Radschnellweg

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Fietssnelweg F35, Enschede, Niederlande

Radschnellwege, in Deutschland auch „Radschnellverbindungen“, in der Schweiz „Velobahnen“ genannt,[1][2] sind Verbindungen im Radverkehrsnetz einer Gemeinde oder einer Stadt-Umland-Region, die wichtige Zielbereiche mit entsprechend hohen Quell- und/oder Zielverkehren über größere Entfernungen verknüpfen und durchgängig ein sicheres sowie attraktives Befahren bei hohen Reisegeschwindigkeiten ermöglichen.

Definition

Der Begriff Radschnellweg ist in Deutschland bisher weder eine offizielle Bezeichnung im Sinne der Straßenverkehrsordnung noch kommt er in den derzeit gültigen deutschen Regelwerken zum Straßenbau vor. Es existiert jedoch ein Arbeitspapier der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen von 2014, das den Erkenntnisstand zu Radschnellverbindungen systematisiert und so für die Praxis verfügbar gemacht hat. Das Arbeitspapier versteht sich als Ergänzung der bestehenden Regelwerke, der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) und der Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN). Hier werden eindeutige Kriterien definiert, während für Radschnellwege in der Praxis die angestrebten Standards teilweise noch sehr unterschiedlich angesetzt werden, außer in Nordrhein-Westfalen, wo diese seit 2012 verbindlich geregelt sind. Zahlreiche öffentliche Auftraggeber in Deutschland verlangen zwingend, die Kriterien des Arbeitspapiers für die Planung und Bauausführung heranzuziehen.[3][4]

Für das FGSV-Arbeitspapier ist geplant, es mit den Planungs- und Praxis-Erfahrungen fortzuentwickeln und in eine Überarbeitung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen einfließen zu lassen.

Eigenschaften von Radschnellwegen

Radschnellwege dienen der leistungsstarken und schnellen Abwicklung größerer Radverkehrsmengen. Besonders hohe Qualitätsstandards hinsichtlich der Linienführung, Ausgestaltung, Netzverknüpfung und begleitenden Ausstattung sind unabdingbar, um die Reisezeit und den Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Nach FGSV-Definition sollten Radschnellverbindungen wenigstens fünf Kilometer lang sein und, angelehnt an die ERA 2010, Reisegeschwindigkeiten von mindestens 30 km/h erlauben.[5] Die Breite bei Zweirichtungsradwegen im verlauf einer Radschnellverbindung sollte im Idealfall so gewählt sein, dass zwei Fahrräder nebeneinander fahren und ohne Störung durch ein drittes Fahrrad überholt werden können bzw. Gegenverkehr möglich ist.

Bei der Umsetzung von Radschnellwegen wird insbesondere auf die folgenden Entwurfselemente zurückgegriffen:

  • selbstständig geführter Radweg (zumeist entlang anderer Verkehrsachsen oder als Wald- und Forstweg mit „Radfahrer frei“)
  • fahrbahnbegleitender Radweg („Bordsteinradweg“, Radfahrstreifen, Umweltverbundspur)
  • Fahrradstraßen (Vorrang für Radfahrer)

Je nach Führungsform werden bei Radschnellwegen die größtmögliche Direktheit und ein schnelles Vorankommen auf unterschiedliche Weise erreicht. Speziell im verdichteten Raum stellen Fahrradstraßen, Lichtsignalanlagen mit Priorisierung für den Radverkehr, Querungshilfen („Sprung- oder Mittelinseln“), Minikreisverkehre für alle Verkehrsteilnehmer sowie niveaufreie Kreuzungsmöglichkeiten die wichtigsten Elemente dar. Die Separierung vom starken Kfz-Verkehr außerorts sowie Fußverkehr, zumindest innerorts, wird angestrebt, um die Radfahrer vor Lärm und Konflikten mit den anderen Verkehrsteilnehmern zu schützen. Landschaftserlebnis und Erholungsfaktor spielen eine untergeordnete Rolle. Radschnellwege sind in der Regel untereinander nicht direkt vernetzt, gleichwohl sollen die Anschlüsse und Zulaufstrecken an das restliche Straßen- und Radverkehrsnetz eine gute Erreichbarkeit und ein zügiges Ein- und Ausfahren ermöglichen.

Eine hochwertige, witterungsunabhängige Fahrbahnoberfläche verringert den Energieverbrauch und sichert hohen Fahrkomfort bei allen Wetterlagen. Winterdienst und Straßenbeleuchtung sorgen für Sicherheit und Akzeptanz im Winter und bei Dunkelheit. Je nach Lage und Bedarf unterschiedlich dimensionierte Servicestationen mit Unterständen, Radabstellanlagen, Luftpumpen oder Schlauchautomaten können den Streckenservice sinnvoll ergänzen.

Die Kosten für das Anlegen von Radschnellwegen sind sehr stark abhängig vom Anteil an Brücken und Tunneln sowie von den notwendigen Trassierungsarbeiten. In den Niederlanden werden 0,5 bis 2 Mio. Euro pro Kilometer Radschnellweg (inkl. Beschilderung und Beleuchtung) kalkuliert. Ersten Schätzungen zufolge wird der Bau von Radschnellwegen in Deutschland etwas kostengünstiger ausfallen, da hier oft die bestehende Verkehrsinfrastruktur ausgebaut und vorhandene Wege genutzt werden sollen. In Belgien, wo eine ähnliche Strategie verfolgt wird, werden die Kosten zwischen 0,3 und 0,8 Mio. Euro pro Kilometer kalkuliert.[6]

Internationale Entwicklung

Traditionell sind Radschnellwege vor allem in den Niederlanden und Belgien zu finden, ebenso in Dänemark, hier allerdings oft mit geringeren Ausbaustandards als den derzeit in Deutschland angestrebten, was Breite, Trennung zum Fußverkehr und Bevorrechtigung gegenüber kreuzenden Verkehren angeht. Schon in den 1980er Jahren wurden in Tilburg und Den Haag durchgängige, schnelle Velorouten erprobt, um Kfz-stauanfällige Straßennetze zu entlasten. In Basel gibt es Velo-Expressrouten und Kopenhagen bindet die Vororte mit grünen oder Kfz-verkehrsarmen Routen, breiten Radwegen und grüner Welle an.[7]

Die Niederlande planten 2011 neben den bestehenden acht „Fietssnelwegen“ 20 weitere Strecken.[8] Mit der Renaissance des Fahrrads als Alltagsverkehrsmittel beginnen auch andere europäische Länder, Radschnellwege zu verwirklichen. So wurden in London im September 2013 vier von zwölf geplanten Cycle-Superhighways fertiggestellt, allerdings mit geringerem Ausbaustandard, eher einer Veloroute vergleichbar.[9] Auch in New York und Washington entlasten Radrouten das Straßennetz, ohne aber durchgehend hohe Anforderungen zu erfüllen.[10]

Entwicklung in Deutschland

In Deutschland gibt es seit etwa 2010 zunehmend Bestrebungen, Radschnellwege bzw. ähnlich gestaltete, qualitativ hochwertige Radwege zu etablieren. Nachfolgend sind die bedeutendsten Projekte aufgeführt:

Metropolregion Hannover: Pilotprojekt eRadschnellweg Göttingen

eRadschnellweg Göttingen an der Robert-Koch-Straße: Die Route ist der erste in Deutschland realisierte Radschnellweg.

Eine im Auftrag der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg erstellte Machbarkeitsstudie bestätigt den Nutzen von Radschnellwegen in der Region. In einer ersten Stufe wurde eine Auswahl von sechs Relationen für Radschnellwege auf Basis einer Interessensbekundung und finanzieller Beteiligung kommunaler Gebietskörperschaften in der Metropolregion getroffen. Vorschläge für die Streckenführungen kamen von den beteiligten Kommunen. Die sechs Trassen wurden hinsichtlich Potenzial, Machbarkeit, Übertragbarkeit der Maßnahmenkonzepte bewertet.[11]

In einer zweiten Stufe wurden Arbeitsschritte konkretisiert, Gestaltungsprinzipien festgelegt und typische Lösungen für Knoten- und Konfliktpunkte benannt. Drei Routen wurden als weiter zu verfolgende Routen von der Projektlenkungsgruppe ausgewählt: Wolfenbüttel – Braunschweig , Garbsen – Hannover und Rosdorf – Göttingen. Der Strecke „Rosdorf – Göttingen“ wurde schließlich „wegen der interessanten modellhaften Problemstellung einer innenstadtnahen Routenführung und der bereits heute auf der Route sehr hohen Radverkehrsdichte Priorität eingeräumt. Die starke Unterstützung seitens der Verwaltungsspitze des Landkreises und der Stadt Göttingen für die Machbarkeitsstudie und die zu erwartende politische Unterstützung vor Ort waren ausschlaggebend für die Entscheidung hinsichtlich einer vertiefenden Betrachtung dieser Route“.[12]

Eine überschlägige Kostenschätzung rechnete mit Gesamtkosten von 2,7 Mio. Euro bei 9,2 km Streckenlänge. Im Rahmen des Schaufensters Elektromobilität realisierte die Stadt Göttingen einen rund vier Kilometer langen Teilabschnitt als „eRadschnellweg Göttingen“. Diese Pilotstrecke, die den Göttinger Hauptbahnhof mit dem Nordcampus der Georg-August-Universität verbindet, ist mittlerweile fertiggestellt. Die Kosten der Pilotstrecke werden auf rund 1,8 Millionen Euro beziffert.[13][14]

Nordrhein-Westfalen: Radschnellweg Ruhr (RS1)

Übersicht RS1
Radschnellweg Ruhr an der Stadtgrenze Essen/Mülheim im Juni 2015, hier noch mit nicht standardgerechtem Gehwegbelag

Im Ruhrgebiet entsteht der Radschnellweg RS1. Erste Abschnitte sind fertiggestellt, weitere in Bau. Dieser rund 100 Kilometer lange Radschnellweg soll für Berufspendler eine attraktive Verbindung zwischen den Städten Duisburg, Mülheim an der Ruhr, Essen, Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, Unna, Kamen, Bergkamen und Hamm bieten.[15]

Nachdem bereits in einer Konzeptstudie die grundsätzliche Machbarkeit des Projekts ermittelt wurde, ging die Anfang September 2014 vorgestellte Machbarkeitsstudie in die Detailplanung. Führungsform, Querungen, Kreuzungen sowie andere Infrastruktur werden genau beschrieben und es werden für jeden einzelnen Abschnitt Lösungen und Kosten ermittelt. Die Studie beschreibt auch die Finanzierung, die Trägerschaft sowie das Corporate Design und beinhaltet eine Kosten-Nutzen-Analyse. Alle beteiligten Kommunen sind in die Diskussion eingebunden. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur finanzierte die Studie. Der Regionalverband Ruhr ist Projektträger des RS1. Außerdem sind an der Planung auch Akteure wie Landschaftsbehörden, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, der Landesbetrieb Straßenbau NRW, der NABU etc. beteiligt. Die Bürgerbeteiligung wird durch verschiedene Kommunikationsmaßnahmen sichergestellt. Es gab drei regionale Fachkonferenzen in Dortmund, Duisburg und Essen, um die Ergebnisse der Studie vorzustellen und die Projektkommunikation zu starten.[16]

Im August 2015 bekannt gewordene Planungen im Bereich Mülheim sehen hier im Stadtzentrum faktisch eine Unterbrechung des 100 Kilometer langen Radschnellwegs vor. Auf dem 300 m[17] langen Viadukt[18] im Bereich der Bahnstraße soll eine Hochpromenade entstehen. Laut Berichterstattung[19] solle der RS1 hier „kein Weg zum Durchbrettern“ werden. Auf dem acht Meter breiten Bogenviadukt soll eine Flanierstrecke mit umfangreicher Möblierung entstehen. Geplant sind Sitzgelegenheiten, Pflanzbeete und -tröge sowie auch ein überdachter Aussichtsbalkon mit Blick auf den Rathausplatz. Je nach Planungsvariante soll das Viadukt auf eine Mischverkehrsfläche von bis zu 3,8 Metern eingeengt werden.[20] Die Machbarkeitsstudie zum RS1 rechnet für diesen Abschnitt mit einer durchschnittlichen, täglichen Radverkehrsstärke von 2000 bis 3000.[21] Die Studie trägt dem erwarteten hohen Fußgängeraufkommen mit einem veränderten Streckenquerschnitt Rechnung. Dabei wird die Routencharakteristik eines Radschnellwegs mit Trennung in Radverkehrs- und Fußgängerbereiche allerdings beibehalten. Planungsvorschlag sind hier zwei jeweils zwei Meter breite Fußgängerbereiche und in der Mitte eine drei Meter breite Radfahrbahn. Die Planungen der Hochpromenade werden kritisiert.[22][23]

Am 27. November 2015[24][25] wurde der erste Teilabschnitt des Radschnellwegs Ruhr[26] zwischen den Zentren von Mülheim an der Ruhr und Essen eröffnet. Die zum Radschnellweg ausgebaute Teilstrecke der Rheinischen Bahn verläuft über fast elf Kilometer[27], wobei die Trennung zum Fußverkehr bzw. das Angebot für diesen noch nicht überall den angestrebten Standards entspricht.

Nordrhein-Westfalen: weitere Radschnellwegprojekte

Neben dem Radschnellweg RS1 sollen mit Unterstützung der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen weitere Radschnellwege geplant werden. Hierfür hatte die Landesregierung 2013 einen Planungswettbewerb ausgerufen und fünf Projekte prämiert:

Für die fünf Gewinnerprojekte fördert das Land zunächst mit 80 Prozent Kostenbeteiligung eine Machbarkeitsstudie. Diese ist Grundlage für die weitere Vor- und Ausführungsplanung, die das Land ebenfalls unterstützt. Damit sind in Nordrhein-Westfalen in verschiedenen Regionen zusammen mit dem RS1 langfristig mehr als 250 Kilometer überörtliche Radschnellwege in Planung.[28] Die Förderung von Radschnellwegen hatte die Landesregierung als einen wichtigen Baustein in ihrem im Februar 2012 beschlossenen Aktionsplan zur Förderung der Nahmobilität definiert.[29][30] Die erste der fünf Machbarkeitsstudien liegt seit Mai 2016 für den Radschnellweg Ostwestfalen-Lippe (RSW OWL) vor.[31]

Im Raum Gladbeck/Bottrop/Essen befindet sich ein zusätzlicher Radschnellweg in der Ideenphase als Alternative zu einer Verlängerung der Bundesautobahn 52 bzw. Trasse der alten „Krupp-Bahn“.

Im Jahr 2016 wurde in Nordrhein-Westfalen eine Änderung des Straßen- und Wege-Gesetzes (StrWG NRW) vorgenommen. Radschnellwege werden demnach wie Landesstraßen behandelt. Der Bau aller Radschnellwege kann so je nach Ortsgröße in der Baulast des Landes liegen und komplett getragen bzw. bei Städten über 80.000 Einwohnern zu 70 Prozent gefördert werden.

Hessen: Metropolregion Rhein-Main

Die Region Rhein-Main gilt als Pendlerhochburg Deutschlands. Im dicht besiedelten Ballungsraum liegen größere Städte wie Frankfurt am Main, Darmstadt, Wiesbaden, Mainz oder Offenbach am Main teilweise in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und erzeugen komplexe Pendlerströme. Mehr als 334.000 Personen pendeln pro Tag beispielsweise allein nach Frankfurt in das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region.[32]

Wichtige Ziele wie Industrie- und Wirtschaftsstandorte, Wohnquartiere und bedeutende Verkehrsknotenpunkte liegen vergleichsweise dicht aneinander und können – entsprechende Infrastruktur vorausgesetzt – schnell und komfortabel auch mit dem Fahrrad erreicht werden. Zudem würden chronisch überlastete Verkehrswege anderer Verkehrsmittel wie der Frankfurter S-Bahn-Tunnel („City-Tunnel Frankfurt“) oder Teilabschnitte der Bundesautobahnen A 3 und A 5 durch häufigere Radnutzung entlastet.[33]

Der Regionalverband FrankfurtRheinMain hat daher, basierend auf einer regionalen Potenzialanalyse, unter sechs möglichen Korridoren im Rhein-Main-Gebiet die Pilotstrecke Frankfurt–Darmstadt als Vorzugskorridor zur Umsetzung eines Radschnellweges ausgewählt.[34] Seit Sommer 2013 existiert unter der Leitung des Regionalverbandes ein projektbegleitender Arbeitskreis mit den sieben Anrainerkommunen Frankfurt am Main, Neu-Isenburg, Dreieich, Langen (Hessen), Egelsbach, Erzhausen und Darmstadt. Die Hochschule Darmstadt begleitet das Projekt wissenschaftlich.[35] Die Projektpartner haben zur Sondierung möglicher Trassenverläufe gemeinsam eine Vorstudie durchgeführt und drei Trassenfavoriten identifiziert. Weiterhin wurde zwischen dem Regionalverband und den Anrainerkommunen ein Kooperations- und Finanzierungsantrag zur gemeinsamen Beauftragung einer Machbarkeitsstudie geschlossen. Die Ergebnisse mit Maßnahmenplan und Kostenkalkulation lagen Ende 2014 vor.[36]

Bayern: Metropolregion München

In der Metropolregion München sollen insgesamt sechs Radschnellwege geplant und gebaut werden. Die Planung von vier Strecken ist schon beschlossen. Es sind nicht nur Verbindungen vorgesehen, die aus der Peripherie in die Stadt München führen, sondern auch Querverbindungen. Die Realisierung der Strecke von München zum Hochschulstandort Garching mit Abzweig nach Unterschleißheim wird als am wahrscheinlichsten eingeschätzt. Zeitliche Ziele sind noch nicht definiert.[37][38][39]

Bayern: Städteachse Nürnberg

In der Städteachse um Nürnberg wurde nach Ideen der lokalen ADFC-Kreisverbände aus dem Jahr 2013/2014[40] im Juli 2015 eine Studie in Auftrag gegeben, die aus einem Netz möglicher Trassen die Varianten herausarbeiten soll, die für Radschnellverbindungen im eng vernetzten Bereich der Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen, Schwabach und Herzogenaurach besonders geeignet sind. Teil der Projekts sind auch die Landkreise Roth, Erlangen-Höchstadt, Nürnberger Land und Fürth. Ziel ist es, nicht nur Trassen zu definieren und später zu bauen, sondern auch allgemeine Standards für Radschnellwege in Bayern festzulegen. Das Projekt wird daher vom Freistaat Bayern und den beteiligten Gebietskörperschaften gemeinsam getragen.[41]

Bremen

Im Stadtgebiet Bremen wird im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplan Bremen 2025 (VEP) ein Netz von acht "Rad-Premiumrouten" vorgeschlagen, die der Beschreibung nach Radschnellverbindungen mit geringfügig angepassten Ausbaustandards entsprechen. Die Besonderheit hier ist, dass mit der Verabschiedung des VEP in der Bremischen Bürgerschaft eine grundsätzliche Zustimmung der Politik besteht, die in anderen Projekten bisher meist noch nicht formell beschlossen ist.[42] Nach Aussage des Senators soll die erste Route nach Bremen-Nord noch in dieser Legislaturperiode kommen, also bis 2019.

Rheinland-Pfalz

Zwischen Bingen, Ingelheim und Mainz wird vom Land Rheinland-Pfalz als Pilotprojekt eine Radschnellverbindung geplant. Da sie geringeren Ausbaustandards haben soll, wird sie vom Land als Pendler-Rad-Route bezeichnet. Der Minister weist in einer Presseerklärung darauf hin, dass das Land selbst nur bei einem kleinen Anteil zuständig ist, so dass eine enge Kooperation mit den Kommunen erforderlich sei.[43]

Weitere Projekte

Nordbahntrasse in Wuppertal: Der „multifunktionale“ Bahntrassenradweg besitzt teilweise einen radschnellwegähnlichen Ausbau mit separatem Fußverkehrsbereich.

Abseits der oben genannten Großprojekte wurden bereits vor einiger Zeit andere radschnellwegähnliche Radverkehrsanlagen angelegt. In Kiel verbinden erste Abschnitte der „Veloroute 10“ schon jetzt Wohnquartiere mit Arbeitsplatz- und Ausbildungsstandorten.[44] Die endgültig ausgebaute Trasse soll vom Ortsteil Hassee bis zur Universität verlaufen. Eine Vorstudie zur Umsetzung des als Radschnellweg angelegten Radwegs sieht eine Führung auf einer stillgelegten Bahntrasse vor. Die Fertigstellung der Planung ist bis Herbst 2015 angepeilt, die Bauvorbereitung soll bis 2016 laufen. Der Ausbau sieht eine Kombination zwischen einem vier Meter breiten Radweg und einem getrennten Fußweg vor.[45]

Insbesondere auf stillgelegten Eisenbahnstrecken entstehen kreuzungsfreie Radwege, beispielsweise auf der früheren Bochumer Erzbahn. Auch in Wuppertal entstand ein Radweg auf der Strecke der ehemaligen Nordbahntrasse, der am 19. Dezember 2014 eröffnet wurde und „jetzt über 23 Kilometer fast durchgängig befahrbar“ ist.[46] Dieser qualitativ hochwertige Radweg erfüllt zumindest im innerstädtischen Bereich die für Nordrhein-Westfalen gesetzten Kriterien für Radschnellwege hinsichtlich Kreuzungsfreiheit, Breite, Beleuchtung und Trennung von Rad- und Fußverkehr.[47], wurde aber nicht unter dem Begriff Radschnellweg vermarktet.

Ein weiteres Projekt, das als Radschnellweg mit Bevorzugung der Radfahrer an Kreuzungen mit dem Kfz-Verkehr geplant wird, steht seit Mitte Oktober 2014 zwischen Osnabrück und Belm an. Hier soll die geplante Trasse zu großen Teilen neben der Eisenbahnstrecke von Osnabrück nach Bremen verlaufen, während sie innerorts zu Beginn auf der dann eventuell zur Fahrradstraße umgewidmeten Liebigstraße in Osnabrück und gegen Ende neben der Bremer Straße in Belm verlaufen soll, die – aktuell noch Bundesstraße – im Zuge des Baus der Ortsumfahrung Belm (B 51n) herabgestuft werden soll. Dieser Radschnellweg wird als ein Beitrag zum „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ geplant.[48]

Freiburg im Breisgau, Rad-Vorrang-Route FR1 „Dreisamuferweg“: Blick auf einen Abschnitt mit neuer Trennung des Rad- und Fußverkehrs

Freiburg im Breisgau plant und baut ein stadtweites Netz aus drei Rad-Vorrang-Routen.[49] Der Begriff „Rad-Vorrang-Route“ wurde gewählt, da aus Platzgründen nicht überall die Kriterien für Radschnellwege eingehalten werden können. Bis zum Sommer 2015 wurden bereits mehrere umfangreiche Streckenausbauten und auch Kreuzungsbauwerke wie Unterführungen errichtet.[50]

In Berlin wird der Bau eines Radschnellwegs als Südwestverbindung zwischen Potsdamer Platz / Gleisdreieck und Zehlendorf (mit eventueller Verlängerung nach Potsdam) diskutiert.[51] Weiterhin gibt es die Idee, unter der Trasse der U1 eine überdachte, kreuzungsfreie „Radbahn“ zwischen Zentrum West/ Zoo, Kreuzberg und Friedrichshain einzurichten.[52] Die Idee wurde im Jahr 2015 mit dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet.

Ohne eine allgemein gültige, verbindliche Definition bleibt offen, ob diese Strecken zutreffend als Radschnellwege bezeichnet werden können. Bis eine einheitliche Regelung zur Planung und Gestaltung von Radschnellwegen als Ergänzung der ERA gefunden wurde, bleibt der Übergang zwischen Radschnellwegen und hochwertigen, gut ausgebauten (Bahntrassen-)Radwegen fließend, da letztere die Eigenschaften von Radschnellwegen nur bedingt erfüllen. Der Begriff Radschnellverbindung ist hingegen durch das oben genannte Arbeitspapier der FGSV von 2014 eindeutig definiert, ohne dass bisher einer der genannten Radschnellwege darauf überprüft wurde, ob dessen Kriterien durchgehend eingehalten werden.

Entwicklung in der Schweiz

In der Schweiz steckt die Entwicklung von Velobahnen bzw. Radschnellwegen noch in den Kinderschuhen. In vielen Städten existiert ein gutes Angebot an Velorouten, jedoch gibt es kaum Angebote, die den obigen Kriterien entsprechen. Die Stadt Winterthur hat 2014 auf Grundlage einer Projektstudie ein Netz von Velobahnen beschlossen und im städtischen Richtplan verankert.[53] Der Zeitpunkt der Umsetzung ist noch offen. Die Stadt St. Gallen hat 2015 die Machbarkeit einer Velobahn in Ost-West-Richtung in einer Studie geprüft.[54] Im Raum Bern findet zurzeit im Rahmen der Regionalkonferenz Bern Mittelland eine Diskussion statt, wie Velobahnen zur Bewältigung des urbanen Verkehrsaufkommens beitragen können.

Entwicklung in Österreich

In Österreich gibt es derzeit noch keine Radschnellwege. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht jedoch qualitativ hochwertige Radinfrastruktur als wesentliches Entscheidungskriterium für Berufspendler, sich bei der Verkehrsmittelwahl für das Fahrrad zu entscheiden. Das Radler-Potenzial in Österreich ist hoch: Jeder dritte Beschäftigte hat weniger als sechs Kilometer zu seinem Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz. Radschnellwege würden das bestehende, vielerorts touristisch ausgelegte Radwegenetz sinnvoll ergänzen.[55]

Im rot-grünen Wiener Regierungsübereinkommen vom 11. November 2010 wurde als eine der wesentlichen Zielsetzungen für die weitere Förderung des Wiener Radverkehrs die „Errichtung von großzügigen Radverkehrskorridoren mit besonderer Qualität“ festgelegt.[56] Das Magistrat der Stadt Wien hat im September 2014 erste Grundlagenpläne zu drei Korridoren (Nord, West, Süd) für die geplanten Wiener „Rad-Langstrecken“ präsentiert. Die wesentlichen Merkmale von Rad-Langstrecken sind die Optimierung der Reisezeit und ein spürbar besserer Komfort für die Nutzer als im übrigen Netz. Rad-Langstrecken sollen ohne tageszeitliche und jahreszeitliche Einschränkung nutzbar sein. Zudem soll über die gesamte Strecke eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von mindestens 15 Kilometern pro Stunde möglich sein. Als Zielgruppen sind Berufs-, Ausbildungs- und Werktagsverkehr vorgesehen.[57] Weniger enge Kurven, übersichtliche Kreuzungen, Minimierung der Wartezeit an Ampeln, Vorrang für die Radlangstrecke und breite Radfahranlagen sollen für zügiges Vorankommen sorgen. Man orientiert sich an den Qualitäten von Radschnellwegen, ohne jedoch die hohen niederländischen Standards anzuvisieren. Stattdessen sollen gut ausgebaute Hauptradrouten in Wien als städtische Durchmesserlinien dienen, die wesentliche Stadtentwicklungsgebiete bzw. potenzielle Siedlungserweiterungsgebiete erschließen.[58]

Weblinks

Commons: Radschnellweg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Website von Pro Velo Bern
  2. Verkehrsbericht der Stadt Bern Juni 2012, Seite 29
  3. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Thema Radschnellverbindungen
  4. Bezugsquelle und weiterführende Informationen zum Arbeitspapier „Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen“
  5. Inhalte der ERA 2010, aufbereitet durch den ADAC (pdf)
  6. J Buekers, E Dons, B Elen, L Int Panis: Health impact model for modal shift from car use to cycling or walking in Flanders: application to two bicycle highways. In: Journal of Transport and Health. 2015, doi:10.1016/j.jth.2015.08.003 (researchgate.net).
  7. Kopenhagen: Highway fürs Rad Spiegel online 17. August 2012
  8. Eine Fahrrad-Autobahn fürs Ruhrgebiet. WDR 5-Sendung Leonardo vom 22. Juli 2011
  9. Cycle Superhighways, Erläuterungen und Karten auf der Webseite von Transport for London
  10. Deutsches Institut für Urbanistik (difu) 2010: Radschnellwege. Forschung Radverkehr International I-4-2010 (PDF; 311 kB)
  11. Machbarkeitsstudie Radschnellwege Metropolregion 2011
  12. Präsentation der Machbarkeitsstudie Radschnellwege in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen – Wolfsburg
  13. Internetauftritt der Stadt Göttingen zum Thema eRadschnellweg
  14. Mittagsgespräch des ADFC-Bayern zum Thema „Radschnellwege in Deutschland“, 26. November 2014 in München
  15. Informationen zum Radschnellweg RS1 auf einer Website der Metropole Ruhr
  16. Übersicht Planung Radschnellweg Ruhr RS 1
  17. Messung auf Openstreetmap via osm-wms.de
  18. Lage des Viadukts (Way 23316029) auf Openstreetmap.org
  19. WAZ vom 21. August 2015 Artikel Auf Radweg durch Mülheim darf nicht überall gerast werden.
  20. WAZ vom 20. August 2015 Artikel Auf Radweg durch Mülheim darf nicht überall gerast werden.
  21. Machbarkeitsstudie Radschnellweg Ruhr, Steckblick Streckenabschnitt MH02 Duisburger Strecke – Mülheim an der Ruhr/Hauptbahnhof auf den Seiten 76 und 77
  22. [Blog des ADFC-Landesverband NRW Artikel Vom Radverkehr lernen vom 25. August 2015].
  23. Blog VeloCityRuhr.net Artikel RS1 in Mülheim: Wenn Autofahrer Radschnellwege planen … vom 22. August 2015
  24. Pressemeldung des ADFC vom 26. November 2015, abgerufen am 27. November 2015
  25. Millionenprojekt RS1 im Ruhrgebiet: Die Autobahn für Radfahrer. Spiegel Online, 27. November 2015, abgerufen am gleichen Tag
  26. Streckenverlauf RS1 in Openstreetmap als Relation mit Stand 26. November 2015
  27. eigene Messung in Openstreetmap vom 26. November 2015
  28. Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Gewinner des Planungswettbewerbs Radschnellwege
  29. Dokumentation zum Planungswettbewerb Radschnellwege
  30. Preisverleihung und Übersichtskarte Radschnellwege in NRW
  31. Hinweis der AGFS auf die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie RSW OWL
  32. Pendlerströme Frankfurt am Main, Bundesagentur für Arbeit, (Stand 2013)
  33. Projektseite Radschnellweg Frankfurt Darmstadt mit themenbeleitenden Downloads und Ergebnispräsentationen
  34. Projektseite Radschnellweg Frankfurt Darmstadt mit themenbeleitenden Downloads und Ergebnispräsentationen
  35. hr-online: „Auf der Fahrradautobahn von F nach DA“ 3. Juni 2014
  36. Projektseite Radschnellweg Frankfurt Darmstadt mit themenbegleitenden Downloads und Ergebnispräsentationen
  37. Landratsamt München: Radschnellverbindungen im Münchener Umland vom 14. Juni 2013, aufgerufen am 9. Mai 2015
  38. Neue Radwege, Rennstrecken für Fahrradpendler vom 6. Mai 2015, 16:39 Uhr, aufgerufen am 9. Mai 2015
  39. Aktivitäten und Planungen zur Radverkehrs-Förderung der Stadt Garching, aufgerufen am 9. Mai 2015
  40. Radschnellwege in der Metropolregion Nürnberg
  41. Süddeutsche Zeitung: Nürnberg setzt auf Radschnellwege vom 20. Juli 2015, 9:58 Uhr, aufgerufen am 7. Oktober 2015
  42. Nrvp.de zum Bremer VEP 2015
  43. Presseerklärung des Landesministerium zur Verbindung Bingen-Mainz vom 2. März 2016ums
  44. Hier können Radler Gas geben – kn-online.de (Memento vom 23. Dezember 2014 im Internet Archive)
  45. Mittagsgespräch des ADFC-Bayern zum Thema „Radschnellwege in Deutschland“, 26. November 2014 in München
  46. Nordbahntrasse am 19. Dezember 2014 eröffnet, Download am 15. März 2015
  47. Blogeintrag & Kommentar zur Nordbahntrasse als Radweg bzw. Radschnellweg
  48. http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/514407/radschnellweg-soll-osnabruck-und-belm-verbinden
  49. Badische Zeitung vom 23. Mai 2013: „Radwege in Rekordzeit – Einweihung in Weingarten
  50. laut Erläuterungen von Mitarbeitern der Stadt Freiburg auf einem Fachseminar zum Radverkehr in der Stadt (selbst besucht im Mai 2015)
  51. Berliner Zeitung vom 23. September 2015: „[1]
  52. [2]
  53. http://bau.winterthur.ch/amt-fuer-staedtebau/verkehr-mobilitaet/projekte/velobahnen/
  54. http://www.asaag.ch/projekte/vp/RadFussRollstuhl/a49a93283c0182fe3e3af8a801.html
  55. Pressemitteilung des VCÖ zum Thema Radfahren und Berufspendler
  56. Regierungsübereinkommen der Stadt Wien – Verkehr
  57. radlobby.igf – pro Fahrrad in Wien! Erste Pläne für Wiener Rad-Langstrecken präsentiert
  58. Homepage der Stadt Wien – Rad-Langstrecken