Thomas Kemmerich

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. Februar 2020 um 04:54 Uhr durch WeiterWeg (Diskussion | Beiträge) (→‎Ministerpräsident des Freistaats Thüringen: A (Es könnte doch auch ein (oder mehr) FDPler für Ramelow gestimmt oder sich enthalten haben? - es hat sich doch niemand aus der CDU zur Wahl Ramelows bekannt?)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Thomas Kemmerich (2011)

Thomas Karl Leonard Kemmerich (* 20. Februar 1965 in Aachen) ist ein deutscher Politiker (FDP). Am 5. Februar 2020 wurde er zum Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen gewählt. Bereits am Folgetag trat er für eine vorgezogene Neuwahl des Landtages ein und kündigte seinen Rückzug an.[1] Am 8. Februar 2020 trat er offiziell zurück und bekleidet das Amt seitdem nur noch geschäftsführend.[2][3]

Seine Wahl verschaffte der Regierungskrise in Thüringen 2019/2020 erhebliches politisches Gewicht und bundesweite und internationale Aufmerksamkeit. In geheimer Wahl stimmten allem Anschein nach neben seiner eigenen Fraktion und der CDU auch die Fraktion der AfD für ihn und ermöglichte dadurch seine Wahl. Dies wurde von vielen Medien, Historikern, Politologen, Politikern sowie dem Zentralrat der Juden als „Tabubruch“ und als erste Kooperation bürgerlicher Parteien mit Rechtsextremen seit der Weimarer Republik eingeschätzt.[4][5]

Seit 2015 ist Kemmerich Landesvorsitzender der FDP Thüringen und seit 2019 Vorsitzender der FDP-Fraktion, einer der beiden kleinsten Fraktionen im Thüringer Landtag. Zuvor war er von 2009 bis 2014 Mitglied des Thüringer Landtags und von 2017 bis 2019 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Ausbildung

Im Jahr 1984 bestand Kemmerich am Pius-Gymnasium in Aachen das Abitur und absolvierte bis 1989 eine Ausbildung im Groß- und Einzelhandel. Parallel studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und schloss das Studium ebenfalls im Jahr 1989 mit dem Ersten Staatsexamen ab.[6]

Berufliche Karriere

Nach der politischen Wende kam Kemmerich nach Erfurt und machte sich dort im Januar 1990 gemeinsam mit einem Studienfreund als Unternehmensberater selbstständig.[7] Er beriet landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen aus dem Handwerk.

Ab 1991 wandelte Kemmerich den Dienstleistungskombinats-Betriebsteil „Friseur & Kosmetik“ sowie die Produktionsgenossenschaft (PGH) des Friseurhandwerks aus Weimar, Rudolstadt, Auerbach und Sömmerda zur Friseur Masson GmbH um. 2000 wurde das Unternehmen in die Friseur Masson AG umgewandelt, deren Vorstandsvorsitzender Kemmerich wurde.[8]

Seit Dezember 2017 ist Kemmerich einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern der Uhrenwerk Weimar GmbH, markenrechtlich hervorgegangen aus dem 1990 aufgelösten VEB Uhrenwerk Weimar.[9][10]

Politik

Kemmerich mit Rainer Brüderle beim Bundestagswahlkampf (2013)
Thomas Kemmerich (2019)

Die Kommunalwahlen in Thüringen 2006, bei denen in mehreren Thüringer Städten SPD-Bewerber zu Oberbürgermeistern gewählt wurden (unter anderem Andreas Bausewein in Erfurt), nannte Kemmerich später als Auslöser für sein eigenes politisches Engagement.[7][11] Er gründete einen Thüringer Landesverband der FDP-nahen Vereinigung Liberaler Mittelstand und wurde zunächst deren Landesvorsitzender; seit November 2011 steht er der Vereinigung als Bundesvorsitzender vor. 2006 trat er in die FDP ein,[12] seit 2007 ist er FDP-Kreisvorsitzender in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt. Bei den Kommunalwahlen in Thüringen 2009 führte er die Partei zurück in den Erfurter Stadtrat und wurde dort ihr Fraktionsvorsitzender. Bei der Landtagswahl 2009 zog er über Platz 3 der FDP-Landesliste auch in den Landtag ein und begleitete dort als wirtschaftspolitischer Sprecher das Ressort „Wirtschaft, Arbeit, Technologie“.

Bei der Oberbürgermeisterwahl in Erfurt am 22. April 2012 trat Kemmerich als FDP-Kandidat an. Mit 2,6 % der Stimmen erhielt er die wenigsten Stimmen aller sieben angetretenen Kandidaten.[13]

Bei der Landtagswahl in Thüringen 2014 schied die FDP wieder aus dem Landtag aus, wodurch auch Kemmerich, der auf Platz 4 der FDP-Landesliste kandidiert hatte, sein Mandat verlor. Er gehörte weiterhin dem Erfurter Stadtrat an und war dort Mitglied einer gemeinsamen Fraktion von FDP, Freien Wählern und Piraten. Im 2019 neu gewählten Erfurter Stadtrat ist er Fraktionsvorsitzender der dreiköpfigen FDP-Fraktion.[14]

Nach dem Rücktritt von Franka Hitzing als FDP-Landesvorsitzende wurde Kemmerich am 29. November 2015 auf einem Sonderparteitag in Stadtroda mit 85 von 143 gültigen Stimmen (59 Prozent) zu ihrem Nachfolger gewählt.[15]

Zur Bundestagswahl 2017 trat Kemmerich als FDP-Kandidat im Wahlkreis Erfurt – Weimar – Weimarer Land II und als Spitzenkandidat auf der Landesliste der FDP in Thüringen an und wurde in den 19. Deutschen Bundestag gewählt. Dort war er Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie[16] und im Unterausschuss Regionale Wirtschaftspolitik und ERP-Wirtschaftspläne[17] sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft.

Im November 2018 wurde er in Weimar zum Spitzenkandidaten der FDP Thüringen für die Landtagswahl 2019 gewählt.[18] Bei der Landtagswahl erreichte die FDP gemäß vorläufigem Endergebnis mit 55.422 Stimmen einen Stimmenanteil von 5,0005 % und kehrte damit in den Landtag zurück.[19] Am 7. November 2019 wurde der Einzug in den Landtag vom Landeswahlleiter durch das amtliche Endergebnis bestätigt, 73 Stimmen haben schließlich den Ausschlag gegeben.[20] Hier wurde Kemmerich von der fünfköpfigen FDP-Fraktion zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.[21] Sein Bundestagsmandat legte Kemmerich am 14. November 2019 nieder, Nachrücker war Reginald Hanke.[22]

Ministerpräsident des Freistaats Thüringen

Am 5. Februar 2020 wählten die Abgeordneten des Thüringer Landtags Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang, bei dem lediglich die relative Mehrheit nötig war, zum Thüringer Ministerpräsidenten.

Bei der Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten am 5. Februar 2020 kandidierte Thomas Kemmerich im dritten Wahlgang für das Amt des Thüringer Ministerpräsidenten. Eigenen Angaben zufolge tat er dies, um eine „bürgerliche Alternative“ zu den beiden Kandidaten von links und rechts außen anzubieten. Zuvor hatten in den zwei vorausgegangenen Wahlgängen weder der geschäftsführende Amtsinhaber Bodo Ramelow (Die Linke) sowie Christoph Kindervater (aufgestellt von der AfD) die absolute Mehrheit erreicht.

Im entscheidenden dritten Wahlgang erhielt Kemmerich 45 von 90 Stimmen bei einer Enthaltung und wurde zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten gewählt.[23] Dies war jedoch nur unter Beteiligung der AfD möglich, die ihren Kandidaten zwar aufrecht erhalten hatte, aber gemeinsam mit den meisten Abgeordneten von FDP und CDU geschlossen für Kemmerich stimmte.[24] Kemmerich wurde somit nach Reinhold Maier der zweite gewählte FDP-Ministerpräsident eines Landes in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, aber zugleich der erste Ministerpräsident, der für seine Wahl und seine Regierung auf Stimmen der AfD angewiesen war.[25][26] Dies verschaffte der Regierungskrise in Thüringen 2019/2020 erhebliches politisches Gewicht.

Kemmerichs Wahl führte zu einem überwiegend katastrophalen Echo aus Gesellschaft, Politik und Medien. Bereits am 6. Februar 2020 kündigte er daraufhin seinen Rückzug an und trat am 8. Februar 2020 mit sofortiger Wirkung zurück.[27] Kemmerich bleibt aber bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten geschäftsführend im Amt.

Kemmerich kündigte an, auf das ihm zustehende Gehalt als Ministerpräsident und das nach Beendigung der Amtszeit auszuzahlende Übergangsgeld zu verzichten, insgesamt mindestens 93.000 €. Falls dies nicht möglich sei, wolle er alles, was über seine Abgeordnetenbezüge hinausgeht, an Thüringer Organisationen spenden, etwa an die Vereinigung der Opfer des Stalinismus,[28] deren Thüringer Landesverband von einem ehemaligen AfD-Politiker geleitet wird,[29] oder an die Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.[30]

Seit seiner Wahl sieht sich Kemmerich nach Angaben des FDP-Landesvorstands organisiertem „Hass in Form von Drohbriefen und Massenmails“ ausgesetzt. Eine „direkte und unmittelbare Bedrohungslage“ habe dazu geführt, dass neben dem üblichen persönlichen Schutz für den Ministerpräsidenten nun auch sein Wohnhaus und seine Kinder geschützt würden.[31]

Privates

Kemmerich ist römisch-katholischer Konfession und seit 1995[7] mit einer aus Erfurt stammenden Bankmitarbeiterin verheiratet. Sie haben drei Söhne und drei Töchter.[32] Zudem hat Kemmerich ein Kind aus einer früheren Beziehung.[11] Er ist stellvertretender Vorstand im KRFD Thüringen e. V.[33]

Kemmerich lebt in Erfurt und Weimar. Nach seiner Wahl in den Erfurter Stadtrat 2009 bestritten die Stadt Erfurt und das Thüringer Landesverwaltungsamt seine Wählbarkeit, da seine Familie ihren Hauptwohnsitz in Weimar habe. Kemmerich klagte gegen diese Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Weimar, das ihm 2012 Erfurt als Hauptwohnsitz anerkannte.[34]

Weblinks

Commons: Thomas Kemmerich – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Kemmerich gibt Amt auf – „Der Rücktritt ist unumgänglich“. In: FAZ, Online. Abgerufen am 6. Februar 2020.
  2. Süddeutsche Zeitung: Thüringen: Kemmerich tritt sofort zurück. Abgerufen am 8. Februar 2020.
  3. mdr.de: Thüringen: Linke sucht nach Strategie für neue Ministerpräsidentenwahl. Abgerufen am 9. Februar 2020.
  4. Zentralrat der Juden „entsetzt“ über Ministerpräsidentenwahl in Thüringen. Der Tagesspiegel, abgerufen am 5. Februar 2020.
  5. „FDP und CDU werden zum Steigbügelhalter der rechtsextremen AfD“. Westdeutsche Zeitung, abgerufen am 5. Februar 2020.
  6. Thomas L. Kemmerich. In: www.thueringer-landtag.de. Abgerufen am 5. Februar 2020.
  7. a b c Robert Esser: Ein Aachener Jurist frisiert jetzt halb Thüringen. Aachener Zeitung, 27. Oktober 2009, abgerufen am 7. Februar 2020.
  8. Unternehmenswebsite (Memento vom 21. Oktober 2015 im Internet Archive) Abgerufen am 30. November 2015
  9. Impressum. In: Uhrenwerk Weimar. Abgerufen am 5. Februar 2020.
  10. handelsregisterbekanntmachungen.de Uhrenwerk Weimar GmbH, Amtsgericht Jena Aktenzeichen: HRB 514472, bekannt gemacht am 10. April 2018 (abgerufen am 5. Februar 2020)
  11. a b Frank Karmeyer: Erfurts OB-Kandidaten im Portrait: Thomas L. Kemmerich (FDP). Thüringische Landeszeitung, 5. April 2012, abgerufen am 7. Februar 2020.
  12. Thomas L. Kemmerich, MdB. FDP-Bundestagsfraktion (persönliche Website des Abgeordneten), abgerufen am 7. Februar 2020.
  13. Wahlen in Thüringen: Kreisfreie Stadt Erfurt 1. Wahlgang am 22.4.2012. In: wahlen.thueringen.de. Abgerufen am 9. Februar 2020.
  14. FDP-Fraktion im Stadtrat von Erfurt. erfurt.de (offizielles Stadtportal), abgerufen am 5. Februar 2020.
  15. Thomas Kemmerich ist neuer Thüringer FDP-Chef. Die Welt, 29. November 2015, abgerufen am 29. November 2015.
  16. Pressemitteilung: Besetzung Bundestagsausschüsse. In: fdpbt.de. Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag, 14. Januar 2018, abgerufen am 25. Januar 2018.
  17. Unterausschuss Regionale Wirtschaftspolitik und ERP-Wirtschaftspläne. Abgerufen am 3. März 2019.
  18. Thomas Kemmerich ist Spitzenkandidat der FDP. In: mdr.de. Mitteldeutscher Rundfunk, 17. November 2018, abgerufen am 25. Oktober 2019.
  19. Vorläufiges amtliches Endergebnis der Landtagswahl auf wahlen.thueringen.de, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  20. FDP zieht sicher in den Landtag ein. In: zeit.de. Die Zeit, 7. November 2019, abgerufen am 7. November 2019.
  21. Fünf Freie Demokraten für Thüringen. In: liberale.de. Abgerufen am 12. November 2019.
  22. Deutscher Bundestag – Ausgeschiedene Abgeordnete der 19. Wahlperiode. Abgerufen am 17. November 2019.
  23. Mitteldeutscher Rundfunk Thüringen: Live-Ticker – Wahl-Krimi in Thüringen, abgerufen am 5. Februar 2020.
  24. Politisches Beben in Thüringen – Brennpunkt – ARD | Das Erste. Abgerufen am 8. Februar 2020.
  25. Thüringen: FDP-Kandidat Kemmerich ist Ministerpräsident, Freie Presse vom 5. Februar 2020.
  26. Forderung aus FDP: „Ich rate Kemmerich zum Rücktritt“. In: www.t-online.de. 5. Februar 2020, abgerufen am 5. Februar 2020.
  27. tagesschau.de: Thüringen: Kemmerich tritt als Ministerpräsident zurück. 8. Februar 2020, abgerufen am 9. Februar 2020.
  28. FDP-Ministerpräsident: Verzicht auf höheres Gehalt. In: www.krone.at. 7. Februar 2020, abgerufen am 9. Februar 2020.
  29. euronews.com: Noch ein Skandal? Kemmerich wollte an AfD-nahe Stiftung spenden, abgerufen am 11. Februar 2020
  30. Kemmerich will auf Geld verzichten. faz.net, abgerufen am 7. Februar 2020.
  31. Carsten Luther: Linke, SPD und Grüne stellen Thomas Kemmerich Ultimatum für Rücktritt. In: zeit.de. 6. Februar 2020, abgerufen am 7. Februar 2020.
  32. Katja Herr: Deutsch-deutsche Liebesgeschichte Ute und Thomas Kemmerich: „Wir sind ein Ost-West-Paar“. In: mdr.de. 5. Februar 2020, abgerufen am 5. Februar 2020.
  33. Sebastian Großert: Der Prinz, der Kaiser wurde: Thomas Kemmerich im Portrait. In: mdr.de. 7. Februar 2020, abgerufen am 7. Februar 2020.
  34. Volkhard Paczulla: Erfurt verliert Streitverfahren gegen FDP-Stadtrat Kemmerich. Ostthüringer Zeitung, 11. Juni 2012, abgerufen am 7. Februar 2020.