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„Bundeskanzler (Deutschland)“ – Versionsunterschied

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[[Gerhard Schröder]] begann kurz nach Antritt seiner Kanzlerschaft mit seiner [[Rot-Grüne Koalition|rot-grünen Koalition]] eine Reihe von [[Reform]]projekten, denen gegen Ende der ersten Amtszeit eine Phase der [[Politik der ruhigen Hand|„ruhigen Hand”]] folgte. Außenpolitisch führte Schröder zunächst die transatlantische Partnerschaft wie seine Vorgänger fort: 1999 und 2001 unterstützte [[Deutschland]] im Rahmen der [[Bündnis]]treue die [[NATO]] im [[Kosovo]] und in [[Afghanistan]]. 2002 jedoch verweigerte Schröder den USA offiziell seine Zustimmung zum [[Irak-Krieg]]. Das gilt – neben seinem als gut erachteten Krisenmanagement während der [[Elbhochwasser 2002|Jahrhundertflut]] in Ost- und Norddeutschland – als wichtiger Grund für seine [[Bundestagswahl 2002|Wiederwahl 2002]]. 2003 benannte er mit der [[Agenda 2010]] sein Reformprogramm für die zweite Amtszeit, zumal er die Arbeitslosigkeit nicht – wie zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt – hatte halbieren können. Dieses Programm ging der politischen Linken zu weit, während es wirtschaftsnahen Gruppen nicht weit genug ging. Das alles führte zu Massenaustritten aus der SPD, dem Verlust zahlreicher Landtags- und Kommunalwahlen und der Formierung einer neuen linken Strömung jenseits der SPD, die zur Gründung der Wahlalternative [[Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative|WASG]] führte. Nach einer weiteren schweren SPD-Niederlage bei der [[Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005]] erreichte Gerhard Schröder mittels einer [[Vertrauensfrage]] die Auflösung des Bundestages und [[Bundestagswahl 2005|vorgezogene Neuwahlen im Herbst 2005]], auch weil er das Vertrauen der Koalition in sich beeinträchtigt sah. Zwar verlor er diese Wahlen nach massiven Stimmverlusten knapp, jedoch gelang es ihm, die SPD in der Regierung zu behalten, da die unerwartet geringe Differenz zwischen CDU/CSU und SPD im Wahlergebnis sowie der Einzug der Linkspartei ins Parlament eine große Koalition aus Union und SPD erzwang.
[[Gerhard Schröder]] begann kurz nach Antritt seiner Kanzlerschaft mit seiner [[Rot-Grüne Koalition|rot-grünen Koalition]] eine Reihe von [[Reform]]projekten, denen gegen Ende der ersten Amtszeit eine Phase der [[Politik der ruhigen Hand|„ruhigen Hand”]] folgte. Außenpolitisch führte Schröder zunächst die transatlantische Partnerschaft wie seine Vorgänger fort: 1999 und 2001 unterstützte [[Deutschland]] im Rahmen der [[Bündnis]]treue die [[NATO]] im [[Kosovo]] und in [[Afghanistan]]. 2002 jedoch verweigerte Schröder den USA offiziell seine Zustimmung zum [[Irak-Krieg]]. Das gilt – neben seinem als gut erachteten Krisenmanagement während der [[Elbhochwasser 2002|Jahrhundertflut]] in Ost- und Norddeutschland – als wichtiger Grund für seine [[Bundestagswahl 2002|Wiederwahl 2002]]. 2003 benannte er mit der [[Agenda 2010]] sein Reformprogramm für die zweite Amtszeit, zumal er die Arbeitslosigkeit nicht – wie zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt – hatte halbieren können. Dieses Programm ging der politischen Linken zu weit, während es wirtschaftsnahen Gruppen nicht weit genug ging. Das alles führte zu Massenaustritten aus der SPD, dem Verlust zahlreicher Landtags- und Kommunalwahlen und der Formierung einer neuen linken Strömung jenseits der SPD, die zur Gründung der Wahlalternative [[Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative|WASG]] führte. Nach einer weiteren schweren SPD-Niederlage bei der [[Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005]] erreichte Gerhard Schröder mittels einer [[Vertrauensfrage]] die Auflösung des Bundestages und [[Bundestagswahl 2005|vorgezogene Neuwahlen im Herbst 2005]], auch weil er das Vertrauen der Koalition in sich beeinträchtigt sah. Zwar verlor er diese Wahlen nach massiven Stimmverlusten knapp, jedoch gelang es ihm, die SPD in der Regierung zu behalten, da die unerwartet geringe Differenz zwischen CDU/CSU und SPD im Wahlergebnis sowie der Einzug der Linkspartei ins Parlament eine große Koalition aus Union und SPD erzwang.


=== Angela Merkel (seit 2005) ===
=== Angelo Merte (seit 2005) ===
[[Datei:AM Juli 2010 - 3zu4.jpg|rahmenlos|hochkant=0.5|rechts]]
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[[Angela Merkel]] wurde am 22. November 2005 zur Bundeskanzlerin gewählt. Die erste Frau und Naturwissenschaftlerin, die das höchste Regierungsamt Deutschlands bekleidet, stützte sich auf eine [[große Koalition]] aus CDU/CSU und SPD. Bei Amtsantritt war sie mit 51 Jahren die jüngste Amtsinhaberin, ist die erste ehemalige Bürgerin der DDR als gesamtdeutsche Kanzlerin und nach der Wende Quereinsteigerin aus der Wissenschaft in die Politik.
[[Angelo Merte]] wurde am 22. November 2005 zur Bundeskanzlerin gewählt. Die erste Frau und Naturwissenschaftlerin, die das höchste Regierungsamt Deutschlands bekleidet, stützte sich auf eine [[große Koalition]] aus CDU/CSU und SPD. Bei Amtsantritt war sie mit 51 Jahren die jüngste Amtsinhaberin, ist die erste ehemalige Bürgerin der DDR als gesamtdeutsche Kanzlerin und nach der Wende Quereinsteigerin aus der Wissenschaft in die Politik.


Sie legte ihren Ruf als „Kohls Mädchen“ ab, als sie mit ihrem Förderer, Altkanzler Kohl, wegen dessen Spendenaffäre gebrochen hatte. Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sie sehr hohe Zustimmungsraten, die auch mit der für gut befundenen Lösung außenpolitischer Krisen zusammenhingen. Bei der Bewältigung innenpolitischer Probleme wie der [[Föderalismusreform|Föderalismus-]] und der [[Gesundheitsreform in Deutschland|Gesundheitsreform]] traten Kritiker auch aus ihrer eigenen Partei, der CDU, auf und warfen Merkel Führungsschwäche vor. Als wichtigste Aufgabe der Kanzlerschaft Merkels gilt die Verringerung der [[Arbeitslosigkeit]], als größte Herausforderung die Bewältigung der Folgen der [[Finanzkrise ab 2007]].
Sie legte ihren Ruf als „Kohls Mädchen“ ab, als sie mit ihrem Förderer, Altkanzler Kohl, wegen dessen Spendenaffäre gebrochen hatte. Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sie sehr hohe Zustimmungsraten, die auch mit der für gut befundenen Lösung außenpolitischer Krisen zusammenhingen. Bei der Bewältigung innenpolitischer Probleme wie der [[Föderalismusreform|Föderalismus-]] und der [[Gesundheitsreform in Deutschland|Gesundheitsreform]] traten Kritiker auch aus ihrer eigenen Partei, der CDU, auf und warfen Merkel Führungsschwäche vor. Als wichtigste Aufgabe der Kanzlerschaft Mertes gilt die Verringerung der [[Arbeitslosigkeit]], als größte Herausforderung die Bewältigung der Folgen der [[Finanzkrise ab 2007]].


In der [[Bundestagswahl 2009]] kam es zu einer schwarz-gelben Mehrheit. Am 28. Oktober 2009 wurde sie als Bundeskanzlerin wiedergewählt. Während sich die Finanzkrise verschärfte und der [[Euro]] in Gefahr geriet, machte die Bundesregierung durch ihre teils scharf kritisierte Steuerpolitik von sich reden. Die [[Wehrpflicht]] und der [[Zivildienst]] wurden ausgesetzt und durch freiwillige Varianten ersetzt. Die [[Laufzeitverlängerung]] der [[Atomkraftwerk]]e wurde nach der [[Nuklearkatastrophe von Fukushima]] rückgängig gemacht.
In der [[Bundestagswahl 2009]] kam es zu einer schwarz-gelben Mehrheit. Am 28. Oktober 2009 wurde sie als Bundeskanzlerin wiedergewählt. Während sich die Finanzkrise verschärfte und der [[Euro]] in Gefahr geriet, machte die Bundesregierung durch ihre teils scharf kritisierte Steuerpolitik von sich reden. Die [[Wehrpflicht]] und der [[Zivildienst]] wurden ausgesetzt und durch freiwillige Varianten ersetzt. Die [[Laufzeitverlängerung]] der [[Atomkraftwerk]]e wurde nach der [[Nuklearkatastrophe von Fukushima]] rückgängig gemacht.

Version vom 12. September 2013, 07:22 Uhr

Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Bundesadler der deutschen Bundesorgane
Bundesadler der deutschen Bundesorgane
Bundeskanzler Angela Merkel
Amtierender Bundeskanzler
Angela Merkel
seit dem 22. November 2005
Amtssitz Bundeskanzleramt
Amtszeit vier Jahre
(Wiederwahl möglich)
Schaffung des Amtes 1. Juli 1867
(Norddeutscher Bund)

24. Mai 1949
(Bundesrepublik Deutschland)
Letzte Wahl 28. Oktober 2009
Anrede Frau Bundeskanzlerin
Stellvertreter Vizekanzler
Website www.bundeskanzlerin.de
Der damalige Kanzler Schmidt mit seinen Amtsvorgängern Kiesinger (l.) und Brandt (r.) 1979 in Bonn

Der Bundeskanzler ist der Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland. Er bestimmt die Bundesminister und die Richtlinien der Politik der Bundesregierung. Der Bundeskanzler ist faktisch der mächtigste deutsche Amtsträger, steht jedoch in der deutschen protokollarischen Rangfolge unter dem Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt und dem Bundestagspräsidenten als Repräsentanten des einzig direkt vom Volk gewählten Bundesorgans[1] nur an dritthöchster Stelle. Der Bundeskanzler wird vom Bundestag gewählt und kann vor Ablauf der Legislaturperiode des Bundestages nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgelöst werden. Derzeitige Bundeskanzlerin ist die CDU-Politikerin Angela Merkel.

Verfassungsrechtliche und politische Stellung

Geschichtlicher Hintergrund

Konrad Adenauer (* 1876; † 1967)
1. Bundeskanzler (1949–1963)

Der Begriff Kanzler kommt aus dem Mittelalter: Am feudalen Hof war der Kanzler der Leiter der herrschaftlichen Schreibstube, der Kanzlei. Unter den Bediensteten des Herrschers hatte der Kanzler die höchste Autorität und war damit den ägyptischen Staatsschreibern vergleichbar.

In der deutschen Verfassungsgeschichte wurde schon im Norddeutschen Bund (1867) der Regierungschef „Bundeskanzler“ genannt, im Deutschen Kaiserreich (1871) und in der Weimarer Republik dann „Reichskanzler“. Andere Bezeichnungen trugen deutsche Regierungschefs nur in der kurzen verfassungslosen Zeit 1918/19 („Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten“ bzw. „Ministerpräsident“) und später in der DDR (1949–1990, „Vorsitzender des Ministerrates“).

Der Reichskanzler des Kaiserreiches war zunächst direkt dem Kaiser verantwortlich, der ihn ernannte und entließ. Der Reichskanzler war damit völlig vom Kaiser abhängig; außerdem hatte er keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gesetzgebung, er durfte in seiner Eigenschaft als Reichskanzler nicht einmal vor dem Reichstag sprechen. Erst 1918 wurde die Verfassung dahin gehend geändert, dass der Kanzler dem Reichstag verantwortlich wurde.

Auch der Reichskanzler der Weimarer Republik wurde vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen. Er musste zurücktreten, wenn der Reichstag ihm das Vertrauen entzog. Der Reichskanzler war damit sowohl vom Reichspräsidenten als auch vom Reichstag abhängig. In Artikel 56 der Weimarer Verfassung heißt es: „Der Reichskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür gegenüber dem Reichstag die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Reichsminister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbstständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Reichstag.“ Dieser Artikel stimmt fast exakt mit den ersten beiden Sätzen des Artikels 65 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland überein, dennoch war die Verfassungswirklichkeit zumindest in der Spätphase mit ihren Präsidialkabinetten eine andere. Durch die starke Abhängigkeit vom Vertrauen des Reichspräsidenten und durch die Abwahlmöglichkeit des Reichstages, der nicht gleichzeitig einen Nachfolger bestellen musste, saß der Reichskanzler zwischen allen Stühlen. Insbesondere das Missverhältnis zwischen der Ernennung durch den Reichspräsidenten und der Verantwortlichkeit gegenüber dem Reichstag war später Gegenstand von Kritik. Dieser Konstruktion der Weimarer Verfassung mit einem starken Reichspräsidenten und einem schwachen, in Krisenzeiten nicht allein handlungsfähigen Reichskanzler wird eine Mitschuld daran gegeben, dass die Weimarer Republik 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler (→ Machtübernahme) und der anschließenden Etablierung des nationalsozialistischen Einparteienstaates faktisch beendet wurde.

Der Parlamentarische Rat entschied sich daher in den Jahren 1948 und 1949, die Stellung des nunmehrigen Bundespräsidenten zu schwächen und den Bundeskanzler zu stärken. Insbesondere die sehr genauen und sich später bewährenden Vorschriften über die Wahl des Bundeskanzlers, das konstruktive Misstrauensvotum und die Vertrauensfrage haben die tatsächliche politische Macht des Bundeskanzlers mindestens ebenso gestärkt wie die starke Ausprägung der Kanzlerdemokratie unter dem ersten Bundeskanzler, Konrad Adenauer. Dessen sehr starke Interpretation der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers wurde von seinen Nachfolgern verteidigt und führt dazu, dass der Bundeskanzler bis heute als mächtigster Politiker im politischen System der Bundesrepublik gilt.

Richtlinienkompetenz und Kollegialprinzip

Ludwig Erhard (* 1897; † 1977)
2. Bundeskanzler (1963–1966)

Der Bundeskanzler besitzt nach Artikel 65 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) die Richtlinienkompetenz: Er „bestimmt die Richtlinien der [von der Bundesregierung vertretenen] Politik“. Er trägt dafür auch die Verantwortung. Die grundlegenden Richtungsentscheidungen der Bundesregierung werden also von ihm getroffen, allerdings können auch wichtige Einzelentscheidungen von ihm getroffen werden. Andererseits schreibt der gleiche Artikel 65 Grundgesetz auch das Ressortprinzip (Satz 2) und das Kollegialprinzip (Satz 3) vor. Ersteres bedeutet, dass die Bundesminister ihre Ministerien in eigener Verantwortung leiten. Der Bundeskanzler kann hier nicht ohne Weiteres in einzelnen Sachfragen eingreifen und seine Ansicht durchsetzen. Er muss jedoch nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung über alle wichtigen Vorhaben im Ministerium unterrichtet werden. Das Kollegialprinzip besagt, dass Meinungsverschiedenheiten der Bundesregierung vom Kollegium entschieden werden; der Bundeskanzler muss sich also im Zweifel der Entscheidung des Bundeskabinetts beugen.

Der Bundeskanzler besitzt zusätzlich die Organisationsgewalt für die Bundesregierung (Art. 64 Absatz 1 und Art. 65 des Grundgesetzes sowie § 9 der Geschäftsordnung der Bundesregierung) und kann mit Erlassen die Zahl und Zuständigkeiten der Ministerien regeln. Er „leitet“ damit im administrativen Sinne die Geschäfte der Bundesregierung. Beschränkt wird seine Organisationsgewalt durch die im Grundgesetz vorgeschriebene Errichtung des Bundesministeriums der Verteidigung (Art. 65a: Bundesminister für Verteidigung), des Bundesministeriums der Justiz (Art. 96 Abs. 2 Satz 4: Geschäftsbereich des Bundesjustizministers) und des Bundesministeriums der Finanzen (Art. 108 Abs. 3 Satz 2: Bundesminister der Finanzen).

Auch wenn Ressort- und Kollegialprinzip in der Praxis ständig angewandt werden, so rückt die auch als „Kanzlerprinzip“ bezeichnete Richtlinienkompetenz den Bundeskanzler als den bedeutendsten politischen Akteur in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Seine Aussagen werden stark beachtet; äußert er sich zu einer Sachfrage anders als der zuständige Fachminister, so hat häufig trotz der Gültigkeit des Ressortprinzips der Fachminister das Nachsehen, will er nicht wegen „schlechter Teamarbeit“ vom Bundeskanzler intern oder gar öffentlich gerügt werden. Der Bundeskanzler ist oft auch gleichzeitig Vorsitzender seiner Partei (Adenauer 1950–1963, Erhard 1966, Kiesinger 1967–1969, Kohl 1982–1998 und Merkel seit 2005 in der CDU; Brandt 1969–1974 und Schröder 1999–2004 in der SPD) und genießt damit nicht nur als Bundeskanzler, sondern auch als Parteivorsitzender hohes Medieninteresse und starken Einfluss innerhalb der Partei und Fraktion, die seine Regierung stützt. Allerdings haben alle Bundeskanzler auch in den Zeiten, in denen sie nicht den Parteivorsitz bekleideten, eine wichtige Rolle in der Partei innegehabt.

Kurt Georg Kiesinger (* 1904; † 1988)
3. Bundeskanzler (1966–1969)

Selbst wenn der Bundeskanzler aber in seiner Partei unangefochten ist, so muss er doch – wenn seine Partei nicht allein regieren kann – in der Regel auf einen kleineren Koalitionspartner Rücksicht nehmen. Seine Äußerungen mögen in seiner Partei auf einmütige Zustimmung treffen, die Akzeptanz des Koalitionspartners, der damit trotz geringerer Größe nahezu gleichberechtigt ist, kann aber noch nicht automatisch als erreicht angesehen und muss eventuell durch Zugeständnisse gesichert werden. Der Bundeskanzler kann aber auch in seiner eigenen Partei nicht diktatorisch regieren, da auch seine Parteiämter regelmäßig in demokratischer Wahl bestätigt werden und die Abgeordneten trotz Fraktionsdisziplin nicht unbedingt der Linie des Bundeskanzlers folgen müssen.

Schließlich hängt es auch von der Person des Bundeskanzlers und den politischen Gegebenheiten ab, wie er den Begriff der Richtlinienkompetenz ausgestaltet. Konrad Adenauer als erster Bundeskanzler nutzte die Richtlinienkompetenz unter den Ausnahmebedingungen eines völligen politischen Neubeginns sehr stark aus. Mit seiner Amtsführung legte Adenauer den Grundstein für die sehr weit reichende Interpretation dieses Begriffes. Schon unter Ludwig Erhard sank die Machtfülle des Bundeskanzlers, bis schließlich in Kurt Georg Kiesingers Großer Koalition der Bundeskanzler weniger der „starke Mann“ als vielmehr der „wandelnde Vermittlungsausschuss“ war. Während Adenauer und Helmut Schmidt sehr strategisch mit ihrem Stab (im Wesentlichen dem Kanzleramt) arbeiteten, bevorzugten Brandt und Kohl einen Stil der informelleren Koordination. In beiden Modellen kommt es bei der Bemessung der Einflussmöglichkeiten des Bundeskanzlers auf die Stärke des Koalitionspartners und auf die Stellung des Bundeskanzlers in seiner Partei an.

Willy Brandt (* 1913; † 1992)
4. Bundeskanzler (1969–1974)

Aufgrund dieser politischen Einschränkungen der durch die Verfassung definierten Position des Bundeskanzlers halten viele Politikwissenschaftler die Richtlinienkompetenz für das am meisten überschätzte Konzept des Grundgesetzes. Es gibt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher keinen Fall, in dem die Richtlinienkompetenz offiziell angewandt worden wäre.

Da der Bundeskanzler sich bei innenpolitischen Fragen stärker auf die Ministerien verlassen muss, kann er sich häufig in der Außenpolitik profilieren. Alle Bundeskanzler haben das diplomatische Parkett – durchaus auch im mehr oder weniger stillen Machtkampf mit dem Außenminister – genutzt, um neben den Interessen der Bundesrepublik auch sich selbst in positivem Licht darzustellen. Besonders Bundeskanzler Adenauer, der von 1951 bis 1955 selbst das Außenministerium führte, konnte hier starken Einfluss nehmen.

Die Bundesregierung und der Bundeskanzler haben das alleinige Recht, Entscheidungen der Exekutive zu treffen. Aus diesem Grund bedarf jede förmliche Anordnung des Bundespräsidenten bis auf die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers, die Auflösung des Bundestages nach dem Scheitern der Wahl eines Bundeskanzlers und das Ersuchen zur Weiterausübung des Amtes bis zur Ernennung eines Nachfolgers der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers oder des zuständigen Bundesministers.

Wahl des Bundeskanzlers

Verlaufsdiagramm zur Bundeskanzlerwahl

1949 wurde in Artikel 63 des Grundgesetzes (GG) erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte das Wahlverfahren für den Kanzler sehr detailliert festgelegt. Das hängt auch damit zusammen, dass anders als in den früheren deutschen Verfassungen die letztgültige Entscheidung über die Ernennung des Bundeskanzlers in der Regel vom Bundestag und nicht vom Bundespräsidenten getroffen wird. Aus diesem Grund musste klar sein, wie das Verfahren fortgeht, wenn ein Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers nicht gewählt wird. Dabei wird – abweichend von der Idee der strikten Gewaltenteilung – ein Organ der Exekutive, der Bundeskanzler, durch ein Organ der Legislative, den Bundestag, gewählt. Die Wahl des Bundeskanzlers erfolgt geheim; das ergibt sich allerdings nicht aus dem Grundgesetz, sondern aus der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (§ 4 und § 49).

Erste Wahlphase: Ist das Amt des Bundeskanzlers vakant, etwa durch den Zusammentritt eines neuen Bundestages, aber auch durch Tod, Rücktritt oder Amtsunfähigkeit des alten Bundeskanzlers, schlägt der Bundespräsident innerhalb einer angemessenen Frist dem Bundestag einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vor. In dieser Entscheidung ist der Bundespräsident rechtlich frei. Politisch ist jedoch schon lange vor dem Vorschlag klar, über wen der Bundestag abstimmen wird, da der Bundespräsident vor seinem Vorschlag eingehende Gespräche mit den Partei- und Fraktionsspitzen führt. Bisher ist auch stets der von der regierenden Koalition ins Spiel gebrachte Nachfolgekandidat vom Bundespräsidenten vorgeschlagen worden. Der Kandidat benötigt zu seiner Wahl die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, also die absolute Mehrheit. Wählt der Bundestag den vom Bundespräsidenten vorgeschlagenen Kandidaten nicht, so beginnt eine zweite Wahlphase. Dieser Fall ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher noch nie eingetreten.

Zweite Wahlphase: Nach der Ablehnung des Vorschlags des Bundespräsidenten tritt eine zweiwöchige Wahlphase ein, in der aus dem Bundestag heraus – nach dessen Geschäftsordnung von mindestens einem Viertel der Abgeordneten – Kandidaten vorgeschlagen werden können. Über die vorgeschlagenen Kandidaten wird dann abgestimmt. Dabei ist sowohl eine Einzelwahl (nur ein Kandidat) als auch eine Mehrpersonenwahl denkbar. In jedem Fall benötigt ein Kandidat zur Wahl wiederum die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Die Anzahl der Wahlgänge ist unbegrenzt.

Dritte Wahlphase: Wird auch während der zweiten Wahlphase kein Kandidat mit absoluter Mehrheit gewählt, so muss der Bundestag nach Ablauf der zwei Wochen unverzüglich erneut zusammentreten und einen weiteren Wahlgang durchführen. Dabei gilt zunächst als gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Bei Stimmengleichheit finden erneute Wahlgänge statt, bis ein eindeutiges Ergebnis erzielt worden ist. Erhält der Gewählte die absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages, so muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen ernennen. Erhält der Gewählte nur die relative Mehrheit der Stimmen, so ist das einer der wenigen Fälle, in denen dem Bundespräsidenten echte politische Machtbefugnisse zuwachsen: Er kann sich nun nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob er den Gewählten ernennt und damit möglicherweise einer Minderheitsregierung den Weg ebnet oder aber den Bundestag auflöst. Er wird diese Entscheidung in Abhängigkeit von der politischen Situation treffen: Ist bei einer Neuwahl keine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse zu erwarten, so wird er den Bundestag eher nicht auflösen. Ist dagegen die Mehrheitssituation im Bundestag ohnehin unübersichtlich, so wird er die Auflösung des Bundestages wieder stärker in Betracht ziehen.

Insgesamt kann es aber keinen Fall geben, in dem der Bundespräsident eine Person zum Bundeskanzler ernennt, die nicht zumindest eine relative Mehrheit des Bundestages auf sich vereinigen kann.

Helmut Schmidt (* 1918)
5. Bundeskanzler (1974–1982)

Nach der Wahl wird der Bundeskanzler vom Bundespräsidenten ernannt und vor dem Bundestag vereidigt (Art. 64 GG). Er schwört dabei folgenden Eid: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ (Art. 56 GG). Er kann den Eid auch ohne religiöse Beteuerung ableisten; Gerhard Schröder war der bisher einzige Bundeskanzler, der von dieser Möglichkeit Gebrauch machte.

Dieses Wahlprozedere gilt grundsätzlich auch im Verteidigungsfall. Die Wahl eines Bundeskanzlers durch den Gemeinsamen Ausschuss ist jedoch gesondert geregelt, indem nur die oben beschriebene erste Wahlphase analog angewendet wird. Das Grundgesetz macht keine Aussage über das weitere Verfahren, wenn der Gemeinsame Ausschuss den vom Bundespräsidenten Vorgeschlagenen nicht wählt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Vorschriften des oben genannten Artikels 63 Grundgesetz für eine solche Wahl analog gelten.

Der Bundeskanzler muss weder Mitglied des Bundestages noch einer politischen Partei sein, allerdings muss er das passive Wahlrecht zum Bundestag besitzen. Gemäß dem Grundsatz der Unvereinbarkeit darf er weder ein anderes besoldetes Amt bekleiden noch einen Beruf oder ein Gewerbe ausüben, kein Unternehmen leiten und nicht ohne Zustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrat eines auf Gewinn orientierten Unternehmens angehören (Art. 66 GG).

Zusammenarbeit mit Bundestag und Bundesrat

Der Bundestag kann jederzeit die Herbeirufung oder die Anwesenheit des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers verlangen. Im Gegenzug haben der Bundeskanzler und die Mitglieder der Bundesregierung das Recht, bei jeder Sitzung des Bundestages oder eines seiner Ausschüsse anwesend zu sein. Sie haben sogar jederzeitiges Rederecht. Die gleichen Rechte und Pflichten bestehen im Verhältnis zum Bundesrat. Spricht der Bundeskanzler im Bundestag als solcher und nicht etwa als Abgeordneter seiner Bundestagsfraktion, so wird seine Redezeit nicht auf die vereinbarte Gesamtredezeit angerechnet.

Bestellung der Bundesminister

Nach Artikel 64 des Grundgesetzes schlägt der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten die Bundesminister vor, der sie ernennt. Der Bundespräsident muss sie nach der in der Staatsrechtslehre überwiegenden Meinung ernennen, ohne die Kandidaten selbst politisch prüfen zu können. Ihm wird allerdings in der Regel ein formales Prüfungsrecht zugestanden: Er kann etwa prüfen, ob die designierten Bundesminister Deutsche sind. Der Bundestag hat dabei ebenfalls kein Mitspracherecht. Auch bei der Entlassung von Bundesministern können weder der Bundespräsident noch der Bundestag in rechtlich bindender Weise mitreden – auch hier liegt die Entscheidung ganz beim Bundeskanzler, die Entlassung wird wieder durch den Bundespräsidenten durchgeführt. Selbst die Aufforderung des Bundestages an den Bundeskanzler, einen Bundesminister zu entlassen, ist rechtlich unwirksam; allerdings wird der Minister, wenn tatsächlich die Mehrheit des Bundestages und damit auch Mitglieder der die Bundesregierung tragenden Koalition gegen ihn sind, häufig von sich aus zurücktreten. Der Bundestag kann die Minister nur zusammen mit dem Bundeskanzler durch ein Konstruktives Misstrauensvotum ablösen.

Diese zumindest formal uneingeschränkte Personalhoheit des Bundeskanzlers über sein Kabinett spricht für die starke Stellung des Bundeskanzlers. Bundeskanzler Schröder hat 2002 von dieser Personalhoheit sehr deutlich Gebrauch gemacht, als er gegen dessen ausdrücklichen Willen den Verteidigungsminister Rudolf Scharping aus seinem Amt entlassen ließ. Angela Merkel hat ihren Bundesumweltminister Norbert Röttgen am 16. Mai 2012 gegen seinen Willen entlassen.

Der Bundeskanzler muss jedoch bei der Ernennung meist auf „Koalitionsverträge“ und innerparteilichen Proporz Rücksicht nehmen; bei Entlassungen gilt das insbesondere bei Ministern des Koalitionspartners noch stärker: Hier schreiben die Koalitionsvereinbarungen stets vor, dass eine Entlassung nur mit Zustimmung des Koalitionspartners erfolgen kann. Hielte sich der Bundeskanzler nicht an diesen rechtlich zwar nicht bindenden, politisch aber höchst bedeutsamen Vertrag, wäre die Koalition sehr schnell zu Ende. Insgesamt unterliegt die Personalfreiheit des Bundeskanzlers durch die politischen Rahmenbedingungen erheblichen Beschränkungen. Ferner kann ein (neues) Bundesministerium nur im Rahmen des Haushaltsplanes eingerichtet werden, der Zustimmung im Bundestag finden muss.

Der Bundeskanzler ernennt auch – ohne Mitwirkung des Bundespräsidenten – seinen Stellvertreter. Inoffiziell spricht man auch vom „Vizekanzler“. Das ist in der Regel der wichtigste Politiker des kleineren Koalitionspartners. In der Vergangenheit fielen das Amt des Außenministers und die „Vizekanzlerschaft“ häufig zusammen; dies war jedoch nie eine verbindliche Kombination, sondern nur eine Tradition (1966–2011, mit Unterbrechungen 1982, 1992/93 und 2005–2007). Es ist auch möglich, dass der Vizekanzler der gleichen Partei wie der Bundeskanzler angehört (wie zum Beispiel Ludwig Erhard 1957–1963). Gegenwärtiger Stellvertreter der Bundeskanzlerin ist der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler.

Dabei handelt es sich stets nur um die Vertretung der Funktion, nicht um die des Amtes. Der Stellvertreter vertritt also nur den Kanzler, beispielsweise wenn dieser auf einer Reise ist und der Stellvertreter eine Kabinettssitzung leitet. Es ist in der Rechtswissenschaft strittig, ob der Bundespräsident, würde der Bundeskanzler zum Beispiel durch eine schwere Krankheit dauerhaft amtsunfähig oder stürbe er gar, den Vizekanzler gleichsam automatisch zum geschäftsführenden Bundeskanzler ernennen müsste oder aber auch einen anderen Bundesminister mit der Aufgabe betrauen könnte. In jedem Fall müsste unverzüglich ein neuer Bundeskanzler vom Bundestag gewählt werden. Bislang ist ein solcher Fall – von Kanzlerrücktritten abgesehen – allerdings noch nie eingetreten.

Steht auch der Stellvertreter nicht zur Verfügung, so geht seine Rolle nach der Vertretungsreihenfolge der Geschäftsordnung der Bundesregierung auf den dienstältesten Minister über. Im Kabinett Merkel sind dies Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière. Sind mehrere Minister gleich lange im Amt, entscheidet das höhere Lebensalter, in diesem Fall zu Gunsten von Wolfgang Schäuble.

Konstruktives Misstrauensvotum

Helmut Kohl (* 1930)
6. Bundeskanzler (1982–1998)

Eine der wichtigsten Entscheidungen des Parlamentarischen Rates zur Stärkung der Position des Bundeskanzlers war die Einführung des konstruktiven Misstrauensvotums. Der Bundeskanzler kann nach Artikel 67 des Grundgesetzes nur durch eine Mehrheit im Parlament gestürzt werden, wenn sich diese Mehrheit gleichzeitig auf einen Nachfolger für ihn geeinigt hat. Dadurch wird verhindert, dass die Regierung durch eine sie ablehnende, aber in sich nicht einige Mehrheit gestürzt wird. In der Weimarer Republik war das durch das gemeinsame Wirken von extrem rechten und extrem linken Kräften häufig gegeben, was zu kurzen Amtsperioden der Reichskanzler und damit zu allgemeiner politischer Instabilität führte.

Der Antrag muss nach der Geschäftsordnung des Bundestages von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder eingebracht werden. Dabei muss der Antrag, den Bundespräsidenten zu ersuchen, den Bundeskanzler zu entlassen, gleichzeitig ein Ersuchen an den Bundespräsidenten enthalten, eine namentlich benannte Person zum Nachfolger zu ernennen. Damit wird sichergestellt, dass die neu formierte Mehrheit sich zumindest auf einen gemeinsamen Bundeskanzlervorschlag geeinigt hat und damit erwarten lässt, dass sie über ein gemeinsames Regierungsprogramm verfügt. Der Antrag bedarf zu seiner Annahme wiederum der Kanzlermehrheit, also der absoluten Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages.

Will der Gemeinsame Ausschuss während des Verteidigungsfalles den Bundeskanzler per konstruktivem Misstrauensvotum stürzen, so bedarf dieser Antrag der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses. Mit der Erhöhung dieser Mehrheit sollte die Möglichkeit eines faktischen Staatsstreiches durch den Gemeinsamen Ausschuss erschwert werden.

Der Wechsel eines Koalitionspartners oder auch nur einzelner Koalitionsabgeordneter zur Opposition ist nach den Vorschriften des Grundgesetzes legitim. Er steht jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung stets im Ruch des Verrates, da nach Argumentation der vom Wechsel jeweils negativ betroffenen politischen Gruppe die Wähler bei ihrer Wahlentscheidung darauf hätten vertrauen können, dass sie mit der Wahl einer Partei auch einen bestimmten Kanzlerkandidaten wählten. Der nachträgliche Wechsel sei eine demokratietheoretisch nicht hinnehmbare Täuschung des Wählers. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser Argumentation in einem Urteil[2] zur Vertrauensfrage aus dem Jahr 1983 entgegengestellt und demokratische Legitimation mit verfassungsrechtlicher Legitimität gleichgesetzt.

Das konstruktive Misstrauensvotum ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher zweimal zur Anwendung gekommen: 1972 versuchte die CDU/CSU-Fraktion erfolglos, Bundeskanzler Willy Brandt zu stürzen und Rainer Barzel zum Kanzler zu wählen; 1982 stürzten CDU/CSU und FDP gemeinsam Bundeskanzler Helmut Schmidt und wählten Helmut Kohl zum Bundeskanzler.

Vertrauensfrage

Gerhard Schröder (* 1944)
7. Bundeskanzler (1998–2005)

Hat der Bundeskanzler den Eindruck, dass die Mehrheit des Bundestages seine Politik nicht mehr unterstützt, so kann er nach Artikel 68 des Grundgesetzes die Vertrauensfrage stellen und damit den Bundestag selbst zum Handeln zwingen. Er kann die Vertrauensfrage auch mit einer Sachentscheidung, also einem Gesetzentwurf oder einem anderen Sachantrag, verbinden. Stimmt der Bundestag dem Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht mit absoluter Mehrheit zu, so gibt es drei Möglichkeiten:

  • Der Bundeskanzler kann sich entschließen, keine verfassungsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen.
  • Der Bundeskanzler kann dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag aufzulösen; der Bundespräsident entscheidet über diesen Vorschlag politisch eigenständig.
  • Die Bundesregierung kann beim Bundespräsidenten beantragen, den Gesetzgebungsnotstand auszurufen, sofern der Bundesrat dem zustimmt und der Bundestag zuvor eine als dringlich bezeichnete Gesetzesvorlage abgelehnt hat. Der Bundespräsident entscheidet über diesen Antrag wiederum politisch eigenständig. Durch den Gesetzgebungsnotstand kann der Bundestag für sechs Monate weitgehend entmachtet werden.

In der Geschichte der Bundesrepublik ist die Vertrauensfrage bisher fünfmal gestellt worden. Zweimal (Schmidt 1982 und Schröder 2001) handelte es sich um eine echte Vertrauensfrage, während mit den Vertrauensfragen von Brandt 1972, Kohl 1982 und Schröder 2005 die Auflösung des Bundestags angestrebt und auch erreicht wurde. 1983 und 2005 klagten Abgeordnete beim Bundesverfassungsgericht gegen dieses Vorgehen. Beide Male verwarf das Gericht im Ergebnis die Klagen.[2][3]

Verteidigungsfall

Seit 1956 sieht das Grundgesetz vor, dass während des Verteidigungsfalls die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte vom Bundesminister der Verteidigung an den Bundeskanzler übergeht. Diese auch als „lex Churchill“ bezeichnete Vorschrift ist in Artikel 115b des Grundgesetzes (bis 1968 in Artikel 65 a Absatz 2) enthalten und soll dafür sorgen, dass in Zeiten außerordentlicher Krisen der Bundeskanzler als starker Mann, bzw. als starke Frau, alle Fäden in der Hand hält.

Aufgrund der Verlängerung der Wahlperiode des Bundestages im Verteidigungsfall verlängert sich auch die Amtszeit des Bundeskanzlers entsprechend (Artikel 115h Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 69 Absatz 2 des Grundgesetzes). Jedoch kann auch im Verteidigungsfall der Bundeskanzler durch ein konstruktives Misstrauensvotum nach Artikel 67 (durch den Bundestag) oder nach Artikel 115h (durch den Gemeinsamen Ausschuss mit Zweidrittelmehrheit) abgelöst werden.

Rechtliche Sondervorschriften

Der Bundeskanzler hat als Mitglied der Bundesregierung das Recht, als Zeuge in Straf- und Zivilprozessen an seinem Amtssitz oder seinem Aufenthaltsort vernommen zu werden (§ 50 der Strafprozessordnung bzw. § 382 der Zivilprozessordnung). Der Bundeskanzler als solcher hat keinen Anspruch auf Immunität; ist der Bundeskanzler jedoch gleichzeitig Abgeordneter, so genießt er wie jedes Mitglied des Bundestages dieses Privileg.

Wer die Bundesregierung oder ein Mitglied der Bundesregierung, also etwa den Bundeskanzler, nötigt, Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird nach den § 105 oder § 106 des Strafgesetzbuches gesondert bestraft.

Unmittelbar unterstehende Behörden

Leiter des Bundeskanzleramtes ist nicht der Bundeskanzler selbst, sondern ein von ihm ernannter Bundesminister oder Staatssekretär. Das Bundeskanzleramt hat für jedes Ministerium spiegelbildlich ein Referat und stellt dem Bundeskanzler damit für jedes Fachgebiet eine kompetente Mitarbeiterschaft zur Verfügung.

Dem Bundeskanzler untersteht auch direkt das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Dieses hat die Aufgabe, die Öffentlichkeit über die Politik der Bundesregierung zu unterrichten und umgekehrt den Bundespräsidenten und die Bundesregierung (nötigenfalls rund um die Uhr) über die aktuelle Nachrichtenlage zu informieren. Das Amt muss streng zwischen Äußerungen der Bundesregierung und Äußerungen der die Bundesregierung tragenden Parteien trennen.

Außerdem fällt der Bundesnachrichtendienst (BND) direkt in den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers. Der Etat des Bundesnachrichtendienstes ist im Etat des Bundeskanzleramtes enthalten, wird aber aus Geheimhaltungsgründen nur als Gesamtsumme veranschlagt (sog. Reptilienfonds). Der direkte Zugriff auf den Geheimdienst bringt dem Bundeskanzler in innenpolitischen Fragen keinerlei Wissensvorsprung, da der BND nur im Ausland operieren darf. Allenfalls in außen- und sicherheitspolitischen Fragen entsteht ein gewisser Vorteil für den Bundeskanzler.

Dienstsitze

Bundeskanzleramtsgebäude in Berlin
Palais Schaumburg in Bonn, zweiter Dienstsitz des Bundeskanzleramtes

Von 1949 bis 1999 hatte der Bundeskanzler seinen Dienstsitz in Bonn, zunächst im Palais Schaumburg, ab 1976 im neu gebauten Bundeskanzleramtsgebäude in Bonn.

Nach dem Umzug der Regierung nach Berlin 1999 residierte er zunächst im früheren Gebäude des Staatsrates der DDR, und das Palais Schaumburg wurde zweiter Dienstsitz des Bundeskanzlers. Seit 2001 haben der Kanzler und das Bundeskanzleramt ihren Hauptdienstsitz im neu gebauten Bundeskanzleramtsgebäude in Berlin.

Hoheitszeichen

Als Hoheitszeichen führt der Bundeskanzler an seiner Dienstlimousine eine quadratisch geformte Standarte, die auf den Bundesfarben Schwarz-Rot-Gold im Zentrum den Bundesschild zeigt. Als weiteres Hoheitszeichen wird am Bundeskanzleramt, wie bei allen Bundesbehörden, die Bundesdienstflagge gehisst.

Amtsbezüge

Der Bundeskanzler erhält Amtsbezüge. Diese setzen sich aus dem Grundgehalt und Zulagen sowie Zuschlägen zusammen. Dabei entspricht das Grundgehalt, nach § 11 des Bundesministergesetzes,[4] dem einzweidrittelfachen des Grundgehalts der Besoldungsgruppe B 11. Nach der Besoldungstabelle 2013[5] sind das etwa 247.200 € pro Jahr. Seine Einkünfte muss der Bundeskanzler versteuern, allerdings muss er – wie Beamte – keine Arbeitslosenversicherungs- und keine Rentenbeiträge bezahlen. Außerdem erhält er wie seine Kabinettskollegen nach der Dauer der Amtszeit gestaffelte Pensionsansprüche. Die private Nutzung von bundeseigenen Transportmitteln und die Miete seiner Dienstwohnung werden dem Bundeskanzler von der Bundesrepublik Deutschland in Rechnung gestellt.

Wahlkampf

Spätestens seit 1961 und der Kandidatur Willy Brandts gegen Konrad Adenauer stellen die beiden großen Volksparteien, CDU/CSU und SPD, „Kanzlerkandidaten“ auf. Obwohl dieses „Amt“ in keinem Gesetz und keiner Parteisatzung definiert ist, spielt es im Wahlkampf eine außerordentlich große Rolle. Der Kanzlerkandidat der jeweils siegreichen Partei bzw. Koalition wird in aller Regel schließlich Bundeskanzler. Der Kanzlerkandidat repräsentiert gerade im über die Massenmedien geführten Wahlkampf sehr stark seine Partei. Vor den Bundestagswahlen 2002, 2005 und 2009 fanden zwischen den amtierenden Bundeskanzlern und ihren Herausforderern aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf übernommene Rededuelle statt. Auf diese Weise wurde die Fokussierung auf die Kanzlerkandidaten und weg von programmatischen Fragen weiter forciert. Entsprechend versuchte die FDP bei der Bundestagswahl 2002, mit einem eigenen Kanzlerkandidaten, ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle, zusätzliche Stimmen zu gewinnen. Westerwelle bezeichnete diesen Versuch im Nachhinein als Fehler.

Die britische Tradition, dass die größte Oppositionspartei im Wahlkampf ein „Schattenkabinett“ aufstellt, hat sich in Deutschland nicht durchgesetzt. Kanzlerkandidat Willy Brandt hatte 1961 einen entsprechenden Versuch gemacht. In Deutschland muss eine Partei jedoch nach der Wahl meist eine Koalition eingehen und kann daher nicht allein über ein Kabinett entscheiden. In der heutigen Zeit stellt meist die (größte) Oppositionspartei ein „Kompetenzteam“ mit prominenten Politikern zusammen, deren Bereiche zum Teil recht allgemein benannt werden („Außen- und Sicherheitspolitik“).

Ende der Amtszeit

Die Amtszeit des Bundeskanzlers endet mit seinem Tod, seiner Amtsunfähigkeit, der Ablösung durch konstruktives Misstrauensvotum, seinem Rücktritt oder dem Zusammentritt eines neuen Bundestages. In den beiden letzten Fällen übt der Bundeskanzler in der Regel auf Ersuchen des Bundespräsidenten nach Art. 69 Absatz 3 des Grundgesetzes das Amt des Bundeskanzlers bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiter aus.

Während das weitere Prozedere für die Fälle der Beendigung einer Kanzlerschaft teilweise verfassungsrechtlich genau normiert ist, fehlt es für einzelne Beendigungssituationen an eindeutigen Regelungen sowohl im Grundgesetz selbst wie in nachgeordneten Rechtsnormen („Geschäftsordnung der Bundesregierung“). Zu diesen nicht normierten Beendigungsfällen gehört der Tod eines Bundeskanzlers und auch die Beendigung des Amtes durch Rücktritt oder durch das Zusammentreten eines neu gewählten Bundestages in der Konstellation, dass der Bundespräsident nicht von seinem Recht nach Artikel 69 Absatz 3, den bisherigen Amtsinhaber zur Weiterführung der Geschäfte bis zur Ernennung eines neuen Kanzlers zu verpflichten, Gebrauch macht – wie beim Rücktritt Willy Brandts 1974 geschehen. Nach überwiegender Meinung in der Rechtsliteratur (z. B. von Mangoldt/Klein Art. 69 Anm. V 7b; Herzog in Maunz/Dürig, Art. 69 Rn 59) müsse dem Bundespräsidenten in solchen Fällen in Analogie zu Artikel 69 Absatz 3 eine außerordentliche Ernennungsbefugnis zuerkannt werden, da die Verfassung von ihrer Struktur her ein ununterbrochenes Funktionieren aller Verfassungsorgane einfordert und sonst unaufschiebbare Maßnahmen nicht getroffen werden könnten. Ohne einen amtierenden Bundeskanzler aber existiert keine Bundesregierung (Art. 62 GG) und mit der Amtsbeendigung eines Bundeskanzlers verlieren auch alle Regierungsmitglieder ihre Ämter (Art. 69 Absatz 2 GG). Streitig unter Juristen ist weiterhin, ob der Bundespräsident in solchen Situationen in der Auswahl des „neuen“ Bundeskanzlers auf die Person des bisherigen (auch als solcher nicht mehr im Amt befindlichen) Vizekanzlers beschränkt ist – die herrschende Meinung (u. a. Herzog in Maunz/Dürig Art. 69 Rn. 59) geht von einer Auswahlbeschränkung aus (Walter Scheel war 1974 auch zuvor Vizekanzler, als er von Bundespräsident Gustav Heinemann mit der vorübergehenden Amtsführung betraut wurde).[6] Eindeutig ist weiterhin nicht, ob in diesen Fällen der Terminus „geschäftsführender“ Bundeskanzler rechtlich überhaupt der richtige ist: Nach wörtlicher Auslegung des Artikel 69 Absatz 3 des Grundgesetzes können nur die bisherigen Amtsinhaber zum „geschäftsführenden Bundeskanzler“ oder zu „geschäftsführenden Bundesministern“ verpflichtet werden.[7] Aus ähnlichem Grunde wird Konrad Adenauer nicht als Bundesaußenminister für den Zeitraum nach dem Rücktritt Heinrich von Brentanos 1961 geführt, obwohl der das Amt „faktisch geschäftsführend“ wieder übernahm, aber im Gegensatz zu Helmut Schmidt 1982 nicht offiziell Außenminister wurde. Erst eine analoge Auslegung des Artikel 69 Absatz 3 könnte in dieser Fallkonstellation die Bezeichnung „geschäftsführender Bundeskanzler“ rechtfertigen; ansonsten ist er rechtlich ohne Zusatzbezeichnung ausschließlich ein „Bundeskanzler“.

Der Rücktritt des Bundeskanzlers während der Legislaturperiode selbst ist im Grundgesetz auch nicht vorgesehen oder geregelt. Dennoch wird er verfassungsrechtlich für zulässig erachtet. Die bisherigen Rücktritte der Bundeskanzler Adenauer, Erhard und Brandt waren daher auch nicht Gegenstand größerer verfassungsrechtlicher Debatten. Der Rücktritt bietet auch einen Weg zu Neuwahlen. Findet bei der nach dem Rücktritt anstehenden Wahl des Bundeskanzlers gemäß Artikel 63 des Grundgesetzes kein Kandidat die absolute Mehrheit, so kann der Bundespräsident Neuwahlen anordnen, er muss das jedoch nicht tun.

Historische Beurteilung des Amtes des Bundeskanzlers

Die Konstruktion eines starken, nur vom Bundestag abhängigen Bundeskanzlers hat sich nach überwiegender Ansicht der Politikwissenschaft bewährt. Während das Zusammenspiel von Bundestag und Bundesrat in der Gesetzgebung regelmäßig kritisiert und das Amt des Bundespräsidenten in seiner heutigen Ausgestaltung gelegentlich infrage gestellt wird, sind sowohl das Amt als auch die Befugnisse des Bundeskanzlers nahezu unumstritten. Auch wenn Konrad Adenauers historisch einzigartige Machtposition, die sich im während seiner Amtszeit geprägten Begriff der Kanzlerdemokratie manifestierte, bei seinen Nachfolgern nicht in diesem Umfang erhalten blieb, ist der Bundeskanzler der wichtigste und mächtigste deutsche Politiker.

Die verhältnismäßig starke verfassungsrechtliche Position, die sich unter anderem durch die Art der Amtseinsetzung und der Kabinettsbildung sowie durch die erschwerte Absetzbarkeit nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum ergibt, und die regelmäßige Bekleidung eines hohen Parteiamtes in Verbindung mit relativ stabilen parteipolitischen Verhältnissen hat für eine große Kontinuität im Amt des Bundeskanzlers gesorgt: Angela Merkel ist erst die achte Person, die das Amt innehat. Die lange durchschnittliche Amtszeit der Bundeskanzler von etwa acht Jahren wird jedoch auch kritisiert. In diesem Zusammenhang wurde bereits eine in ihrer praktischen Umsetzung nicht unproblematische Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers auf acht Jahre wie beim US-Präsidenten vorgeschlagen, auch Gerhard Schröder unterstützte diese Idee vor seiner Amtszeit. Er rückte jedoch später von ihr ab, zumal er sich nach einer Kanzlerschaft über zwei Amtsperioden (1998–2005) bei der Bundestagswahl 2005 zur Wiederwahl stellte.

Die Hoffnungen auf einen starken Bundeskanzler haben sich insgesamt erfüllt, die Befürchtungen vor einem zu starken Machthaber haben sich jedoch nicht bewahrheitet, zumal die Macht des Bundeskanzlers im Vergleich zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik oder zum US-Präsidenten beschränkt ist. Insofern kann das Wort von Alt-Bundespräsident Herzog, das Grundgesetz sei ein Glücksfall für Deutschland, auch auf die Konstruktion des Amtes des Bundeskanzlers bezogen werden.

Als Verfassungsrechtler kritisierte Roman Herzog allerdings auch einige „Petrefakte“ des Grundgesetzes. Es sei ein „Kunststück“, dass Artikel 61 die Anklage des Bundespräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht vorsehe, dass also nicht der Bundeskanzler, der zu Manipulationen alle Gelegenheit habe, sondern der Bundespräsident mit der Möglichkeit der Organklage bedroht sei. Das Vorschlagsrecht nach Artikel 63 Absatz 1 sei eine Rückbildung des Auswahlrechtes, das zur Kaiserzeit und Weimarer Zeit noch selbstverständlich gewesen sei. Das könne man jetzt streichen.[8]

Der Begriff Bundeskanzlerin

Angela Merkel (* 1954),
8. Bundeskanzler (seit 2005) und erste Bundeskanzlerin

Im Zusammenhang mit der Wahl Angela Merkels zur Bundeskanzlerin wurden auch einige Betrachtungen im Hinblick auf den sprachlichen Umgang mit dem ersten weiblichen Amtsinhaber angestellt. So wurde festgestellt, dass – obwohl im Grundgesetz nur vom „Bundeskanzler“ im generischen Maskulinum die Rede ist – die offizielle Anrede für eine Frau im höchsten Regierungsamt „Frau Bundeskanzlerin“ lautet. Ferner wurde auch klar, dass Angela Merkel zwar die erste Bundeskanzlerin (im Femininum), gleichzeitig aber auch der achte Bundeskanzler (im generischen Maskulinum) ist. Ein auf Angela Merkel folgender männlicher Bundeskanzler könnte sich hingegen keinesfalls als „achter Bundeskanzler“ (sondern nur als „neunter“) bezeichnen, da es eine rein männliche Berufsbezeichnung (mit wenigen Ausnahmen) im Deutschen nicht gibt. Das Bundeskanzleramt bleibt wegen der Bezugnahme auf die Amtsbezeichnung im generischen Maskulinum in seiner grammatischen Form erhalten; es heißt also nicht „Bundeskanzlerinnenamt“.

In diesem Zusammenhang kommt auch dem Begriff der First Lady eine besondere Betrachtung zu, der auch im deutschen Kontext mit Bezug auf Gattinnen von Bundeskanzlern benutzt wird.

Ebenfalls im Zusammenhang mit der erstmaligen Wahl einer Frau in das Amt des Bundeskanzlers wurde das Wort „Bundeskanzlerin“ am 16. Dezember 2005 von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gekürt, weil der Ausdruck sprachlich interessante Fragen aufwerfe und nach Ansicht der Jury vor einigen Jahrzehnten auch eine Bundeskanzlerin noch mit „Frau Bundeskanzler“ angesprochen worden wäre.

Schon 2004 war die Anrede „Frau Bundeskanzlerin“ in den Duden aufgenommen worden.

Die Internetadresse bundeskanzlerin.de wurde bereits 1998 durch den damaligen Studenten Lars Heitmüller reserviert. Er hatte angekündigt, sie kostenfrei an die erste Bundeskanzlerin zu übertragen, was schließlich im November 2005 erfolgte. Ein staatlicher Anspruch darauf hätte allerdings zu keiner Zeit bestanden.[9]

Deutsche Bundeskanzler seit 1949

Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Nr. Bild Name (Lebensdaten) Partei Amtsantritt Ende der Amtszeit[Anm. 1] Länge der Amtszeit Kabinette Deutsche Bundestage
1 Konrad Adenauer

(1876–1967)

CDU 15. September 1949 16. Oktober 1963 14 Jahre, 1 Monat, 2 Tage I, II, III, IV/V 1., 2., 3., 4.
2 Ludwig Erhard

(1897–1977)

CDU 16. Oktober 1963 1. Dezember 1966 3 Jahre, 1 Monat, 16 Tage I, II 4., 5.
3 Kurt Georg Kiesinger

(1904–1988)

CDU 1. Dezember 1966 21. Oktober 1969 2 Jahre, 10 Monate, 21 Tage I 5.
4 Willy Brandt

(1913–1992)

SPD 21. Oktober 1969 7. Mai 1974[Anm. 2] 4 Jahre, 6 Monate, 17 Tage I, II 6., 7.
Walter Scheel2

(* 1919)

FDP 7. Mai 1974 16. Mai 1974 10 Tage Brandt II 7.
5 Helmut Schmidt

(* 1918)

SPD 16. Mai 1974 1. Oktober 1982 8 Jahre, 4 Monate, 16 Tage I, II, III 7., 8., 9.
6 Helmut Kohl

(* 1930)

CDU 1. Oktober 1982 27. Oktober 1998 16 Jahre, 27 Tage I, II, III, IV, V 9., 10., 11., 12., 13.
7 Gerhard Schröder

(* 1944)

SPD 27. Oktober 1998 22. November 2005 7 Jahre, 27 Tage I, II 14., 15.
8 Angela Merkel

(* 1954)

CDU 22. November 2005 (im Amt) (18 Jahre und 355 Tage, andauernd) I, II 16., 17.
  1. Zur Amtszeit werden hier auch die Zeiträume gezählt, in denen die Bundeskanzler zwischen Zusammentritt des neuen Bundestages oder ihrem Rücktritt und der Wahl eines neuen Bundeskanzlers bzw. der erneuten Wahl zum Bundeskanzler im Sinne von Artikel 69 des Grundgesetzes formal nur die Geschäfte weiterführten:
    • Konrad Adenauer (6. bis 9. Oktober 1953, 15. bis 22. Oktober 1957, 17. Oktober bis 7. November 1961 und 15. bis 16. Oktober 1963),
    • Ludwig Erhard (19. bis 20. Oktober 1965 und 30. November bis 1. Dezember 1966),
    • Kurt Georg Kiesinger (20. bis 21. Oktober 1969),
    • Willy Brandt (13. bis 14. Dezember 1972),
    • Helmut Schmidt (14. bis 15. Dezember 1976 und 4. bis 5. November 1980),
    • Helmut Kohl (29. März 1983: einige Stunden, 18. Februar bis 11. März 1987, 20. Dezember 1990 bis 17. Januar 1991, 10. bis 15. November 1994 und 26. bis 27. Oktober 1998),
    • Gerhard Schröder (17. bis 22. Oktober 2002 und 18. Oktober bis 22. November 2005),
    • Angela Merkel (27. bis 28. Oktober 2009).
  2. Da Willy Brandt den Bundespräsidenten, Gustav Heinemann, darum gebeten hatte, nicht nach Artikel 69 Absatz 3 des Grundgesetzes mit der Weiterführung der Geschäfte beauftragt zu werden, amtierte auf Ersuchen des Bundespräsidenten der bisherige Stellvertreter des Bundeskanzlers, Walter Scheel, bis zur Wahl von Helmut Schmidt als Bundeskanzler beziehungsweise geschäftsführender Bundeskanzler (siehe auch: Ende der Amtszeit).

Konrad Adenauer (1949–1963)

Konrad Adenauers Amtszeit war wesentlich von außenpolitischen Ereignissen geprägt. Die Westbindung mit NATO-Beitritt und Gründung der EGKS, dem Grundstein der Europäischen Union, setzte er gegen den Widerstand der SPD durch. Er brachte die deutsch-französische Aussöhnung voran und unterschrieb 1963 den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Ebenso setzte er sich in starkem Maße für die deutsch-jüdische Versöhnung ein. Auch innenpolitisch wird ihm – neben seinem Nachfolger Ludwig Erhard – das Wirtschaftswunder, die starke wirtschaftliche Erholung der westdeutschen Gesellschaft, angerechnet. Durch sozialpolitische Beschlüsse wie die Lastenausgleichsgesetzgebung oder die dynamische Rente erreichte er die Integration von Flüchtlingen, die Entschädigung von Opfern des Zweiten Weltkrieges und die Bildung einer stabilen Gesellschaft mit breitem Mittelstand. Negativ werden seine strikte Ablehnung gegen Ludwig Erhard als Nachfolger, sein Verhalten in der Spiegel-Affäre, seine Uneindeutigkeit bei der Frage nach der Kandidatur zum Bundespräsidenten 1959 und sein unbedingtes Festhalten an der Macht 1962/63 angemerkt. Insgesamt hat Konrad Adenauer mit seiner Interpretation der Befugnisse des Bundeskanzlers wichtige Weichen für das Amtsverständnis seiner Nachfolger gelegt. Seine 14-jährige Amtszeit dauerte länger als die demokratische Phase der Weimarer Republik bis zur Machtübergabe an Hitler. Er war bei Amtsantritt bereits 73 Jahre alt und regierte bis zu seinem 88. Lebensjahr. Damit war er der älteste Bundeskanzler und wurde auch „der Alte“ genannt.

Ludwig Erhard (1963–1966)

Ludwig Erhard kam als Mann des Wirtschaftswunders an die Macht, was durch das äußere Erscheinungsbild unterstrichen wurde. Das brachte ihm auch den Beinamen „der Dicke“ ein. Seine Kanzlerschaft stand jedoch schon wegen der Angriffe Adenauers auf seinen Nachfolger und einer einsetzenden leichten wirtschaftlichen Schwächephase unter keinem guten Stern. Als wichtigste außenpolitische Tat seiner Kanzlerschaft gilt die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel unter Inkaufnahme heftiger Proteste aus arabischen Staaten. Er versuchte, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu stärken, weshalb er als „Atlantiker“ im Gegensatz zum „Gaullisten“ Adenauer bezeichnet wurde. Erhard stürzte schließlich über wirtschaftliche Probleme und die Uneinigkeit in seiner Partei. Nach dem Rückzug der FDP-Minister aus der Regierung im Oktober 1966 begannen Verhandlungen über eine Große Koalition, schließlich trat Erhard zurück.

Kurt Georg Kiesinger (1966–1969)

Der Kanzler der ersten Großen Koalition, Kurt Georg Kiesinger, stellte ein anderes Bild eines Bundeskanzlers dar. „Häuptling Silberzunge“ vermittelte zwischen den beiden großen Parteien CDU und SPD, anstatt zu bestimmen. Wichtiges Thema seiner Amtszeit war die Durchsetzung der Notstandsgesetze. Wegen seiner früheren NSDAP-Mitgliedschaft war er Angriffen der 68er-Generation ausgesetzt; mit dieser überlappte sich die außerparlamentarische Opposition. Kiesingers Union verfehlte bei der Bundestagswahl 1969 die absolute Mehrheit lediglich um sieben Mandate.

Willy Brandt (1969–1974)

Der Emigrant Willy Brandt war der erste Sozialdemokrat im Bundeskanzleramt. Er setzte sich für die Ostverträge ein und förderte damit die Aussöhnung mit Deutschlands östlichen Nachbarländern; sein Kniefall in Warschau wurde international stark beachtet. Auch stellte er die Beziehungen zur DDR auf eine neue Grundlage. Diese Haltung verschaffte ihm in konservativen Kreisen heftige Gegnerschaft, die 1972 sogar zu einem knapp scheiternden Misstrauensvotum gegen ihn führte. Andererseits erhielt er für seine außenpolitischen Anstrengungen den Friedensnobelpreis. Innenpolitisch wollte er „mehr Demokratie wagen“; er war deswegen vor allem bei den jüngeren Wählern beliebt. In seine Amtszeit fiel die Ölkrise 1973, die zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führte, welche wiederum Brandts Ansehen schadete. Nach der Enttarnung seines engen Mitarbeiters Günter Guillaume als DDR-Spion trat Brandt zurück. Er begründete das offiziell mit Unterstellungen, die ihm nachsagten, dass er aufgrund von Frauengeschichten durch Guillaumes Spionage wahrscheinlich erpressbar sei und somit ein Risiko für die Bundesrepublik darstelle. Sein Rücktritt erfolge, weil es keinen Zweifel an der Integrität des Bundeskanzlers geben dürfe. Politische Beobachter sind sich heute einig, dass die Agentenaffäre nur der Auslöser für den geplanten Rücktritt war. Als tatsächliche Ursache für den Rücktritt werden allgemein Amtsmüdigkeit und Depressionen Brandts angenommen, die auch parteiintern zu Kritik an seinem unentschlossenen Führungsstil führten.

Helmut Schmidt (1974–1982)

Helmut Schmidt kam als Nachfolger Willy Brandts ins Amt. Der Terror der Roten Armee Fraktion, besonders im „Deutschen Herbst“ 1977, prägte die ersten Jahre seiner Amtszeit: Schmidt verfolgte in dieser Frage strikt die Politik, den Staat nicht erpressen zu lassen und zugleich den Rechtsstaat zu wahren. Innenpolitisch verfolgte er einen – für eine sozialliberale Koalition – eher konservativen Kurs. Seine Unterstützung des NATO-Doppelbeschlusses, mit der viele SPD-Mitglieder nicht einverstanden waren, läutete das Ende seiner Amtszeit ein. 1982 kam es schließlich wegen wirtschaftspolitischer Differenzen zum Bruch mit dem Koalitionspartner FDP. Wegen seiner offenen und direkten Art, auch unpopuläre Dinge auszusprechen, wird er auch „Schmidt-Schnauze“ genannt.

Helmut Kohl (1982–1998)

Helmut Kohl wurde durch ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt mit den Stimmen von CDU, CSU und der Mehrheit der FDP-Fraktion zum neuen Bundeskanzler gewählt. Er versprach zu Beginn seiner Amtszeit eine „geistig-moralische Wende“. In den ersten Wochen seiner Kanzlerschaft führte er mittels einer verfassungsrechtlich umstrittenen Vertrauensfrage die Auflösung des Bundestages und vorgezogene Neuwahlen herbei. Seine persönliche Vision war ein „Europa ohne Schlagbäume“, das die Schengen-Staaten mit dem Schengener Abkommen schließlich auch verwirklichten. Ebenso setzte sich Kohl stark für die Etablierung des Euro ein. Helmut Kohls Name ist eng mit der Deutschen Einheit verknüpft: 1989 ergriff er die Gunst der Stunde nach dem Fall der Berliner Mauer und sorgte in internationalen Verhandlungen für die Zustimmung der Sowjetunion zur Wiedervereinigung und der gesamtdeutschen NATO-Mitgliedschaft. Innenpolitisch entstanden durch die Wiedervereinigung große Probleme, da die Wirtschaft in Ostdeutschland entgegen Kohls Einschätzung von den kommenden „blühenden Landschaften“ zusammengebrochen war. Die Schwierigkeiten des Aufbaus Ost waren bestimmend für seine spätere Amtszeit. Schließlich wurde er 1998 auch wegen einer Rekordarbeitslosigkeit abgewählt. Nach Kohls Amtszeit wurde bekannt, dass er zugunsten der CDU unter Verstoß gegen das Parteigesetz Spenden angenommen und „schwarzen Kassen“ zugeführt hatte. Mit 16 Jahren Amtszeit ist Kohl der Bundeskanzler, der bisher am längsten amtierte (länger als Konrad Adenauer, 14 Jahre). Er wird deshalb auch heute noch als „ewiger Kanzler“ bezeichnet.

Gerhard Schröder (1998–2005)

Gerhard Schröder begann kurz nach Antritt seiner Kanzlerschaft mit seiner rot-grünen Koalition eine Reihe von Reformprojekten, denen gegen Ende der ersten Amtszeit eine Phase der „ruhigen Hand” folgte. Außenpolitisch führte Schröder zunächst die transatlantische Partnerschaft wie seine Vorgänger fort: 1999 und 2001 unterstützte Deutschland im Rahmen der Bündnistreue die NATO im Kosovo und in Afghanistan. 2002 jedoch verweigerte Schröder den USA offiziell seine Zustimmung zum Irak-Krieg. Das gilt – neben seinem als gut erachteten Krisenmanagement während der Jahrhundertflut in Ost- und Norddeutschland – als wichtiger Grund für seine Wiederwahl 2002. 2003 benannte er mit der Agenda 2010 sein Reformprogramm für die zweite Amtszeit, zumal er die Arbeitslosigkeit nicht – wie zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt – hatte halbieren können. Dieses Programm ging der politischen Linken zu weit, während es wirtschaftsnahen Gruppen nicht weit genug ging. Das alles führte zu Massenaustritten aus der SPD, dem Verlust zahlreicher Landtags- und Kommunalwahlen und der Formierung einer neuen linken Strömung jenseits der SPD, die zur Gründung der Wahlalternative WASG führte. Nach einer weiteren schweren SPD-Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005 erreichte Gerhard Schröder mittels einer Vertrauensfrage die Auflösung des Bundestages und vorgezogene Neuwahlen im Herbst 2005, auch weil er das Vertrauen der Koalition in sich beeinträchtigt sah. Zwar verlor er diese Wahlen nach massiven Stimmverlusten knapp, jedoch gelang es ihm, die SPD in der Regierung zu behalten, da die unerwartet geringe Differenz zwischen CDU/CSU und SPD im Wahlergebnis sowie der Einzug der Linkspartei ins Parlament eine große Koalition aus Union und SPD erzwang.

Angelo Merte (seit 2005)

Angelo Merte wurde am 22. November 2005 zur Bundeskanzlerin gewählt. Die erste Frau und Naturwissenschaftlerin, die das höchste Regierungsamt Deutschlands bekleidet, stützte sich auf eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD. Bei Amtsantritt war sie mit 51 Jahren die jüngste Amtsinhaberin, ist die erste ehemalige Bürgerin der DDR als gesamtdeutsche Kanzlerin und nach der Wende Quereinsteigerin aus der Wissenschaft in die Politik.

Sie legte ihren Ruf als „Kohls Mädchen“ ab, als sie mit ihrem Förderer, Altkanzler Kohl, wegen dessen Spendenaffäre gebrochen hatte. Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte sie sehr hohe Zustimmungsraten, die auch mit der für gut befundenen Lösung außenpolitischer Krisen zusammenhingen. Bei der Bewältigung innenpolitischer Probleme wie der Föderalismus- und der Gesundheitsreform traten Kritiker auch aus ihrer eigenen Partei, der CDU, auf und warfen Merkel Führungsschwäche vor. Als wichtigste Aufgabe der Kanzlerschaft Mertes gilt die Verringerung der Arbeitslosigkeit, als größte Herausforderung die Bewältigung der Folgen der Finanzkrise ab 2007.

In der Bundestagswahl 2009 kam es zu einer schwarz-gelben Mehrheit. Am 28. Oktober 2009 wurde sie als Bundeskanzlerin wiedergewählt. Während sich die Finanzkrise verschärfte und der Euro in Gefahr geriet, machte die Bundesregierung durch ihre teils scharf kritisierte Steuerpolitik von sich reden. Die Wehrpflicht und der Zivildienst wurden ausgesetzt und durch freiwillige Varianten ersetzt. Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke wurde nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima rückgängig gemacht.

Bundeskanzler, die zugleich Bundesaußenminister waren

Drei Bundeskanzler (einschließlich Walter Scheel) waren vorübergehend zeitgleich auch Bundesaußenminister.

Bundeskanzler Konrad Adenauer war vom 15. März 1951 bis zum 6. Juni 1955 erster Bundesaußenminister Deutschlands; zuvor war es der Bundesrepublik Deutschland noch untersagt, ein Außenministerium zu führen. Adenauer übernahm auch inoffiziell faktisch geschäftsführend nach dem Rücktritt Heinrich von Brentanos am 31. Oktober 1961 für knapp einen halben Monat das Amt – die offizielle Bezeichnung geschäftsführender Minister ist bisherigen Amtsinhabern vorbehalten.

Walter Scheel war als Bundeskanzler oder geschäftsführender Bundeskanzler vom 7. Mai 1974 bis 15. Mai 1974 auch Bundesaußenminister oder geschäftsführender Bundesaußenminister. Das Amt des deutschen Bundesaußenministers bekleidete Scheel schon seit dem 21. Oktober 1969.

Helmut Schmidt übernahm nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition das Bundesaußenministerium vom 17. September 1982 bis zum 4. Oktober 1982 offiziell.

Statistisches

Allgemeines und Amtszeit

Otto von Bismarck 1890 in einer berühmt gewordenen Karikatur

Nimmt man die Reichskanzler der NS-Zeit mit hinzu (Hitler, Goebbels und von Schwerin-Krosigk), nicht aber den nur geschäftsführenden Amtsträger Walter Scheel, so kommt man von Bismarck bis einschließlich Angela Merkel auf 24 Personen, die Reichskanzler (bzw. Reichsministerpräsident) waren, und acht Personen, die Bundeskanzler waren, zusammen 32.

Am längsten gedient hat Otto von Bismarck. Er war fast auf den Tag genau 19 Jahre lang Reichskanzler, dazu knapp vier Jahre Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes. In der Weimarer Zeit amtierte Wilhelm Marx drei Jahre und 74 Tage, rechnet man seine beiden Amtszeiten (vier Kabinette) zusammen, in der Bundesrepublik diente am längsten Helmut Kohl mit 16 Jahren.

Am kürzesten dauerte die Amtszeit von Joseph Goebbels (einen Tag, 30. April – 1. Mai 1945), der von Hitler testamentarisch eingesetzt worden war. Schwerin-Krosigk war 22 Tage, Schleicher 57 Tage im Amt. Im Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg dauerte die kürzeste Kanzlerschaft vier Jahre (Leo von Caprivi), in der Bundesrepublik zwei Jahre und elf Monate (Kurt Georg Kiesinger).

Parteien

Der erste Kanzler, der Mitglied einer Partei war, war 1917 der Zentrumspolitiker Graf Georg von Hertling. Danach gab es noch sechs parteilose Kanzler, darunter seinen direkten Nachfolger, Max von Baden, der als Liberaler angesehen wurde. In der Weimarer Zeit standen Cuno und Luther der DVP nahe, Papen war kurz vor dem Amtsantritt aus dem Zentrum ausgetreten und wurde von der DNVP gestützt, Schleicher und Schwerin-Krosigk wiederum waren nie Parteimitglied. Letzterer war der letzte Kanzler ohne Parteibuch (abgesehen von dem umstrittenen Fall Ludwig Erhard).

Die SPD hat sieben Kanzler gestellt, sowohl am Ende des Kaiserreichs, in der Weimarer Zeit (drei) sowie in der Bundesrepublik (drei). Die CDU kommt auf fünf, darunter die einzige Kanzlerin. Danach kommt die NSDAP mit zwei Kanzlern und die Deutsche Volkspartei mit einem Kanzler. Andere Parteien haben keinen Kanzler gestellt.

CDU-Kanzler Kiesinger war vor Amtsantritt einst NSDAP-Mitglied gewesen, SPD-Kanzler Brandt hatte einer linksradikalen Splitterpartei angehört, der SAP. Angela Merkel war zusammen mit dem Demokratischen Aufbruch in die CDU gekommen. Ehemalige Zentrums-Mitglieder waren Papen und Adenauer, so gesehen sind aus den Reihen des Zentrums insgesamt acht Kanzler hervorgegangen.

Die CDU hat am längsten regiert, nämlich (bis einschließlich 2009) vierzig Jahre. Dazu kann man etwa acht Jahre von Zentrumskanzlern rechnen (zwischen 1917 und 1932). Die SPD kommt auf drei Jahre in Kaiser- und Weimarer Zeit sowie zwanzig in der Bundesrepublik. Zwischen dem Ende der Kanzlerschaft von Hermann Müller 1930 und dem Amtsantritt von Willy Brandt 1969 lagen über 39 Jahre. Die längste Zeit, in der eine Partei (die CDU) ununterbrochen den Kanzler gestellt hat, waren die zwanzig Jahre von 1949 bis 1969.

Heinrich Brüning hatte in seinem ersten Kabinett Vertreter von insgesamt acht verschiedenen Parteien vereint (zu unterschiedlichen Zeiten, gleichzeitig waren es sieben). In der Bundesrepublik hält Konrad Adenauer mit seinem zweiten Kabinett den Rekord, mit insgesamt sechs Parteien (zu Amtsantritt fünf, am Ende vier; CDU und CSU als zwei Parteien gezählt).

Titel und andere Ämter

General Kurt von Schleicher, 1932

Hertling war 1917 der erste Kanzler mit Promotion. Alle Bundeskanzler der CDU waren promoviert (Erhard auch Professor), alle SPD-Bundeskanzler hingegen nicht.

Gedient hat von den kaiserzeitlichen Kanzlern General Caprivi. Von den Weimarer Kanzlern war der wehrdienstuntaugliche Wirth Krankenpfleger im Weltkrieg gewesen, Brüning, Papen, Schleicher und Hitler waren Soldaten bzw. Offiziere (gewesen). Auch Erhard war Soldat (Unteroffizier) im Ersten Weltkrieg. Kiesinger entzog sich dem Waffendienst im Zweiten Weltkrieg durch Ministerialarbeit, Schmidt war Soldat (Oberleutnant der Wehrmacht, Major d.R. der Bundeswehr).

Bauer, Wirth, Stresemann und Marx übernahmen auch nach ihrer Kanzlerschaft noch Ministerämter. Dies kam nur in der Weimarer Republik vor. Umgekehrt ist es gängig, dass ein Kanzler zuvor Minister (bzw. Staatssekretär im Kaiserreich) gewesen ist: Bülow (Außenamt), Bethmann-Hollweg (Inneres), Bauer (Arbeit), Müller (Außenamt), Wirth (Finanzen), Luther (Ernährung, Finanzen), Schleicher (Reichswehr), Erhard (Wirtschaft), Brandt (Außenamt), Schmidt (Verteidigung, Finanzen, Wirtschaft), Merkel (Frauen, Umwelt).

Ehemalige Ministerpräsidenten eines deutschen Landes waren Hohenlohe-Schillingsfürst (Bayern), Hertling (Bayern), Kiesinger (Baden-Württemberg), Brandt (West-Berlin), Kohl (Rheinland-Pfalz), Schröder (Niedersachsen). Bürgermeister großer Städte waren Luther (Essen) und Adenauer (Köln).

Seit 1917 hat die Mehrheit der Kanzler parlamentarische Erfahrung gehabt. Nie Mitglied des Reichstags waren Baden, Cuno, Luther, Papen, Schleicher und Schwerin von Krosigk. Hitler wurde erst während seiner Kanzlerschaft Reichstagsabgeordneter. Bei Amtsantritt keine Parlamentarier, wohl aber zuvor, waren Hertling (1875–1890, 1896–1912) und Kiesinger (1949–1959; auch danach: 1969–1980). Kein Reichskanzler ist später Bundestagsabgeordneter geworden, kein Bundeskanzler ist Reichstagsabgeordneter gewesen.

Alle Bundeskanzler haben nach dem Ende der Amtszeit das Abgeordnetenmandat weiter ausgeübt, mit Ausnahme von Schröder. Brandt war nach seinem Rücktritt 1974 noch bis zu seinem Tod 1992 Bundestagsabgeordneter. Insgesamt war er 31 Jahre lang Parlamentarier gewesen (1949–1957, 1961, 1969–1992), vergleichbar lang wie Schmidt (1953–1962, 1965–1987). Danach folgt Erhard mit ununterbrochenen 28 Jahren von 1949 bis zu seinem Tod 1977. Der Weimarer Kanzler Scheidemann war von 1903 bis 1933 Reichstagsabgeordneter, Fehrenbach von 1903 bis zu seinem Tod 1926. Schröder war nur insgesamt 13 Jahre lang Bundestagsabgeordneter (1980–1986, 1998–2005).

Ehemalige Fraktionsvorsitzende waren Scheidemann, Stresemann, Müller, Brüning, Schmidt, Kohl und Merkel; der frühere Reichstagspräsident Fehrenbach war es nach seiner Kanzlerschaft.

Alter

Helmut Schmidt im Jahre 2008

Bei Amtsantritt am jüngsten war Bundeskanzlerin Merkel mit 51 Jahren, Helmut Kohl war seinerzeit ein Jahr älter. Unter den Reichskanzlern war der jüngste Wirth mit 42 Jahren.

Im Jahre 2012 war Schmidt im 30. Jahr seit seiner Abwahl. Das höchste Lebensalter eines ehemaligen Kanzlers erreichte Adenauer mit 91 Jahren, ehe ihn Schmidt im Dezember 2009 einholte und aktuell (2013) mit 94 Jahren das höchste Lebensalter eines vormaligen Kanzlers erreicht hat. Der älteste Bundeskanzler bei Amtsantritt war Adenauer mit 73 Jahren. Adenauer hält weiterhin den Altersrekord als amtierender Kanzler, er trat erst mit 87 Jahren ab.

Von den Kanzlern des Kaiserreichs erlebten Bülow, Bethmann Hollweg, Michaelis und Baden die Weimarer Verfassung (Hertling war im Januar 1919 gestorben). Von ihnen sah nur noch Michaelis die Machtergreifung Hitlers 1933, er starb 1936 und war der letzte noch lebende Kanzler aus der Kaiserzeit. Von den zwölf Weimarer Kanzlern (ab Scheidemann) lebten am 30. Januar 1933 noch acht: Scheidemann, Bauer, Wirth, Marx, Luther, Brüning, Papen und Schleicher. Die Gründung der Bundesrepublik 1949 erlebten noch Wirth, Luther, Brüning und Papen. Brüning starb von ihnen als letzter, 1970.

Als Gerhard Schröder 1998 Kanzler wurde, lebten nur noch die Amtsvorgänger Schmidt und Kohl. Als 1992 Willy Brandt starb, lebte unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl mit Helmut Schmidt nur ein Altkanzler. Im Jahre 1901 unter Bernhard von Bülow waren alle drei vorherigen Kanzler bereits verstorben (1898, 1899 und 1901).

Einzelnachweise

  1. Seite des Bundesministeriums des Innern über protokollarische Fragen
  2. a b Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Vertrauensfrage aus dem Jahr 1983 (2 BvE 1/83 vom 16. Februar 1983)
  3. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage aus dem Jahr 2005 (2 BvE 4/05 vom 25. August 2005)
  4. § 11 des Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung
  5. Seite des Bundesministeriums des Innern mit den Besoldungstabellen (PDF; 62 kB)
  6. Eine Mindermeinung der Juristen hält die Ernennung Walter Scheels für grundsätzlich unzulässig, z. B. Heinhard Steiger in: Hans-Peter Schneider, Wolfgang Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, de Gruyter, Berlin/New York 1989, S. 779.
  7. Hans D. Jarass und Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar. 11. Auflage, München 2011, ISBN 978-3-406-60941-1, S. 781 f.
  8. Roman Herzog: Relikte des konstitutionellen Verfassungswesens im Grundgesetz. In: Karl Dietrich Bracher u. a. (Hgg.): Staat und Parteien. Festschrift für Rudolf Morsey zum 65. Geburtstag, Berlin 1992, S. 85–96.
  9. Caroline Bock: Student sichert sich Wahl-URLs, Focus-Online, 1. Juni 2005.

Literatur

Bundeskanzler als Person

Bundeskanzler als politische Institution und Funktion

  • Arnulf Baring: Im Anfang war Adenauer. Die Entstehung der Kanzlerdemokratie. München 1982, ISBN 3-423-10097-4
  • Volker Busse, Hans Hofmann: Bundeskanzleramt und Bundesregierung. Aufgaben – Organisation – Arbeitsweise, Heidelberg (5., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage) 2010, ISBN 978-3-8114-7734-6
  • Karlheinz Niclauß: Kanzlerdemokratie. UTB. Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-8252-2432-5
  • Wolfgang Rudzio: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. UTB 2000, ISBN 3-8100-2593-3, S. 283–314
Commons: Bundeskanzler (Deutschland) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Bundeskanzler – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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