Landau (1837–1918), österreichischer Literaturhistoriker und Schriftsteller
- Joseph Ludwig Raabe (1801–1859), Schweizer Mathematiker
- Amalia Nathansohn Freud (1835–1930), Mutter von Sigmund Freud
- Schalom Rokeach (1779–1855), Begründer der Belzer chassidischen Dynastie
- Jacob Rosanes (1842–1922), deutscher Mathematiker und Schachmeister
- Joseph Roth (1894–1939), österreichischer Schriftsteller
- Anna Schapire-Neurath (1877–1911), Schriftstellerin und Frauenrechtlerin
- Rosa Schapire (1874–1954), Kunsthistorikerin und -sammlerin, Frauenrechtlerin
- Myron Tarnawskyj (1869–1938), General der ukrainisch-galizischen Armee
- Iwan Trusch (1869–1941), ukrainischer Maler
- August Witkowski (1854-1913), polnischer Experimentalphysiker
- Daniel Abraham Yanofsky (1925–2000), kanadischer Schachgroßmeister
- Oksana Lyniv (* 1978), ukrainische Dirigentin
Bilder
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Kirche in Brody
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Gebäude der Stadtverwaltung
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Synagoge
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Die alte Zitadelle in Brody
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Das Schloss in der Zitadelle von Brody
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Die Mauern der Zitadelle von Brody im Verfall
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Ein Baudenkmal im Verfall: Synagoge in Brody
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Wo Joseph Roth einst zur Schule ging
Literatur
- Paulus Adelsgruber, Laurie Cohen, Börries Kuzmany: Getrennt und doch verbunden: Grenzstädte zwischen Österreich und Russland 1772–1918. Böhlau, Wien 2011, ISBN 978-3-205-78625-2.
- Sandok Barącz: Wolne miasto handlowe Brody. Lwów 1865.
- Jakov Chonigsman: Evrei goroda Brody (1584–1944). L'vov 2001.
- Mori(t)z Friedländer: Fünf Wochen in Brody unter jüdisch-russischen Emigranten. (PDF; 2,05 MB) M. Waizner, Wien 1882; Gerd Hoffmann Verlag, Schifferstadt 2010, ISBN 978-3-929349-28-3.
- Nathan Michael Gelber: Toledot jehudej Brody 1584–1943. Jeruschalajim 1955.
- Börries Kuzmany: Brody. Eine galizische Grenzstadt im langen 19. Jahrhundert. (PDF; 16,5 MB) Böhlau, Wien 2011, ISBN 978-3-205-78763-1 (Zuerst 2008 als Dissertation Universität Wien unter dem Titel: Die Stadt Brody im langen 19. Jahrhundert – Eine Misserfolgsgeschichte? [PDF])
- Zbigniew Kościów: Brody. Przypomnienie kresowego miasta. Opole 1993.
- Tadeusz Lutman: Studja nad dziejami handlu Brodów w latach 1773–1880. Lwów 1937.
- Mark Wischnitzer: Die Stellung der Brodyer Juden im internationalen Handel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: M. Wischnitzer, M. (Hrsg.): Festschrift zu S. Dubnows 70. Geburtstag. Berlin 1930, S. 113–123.
- Bohdan Zrobek: Brody i Bridščyna. Istoryčno-memuarnyj zbirnyk. Kniha II. Brody 1998.
Weblinks
- Brody – Броди – בראד
- Brody ShtetLinks
- Webseite des Brodyer Regionalmuseums
- Portal der Stadt Brody (ukrainisch)
- Offizielle Seite der Rajonsverwaltung Brody (ukrainisch)
- Brody Ghetto (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Ergebnisse der Volkszählungen der K. K. Statistischen Central-Kommission u. a. In: Anson Rabinbach: The Migration of Galician Jews to Vienna. Austrian History Yearbook, Volume XI, Berghahn Books / Rice University Press, Houston 1975, S. 46/47 (Table III).
- ↑ І. Дацків. Дипломатія ЗУНР на Паризькій мирній конференції 1919 р. // Український історичний журнал. — К., 2009. — № 5 (482) (вер.—жовт.). — С. 134. — ISSN 0130-5247. (uk)
- ↑ Wolfratshausen und Brody von nun an Partnerstädte. auf www.nrcu.gov.ua.