Benutzer:Fäberer/Jenische

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Die Jenischen sind eine wandernde ethnische Gruppe ungeklärter Herkunft. Gewisse Teile der jenischen Sprache weisen auf eine sehr lange eigene, in Europa verwurzelte Geschichte hin. Manchmal werden sie auch als „weiße Zigeuner bezeichnet, da sie im Vergleich zu den Roma eine hellere Hautfarbe haben. Dass es überhaupt zu Vergleichen und Verwechslungen mit Roma kam, lag daran, dass Jenische (früher durchwegs, heute nur noch teilweise) ein nomadisierendes Leben führen und als Randgruppe der Gesellschaft oftmals in ähnlichen Berufen (wie Scherenschleifer, Korbflechter und Gaukler) tätig waren.

Jenische am Lauerzersee (Schweiz), 1928

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Polizeiliche Wegweisung, Messerligrube bei Bern, 1977

In allen deutschsprachigen Ländern, in Frankreich, den Benelux-Staaten und in Italien sind jenische Gruppen dokumentiert. Sowohl die Zahl der Menschen mit jenischer Herkunft als auch die Zahl der heute sich selbst als Jenische definierenden Menschen ist weitgehend unerforscht. Einzig in der Schweiz gibt es von den Behörden veröffentlichte Zahlen: rund 35.000 Jenische leben in der Schweiz. Das entspricht 0,5% der Schweizer Bevölkerung. 10% der Schweizer Jenischen leben heute als sogenannte „Fahrende“ ganzjährig im Wohnwagen. Grösser ist der Anteil derjenigen, die verschiedene Teile ihrer jenischen Traditionen in anderem Lebensumfeld weiterpflegen. Die Vereine der Jenischen gehen davon aus, dass der Bevölkerungsanteil der Jenischen auch in den übrigen europäischen Ländern ähnlich sei wie in der Schweiz. Sie rechnen somit, dass in Deutschland, mit Schwerpunkten in Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, insgesamt über 400.000 Menschen jenischer Herkunft leben. In Österreich leben Jenische (auf 40.000 Menschen geschätzt) vorwiegend in Tirol, im Mühlviertel, Waldviertel und im Burgenland. Sowohl in Deutschland wie auch in Österreich gibt es „auf Reise“ lebende Jenische. In Belgien zählte man in den 1990er Jahren rund 7.000 „auf Reise“ lebende Jenische, die Zahl „sesshafter“ Jenischer ist unbekannt. Alain Reyniers schrieb 1991 in einem Artikel der Zeitschrift Etudes Tsiganes (Nr. 2/91): Ils constituent, aujourd'hui en France, sans doute le groupe le plus volumineux. Ins Deutsche übersetzt: Sie bilden heute in Frankreich zweifellos die größte Gruppe (der Zigeuner). Auch in Ländern wie Ungarn und Rumänien[1] gibt es Gruppen, die sich selbst als Jenische bezeichnen. Die Jenischen sind in der Schweiz als nationale Minderheit und in Österreich als Volksgruppe anerkannt. Jenische Organisationen in Deutschland fordern ebenfalls die Anerkennung der Jenischen als Volksgruppe bzw. als nationale ethnische Minderheit.

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 15. Jahrhundert (Kupferstich von Martin Schongauer)

Historiker und Sozialwissenschaftler verorten die Entstehung der Jenischen oder einer Sozialgruppe, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, häufiger dann im 19. Jahrhundert mitunter die Eigen- und Fremdbezeichnung „Jenische“ trägt, in der vagierenden Armut der Frühen Neuzeit.[2]

Für viele Jenische selbst ist die Herkunftsfrage obsolet. Ihnen ist wichtig, dass es sie gibt, hier und heute. Andere Jenische berufen sich auf unterschiedlichste Familiengeschichten und –mythen. Manche Jenische bezeichnen sich als Nachfahren der Kelten und beanspruchen als Volksgruppe einen keltischen Herkunftsmythos und eine Ethnogenese, die auf die Kelten zurückzuführen sei.[3] Im Rahmen einer vom der schweizerischen Regierung eingesetzten Expertenkommission, in welcher neben Politikern und Wissenschaftern auch Vertreter der Jenischen mitarbeiteten, legte das jenische Kommissionsmitglied Jean-Jacques Oehle in einem von ihm im Juni 1982 verfassten Exposé in französischer Sprache seine Sicht der jenischen Identität, Kultur, Lebensweise und Geschichte dar. Er schrieb: "Les Yenish [...] sont probablement d'origine celte." (Fahrendes Volk in der Schweiz: Lage, Probleme, Empfehlungen, Bern, 27. Juni 1983, Anhang 1, S. 2) Im wissenschaftlichen Raum wird diese Annahme nicht diskutiert, weil für eine wissenschaftliche Hypothesenbildung Belege nicht beigebracht sind.

Die These, die Jenischen seien aus der Gruppe der jüdischen Wanderhändler (Chochemer) entstanden, stützt sich auf die Hebraismen in der jenischen Sprache und den nicht unbedeutenden Anteil an in beiden Gruppen vorkommenden Familiennamen. Diese These ignoriert jedoch die frühen Belege des Wortes jenisch und die älteren Sprachteile der jenischen Sprache. Wären die Jenischen erst aus den jüdischen Wanderhändlern entstanden, so bliebe unerklärlich, wieso diese wesentliche Teile ihrer existierenden jiddischen Sprache durch alte Teile fremder Sprachen ersetzen sollten. Wahrscheinlicher ist, dass der als Einzelperson reisende jüdische Hausierer manchmal die Gastfreundschaft auf jenischen Lagerplätzen genießen durfte und so auch bikulturelle Ehen zustande kamen, die jüdische Familiennamen in die jenische Welt einbrachten.

Andere Thesen zur Herkunft besagen, dass die Jenischen und ihre fahrenden Gewerbe sowie ihre eigenständige Sprache auf die Traditionen von Spielleuten, Gauklern, fahrenden Händlern etc. zurückgehen, die schon im frühen europäischen Mittelalter dokumentiert sind. Dem gegenüber steht die oft auch von Kreisen, welche den Jenischen nicht gut gesinnt waren, vertretene These, dass die Jenischen ein erst aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges entstandenes Gemisch aus Deserteuren, verarmten Soldaten und der Unterschicht seien. Es gibt auch die Meinung, die Jenischen seien eine in der Folge der Reformationskriege bzw. der Bauernkriege (1520 bis 1525) aus der Schweiz ausgewanderte Volksgruppe. Hiergegen spricht jedoch, dass die Jenischen fast ausnahmslos katholisch sind und als Gruppe somit vor der Spaltung der Kirche entstanden sein müssen, und dass nur protestantische Gruppen zu jener Zeit aus der Schweiz auswanderten oder vertrieben wurden. Außerdem kamen gewisse Elemente des katholischen Brauchtums (Pilgerfahrten, Wallfahrten) einer nicht-sesshaften Lebensweise eher entgegen, was den Jenischen teilweise das Leben eigener Traditionen und Bräuche erleichterte.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Jenischen wurden über die Jahrhunderte stets im Kontext des Zeitgeistes und/oder als stereotypes Konstrukt der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen und dargestellt, wie dies analog auch bei Roma und Sinti, den früher als Zigeuner bezeichneten Gruppen, geschah. Was sie durch Zeitzeugnisse wie ein roter Faden identifiziert, sind drei oft gemeinsam auftretende Phänomene:

  1. Ihr eigenständiges Idiom, das Jenische
  2. Dass sie sich in Familienverbänden tradieren.
  3. Und dass ein Teil von ihnen nomadisch lebt, dabei aber auch in Verbindung mit sesshaften oder über den Winter sesshaften Gruppenmitgliedern steht.

Vom Mittelalter zum 19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den schriftlichen Quellen findet sich das Wort „jenisch“ ab dem 18. Jahrhundert. Den Gelehrten und Geistlichen des Mittelalters galt „fahrendes Volk“ als „falsche“ Bettler und Pilger. Diese Sicht spiegelt sich zum Beispiel wider in den Illustrationen Albrecht Dürers in Sebastian Brants Buch „das Narrenschiff“ von 1494, in Martin Schongauers Kupferstich „Leben auf der Landstraße„ von 1470 sowie das „Liber Vagatorum“ (Untertitel: „Von der falschen Bettler Büberei“), erschienen im Jahre 1510, dessen Urheberschaft ungeklärt ist.

Verarmte Jenische im 19. Jahrhundert

Beim aufkommenden Zunftwesen konnten die traditionellen Handelsnomaden und Wanderarbeiter ihre Gewerbe nicht mehr legal betreiben und mussten außerhalb der Städte ihre Zelte aufschlagen. Auch wurde es ihnen nur noch erlaubt, in Nischentätigkeiten ihrer vorherigen Berufe zu arbeiten. So wurden aus Kupferschmieden Kesselflicker, aus Zinngießern Verzinner und aus Messerschmieden Scherenschleifer. In der Schweizer Stadt Chur sind zwei Straßen nach ihren Lagerplätzen und Tätigkeiten benannt. Seit dem 16. Jahrhundert trafen sich die Jenischen in der Kleinstrepublik Gersau am Vierwaldstättersee zur alljährlichen „Feckerchilbi“, die ihnen temporäre Gewerbefreiheit gewährte und die, abgesehen von den durch den Anschluss Gersaus an den Kanton Schwyz erzwungenen Unterbrechungen im 19. und 20. Jahrhundert, bis heute stattfindet. Diese durch Jenische und Sesshafte geschaffene Handelssymbiose hat beispielhaft in der 1973 gegründeten Fête de la Brocante[4] in Le Landeron ein modernes Pendant. Auch als Nachrichtenübermittler waren die Fahrenden vor dem Aufkommen moderner Kommunikationsmittel unentbehrlich, was ihnen aber zu Kriegszeiten den Ruf eintrug, Spione zu sein. Ihre unter anderem aus solchen missgünstigen Schlussfolgerungen resultierende öffentliche Zurückhaltung bei politischen Fragen wurde ihnen dann wiederum negativ ausgelegt als eine „werthaltungsfreie und meinungslose“ Lebensführung. Dieser Teufelskreis ist einer der Mechanismen des Antiziganismus.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, wurden viele Jenische in Dörfern angesiedelt. Diese Praxis wiederholte sich in den 1850er Jahren in der Schweiz als „Zwangseinbürgerungen“. Basierend auf dem „Gesetz betreffend die Heimatlosigkeit“ wurden in dieser Zeit die Jenischen in der Schweiz einem Verhör unterzogen und, je nach daraus gefundenen verwandtschaftlichen Beziehungen, einer Gemeinde zwangsweise als Bürger zugeteilt. Der „Zwang“ bezog sich nicht auf die jenischen Familien, sondern auf die Gemeinden, die sich oftmals mit juristischen Mitteln gegen die Zwangseinbürgerungen zu wehren versuchten. Viele Jenische waren damals froh, endlich ein Heimatrecht zu besitzen, da sie so in den Besitz der für ihre Lebensweise wichtigen „Heimatscheine“ kamen. Da reichere Gemeinden und Städte sich bei den Bundesbehörden mit Rekursen besser gegen diese Zuteilungen wehren konnten, erfolgten die Zuteilungen weitgehend in armen und entlegenen Gebieten, so etwa in den Sumpfgebieten der Linthebene und in Bergdörfern des Kantons Graubünden. Die Liste der jenischen Dörfer illustriert das Vorgehen der Schweizer Behörden. Diese Sesshaftmachungen dürften später entstandene Theorien der Entstehung der Jenischen begünstigt haben (siehe oben).

Im 18. Jahrhundert verfolgte man sie als „Gauner- und Räuberbanden“, da sie wie diese ohne festen Wohnsitz in Wäldern lebten. So schreibt der Pfarrer Johann Ulrich Schöll aus Ludwigsburg, der zahlreiche Genealogien über Jenische, insbesondere des halb-jenischen „Konstanzer Hanses“ und dessen Lebensgefährtin, der jenischen „Schleifer-Bärbel“ [5], erstellte, 1793: „Sie heissen in ihrer Gesellschaftssprache Jenische, d.i. Leute, die nirgends keine Niederlassung haben; so wie sie in der Canzley- und Volkssprache den Namen von Vaganten oder Vagabunden und Strolchen führen. Sie machen auch im Grunde nur Eine Gesellschaft aus. Denn so sehr sie in Ansehen des ErwerbMitels, dessen sie sich bedienen, oder des Handwerks, das sie treiben, von einander unterscheiden, indem die einen nehmen, die anderen sich geben lassen, so sehr stimmen sie in ihrer übrigen Lebensart, in ihren Sitten und anderen Verhältnissen überein.“[6]. Schöll ging davon aus, dass das Räuber- und Gaunerwesen in Schwaben von den nichtsesshaften Jenischen des 16. Jahrhunderts begründet wurde. Er referiert zudem von den während des Dreißigjährigen Krieg „verwilderten Menschen“, die sich mit „herumziehenden Keßlern (Jenische), und Bettelnden Landfahrern“ verbanden. Dieses bildet „ein zahlreiches Gesindel“, „das Rauben und Stehlen zu seinem ordentlichen Handwerk und Landstreicherei zu seiner Lebensart machte“ [5]. Diese These teilt auch der Wirtschafts-und Sozialhistoriker Eric J. Hobsbawm über das Räubertum Mitteleuropas zur dieser Zeit. Hobsbawm zufolge war die „soziale Zusammensetzung“ der Gauner Mitte des 18. Jahrhunderts vornehmlich in zwei Gruppen zu finden: bei der Bauernschaft und bei der „mobilen Randgruppe der Agrargesellschaft“, die ihr eigenes Idiom hatte, das sich bis in das Mittelalter verifizieren lässt, und von dieser Gruppe nicht trennbar ist.[7]. Zu jenen Tagen gesellten sich auch viele sogenannte Chochemer, heimatlose Juden, zu den letzten Vertretern des „Fahrenden Volkes“. Es waren Juden, die wegen Kontingentregelungen als Überzählige kein Bleiberecht in den Ghettos mehr hatten und nun als Wanderhausierer übers Land zogen (siehe H. Graetz). Damals gelangten viele hebräische Worte in den jenischen Wortschatz. Auch mit fahrenden Sinti kamen die Jenischen wiederholt in Berührung. Da die Schmälamar, wie die Jenischen die Sinti nennen, aber unter sich bleiben wollten, gibt es in ihrem Idiom nur wenige Lehnworte aus der Zigeunersprache.

Das 20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jenischer Scherenschleifer

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren - unter anderem wegen der oben beschriebenen Sesshaftmachungen - reisende Jenische nicht mehr so zahlreich wie im Mittelalter. Sie lebten als Korbmacher, Scherenschleifer, Kesselflicker und neuerdings auch als Schirmflicker. Als sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Industriewirtschaft immer mehr ausbreitete, ging die Nachfrage nach ihrem überlieferten Handwerk zurück. Sie mussten sich notgedrungen umorientieren und wurden Antiquitäten-, Schrott- und Altwarenhändler. Während sie von den Kommunisten als gesellschaftlich nicht integrierbares Subproletariat betrachtet wurden, fanden sie in den 1920er Jahren in den Schriftwerken der Anarchisten (u.a.bei Erich Mühsam) und Nonkonformisten Anerkennung als „lebendes Beispiel einer autonomen und unkonventionellen Gegengesellschaft“. Diese Umwertung der nicht sesshaften Lebensweise ins Positive, insbesondere auch durch die Vagabunden-Internationale um Gregor Gog, kontrastierte zur fortdauernden Generalverdächtigung der Nicht-Sesshaften durch die Polizei als ordnungswidrige, besonders streng zu kontrollierende Gruppe.

Jenische im Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die seit Mitte der 1930er Jahren von den Nationalsozialisten erheblich verschärften Maßnahmen zur „Bekämpfung der Zigeunerplage“ richteten sich schon vor 1933 nicht nur gegen Sinti und Roma, sondern zugleich gegen „nach Zigeunerart umherziehende Landfahrer“, womit vorab Jenische gemeint waren. Vermehrt wurden nun Wandergewerbescheine verweigert oder Kinder in Fürsorgeerziehung überwiesen. Der „Grundlegende Erlaß über die vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei“ vom 14. Dezember 1937 ermöglichte eine polizeiliche „Vorbeugungshaft“ gegen "Zigeuner", aber auch gegen Jenische. Reichsweiten Verhaftungsaktionen der Gestapo im April und im Juni 1938 (Aktion „Arbeitsscheu Reich“) folgten Deportationen von Sinti, Roma und Jenischen in Konzentrationslager wie Buchenwald, Dachau oder Neuengamme. Für die nationalsozialistische „Zigeuner- und Asozialenforschung“, vor allem durch die 1936 eingerichtete Rassenhygienische und erbbiologische Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt unter ihrem Leiter Robert Ritter, standen „Zigeuner“ im Mittelpunkt des Interesses. Aber sie richtete ihren Blick auch auf Jenische. Soweit sie auch diese erfasste, kategorisierte sie sie nach erbbiologischen Kriterien meist als „Nichtzigeuner“. Das bedeutete keine Gleichstellung mit den übrigen Angehörigen der „deutschen Volksgemeinschaft“, sondern eine Aussonderung als "minderwertig". Falls in den von Ritter und seinem Personal erfassten jenischen Genealogien Sinti oder Roma auftraten, lautete die Rassendiagnose „Zigeunermischlinge“. Anders als bei der jüdischen Minderheit galten auf diesem Feld nationalsozialistischer Forschung „Mischlinge“ als besonders gefährliche Krankheitserreger am „deutschen Volkskörper“. Sterilisierung und physische Vernichtung als die extremsten Formen nationalsozialistischer Rassenpolitik betrafen auch eine unbekannte Zahl von Jenischen. Die im Gefolge des Himmlerschen „Auschwitz-Erlasses“ vom 16. Dezember 1942 im März 1943 einsetzenden Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das nur wenige überlebten, galten vor allem „Zigeunermischlingen“ und betrafen damit auch entsprechend eingeordnete Jenische.

Die Geschichte der Jenischen im Nationalsozialismus ist kaum auch nur in Ansätzen erforscht. Als eigenständige Opfergruppe sind sie nicht anerkannt.[8]

Die Schweiz und das „Hilfswerk Kinder der Landstrasse“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte der Jenischen ist vor allem in der Schweiz ein viel diskutiertes Thema, da dort von den 1920er bis in die 1970er Jahre hinein jenische Kinder durch das „Hilfswerk Kinder der Landstrasse“ zwangsweise von ihren Eltern getrennt wurden, um das Jenische zu bekämpfen und die Leute im Staatssinne zu disziplinieren. „Wer die Landfahrerei wirksam bekämpfen will, muss versuchen, die Gemeinschaft der Fahrenden zu sprengen. Auch wenn das hart klingen mag - er muss der familiären Gemeinschaft ein Ende setzen. Eine andere Lösung gibt es nicht“, schrieb Dr. Alfred Siegfried, der das „Hilfswerk“ von der Gründung 1926 bis zu seiner Pensionierung 1959 leitete. Artikel II (e) der UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes[9] führt seit 1948 die gewaltsame Überführung von Kindern einer Gruppe in eine andere Gruppe als Tatbestand des Völkermordes auf. Auch im schweizerischen Strafgesetzbuch [10] ist die Tat entsprechend der Konvention definiert. Viele Jenische wurden in diesem Zeitraum zwangssterilisiert. Artikel II (d) der UNO-Konvention ächtet auch die „Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind.“ Juristische Gutachten[11] betrachten deshalb den Tatbestand des Völkermords als durch das „Hilfswerk Kinder der Landstrasse“ und seine staatlichen Auftraggeber erfüllt. Obwohl solche Verbrechen nach Ansicht von Experten nicht verjähren, erfolgte bis heute keine offizielle juristische Aufarbeitung, was die Juristin Nadja Capus in ihrem Buch Ewig still steht die Vergangenheit, Der unvergängliche Strafverfolgungsanspruch nach schweizerischem Recht, Bern 2006, ausführlich darlegt. Die jenische Schriftstellerin Mariella Mehr hat mehrere Bücher zu dieser Thematik verfasst. Heute gelten die Jenischen in der Schweiz als nationale Minderheit und in Österreich als Volksgruppe.

Gesellschaftsform und Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jenische, um 1900

Sozialleben und Stammestraditionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Jenischen kennen als Volk keine Hierarchie, die sich auf Stammestraditionen oder Sippen gründet. Respekt gilt es den älteren Menschen der Gruppe zu erweisen und von jenen fürs Heute zu lernen. Religionszugehörigkeiten oder Gesinnungsbekundungen waren und sind zumeist Schutzmäntel in totalitären und ideologisierten Räumen, unter denen man die eigenen Traditionen weiterleben konnte. Durch Menschen aufgestellte Regelwerke, Gesetze und Prinzipien, die Anspruch auf Gemeingültigkeit erheben, erscheinen ihnen suspekt und dem Mysterium des Daseins und der Vielfältigkeit der Situationen nicht gerecht zu werden. Versuche, Jenische auf eine Leistungsgesellschaft zu konditionieren oder bürgerlich zu sozialisieren, waren aus diesen Gründen zum Scheitern verurteilt. Vielmehr strebten die Jenischen nach Autonomie im Wirtschaftsverhalten und bewahrten ihre Eigenart nicht zuletzt dadurch, dass sie immer wieder wechselnde Nischengewerbe ausübten.

Jenische Sprichwörter wie:

  • Es gibt keinen Weg, nur gehen...
  • Wenn ich es gefunden habe, weiß ich, was ich suche.
  • Ich muss nichts werden und brauche nichts zu bleiben.

veranschaulichen diese Geisteshaltung. Gründe oder Mechanismen, wie es zu dieser Gesinnung kam, finden sich womöglich in einer heute weit verbreiteten Annahme, die Jenischen seien eine während oder nach Zivilisierungsprozessen entstandene Gegengesellschaft der sich nicht ein- und unterordnenden Volkselemente einer zuvor freieren Gesellschaft. Weitere innerhalb der Gruppe wirkende Entstehungsprozesse dieser alternativen Lebensart innerhalb einer etablierten Sozialstruktur versucht die Soziologie mit den Erkenntnissen der Autoorganisation sowie Systemtheorie zu erklären.

Wanderhandel 1538

Die Folklore der jenischen Kultur ist gekennzeichnet durch ihren „peripatetischen (umherziehenden)“ Lebenswandel und spiegelt auf prägnant-allegorische Weise das Los des zwischen den Welten Wandernden dar. Charakteristische Spruchprosa wie „ein Ei, ein Bein, ein Totenbein“, die den Schicksalsweg des Jenischen beschreiben, finden in zeitgenössischen Darstellungen über Jenische ihre Bestätigung (s. Abb.)

Kunsthandwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das kunsthandwerkliche Geschick der Jenischen erschöpft sich nicht nur in aufwendig hergestellten Korbwaren und Schnitzereien, sondern prägt auch ihre Interpretationen von geflochtenen Stühlen, Bugholz- und Rattanmöbeln, die sie hausierend und auf Märkten verkaufen. Das Museum der Kulturen Basel besitzt eine umfangreiche Sammlung jenischer Kunsthandwerksarbeiten, die vor allem auf die intensive Zusammenarbeit des Museums mit Engelbert Wittich zurückgeht, in der permanenten Ausstellung jedoch nicht zu sehen ist. In Frankreich und den Benelux-Staaten sind sie Produzenten von künstlerischen Zinn- und Kupferwaren. Mittlerweile wohl ausgestorben sind alte jenische Kunsthandwerke wie das Glockengießen. Das Todesregister der Gemeinde Vaz/Obervaz weist in der Zeitspanne 1892 bis 1905 neben je zwei Geschirrhändlern und Hausierern noch einen Glockengießer nach. (Quelle: Webseite der Gemeindeschule Vaz/Obervaz)

Jenische Künstler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fränzli Waser (2. v. l.)

Als Künstler werden sie seit Generationen vor allem als Gaukler, Komödianten, Musiker und Marionettenspieler geschätzt.

Die Marx Brothers

Die wohl bekannteste Künstlergruppe mit Verbindungen zum jenischen Milieu waren die Marx Brothers. Die Vorfahren mütterlicherseits waren jüdische Schausteller in Norddeutschland. Der Großvater hausierte als Schirmflicker und trat als Bauchredner auf. Der Großvater väterlicherseits zog im Elsass in einem Holzwohnwagen übers Land. Um 1880 wanderte die Familie nach New York aus. Groucho und Harpo Marx schildern in ihren Autobiografien die familiären Ursprünge als prägende Einflüsse.[12]

Auch der Hollywoodstar Yul Brynner (1920–1985) hat jenische Wurzeln; er wurde als Sohn des schweizerisch-mongolischen Erfinders und Schweizer Konsuls in Russland, Boris Brynner, und der russischen Arzttochter Marussia Blagowidowa geboren. Die Schweizer Ahnen sind mit dem Volk der Jenischen verwandt, weshalb Yul Brynner die Romani Union und die Radgenossenschaft der Landstraße unterstützte. [13]

Jenische Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In alemannisch-bayrischen Gebieten sind sie als Löffel- und Handorgelspieler regionale Berühmtheiten. Der blinde Geiger Fränzli Waser prägte einen eigenen Stil des schweizerischen Ländlers, welcher heute unter dem Namen Fränzli-Musik meist als bündnerische Spezialität wahrgenommen wird. Das in der Schweiz bekannte Volksmusik-Stück Schacher-Seppeli thematisiert das Leben der Vaganten aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft.

Stephan Eicher München Muffathalle 2002

Der jenische (Rock-)Chansonnier Stephan Eicher wurde im deutschsprachigen Raum in den 1980ern bekannt mit der NDW-Chartsingle Eisbär, danach europaweit mit diversen Alben, Tourneen und Nummer-Eins-Hits in Frankreich und der Schweiz. Seit den 1990ern ist er vor allem in Frankreich ein Star.

1978 wurde von der Gruppe HölzerLips das Album Jenischer Schall aufgenommen. Viele der Lieder sind mit jenischem Idiom durchsetzt. Diese Schallplatte ist ein seltenes Zeugnis einer Hommage von Deutschen an die Kultur der Jenischen, die in den 1970er Jahren speziell aus dem Umfeld der Hippie-Bewegungen als Zigeuner wahrgenommen und in das meist romantisierende Weltbild der Hippies aufgenommen wurden.

Bildende Kunst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Walter Wegmüller (* 1937) ist vor allem durch seine Tarotkarten bekannt geworden. Er ist aber neben seinem malerischen Werk auch plastisch tätig, hat an mehreren Filmen mitgewirkt, eine Swatch-Uhr (Oracolo) gestaltet usw. 1972/73 machte er auch einen „Ausflug“ in die Musik: The 7up-Sessions mit Timothy Leary, Sergius Golowin und Brian Barrit, und veröffentlichte die LP TAROT, kosmische Musik mit Klaus Schulze, Walter Westrupp und vielen anderen. Er ist Mitglied der Künstlergruppen „Farnsburggruppe“ und visarte. In den 1970er Jahren war er Mitbegründer und Aktivist der Radgenossenschaft der Landstrasse, 2007 nahm er an der "Tagung jenischer Kulturschaffender" des Vereins schäft qwant teil.

Martin Schauer (* 1981) ist ein jenischer Künstler aus Innsbruck. Er lebt als freischaffender Künstler und arbeitet in den Techniken Acryl, Aquarell, Buntstifte und Mischtechniken auf Papier beziehungsweise Leinwand. [14]

Ernst Spichiger (*1951) fand als Opfer von Kinder der Landstrasse erst spät den Weg zu seiner Verwandtschaft und Abstammung. Seine Bilder, meist Öl auf Leinwand, zum Teil auch Collagetechniken, zeigen einerseits die Landschaften seines Lebens, andererseits oft aber auch die thematische Verarbeitung seiner Abstammung und des Umgangs der Gesellschaft mit seinem Volk. Heute ist er Präsident des Vereins Schinagl und lebt als reisender Künstler im Wohnwagen.[15]

Unter dem Namen "Luis" (Luis Lucke, *1956) wird auf den Webseiten des Jenischen Kulturverbandes Österreich ein weiterer jenischer Künstler vorgestellt. Luis wurde als 14. Kind in eine jenische Großfamilie hineingeboren. Sein Vater war schon als Regionalkünstler in Tirol und Umgebung tätig und bekannt. Luis wurde im Alter von ca. 6 Jahren in ein Erziehungsheim verschleppt. Dort wurde er, wie viele andere jenische Kinder auch, schwer misshandelt. In Frankreich (Lyon) konnte er seine Techniken perfektionieren. Seine Werke, abstrakt, Realismus und Moderne, sind, in Öl auf Leinen oder Acryl auf Leinen, in der Galerie [16] des Jenischen Kulturverbandes Österreich zu sehen.

Jenische Sprache und Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprache der Jenischen wird im separaten Artikel Jenische Sprache behandelt. Dort befindet sich auch ein Unterkapitel über jenische Schriftsteller.

Feste und kulturelle Anlässe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Feckerchilbi im 19. Jahrhundert

Die meisten Feste und Anlässe der Jenischen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Neben familiären Anlässen wie Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen, bei denen sich oft mehrere hundert Leute treffen, gibt es auch jenisches Volksbrauchtum, das nicht preisgegeben wird. Öffentliche Anlässe der Jenischen sind eigene Wallfahrten, etwa zum Kloster Einsiedeln, und die Feckerchilbi. Regelmässig fahren auch Jenische nach Saintes-Maries-de-la-Mer zur Wallfahrt zu Ehren ihrer Schutzheiligen Sarah.

Sport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bootsch-Turnier 2005

Aktiv Sport treibende Jenische leben meist sesshaft. Mannschaftssport betreiben sie in örtlichen Vereinen, also üblicherweise losgelöst von ihren kulturellen Zusammenhängen. In „jenischen“ Gemeinden wie Ichenhausen gibt es Sportvereine, die von der jenischen Kultur geprägt sind. Der Fußballer Rafael van der Vaart ist auf einem Wohnwagenplatz in den Niederlanden aufgewachsen.

Das Bootschen ist ein traditionelles jenisches Spiel, das neuerdings durch die Austragung von Turnieren einen neuen Aufschwung erlebt.


Jenische Dörfer und Lebensräume in Europa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jenische Dörfer und Lebensräume in Europa

Die Karte zeigt Ortschaften, Städte, Talschaften und Gebiete auf, die zum Beispiel:

  • in der Geschichte des jenischen Volkes von Bedeutung sind, etwa als Ort ihrer Einbürgerung in der Schweiz um 1850
  • in der Vergangenheit während längeren Epochen Wohnort beziehungsweise Heimatort jenischer Familien waren
  • heutzutage jenische Bevölkerung haben und/oder wo jenisches Kulturgut und Traditionen im Dorfleben sichtbar sind

Wo Wikipedia-Artikel auf der Ebene Ortschaften, Städte fehlen, sind übergeordnete Gebiete (z. B. französische „départements“) als Querverweis verlinkt.

Belgien
B1 Westflandern
B2 Limburg
B3 Wallonien
Deutschland
D1 Nordrhein-Westfalen
Breyell
Dülken
Frankreich Italien Luxemburg Österreich Schweiz Rumänien
Ardennen Baden-Württemberg Ardèche Vinschgau Burgenland Aargau Siebenbürgen
Limburg Durmersheim Aube Stilfs Weimerskirch Bad Tatzmannsdorf Dürrenäsch Bezirk Mureş
Wallonien Fichtenau Auvergne Niederösterreich Densbüren
Hennegau Burgberg Burgund Loosdorf Bern
Lüttich Leinzell Nièvre Sitzenthal Grosses Moos
Westflandern Matzenbach Côte-d’Or Tirol Graubünden
Lützenhardt Dauphiné Außerfern Morissen
Pfedelbach Elsass Imst Obervaz
Singen (Hohentwiel) Bindernheim Innsbruck Savognin
Wildenstein Plobsheim Landeck Surcuolm
Würmersheim Reipertswiller Mötz Schwyz
Bayern Straßburg Ötztal Einsiedeln
Höchstädt an der Donau Wingen-sur-Moder Rietz Schübelbach
Ichenhausen Gard Telfs Reichenburg
Schillingsfürst Bagnols-sur-Cèze Zams Solothurn
Hessen Nîmes Flumenthal
Gießen Uzès Holderbank
Nordrhein-Westfalen Loire-Tal St. Gallen
Breyell Lothringen Mörschwil
Dülken Chonville Neu St. Johann
Linnich Nancy Tessin
Saßmannshausen Reyerswiller Magliaso
Stotzheim Moselle Wallis
Rheinland-Pfalz Baerenthal Fieschertal
Carlsberg Forbach
Gonzerath Sarreguemines
Hanhofen Sturzelbronn
Landscheid Wingen
Lingenfeld Rhône-Alpes
Lustadt Lyon
Neroth Savoyen
Neumühle Seine-et-Marne
Pirmasens Seine-Maritime
Speicher (Eifel) Tarn-et-Garonne
Montauban
Vogesen
Zentralmassiv

Ähnliche und verwandte Gruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnliche Gruppen gibt es auch in anderen Ländern, so etwa die spanischen Quinqui, die mit den Jenischen ethnische Gemeinsamkeiten haben, und die Tinkers, die ihnen soziologisch ähneln. Auf internationaler politischer Ebene werden sie meist zusammen mit diesen Gruppen unter dem Überbegriff „Travellers“ oder „gens de voyage“ zusammengefasst, beispielsweise im European Roma and Traveller Forum, einer dem Europarat assoziierten Nichtregierungsorganisation in Straßburg. Auch werden sie in der Antiziganismus-Forschung als Opfer anerkannt und einbezogen.

Siehe auch

Fremdbezeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff Jenische taucht zwar in der Literatur seit dem Mittelalter immer wieder auf. Trotzdem verwendet ihn die Mehrheitsgesellschaft eher selten. Sogar in der Schweiz, wo in der Folge des Skandals um das Hilfswerk Kinder der Landstrasse der Begriff Jenische die bislang größte Verbreitung in den Medien fand, werden in der Umgangssprache viele alte Fremdbezeichnungen weiter verwendet. Die Behörden der Schweiz verwenden heute meistens den Begriff Fahrende nicht nur, um das politisch verpönte Wort Zigeuner zu umgehen, sondern auch als falsches Synonym für die Jenischen.

Viele Fremdbezeichnungen haben einen pejorativen Charakter. Auch scheinbar „wertneutrale“ Bezeichnungen (z. B. die Verwendung eines Berufsbegriffs wie „Besenbinder“ als Bezeichnung des Volkes) werden meist durch Satzzusammenhang, Mimik und Intonation zu abwertenden Umschreibungen. Die Fremdbezeichnungen haben ihren Ursprung oft entweder in einer Sinnverbindung zur nomadischen Lebensweise oder zu einem von Jenischen ausgeübten Gewerbe.

Beispiele:

  • Deutschland:
  • Frankreich:
    • voyageur (Reisender)
    • gens de voyage (Leute der Reise)
    • vannier (Korbmacher)
  • Italien:
    • ombrellonia (von Schirmflicker)
  • Österreich:
    • Karrner
    • Laninger (auch: Laniger, v. a. in Tirol, wird auf Siedlungsplätze der Jenischen in Lawinengefahren-Gebieten (Lahn oder Lan genannt) zurückgeführt)
    • Dörcher (Törcher) (Von Theriak-Verkäufer. Theriak war in der frühen Neuzeit ein Sammelbegriff für Pharmaprodukte)
    • Störche(r)
  • Schweiz:
    • Fahrende
    • Vazer (in der ganzen Schweiz verbreiteter Begriff, der auf das Heimatrecht zweier großer jenischer Familien in der Gemeinde Vaz/Obervaz zurück zu führen ist)
    • Fecker (auch: Fekker) (hauptsächlich in der Innerschweiz, von fechten = betteln hergeleitet)
    • Chacheler (auch: Chachelimacher) (ausgestorbener Beruf, der vor allem Irdenes, also Tongeschirr reparierte)
    • Chachelifuerme (deutsch etwa: Kachelfuhrmann) (Fahrender Geschirrhändler, der etwa das so genannte Heimberger Geschirr (Töpferwaren aus der Berner Gemeinde Heimberg) im Hausierhandel vertrieb)
    • Kessler (v. a. in der Ostschweiz und in den Regionen Solothurn, Aargau)
    • Spengler (im Kanton Graubünden)
    • Chorbeni, also Korbmacher (im Kanton Wallis)
    • Chundi (Kunde, Landstreicher)

Organisationen der Jenischen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gründungsversammlung Radgenossenschaft, Bern, 1975

Obschon verschiedene alte jenische Gewährsleute von Vereinigungen der Jenischen aus Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts berichten, konnten bislang keine schriftlichen Quellen dazu gefunden werden. Erst nach den öffentlichen Protesten gegen das Hilfswerk Kinder der Landstrasse entstanden in der Schweiz auch erste jenische Organisationen.

Die Radgenossenschaft der Landstrasse wurde 1975 gegründet und hat seit den 1980er Jahren in der Schweiz den Status einer staatlich anerkannten Dachorganisation der Fahrenden.

Die Genossenschaft fahrendes Zigeuner-Kultur-Zentrum wurde 1984 gegründet mit dem Ziel, in Zusammenarbeit von Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz Kulturtage zu organisieren und Öffentlichkeitsarbeit zu leisten.

Die Organisation Naschet Jenische ist eine Selbstorganisation von Opfern des sogenannten Hilfswerk Kinder der Landstrasse. Sie handelte mit den Schweizer Behörden Wiedergutmachungszahlungen und Akteneinsichtsrechte für die Betroffenen aus.

Der Verein Schinagel hat sich zum Ziel gesetzt, mittels neuer Berufsbildungsprogramme an neue wirtschaftliche Umgebungen angepasste fahrende Lebensweisen zu ermöglichen.

Der Jenische Kulturverband Oesterreich ist die erste Organisation Jenischer außerhalb der Schweiz.

Der Verein der Jenischen e. V. in Singen ist eine der ersten Organisation Jenischer in Deutschland.

Anfang 2006 wurde in Deutschland durch den Zusammenschluss von mehreren kleineren Vereinen der Jenische Bund in Deutschland & Europa e. V. als bundesweite Vereinigung mit angeschlossenen Landesverbänden gegründet.

Der Verein Schäft qwant fasst als transnationaler Verein für jenische Zusammenarbeit und Kulturaustausch auf seiner Homepage [17] die nationalen Organisationen der Jenischen zusammen und vertritt 16 ihm angeschlossene Vereine aus 6 Ländern.

Die im Mai 2006 gegründete UJME, Union der Jenischen Minderheit in Europa i. Gr., will in ihrem Europarat die Zusammenarbeit und den Kontakt zwischen den jenischen Vereinen Europas fördern sowie deren Europa-Politik aufeinander abstimmen.

Literatur über Jenische[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(zur Literatur der Jenischen siehe jenische Schriftsteller)

  • Günter Danzer: Jenisch diebra en Oberberg. Hess, Syrgenstein 2006, ISBN 3935128037 (Ausdrücke und Redewendungen, Lieder und Gedichte, Geschichten und Theaterstücke, Wörterlisten)
  • Helena Kanyar Becker (Hrsg.): Jenische, Sinti und Roma in der Schweiz. Schwabe, Basel 2003, ISBN 3-7965-1973-3 (mit Texten von Cristina Kruck, Graziella Wenger, Thomas Meier, Venanz Nobel u. a.)
  • Hasso von Haldenwang: Die Jenischen – Erinnerungen an die Wildensteiner Hausiererhändler. Baier, Crailsheim 1999
  • Thomas Huonker: Fahrendes Volk – verfolgt und verfemt. Jenische Lebensläufe. Herausgegeben von der Radgenossenschaft der Landstrasse. Limmat, Zürich 1987, ISBN 3-85791-135-2
  • Thomas Huonker, Regula Ludi: Roma, Sinti und Jenische. Die schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus. Chronos, Zürich 2001, ISBN 978-3-0340-0623-1
  • Merlino D'Arcangelis, Andrew Rocco: Die Verfolgung der sozio-linguistischen Gruppe der Jenischen (auch als die deutschen Landfahrer bekannt) im NS-Staat 1934–1944. Dissertation an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, 2004; im Internet verfügbar unter [3] bzw. [4]
  • Thomas Sautner: Fuchserde. Picus, Wien 2006, ISBN 3-85452-498-6
  • Hans-Jörg Schneider: Hunkeler macht Sachen. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, ISBN 3-40415-435-5
  • Urs Walder: Nomaden in der Schweiz. Züst, Zürich 1999, ISBN 3-905328-14-3 (Fotos von Urs Walder, Textbeiträge von Mariella Mehr, Venanz Nobel, Willi Wottreng) Textauszug online
  • Peter Widmann: An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik. Metropol, Berlin 2001, ISBN 3-932482-44-1
  • Das Thema Jenische in der DDB
  • Lotty Wohlwend: Silas. Gejagt, geschunden, gedemütigt - ein Report. Huber, Frauenfeld 2006, ISBN 3-7193-1422-7
  • Toni Pescosta: Die Tiroler Karrner, Vom Verschwinden des fahrenden Volkes der Jenischen. Wagner, Innsbruck 2003, ISBN 3-7030-0385-5
  • Nadja Capus: Ewig still steht die Vergangenheit? Der unvergängliche Strafanspruch nach schweizerischem Recht. Stämpfli, Bern 2006, ISBN 3-7272-9124-9
  • Heidi Schleich: Die jenische Sprache in Tirol. Diplomarbeit, Universität Innsbruck, 1998
  • Heidi Schleich: Das Jenische in Tirol. Sprache und Geschichte der Karrner, Laninger und Dörcher. EYE, Landeck 2001, ISBN 3-901735-09-7 (mit einem Beitrag von Anton S. Pescosta)

Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Organisationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

weitere Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rumänische Wikipedia über lokale jenische Gruppe
  2. Es können hier nur wenige Titel genannt werden: Leo Lucassen, A Blind Spot: Migratory and Travellling Groups in Western European Historiography, in: International Review of Social History 38 (1993), S. 209–23; ders./Wim Willems/Annemarie Cottaar, Gypsies and Other Itinerant Groups. A Socio-Historical Approach, London u. a. 1998; Ernst Schubert, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, Neustadt a. d. Aisch 1983; ders., Mobilität ohne Chance: Die Ausgrenzung des fahrenden Volkes, in: Schulze Winfried (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, München 1988, S. 113-164; Wolfgang Seidenspinner, Herrenloses Gesindel. Armut und vagierende Unterschichten im 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 133 (1985), S. 381-386; ders., Jenische. Zur Archäologie einer verdrängten Kultur, in: Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg, 8 (1993), S. 63-95; ders., Mobilität, Unehrlichkeit und Kriminalisierung. Zur Marginalität der jaunerischen Subkultur und ihren Entwicklungsbedingungen, in: Siebenmorgen, Harald/Johannes Brümmer (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe), Sigmaringen 1995 [Ausstellung des Badischen Landesmuseums in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Hornmoldhaus in Bietigheim-Bissingen ..., 27. September 1995], S. 157-169; ders., Mythos Gegengesellschaft, Münster u. a. 1998.
  3. http://www.jenischer-bund.de/57501/home.html
  4. Fete de la Brocante
  5. a b Boehncke/Sarkowicz Die deutschen Räuberbanden. In Originaldokumenten,Bd. I, S. 167. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Boehncke“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  6. Schöll, Johann Ulrich, Abriß des Jauner und Bettelwesens in Schwaben nach Akten und anderen sicheren Quellen von dem Verfasser des Konstanzer Hanß, Stuttgart 1793
  7. Hobsbawm, Eric J., Die Banditen, 1972, Frankfurt am Main, 1972, S. 1,28,41-46
  8. als Standardpublikation zur NS-Zigeuner- und Landfahrerpolitik: Michael Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“ (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 33), Hamburg 1996; als regionale Studie, die sowohl auf die als „Zigeuner“ als auch auf die als „Jenische“ Bezeichneten eingeht: Ulrich Friedrich Opfermann, The registration of Gypsies in National Socialism: Responsibility in a German region, in: Romani Studies (continuing Journal of the Gypsy Lore Society), 5th Series, Vol. 11, No. 1 [2001], S. 25-52; als Lokalstudien mit Hinweisen auf die Deportation auch von „Jenischen“ in Konzentrationslager: Karola Fings/Frank Sparing, Rassismus – Lager – Völkermord. Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung in Köln, Köln 2005, S. 211; Christoph Götz, Die Jenischen – eine diskriminierte deutsche Minderheit in der Vergangenheit und in der Gegenwart ausgehend von der Situation im Raum Singen, Waldshut 1997, S. 26
  9. UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (deutscher Text)
  10. Art. 264 StGB
  11. Analyse zur Frage „Völkermord an den Jenischen?“
  12. Marx, Groucho: Groucho und ich : die Groucho-Marx-Autobiographie, 1995, Ffm, Rogner und Bernhard bei Zweitausendeins; Marx, Harpo: Harpo spricht!, 1989, Hamburg, Rogner u. Bernhard bei Zweitausendeins
  13. als beispielhaftes Selbstzeugnis: „... And Gypsies Now“, Artikel von Yul Brynner in: New York Times, 3.6.1978: „Half-Romani, Half-Swiss and Mongolian, I grew up among the gypsies,...“ Wie auch andere, v.a. intelektuelle, Jenische (z.B. Mariella Mehr, siehe deren Webseite http://www.mariellamehr.com/) proklamiert Brynner für sich und das jenische Volk eine mit den Roma verwandte Herkunft, weshalb er in diesem Zitat die väterliche Abstammung als „Half-Romani, Half-Swiss“ umschreibt, zumal ein Leser der NYT 1978 mit dem Wort „jenisch“ nichts anzufangen gewusst hätte...
  14. [1] Homepage des Künstlers Martin Schauer mit Biografie, Werkbeispielen
  15. [2] Biographie und Werkbeispiele in der Homepage des Vereins Schinagl
  16. "Les arts de Voyageurs"
  17. www.jenisch.info – Webportal mit Links zu allen Organisationen der Jenischen

siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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