Liste der Stolpersteine im Landkreis Fürstenfeldbruck

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Stolperstein in Grafrath

Die Liste der Stolpersteine im Landkreis Fürstenfeldbruck enthält eine Übersicht der Stolpersteine im bayrischen Landkreis Fürstenfeldbruck. Stolpersteine sollen an das Schicksal der Menschen erinnern, die von den Nationalsozialisten ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Stolpersteine wurden von Gunter Demnig verlegt. Im Regelfall werden sie vor dem letzten freigewählten Wohnort des Opfers verlegt.

Landkreis Fürstenfeldbruck[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In drei Gemeinden des Landkreises Fürstenfeldbruck wurde jeweils ein Stolperstein verlegt.

Grafrath[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein Inschrift Verlegeort Name, Leben
WASSYL ZHYHALÜK
JG. 1926
UKRAINE
ZWANGSARBEITER
1942 WILDENROTH
DENUNZIERT
VERHAFTET 1944
FLOSSENBÜRG
ERMORDET 12.2.1945
AUSSENLAGER HASLACH
Grafrath, Hauptstraße 64
(vor dem Eingang zur Gemeindeverwaltung)
Wassyl Zhyhalük wurde 1926 in der Ukraine geboren. Er hatte zumindest einen Bruder oder eine Schwester. Zuletzt lebte die Familie in der Nähe von Jaslowez. Zhyhalük kam 1926 als Zwangsarbeiter nach Grafrath. Er wurde als Landarbeiter an einem Hof eingesetzt. Nachdem er einen Dorfbewohner beschimpft haben soll, wurde er im Dezember 1944 in das KZ Flossenbürg deportiert. Von dort wurde er am 8. Dezember 1944 in das Außenlager Sportplatz überstellt. Wassyl Zhyhalük wurde am 12. Februar 1945 in einem Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof mit 222 weiteren Opfern in einem Massengrab verscharrt. Seine Mutter starb kurz nach Ende des Krieges, sein Vater hoffte bis zu seinem Tod mit über 90 Jahren, dass sein Sohn noch nach Hause käme.[1] 1946 wurde sein Leichnam in ein Ehrengrab überführt, 1953 erfolgte die Umbestattung in ein anderes Ehrengrab.[2]

Gröbenzell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein Inschrift Verlegeort Name, Leben
HIER WOHNTE
KURT SCHROETER
JG. 1882
DEPORTIERT 1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 2.1.1944
Gröbenzell, Bahnhofstraße 3
Kurt Schroeter wurde am 5. März 1882 als Kurt Schlesinger in Berlin geboren. Seine Eltern waren Albert Bernhard Schlesinger und Valerie, geborene Solmsen. Er hatte einen jüngeren Bruder, Erich. Die Familie besaß eine Perlmuttfabrik in Berlin-Charlottenburg. Ab seinem elften Lebensjahr bekam er Privatunterricht, der auch Geigenunterricht und ein Studium der Musik mit einschloss. Ab 1900 studierte er in der Technischen Universität Berlin Maschinen- und Ingenieurwissenschaft mit der Fachrichtung Elektrotechnik. Im Jahre 1907 schloss er das Studium erfolgreich ab. Er arbeitete danach beim Verband Deutscher Elektrotechniker. Nachdem er mit einem befreundete Pianisten ein Konzert ohne Noten nachspielte, entschied er sich, Musiker zu werden. Er ließ sich von Carl Flesch zum Konzertmeister ausbilden. 1912 heiratete Schlesinger Ilse Marie Johanna Charlotte von Voigts-Rhetz, dafür legte er den jüdischen Glauben ab, die Familie seiner Frau wiederum war mit der Heirat "unter Stand" nicht einverstanden. Das Paar hatte zwei Töchter: Marianne (geboren 1913) und Sigrid (geboren 1920). Im Juni 1920 wurde Kurt Schlesinger von Berta Schroeter adoptiert und nahm ihren Namen an. 1919 hatte er eine Violinausbildung am Stern’schen Konservatorium der Musik bei Siegfried Eberhardt begonnen, am September 1920 lehrte er für zwei Jahre an diesem Konservatorium, 1926 schloss er die Ausbildung ab. Im Jahr 1923 zog die Familie nach Gröbenzell, in eine dort erworbenen Villa. Schroeter wurde selbstständiger Violinenlehrer in Gröbenzell und Umgebung, er lehrte im Landschulheim Marquartstein, in Augsburg und in München. Er machte sich einen internationalen Ruf und veröffentlichte 1924 „Flesch/Eberhardt. Naturwidrige oder natürliche Violintechnik“. 1931 druckte die Monatsschrift „Die Musik“ Kurt Schroeters Artikel „Die Kunst des Geigens als Urbild der Lebenskunst“. Am 10. Februar 1936 wurde Schroeter aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen, damit konnte er auch nicht mehr unterrichten und der Familie wurde die Lebensgrundlage genommen. Die Zeitschrift „Der Nervenarzt“ publizierte im Juli 1936 seinen Artikel „Die Indisposition und ihre Behandlung“. In der Folge emigrierte Schroeter in die Niederlande, um in Amsterdam als Konzertmeister und Violinpädagoge wieder Fuß zu fassen. Dort lebte er zuerst versteckt bei einem Bekannten, später halb-legal an verschiedenen Adressen.[3] Seine Frau reichte 1941 die Scheidung ein, um so den Besitz vor den Nationalsozialisten zu retten. Von September 1942 bis Januar 1943 schrieb Schroeter für seine Kinder Tagebuch, in dem er von der Hilfsbereitschaft niederländischer Freunde schrieb, aber auch von den vermehrten Übergriffen auf Juden. Am 16. August 1943 wurde Kurt Schroeter bei einer Razzia auf offener Straße verhaftet und in die Sammelstelle "Jüdisches Theater" gebracht. Dort musste er einige Wochen bis zu seiner Deportation in das Konzentrationslager Vught-’s-Hertogenbosch verbringen. Im KZ wurde er am 9. September 1943 mit der Häftlingsnummer 7174 registriert. Am 15. November 1943 wurde er in das KZ Auschwitz deportiert und dort mit der Häftlingsnummer 163397 registriert. Er wurde Ende 1943 in das Quarantänelager B II verlegt, wo "Altersschwäche" diagnostiziert wurde. Kurt Schroeter verlor in der Nach von 2. auf den Januar 1944 sein Leben. An diesem Tag wurden 141 Häftlinge des Männerlagers für die Gaskammern selektiert, Kurt Schroeter war unter ihnen.[4][5]

Seine geschiedene Frau bekam verschlüsselte Informationen von einem Freund, sie glaubte, er wäre wegen unerlaubter ärztlicher Tätigkeiten verhaftet worden. Am 20. Dezember 1943 bat sie schriftlich den Reichskommissar der besetzten Niederländischen Gebiete um Begnadigung, doch da war ihr Mann schon im Vernichtungslager Auschwitz.[6]

Seine Tochter Marianne wurde Übersetzerin, emigrierte 1936 nach Schweden und kehrte 1952 nach Berlin zurück. Sie starb 1974. Seine Tochter Sigrid emigrierte 1935 in die Schweiz, wo sie 199 verstarb. Ilse Schroeter starb 1968.[7]

Die Verlegung des Stolpersteines war ursprünglich vom Gemeinderat Gröbenzell abgelehnt worden.[8]

Schöngeising[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein Inschrift Verlegeort Name, Leben
HIER ARBEITETE
JOHANNA
OPPENHEIMER
JG. 1872
ZWANGSWEISE UMGESIEDELT
1942 MÜNCHEN
SAMMELLAGER MILBERTSHOFEN
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TOT 23.12.1942
Schöngeising, Amperstraße 22
Johanna Oppenheimer
Cäcilie Oppenheimer mit ihrer Tochter Edith
wurde am 17. Juli 1872 in Frankfurt am Main geboren. Sie entstammte einer großbürgerlichen Familie, die seit 1875 in Würzburg ansässig war. Ihre Eltern waren der Privatier Adolf Oppenheimer (1832–1904) und dessen Frau Recha, geborene Hamburger, (1844–1921). Sie hatte eine Schwester, Klara (1869–1943), die das Lehrerinnenseminar besuchte und später Medizin studierte. 1875 zog die Familie nach München. Im Jahr 1900 zog Oppenheimer nach München, besuchte die Malschule des Künstlerinnenvereins und wurde Schülerin von Heinrich Knirr. Sie orientierte sich an den französischen Impressionisten, fand Anschluss an die Schwabinger Bohème und reüssierte letztlich als freie Künstlerin. Sie lebte ab 1919 in Schöngeising – mit ihrer Freundin, der Sängerin und Lautenspielerin Else Hoffmann. Zuerst in der Orlando-di-Lasso-Straße. Dann ließ sie sich eine Villa bauen, die Hoffmann-Villa, und richtete sich dort ein Atelier ein. Nach dem Tode des gemeinsamen Freundes Heinrich Scherrer zogen sie in dessen Villa. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 durfte Oppenheimer ihren Beruf nicht mehr ausüben. Ab 1941 verließ sie das Haus nicht mehr – aus Angst vor Übergriffen. 1942 musste sie es zwangsweise verlassen. Am 29. März 1942 wurde sie in das Sammellager Milbertshofen deportiert und am 17. Juni 1942 von dort in das Konzentrationslager Theresienstadt. Johanna Oppenheimer erkrankte an der Ruhr und verstarb am Vorweihnachtstag.[9][10]

Eine Straße in Schöngeising wurde nach ihr benannt.

Verlegedaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein in Gröbenzell

Die Stolpersteine im Landkreis Fürstenfeldbruck wurden von Gunter Demnig an folgenden Tagen verlegt:

  • 22. März 2012: Gröbenzell
  • 10. September 2013: Schöngeising
  • 27. Mai 2015: Grafrath

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Schroeter, Kurt Lehnstaedt: Tage, die so quälend sind, Aufzeichnungen eines jüdischen Bürgers aus Gröbenzell im besetzten Amsterdam, September 1942-Januar 1943, R. Kovar 1993

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Stolpersteine in Grafrath – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Stolpersteine in Gröbenzell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Stolpersteine in Schöngeising – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Süddeutsche Zeitung: Der dritte Stolperstein im Landkreis, abgerufen am 14. Juni 2016
  2. Lahrer Zeitung: Nachkommen besuchen Ort der Qualen, abgerufen am 14. Juni 2020
  3. Die Adressen waren folgende: Tesselschadestr. 6hs, Altstadt (ab 21.7.1938); Jan Luykenstr. 8bhs, Altstadt (ab 19.12.1938); van de Veldestr. 5hs (ab 21.11.1940); Harmonienhof 59 bhs (ab 20.1.1941) und Nieuwe Amstellaan 36 I (ab Januar 1942).
  4. Kreisbote: Späte Erinnerung an Holocaust-Opfer aus Gröbenzell – Stolperstein für Kurt Schroeter, abgerufen am 14. Juni 2020
  5. Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945: Schroeter, Kurt, abgerufen am 14. Juni 2020
  6. Kurt Schroeter
  7. Katja Happe (Hrsg.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland Band 12: West- und Nordeuropa Juni 1942 – 1945, ISBN 9783486718430, De Gruyter, Berlin 2015, S. 294–295
  8. Stolpersteine für München: Gemeinderat Gröbenzell lehnt Stolperstein ab, abgerufen am 14. Juni 2020
  9. Süddeutsche Zeitung: Schöngeising würdigt KZ-Opfer, abgerufen am 14. Juni 2020
  10. Merkur.de: Stolperstein für Johanna Oppenheimer, abgerufen am 14. Juni 2020