Frank-Walter Steinmeier

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Frank-Walter Steinmeier (2009)

Frank-Walter Steinmeier (* 5. Januar 1956 in Detmold) ist ein deutscher Politiker (SPD) und seit dem 29. September 2009 Fraktionsvorsitzender der SPD und damit Oppositionsführer im Deutschen Bundestag.

Von 2005 bis 2009 war er Bundesminister des Auswärtigen sowie von 2007 bis 2009 auch Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von 1999 bis 2005 amtierte Steinmeier als Chef des Bundeskanzleramtes unter Gerhard Schröder.

Im Oktober 2008 wurde Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2009 nominiert, unterlag bei der Wahl jedoch der Amtsinhaberin Angela Merkel.

Leben und Beruf

Steinmeier wurde 1956 als Sohn eines Tischlers und einer Fabrikarbeiterin geboren und wuchs in Brakelsiek auf, das heute zur Stadt Schieder-Schwalenberg gehört. Nach dem Abitur 1974 in Blomberg leistete er seinen Grundwehrdienst ab und begann 1976 ein Studium der Rechtswissenschaft und ab 1980 der Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität in Gießen.

Während seiner Studienzeit gehörte er gemeinsam mit Brigitte Zypries zur Redaktion der linken Quartalszeitschrift „Demokratie und Recht“ (DuR) des Pahl-Rugenstein-Verlags, der unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand.[1]

1982 bestand Steinmeier das erste und 1986 das zweite juristische Staatsexamen. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Universität Gießen tätig. 1991 wurde er dort als Jurist aufgrund der von ihm vorgelegten Arbeit Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit promoviert.[2]

1991 trat er als Referent für Medienrecht und Medienpolitik in die niedersächsische Staatskanzlei ein. 1993 übernahm er hier die Leitung des persönlichen Büros von Ministerpräsident Gerhard Schröder. 1994 stieg er zum Leiter der Abteilung für Richtlinien der Politik, Ressortkoordinierung und -planung auf.

Steinmeier ist seit 1995 verheiratet mit der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, die er seit dem gemeinsamen Jurastudium kennt. Sie haben eine Tochter. Er gehört der evangelisch-reformierten Kirche an und wohnt in Berlin-Zehlendorf.[3][4]

Politik

Öffentliche Ämter

Von 1993 bis 1994 war Steinmeier Leiter des persönlichen Büros des niedersächsischen Ministerpräsidenten, danach Ressortkoordinator. 1996 wurde er zum Staatssekretär und Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei ernannt. Im Anschluss an die Wahl von Gerhard Schröder zum Bundeskanzler im Jahr 1998 folgte ihm Steinmeier nach Bonn. Im November 1998 berief ihn Gerhard Schröder zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Beauftragten für die Nachrichtendienste.

Nach dem Rücktritt des Kanzleramtsministers Bodo Hombach wurde Steinmeier am 7. Juli 1999 Chef des Bundeskanzleramtes. Auf eine gleichzeitige Ernennung zum Bundesminister für besondere Aufgaben verzichtete man. Steinmeier war auch hier ein enger politischer Vertrauter Schröders. Er wirkte meist als Manager im Hintergrund und repräsentierte als Politiker den Typus des Machtmaklers.[5] Zudem schrieb er Strategiepapiere der SPD wie:

Er gehörte dem Steuerungskreis zur Umsetzung der Hartz-Reformen an und war an der Vorziehung der Steuerreform 2003 beteiligt.

In seiner Funktion als Kanzleramtschef saß Steinmeier dem sogenannten „Steinmeier-Kreis“ vor, dem Schröders Büroleiterin Sigrid Krampitz, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, Regierungssprecher Bela Anda, Thomas Steg, der Planungschef Henry Cordes und der Kommunikationsberater des Kanzlers Reinhard Hesse angehörten. Hier wurden unter Steinmeiers maßgeblicher Mitwirkung politische Lagebeurteilungen sowie politische Reaktionsmuster und Strategieentwürfe für die Regierung Schröder erarbeitet.[6]

Steinmeier gilt als durchsetzungsfähiger Pragmatiker. Bereits in den sechs Jahren als Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator sammelte er außenpolitische Erfahrungen, da er hier Zugang zu Informationen über die politische Weltlage hatte. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 war er im Krisenstab mit Kanzler, Außen-, Innen- und Verteidigungsminister eingebunden. Steinmeier leitete lange Jahre die sogenannte Staatssekretärsrunde, in der die Themen des Bundeskabinetts besprochen wurden. In der Staatssekretärsrunde für Europafragen gab er als Kanzleramtschef oft den entscheidenden Ausschlag in der Abstimmung zwischen konkurrierenden Ressorts.

Als Bundesaußenminister auf einem europäisch-amerikanischen Energie-Forum, 2007

Am 22. November 2005 wurde Steinmeier als Bundesminister des Auswärtigen in die von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Bundesregierung berufen. Für die Öffentlichkeit kam Steinmeiers Ernennung überraschend, da er vorwiegend als Vertrauter Schröders bekannt war. Seine Ernennung zum Außenminister löste in Fachkreisen vorwiegend positive Reaktionen aus, so auch seitens Hans-Dietrich Genschers. Steinmeier war im ersten Halbjahr 2007 Präsident des Rats der Europäischen Union.

Nach dem Rücktritt Franz Münteferings übernahm Steinmeier am 21. November 2007 die Funktion des Vizekanzlers. Am 27. Oktober 2009 erhielt Steinmeier seine Entlassungsurkunde als Bundesminister und Vizekanzler.

Partei

Schon als Schüler trat Steinmeier den Jungsozialisten bei. Seit November 1975 ist er SPD-Mitglied. Er übernahm jedoch in seiner Zeit als Referent und auch als Chef des Bundeskanzleramts weder Parteifunktionen noch Parlamentsmandate.

Auf dem SPD-Parteitag Ende Oktober 2007 in Hamburg wurde er mit einer Mehrheit von 85,5 Prozent zu einem der drei stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. In dieser Funktion führte er im September und Oktober 2008 das Amt des Vorsitzenden nach dem Rücktritt von Kurt Beck bis zum Sonderparteitag zur Neuwahl des neuen Vorsitzenden Franz Müntefering kommissarisch aus.[7]

Am 7. September 2008 beschloss das SPD-Präsidium, Steinmeier als Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2009 vorzuschlagen. Am 18. Oktober 2008 wurde Frank-Walter Steinmeier auf einem Sonderparteitag in Berlin mit 95,13 Prozent der gültigen Stimmen offiziell zum Spitzenkandidaten gewählt.[8]

Am 2. September 2009, im Bundestagswahlkampf, in Kiel

Für die Bundestagswahl 2009 strebte Steinmeier ein eigenes Bundestagsmandat an. Er trat im Bundestagswahlkreis Brandenburg an der Havel – Potsdam-Mittelmark I – Havelland III – Teltow-Fläming I an, weswegen er Mitglied im SPD-Ortsverein Kirchmöser wurde.[9] Dieser Wahlkreis gilt als relativ sicher für die SPD und Steinmeier konnte letztlich mit 32,8 Prozent, vor Diana Golze (Die Linke, 28,5 %) und Andrea Astrid Voßhoff (CDU, 24,6 %), die meisten Stimmanteile gewinnen.[10]

Am 29. September 2009 wurde Steinmeier mit 126 von 146 Stimmen der SPD-Abgeordneten zum Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt.[11]

Politische Positionen

Steinmeier gilt als Architekt der Agenda 2010-Gesetze des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Er ist gemeinsam mit 52 anderen, darunter Matthias Platzeck, Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel, Hubertus Heil und Hans-Peter Bartels Mitherausgeber der Zeitung Berliner Republik.

Im Sommer 2007 befürwortete Steinmeier eine Kanzlerkandidatur von Kurt Beck, den er als Wunschkandidaten bezeichnete. Zu Becks Rücktritt im September 2008 erklärte Steinmeier hingegen, dass die SPD einen „Neuanfang“ benötige. Steinmeier schlug Franz Müntefering als neuen Parteivorsitzenden vor und erklärte, Beck habe Steinmeier als neuen geeigneten Kanzlerkandidaten vorgeschlagen.[12][13]

Nach Auffassung von Steinmeier sei aufgrund der Reformpolitik der SPD die „Wirtschaft in Deutschland so wettbewerbsfähig wie nie zuvor. Darum steigen jetzt auch wieder Löhne und Renten“; hingegen sei das Programm der Linkspartei ein „sicherer Weg in die Armut“. Steinmeier lehnt einen frühen Bundeswehrabzug aus Afghanistan ab, spricht sich jedoch gegen eine Stationierung von Bundeswehr-Soldaten im Süden Afghanistans aus. Als Hauptverbündete sieht Steinmeier die USA und Frankreich und betont die Rolle der NATO. Innenpolitisch erklärt Steinmeier, er befürworte aktuelle SPD-Positionen wie zum Beispiel „Rente mit 67“ und die Ausweitung des Leistungsumfanges der Pflegeversicherung.[12]

Deutschland-Plan

Der Deutschland-Plan wurde am 2. August 2009 durch Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat im Rahmen des Bundestags-Wahlkampfs 2009 vorgestellt[14] und stellte im Bundestagswahlkampf 2009 sein Konzept zur Überwindung der Arbeitslosigkeit bis 2020 dar. Das eigentliche Dokument des Deutschland-Plans trägt den Titel Die Arbeit von morgen, als dessen Autor Steinmeier auftritt.

Bis 2020 sollten demnach vier Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, davon zwei Millionen in der Industrie, eine Million im Gesundheitsbereich, 500.000 in der Kreativwirtschaft sowie 500.000 in anderen Bereichen wie dem Dienstleistungssektor. Insbesondere der Umbau der Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien, die Förderung der Elektromobilität und Infrastrukturmaßnahmen sollte vorangetrieben werden. Des Weiteren war eine Allianz für den Mittelstand aus Bundesregierung, Wirtschaft, Gewerkschaften und Banken geplant, um den Mittelstand zu fördern. Bis 2020 sollten fünfzig Prozent aller jungen Menschen die Allgemeine Hochschulreife erreichen. Mit einem Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft sollte die Frauenquote in Aufsichtsräten eingeführt werden, Frauen sollten genauso viel verdienen wie Männer.[15]

Die Arbeit von morgen ist nicht mit dem historischen Deutschlandplan von 1959 zu verwechseln.

Kontroversen

Im Falle des im Januar 2002 unschuldig in US-Gefangenschaft geratenen Murat Kurnaz, der bis Oktober 2006 auf dem US-amerikanischen Militär-Stützpunkt Guantanamo Bay Naval Base auf Kuba inhaftiert war, wird Steinmeier vorgeworfen, eine vom Pentagon und der CIA bereits im September 2002 in Aussicht gestellte mögliche Überstellung des in Deutschland geborenen und aufgewachsenen türkischen Staatsbürgers nicht angenommen zu haben und als politisch direkt Verantwortlicher damit die weitere Inhaftierung Kurnaz forciert zu haben.[16][17] In den Fall schaltete sich daher der BND-Untersuchungsausschuss ein.[18]

Der Untersuchungsausschuss geht auch der Frage nach, ob die Regierung Schröder 2003 trotz ihrer Ablehnung des Irak-Kriegs diesen durch eine Kooperation des Bundesnachrichtendiensts (BND) mit amerikanischen Stellen unterstützt hat. Der damalige Geheimdienstkoordinator Steinmeier wurde auch wegen dieses Themas bereits mehrfach als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss geladen. Einige führende US-Generäle sagten im Dezember 2008, dass BND-Informationen entscheidend für den Kriegsverlauf gewesen seien. Oppositions- und auch Unionspolitiker im Untersuchungsausschuss sehen den Verdacht der wesentlichen Kooperation des BND als erhärtet an, Steinmeier hingegen betrachtet dies als Fehlinformation.[19]

Am 12. November 2007 nahm Steinmeier gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Bernard Kouchner und dem türkischen Sänger Muhabbet einen Song auf, mit dem für Integration und gegen Gewalt geworben werden sollte. Bald darauf wurde in den Medien berichtet, dass Muhabbet in seinen frühen Texten nicht nur Kriminalität und Gewalt verherrlicht habe, sondern auch ein Islamist sei, der den Mord an Theo van Gogh – gegenüber der TV-Journalistin Esther Schapira – verteidigt habe.[20][21]

Auszeichnungen (Auszug)

Sonstiges

  • Da sowohl Frank-Walter Steinmeier als auch Gerhard Schröder aus dem Lipperland stammen, kam bei der Bundestagswahl 2009 der SPD-Kanzlerkandidat zum vierten Mal nacheinander aus Lippe.
  • Aus wahltaktischen Gründen wollte Steinmeier seinen Vornamen auf das prägnantere „Frank“ verkürzen.[22]
  • Steinmeier ist Raucher. Laut Welt Online sieht er im Rauchen „ein Laster, seine abträglichste Schwäche.“[23][24]

Einzelnachweise

  1. Günter Platzdasch, Steinmeiers Jugend - Was nicht zusammengehört. FAZ.NET, 25. September 2008.
  2. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  3. Die neue SPD-Spitze bläst zum Marsch aufs Kanzleramt. Märkische Allgemeine, 20. Oktober 2008.
  4. http://www.deutschland-ueberblick.de/news-politik-und-gesellschaft1/news-festvortrag-von-bundesaussenminister-frankwalter-steinmeier-calvinismus-und-europa.htm
  5. Karl-Rudolf Korte: Die Rolle von Machtmaklern im Entscheidungsprozess von Spitzenakteuren. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/2003, Bundeszentrale für politische Bildung, 2003.
  6. Karl-Rudolf Korte, Die Rolle von Machtmaklern im Entscheidungsprozess von Spitzenakteuren. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 43/2003), Bundeszentrale für politische Bildung, 2003.
  7. Steinmeier SPD-Kanzlerkandidat - Beck tritt zurück. Reuters-Pressemeldung vom 7. September 2008.
  8. vgl. Neuanfang mit Altgedienten. tagesschau.de, 18. Oktober 2008.
  9. Carsten Volkery, SPD-Ortsverein Kirchmöser: Wo Steinmeier Genosse Nummer 19 ist.. Spiegel Online, 2. August 2007.
  10. Bundeswahlleiter abgerufen am 30. September 2009
  11. vgl. SPD-Abgeordnete wählen Steinmeier zum Fraktionsvorsitzenden bei spiegel.de, 29. September 2009 (aufgerufen am 29. September 2009)
  12. a b vgl. Veröffentlichung des Auswärtigen Amtes zum Interview mit Steinmeier in der Bild am Sonntag am 17. Juni 2007.
  13. Günter Bannas, FAZ: Steinmeier Kanzlerkandidat – Beck gibt nach „Intrigenspiel“ auf. FAZ.net, 7. September 2008.
  14. tagesschau.de: Steinmeier präsentiert das "Arbeitsplatzwunder", Stand: 3. August 2009, 00:41 Uhr
  15. tagesschau.de: 'Hintergrund: Die Kernpunkte des "Deutschland-Plans" der SPD', Stand: Stand: 3. August 2009, 13:53 Uhr
  16. Berlin lehnte Kurnaz-Freilassung ab, Deutschlandfunk vom 23. Januar 2007.
  17. Bericht auf stern.de vom 20. April 2007 über Kurnaz und seine Gefangenschaft in Guantánamo anlässlich des Erscheinens seines Buches
  18. Katharina Schuler, „Fall Kurnaz: Kälte, Hunger, Schläge“. Die Zeit Nr. 4/2007, 19. Januar 2007.
  19. US-General Franks lobt BND-Hilfe als "unbezahlbar". Spiegel Online, 17. Dezember 2008.
  20. Esther Schapira, Steinmeiers Unaufgeregtheit: Muhabbet weiß, was er sagt, Diplomatie im Tonstudio: Die Außenminister Kouchner und Steinmeier mit dem Rapper Muhabbet. FAZ-net, 29. November 2007.
  21. Thorsten Dörting und Reinhard Mohr, POP-SÄNGER MUHABBET: Musterknabe unter Islamismus-Verdacht. Spiegel Online, 13. November 2007.
  22. Jörg Thomann, Imagewandel: Frank Steinmeier. FAZ-net, 15. Februar 2009.
  23. Thomas Delekat, Rauchende Köpfe: Frank-Walter Steinmeier. Welt Online, 1. August 2008.
  24. Um 4.35 Uhr vor dem Kanzleramt. FAZ.NET, 28. Mai 2009.

Weblinks

Commons: Frank-Walter Steinmeier – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien