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Heidelberger Druckmaschinen

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Heidelberger Druckmaschinen AG

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Rechtsform Aktiengesellschaft
ISIN DE0007314007
Gründung 1850
Sitz Heidelberg, Deutschland
Leitung
Mitarbeiterzahl 11.511 (31.03.2018)[1]
Umsatz 2,4 Mrd. Euro[2]
Branche Maschinenbau
Website www.heidelberg.com

Die Heidelberger Druckmaschinen AG, meist kurz als Heideldruck oder einfach Heidelberg bezeichnet, ist ein Unternehmen des Präzisionsmaschinenbaus und weltweit führender Hersteller von Bogenoffset-Druckmaschinen einschließlich umfangreicher Lösungen für die Printmedien-Industrie. Der Unternehmenssitz befindet sich in Heidelberg (Baden-Württemberg),[3] wichtigster Produktionsstandort und Konzernzentrale ist der Standort in Wiesloch/Walldorf.[4]

Produktspektrum

Print Media Academy: Büro- und Schulungsgebäude am Hauptsitz in Heidelberg. Im Vordergrund das „S-Printing Horse
8-Farben-Druckmaschine Speedmaster CD 74 mit Lackierwerk

Größter Produktbereich des Unternehmens ist die Herstellung von Bogenoffset-Druckmaschinen. Der Bogenoffsetdruck wird allgemein überwiegend für hochwertige, mehrfarbige Druckprodukte wie z. B. Kataloge, Bildbände, Kalender, Plakate, Verpackungen und Etiketten eingesetzt. Immer wichtiger werden dabei Veredelungstechniken wie Lacke, spezielle Duftstoffe oder ausgefallene Bedruckstoffe. Moderne Bogenoffset-Druckmaschinen bedrucken heute bis zu 18.000 Bogen pro Stunde.[5]

Durch starke Unternehmenszukäufe um die Jahrhundertwende stieg die Heidelberger Druckmaschinen AG zunehmend in die Produktion von Maschinen für, dem Druck vor- und nachgelagerte, Prozesse ein. Heute vertreibt das Unternehmen neben den eigentlichen Druckmaschinen (Druck, englisch: press) auch Geräte zur Belichtung der Druckplatten (Druckvorstufe, englisch: pre press) sowie zur Weiterverarbeitung der bedruckten Bogen, also Maschinen zum Schneiden, Falzen und Stanzen (Druckweiterverarbeitung, englisch: post press). Hinzu kommen Softwarekomponenten zur Integration aller in einer Druckerei anfallenden Prozesse.

Insbesondere seit der weltweiten Finanzkrise 2007 und einer verstärkten Konsolidierung innerhalb der Druckindustrie in den letzten Jahren versucht Heidelberg, neue Geschäftsfelder auch außerhalb des Baus von Druckmaschinen zu erschließen. Hierzu zählen insbesondere die vergleichsweise konjunkturunabhängigen Bereiche Service und Verbrauchsmaterialien sowie Industrielösungen wie eine Ladestation[6] für Elektrofahrzeuge und Software für die digitale Vernetzung heutiger Prozessketten und die technische Dokumentation. Dies geschieht unter dem Namen „Heidelberg Industry“.[7] Durch Kooperationen bedient Heidelberg den Markt für Digitaldruckmaschinen und mit der Übernahme[8] der Gallus Holding im Jahr 2014 auch den Etikettendruckmarkt. Dies soll einerseits die Abhängigkeit vom Akzidenzdruck senken und dem Trend zu kleineren Auflagen Rechnung tragen, die meist mit flexibleren Digitaldruckmaschinen produziert werden, andererseits soll der stark wachsende Markt im Etikettendruck erschlossen werden.

Standorte

Am Hauptsitz des Unternehmens im Zentrum Heidelbergs befindet sich seit 2015 nur noch der Bereich Forschung und Entwicklung. Der Sitz der Hauptverwaltung sowie Vertrieb, Service und die Montage fast aller Druckmaschinen ist am 12 Kilometer südlich gelegenen Standort Wiesloch-Walldorf angesiedelt, welcher mit annähernd 4000 Mitarbeitern und einer Grundfläche von 860.000 m² die größte Druckmaschinenfabrik der Welt darstellt.[9] Nach dem Verkauf der Verwaltungsgebäude ist die Print Media Academy in Bahnhofsnähe das einzige Gebäude im Besitz der Heidelberger Druckmaschinen AG in der namensgebenden Stadt. Bis 2018 soll auch das Forschungs- und Entwicklungszentrum mit seinen 900 Beschäftigten nach Wiesloch verlagert werden.[10]

Weitere Produktions- und Entwicklungsstandorte in Deutschland sind in Amstetten auf der Schwäbischen Alb (Gießerei), Brandenburg an der Havel (Fertigung und Montage von Komponenten), Ludwigsburg (Falzmaschinen und Mailingsysteme), Kiel (Software für Integration aller Prozesse in prepress, press und postpress) und Langgöns. Als erster europäischer Druckmaschinenhersteller eröffnete Heidelberg Ende 2006 ein Werk in China. In Qingpu/Shanghai stellen rund 400 Mitarbeiter für den asiatischen Markt vor allem standardisierte Druckmaschinen in allen gängigen Formatklassen her. Weitere Produktionsstandorte im Ausland gibt es in Belgien, den Niederlanden (beide Drucksaalchemikalien), der Schweiz (Druckmaschinen der Marke Gallus) und in den USA (Falzmaschinen der Marke Baumfolder). An weltweit 250 Standorten in 170 Ländern ist das Unternehmen mit mehr als 3000 Vertriebs- und Servicemitarbeitern vertreten.

Insgesamt beschäftigt das Unternehmen weltweit rund 11.500 Mitarbeiter. Mehr als 80 Prozent seines Umsatzes von zuletzt 2,42 Mrd. Euro erzielt das Unternehmen im Ausland.[1]

Geschichte

Aktie über 100 RM der Schnellpressenfabrik AG Heidelberg vom Januar 1925
Firmengeschichte und beteiligte Personen
Modell T Platen (Tiegel) (gebaut von 1950 bis 1985)
Heidelberg Zylinder-Druckmaschine
Heidelberg KOR Offset-Druckmaschine, die erste Offset-Reihe Heidelbergs
Gott grüß die Kunst - Plakette anlässlich des 110-jährigen Bestehens des Unternehmens
Ein „Stock-Motorrad“ aus Heidelberger Produktion

Die Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG wurde zu großen Teilen von gesamtwirtschaftlichen Aufschwüngen im letzten Jahrhundert geprägt, die mittelbar durch den Aufstieg der Werbebranche und des Konsumgütersektors auch die Printmedien-Branche positiv beeinflussten. In der neueren Geschichte kam das Unternehmen aufgrund der abnehmenden Bedeutung von Druckerzeugnissen durch die digitale Revolution und wegen kaufmännischer Fehlentscheidungen mehrfach in finanzielle Schwierigkeiten und versucht nun auch durch neue Geschäftsmodelle Märkte außerhalb der graphischen Industrie zu erschließen.

Anfangsjahre

Der erste Vorläufer der Heidelberger Druckmaschinen AG liegt in einer Glocken-, Feuerspritzen- und Dampfmaschinenfabrik im pfälzischen Frankenthal. Der gelernte Glockengießer Georg Hamm übernahm diese Glockengießerei bereits 1845 vom Stiefsohn des Firmengründers Georg Friedrich Schrader, der die Gießerei 1774 gründete. Im Januar 1849 wurde Georg Hamms Bruder Andreas Hamm als Teilhaber des Unternehmens aufgenommen, er war zu diesem Zeitpunkt allerdings nur Kommanditgesellschafter zusammen mit dem Beamten Friedrich Wilhelm Meinhold. Die solidarisch haftenden Gesellschafter waren weiterhin Georg Hamm und der Flussreeder Georg Adam Kühnle. Als offizielles Gründungsdatum der Heidelberger Druckmaschinen AG gilt das Jahr 1850. In diesem Jahr übernahm Andreas Hamm die Anteile seines Bruders Georg am Unternehmen, da Georg Hamm aufgrund seiner Teilhabe an der Revolution 1848/1849 ins Exil flüchten musste. Unzufrieden mit seinen geringen Entscheidungsbefugnissen beschloss Andreas Hamm schon 1851 wieder aus der Gesellschaft auszutreten. Er wurde mit der Glockengießerei des Unternehmens ausbezahlt, die Maschinenherstellung verblieb bei den anderen Gesellschaftern, die diesen Bereich fortführten.[11] 1856 lernte Hamm Andreas Albert, Montageleiter bei der C. Reichenbachschen Maschinenfabrik und früherer Werksmeister bei Koenig & Bauer, kennen, der sich zu diesem Zeitpunkt auf Geschäftsreise befand. Zusammen beschlossen sie fünf Jahre später, neben Glocken und Gussteilen in loser Kooperation auch Schnellpressen herzustellen. Erst im Jahr 1863 wurde durch einen formellen Vertrag mit einer Laufzeit von 10 Jahren die Produktion unter dem Firmennamen Albert & Hamm eingeleitet. Innerhalb dieses neuen Unternehmens stellte Hamm die betriebliche Ausrüstung mit Maschinen und Werkzeugen und sorgte für die Rohstoffbelieferung mit Gussteilen und Stahl. Albert übernahm die hauptsächliche Leitung für das Tagesgeschäft, insbesondere die Konstruktion der Druckmaschinen selbst. Betriebskosten und Gewinn wurden unter beiden Partnern aufgeteilt. Die hergestellten Maschinen wurden teilweise dafür kritisiert, eine zu große Ähnlichkeit mit den Reichenbachschen-Modellen zu besitzen und keine nennenswerten Verbesserungen zu liefern.[12] Dennoch konnten schon bald Maschinen weit über den deutschen Sprachraum hinaus nach Cherson und Odessa verkauft werden.[13] Nach dem Weggang Alberts 1873 begann eine Zwischenphase, die Hamm nutzte um sich wieder verstärkt dem Glockenguss zu widmen. In diesen Zeitraum fällt auch der Guss der Kaiserglocke für den Kölner Dom. Nach dieser Übergangszeit baute Hamm, nunmehr zusammen mit seinem Sohn Karl, wieder Schnellpressen in harter Konkurrenz zu Alberts neuem Unternehmen, der Schnellpressenfabrik Albert & Cie. Diese sollte im 20. Jahrhundert wieder als Albert-Frankenthal AG von Koenig & Bauer übernommen werden. Im Jahr 1894 starb Andreas Hamm. Nach diesem einschneidenden Ereignis verkaufte Hamms Sohn das Unternehmen 1895 an Wilhelm Müller, der den Firmensitz nach Heidelberg verlegte. Der Verkauf umfasste jedoch nicht die Glockengießerei selbst, diese wurde noch bis in die 1960er Jahre eigenständig betrieben, sondern nur den Maschinenbau. Müller war zum Zeitpunkt der Übernahme bereits Gesellschafter einer Heidelberger Maschinenfabrik, die mit der Hamm'schen Fabrik zusammengeführt wurde.[14][15]

Übernahme durch den Kahn-Konzern

Durch steigende Rohstoffpreise und eine nachlassende Nachfrage kam das Unternehmen zur Jahrhundertwende bald in eine Krise, in deren Folge die, nun als Schnellpressenfabrik A. Hamm AG bekannte, Fabrik in den Besitz der Rheinischen Creditbank in Mannheim und der Darmstädter Bank für Handel und Industrie überging. Im Jahr 1905 wurde die Firma in Schnellpressenfabrik Aktiengesellschaft Heidelberg (Kurzform: Schnellpresse) geändert. Da die Schnellpressenfabrik jedoch weiterhin rote Zahlen schrieb, suchten die Banken bald einen neuen Investor für das Unternehmen, als deren Gläubiger sie gleichzeitig auftraten. Dieser wurde 1916 im gebürtigen Bochumer Unternehmer Richard Kahn gefunden, der die Heidelberger Maschinenfabrik bald in sein eigenes, als Kahn-Konzern bekanntes, Unternehmensgeflecht einband.[16] Ein bekanntes Produkt unter der Ägide Kahns war der Heidelberger Tiegel, der von 1914 bis 1985 165.000-mal produziert wurde. Dieser besaß erstmals einen automatischen Papiertransport und arbeitete damit weitaus schneller als herkömmliche Modelle. Der Tiegel, der ab 1926 in Fließproduktion gefertigt wurde, stellte das größte Erfolgsmodell der Schnellpresse in dieser Zeit dar.[17] Obwohl der Tiegel schon vor Kahns Übernahme entwickelt worden war, wurde dieser unter seiner Leitung fortentwickelt und zur Serienreife gebracht.

Eine Besonderheit stellte die Aufnahme einer Motorradproduktion in Heidelberg dar. Seit spätestens 1928 produzierte die Schnellpresse das sogenannte „Stock-Motorrad“, dessen Baupläne von der Stock-Motorpflug AG innerhalb des Kahn-Konzerns übernommen worden waren. Hierbei handelte es sich um ein leichtes Motorrad mit einer Leistung zwischen 2 und 11 PS. Die Motorradproduktion stellte für die Heidelberger Fabrik allerdings nur einen äußerst kleinen Teilbereich dar, der 1933 komplett eingestellt wurde.[18]

Innerhalb von Kahns Firmenkonglomerat kam es 1929 zur Fusion der Maschinenfabrik Geislingen an der Steige (MAG) und dem Hersteller von Operationstischen C. Maquet AG auf die Schnellpresse. Obgleich die Medizintechniksparte von Maquet bereits 1933 wieder abgestoßen wurde, blieb die Geislinger Maschinenfabrik mit ihrer Gießerei fest mit der Schnellpresse verbunden. Diese bildet den Vorgänger des heutigen Unternehmensstandorts in Amstetten bei Geislingen.[19] Die Kahn-Gruppe selbst hatte zu jener Zeit mit immer schwereren finanziellen Problemen zu kämpfen und war hoch verschuldet. Dies resultierte 1932 im kompletten Zusammenbruch des Kahn-Konzerns. Zum Glück der Schnellpresse wurden schon 1931 die rentablen Teile der Kahn-Gruppe auf das Drängen der Banken ausgegliedert. Hierdurch wurde der Fortbestand des Unternehmens gesichert, wenngleich die Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft und die Commerz- und Privatbank zu den neuen Hauptaktionären wurden.[20] Im März 1940 übernahm Rheinelektra von der Deutschen Bank die absolute Mehrheit der Schnellpressen-Anteile.

Wachstum und Blütezeit

Nach dem Zusammenbruch der Kahn'schen Beteiligungsgesellschaft brach eine neue Ära der Unternehmensgeschichte unter der Leitung des Vorstands Hubert Sternberg an. Dieser wurde 1926 durch Kahn zum Vorstand ernannt. Das heutige Hauptwerk in Wiesloch/Walldorf wurde durch starkes Engagement von Hubert Sternberg nach einem Jahr Bauzeit 1957 eröffnet, weil das Stammwerk in Heidelberg zu eng wurde und der Widerstand gegen ein Neubauvorhaben des Unternehmens in Heidelberg zu groß geworden war.[9] Sternberg war es auch, der die Heidelberger Erzeugnisse auf Vorführwagen montieren ließ und mit den mobilen Präsentationsmaschinen für landesweite Bekanntheit sorgte. Wurden zu Beginn der 1960er Jahre noch ausschließlich Maschinen für den Hochdruck durch die Schnellpresse produziert, so stellte das Unternehmen 1962 seine erste Maschine für den Offsetdruck, die Heidelberg KOR (Kleine Offset Rotation), vor.[21] 1967 erfolgte die Umbenennung der Schnellpressenfabrik in Heidelberger Druckmaschinen AG. Die Produkte erwiesen sich als ausgesprochen wettbewerbsfähig. Schnell wurde das Unternehmen zum weltweit größten Anbieter mit deutlichem Abstand zu den nächsten Mitbewerbern. Der GTO (Großer Tiegel Offset) war die erste Offset-Maschine, von der mehr als 40.000 Druckwerke ausgeliefert werden konnten.[22] Der GTO wurde ab dem Jahr von Sternbergs Austritt aus dem Vorstand, 1972, gebaut. Die Einführung der Speedmaster-Baureihe 1974 festigte die Position Heidelbergs im Bau von Offset-Maschinen. Die Speedmaster-Reihe wird bis zum heutigen Tage gefertigt.

Bereits Mitte der achtziger Jahre zählte Heidelberg, so die neue Kurzform des Firmennamens, zu den wichtigsten Unternehmen des deutschen Maschinenbaus. Zu dieser Zeit war zirka ein Drittel der gesamten europäischen NC-Werkzeugmaschinenbasis in Wiesloch/Walldorf im Einsatz.[23] 1988 erwarb Heidelberg den Rollenoffsetmaschinen-Hersteller Harris Graphics Corporation mit Standorten in Frankreich, den USA und in Mexiko. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde mit der Produktion von Maschinenkomponenten in Brandenburg begonnen. Auf dem Gebiet der Druckvorstufe erwarb Heidelberg 1996 das Unternehmen Linotype-Hell AG, um so seine Produktpalette vor allem um Laserbelichter speziell für die Druckplattenbelichtung zu ergänzen. Ebenfalls 1996 bereicherte das Unternehmen Contiweb, das von Stork übernommen wurde, mit seinen Rollenwechslern das Segment Web Systems mit Zeitungs- und anderen Rollenoffsetdruckmaschinen. Erst gegen Ende des Jahrhunderts, 1997, wurde die Heidelberger Druckmaschinen AG erstmals an der Frankfurter Börse notiert (Kürzel HDD). Dieser Börsengang wurde durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn organisiert, der sich hierdurch für den Vorstandsposten bei der angestrebten Privatisierung der Deutschen Bahn qualifizierte. Sein Nachfolger wurde im Oktober 1999 Bernhard Schreier. Im selben Jahr übernahm das Unternehmen die Sparte Office Imaging (Schwarz-Weiß-Digitaldruck) von der Eastman Kodak Company[24], sowie die Stahl GmbH & Co. KG aus Ludwigsburg. Dieses Unternehmen fertigte vornehmlich Falzmaschinen und andere Maschinen für die Druckweiterverarbeitung und trägt mit seinen Standorten in Ludwigsburg und Sidney/Ohio noch heute zu den post-press-Aktivitäten Heidelbergs bei.[25] Das Jahr 2000 kann retrospektiv als ein Hochpunkt der Unternehmensentwicklung angesehen werden. In diesem Jahr wurde die Print Media Academy eröffnet, welche als ein Schulungs- und Bürogebäude in Heidelberg geplant wurde, deren ineffiziente Raumnutzung jedoch mehrfach bemängelt wurde. Auf der Branchenleitmesse drupa präsentierte sich Heidelberg als ein Lösungsanbieter für alle Druckereibereiche.

Erste Schwächephase und Schrumpfung

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und den damit verbundenen starken Einbrüchen in der für Heidelberg besonders wichtigen Werbeindustrie war das Geschäftsjahr 2002/2003 das erste Jahr seit den wirtschaftlichen Krisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in dem die Heidelberger Druckmaschinen AG einen Verlust erwirtschaftete. Im Zuge dieser mehrere Jahre anhaltenden Branchenkrise ordnete das Unternehmen seine Geschäftsaktivitäten neu. Zum 31. Januar 2003 wurde von der Jagenberg AG der Bereich Bogenstanz- und Faltschachtelklebe-Maschinen für die Verpackungsindustrie, die Jagenberg Diana GmbH in Neuss und Woschnik + Partner in Mönchengladbach sowie ein Werk in der Slowakei, die Jagenberg Slovensko spol. s.r.o. in Nove Mesto, übernommen. Diese Unternehmen produzieren Maschinen, die für das Falten und Verkleben von Karton- und Wellpappe-Verpackungen benötigt werden.

Das starke Wachstum der Heidelberg-Gruppe in den 90er-Jahren erwies sich als nicht nachhaltig, so musste der Bereich Web Systems (Rollenoffsetmaschinen) mit Werken unter anderem in Dover (USA), Montataire (Frankreich) und Boxmeer (Niederlande) an die US-Firma Goss International verkauft werden. Heidelberg erhielt im Gegenzug eine Beteiligung von 15 Prozent an Goss. Die Sparte Digitaldruck und das bis dahin mit Kodak bestehende Joint Venture für digitalen Farbdruck, NexPress, wurden wieder an den amerikanischen Partner übertragen, die Heidelberg Digital Finishing GmbH in Mühlhausen, ein ehemaliger Kodak-Standort, geschlossen. Mit diesen Entscheidungen wurde die Expansion in neue Geschäftsfelder revidiert. Die Verkaufserlöse aus beiden Bereichen lagen äußerst niedrig, dies wurde jedoch hingenommen, um die defizitären Sparten überhaupt abstoßen zu können.[26] Die Heidelberger Druckmaschinen AG konzentrierte sich fortan wieder auf ihr traditionelles Kerngeschäft der Maschinen für den Bogenoffsetdruck. Im Geschäftsjahr 2004/05 erreichte das Unternehmen wieder die Gewinnzone. Zur gleichen Zeit, im Mai 2004, verkündete RWE, dass das Unternehmen seine Beteiligungen an Heideldruck auflösen werde. Dies geschah im Zuge des allgemeinen Abbaus von Industriebeteiligungen durch den Energiekonzern.[27] RWE hielt für eine lange Zeit, von 1940 bis 1997 mittelbar über Rheinelektra und von 1997 bis 2000 über die Lahmeyer AG, eine Mehrheitsbeteiligung von über 56 % an der Heidelberger Druckmaschinen AG.[28]

In Qingpu bei Shanghai wurde 2006 mit zunächst 130 Mitarbeitern eine Montage für Falzmaschinen und kleinformatigere Druckmaschinen eröffnet. Im Spätsommer des darauffolgenden Jahres startete die Heidelberger Druckmaschinen AG mit der Herstellung von Maschinen für das so genannte „ganz große Format“. In dieser Formatklasse werden Papierbogen mit einer Breite bis zu 162 Zentimetern bedruckt. Eingesetzt werden solche Maschinen vor allem für den Druck von Verpackungen, die häufig in großen Auflagen benötigt werden. Für die Montage dieser bis zu 200 Tonnen schweren Maschinen wurde am Standort Wiesloch-Walldorf mit einem Kostenaufwand von 45 Millionen Euro eigens eine 260 Meter lange und 135 Meter breite Halle errichtet. Sie war zugleich eine Art Jubiläumsgeschenk für den Standort, der im Sommer dieses Jahres sein 50-jähriges Bestehen feiern konnte.

Unternehmensbedrohliche Krise

Nach einer erfolgreich verlaufenen drupa im Frühjahr 2008 machte sich die Finanz- und Wirtschaftskrise zunehmend auch im konjunkturempfindlichen Geschäft von Heidelberg bemerkbar. Im zweiten Halbjahr gingen Auftragseingang und Umsatz erheblich zurück und Überkapazitäten auf dem Weltmarkt bereiteten Schwierigkeiten für die Preisgestaltung. Unter dem Druck der Krise wurden Maßnahmen zur Kostensenkung eingeleitet, die mittelfristig rund 400 Millionen Euro einsparen sollten. In diesem Zusammenhang trennte sich das Unternehmen auch von rund 4.000 seiner zuvor weltweit knapp 20.000 Mitarbeiter. An allen deutschen Standorten wurde 2009 und 2010 kurzgearbeitet und zur finanziellen Stabilisierung mussten Kredite und Bundesbürgschaften in Höhe von über 700 Millionen Euro beantragt werden.[29] Auch durch diese staatlichen Zusagen konnte das Fortbestehen Heidelbergs gesichert werden. Auf der Hauptversammlung im Juli 2010 beschlossen die Aktionäre zudem mit großer Mehrheit eine Kapitalerhöhung im Wert von rund 420 Millionen Euro. Die Verschuldung des Unternehmens konnte dadurch teilweise zurückgeführt, die Kapitalstruktur verbessert werden.

Jüngere Entwicklungen

Seit April 2011 besteht eine globale strategische Kooperation mit dem japanischen Elektronik-Hersteller Ricoh, um Kunden auch im wachsenden Segment Digitaldruck bedienen zu können. Im drupa-Jahr 2012 gab es grundlegende Veränderungen in allen Unternehmensbereichen sowie den Abbau von 2000 Stellen weltweit, davon über 1200 in Deutschland.[30] Anfang November 2013 gab Heidelberg eine globale strategische Partnerschaft mit der japanischen Firma Fujifilm bekannt. Die Zusammenarbeit beider Unternehmen soll sich vor allem darauf konzentrieren, Produkte für den wachsenden Digitaldruckmarkt zu entwickeln, aus dem sich Heidelberg zuvor mit dem Verkauf seiner Digitalmaschinen-Beteiligungen zurückgezogen hatte.

Nach fünf Verlustjahren in Folge erzielte die Heidelberger Druckmaschinen AG im Geschäftsjahr 2013/14 erstmals wieder einen Gewinn.[31]

2015 zogen der Vorstand und große Teile der Verwaltung von Heidelberg nach Wiesloch. In Heidelberg verblieb vorerst der Bereich Forschung und Entwicklung, welcher bis Ende 2018 in einer umgebauten Fertigungshalle des Wieslocher Werks einziehen soll. Noch im selben Jahr wurde der ehemals von Jagenberg erworbene Unternehmensbereich für die Herstellung von Stanz- und Faltschachtelklebemaschinen an die Masterwork Machinery Co. Ltd. (MK) aus Tianjin veräußert.[32] Heidelberg und Masterwork kooperieren weiterhin in diesem Bereich, so werden die Masterwork-Maschinen beispielsweise in den meisten Weltregionen durch Heidelberg vertrieben.[33] Im Geschäftsjahr 2015/2016 erzielte das Unternehmen nach etlichen Verlustjahren erstmals wieder einen Gewinn nach Steuern.[34] Seit November 2016 ist Rainer Hundsdörfer neuer Vorstandsvorsitzender.[35] Zur Stärkung des Bereichs „Heidelberg Industry“ wurde 2017 der Bamberger Softwareentwickler Docufy übernommen. Dieser bietet Anwendungssoftware für die technische Dokumentation an.[36] Im Oktober 2018 verkündete Heidelberg zudem seine Absicht zur Übernahme des Falzmaschinenherstellers MBO aus Oppenweiler. Diese Übernahme erfordert noch die Zustimmung der Kartellbehörden und würde die Weiterverarbeitungssparte Heidelbergs deutlich vergrößern.[37]

Literatur

  • Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486.

Film

  • Immer unter Druck – Die Heidelberger Druckmaschinen AG. Dokumentarfilm, Deutschland, 2018, 29:45 Min., Buch und Regie: Eberhard Reuß, Produktion: SWR, Reihe: made in Südwest, Erstsendung: 25. April 2018 bei SWR Fernsehen, Inhaltsangabe von ARD, online-Video von SWR.
Commons: Heidelberger Druckmaschinen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Geschäftsbericht Heidelberger Druckmaschinen AG 2017/2018. In: heidelberg.com, (in innovativem Layout), (PDF; 8,45 MB; 188 S.), aufgerufen am 11. September 2018.
  2. Kennzahlen: Kennzahlen. Fünfjahresübersicht Heidelberg-Konzern. In: heidelberg.com, aufgerufen am 11. September 2018.
  3. Produktionsstandorte • Heidelberg. In: heidelberg.com; siehe auch: Satzung der AG, §1. In: heidelberg.com, (PDF; 173 kB), aufgerufen am 27. April 2018.
  4. Produktionsstandorte • Wiesloch-Walldorf. In: heidelberg.com, aufgerufen am 27. April 2018.
  5. Die zehn schnellsten Bogenoffsetdruckmaschinen. In: print.de, aufgerufen am 27. April 2018.
  6. Daniel Bernock: Heideldruck baut Ladesäulen für Elektroautos. In: Rhein-Neckar-Zeitung, 6. Oktober 2017.
  7. Heidelberger Druckmaschinen AG: Heidelberg Industry abgerufen am 10. September 2018
  8. Heidelberg vollzieht Übernahme der Gallus Holding AG. In: heidelberg.com, 18. August 2014, aufgerufen am 27. April 2018.
  9. a b Micha Hörnle: Unternehmer Epple kauft Firmensitz der Heidelberger Druckmaschinen. In: Rhein-Neckar-Zeitung, 21. September 2015, aufgerufen am 27. April 2018.
  10. Matthias Kros: Heideldruck verlässt Heidelberg endgültig. (Memento vom 27. April 2018 im Webarchiv archive.today). In: Mannheimer Morgen, 21. Oktober 2016.
  11. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 9-14. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  12. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 20. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  13. Heidelberger Druckmaschinen AG: Andreas Hamm: Der Gründervater abgerufen am 28. September 2018
  14. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 23-34. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  15. Martin Welke und Boris Fuchs: „Zeitungsdruck: die Entwicklung der Technik vom 17. zum 20. Jahrhundert“, Band 58 von „Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung“, 2000, Seite 49, ISBN 3598213212; Ausschnitt aus der Quelle
  16. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 45-47. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  17. Heidelberger Druckmaschinen AG: "Heidelberger Tiegel": Der Weg nach oben abgerufen am 11. September 2018
  18. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 68-69. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  19. Industriekultur Filstal: Ehem. Maschinenfabrik Geislingen (MAG) abgerufen am 30. September 2018
  20. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 69-71. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  21. Heidelberger Druckmaschinen AG: 100 Jahre Offsetdruck / Die glückliche Zangengeburt abgerufen am 30. September 2018
  22. Martin Krauß: Vom Glockenguss zum Offsetdruck. Geschichte der Heidelberger Druckmaschinen AG. S. 146. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2000, ISBN 978-3897351486
  23. druckmarkt.com: Eine Fabrikanlage für die Drucker der ganzen Welt(PDF; 560 kB), abgerufen am 11. September 2018
  24. RWE: Heidelberg und Kodak unterzeichnen Kaufvertrag für Office Imaging abgerufen am 11. September 2018
  25. RWE: Bundeskartellamt genehmigt Übernahme der Stahl-Gruppe abgerufen am 12. September 2018
  26. Frankfurter Allgemeine: Heidelberger Druck verkauft Digitaldruck an Kodak abgerufen am 13. September 2018
  27. Frankfurter Allgemeine: RWE trennt sich von Heidelberger Druck abgerufen am 11. September 2018
  28. RWE: Übernahmeangebot für LAHMEYER AG abgerufen am 11. September 2018
  29. Spiegel Online: BMW und Porsche bemühen sich um Staatskredit abgerufen am 11. September 2018
  30. dpa: Heidelberger Druck: 2000 Jobs weniger. In: Handelsblatt, 17. Januar 2012, aufgerufen am 27. April 2018.
  31. Presseinformation zum Geschäftsjahr 2013/2014: Heidelberg achieves results target: € 4 million net profit for year. In: Heidelberger Druckmaschinen AG, 5. Juli 2014, (englisch), aufgerufen am 27. April 2018.
  32. it-production.com: Komplette IT-Landschaft in Europa ausgetauscht abgerufen am 11. September 2018
  33. MK Masterwork: Über Uns - Masterwork Machinery GmbH abgerufen am 11. September 2018
  34. dpa/lsw: Weniger Heidelberg bei Heideldruck – aber der Konzernsitz wird nicht verlegt. (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive). In: Rhein-Neckar-Zeitung, 11. Juni 2014.
  35. Daniel Bernock und Thomas Veigel: Heideldruck: Rainer Hundsdörfer folgt auf Gerold Linzbach. In: Rhein-Neckar-Zeitung, 28. Oktober 2016, aufgerufen am 27. April 2018.
  36. Docufy GmbH: DOCUFY jetzt unter dem Dach der Heidelberger Druckmaschinen AG abgerufen am 10. September 2018
  37. MBO-Gruppe: MBO-Gruppe wird Teil der Heidelberger Druckmaschinen abgerufen am 2. Oktober 2018

Koordinaten: 49° 24′ 20,7″ N, 8° 40′ 46,6″ O