Otto-Suhr-Institut

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft
– OSI –
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft – OSI –
Gebäudeansicht Ihnestr. 22
Kategorie: Hochschulinstitut
Träger: Freie Universität Berlin
Rechtsform des Trägers: Körperschaft des öffentlichen Rechts
Standort der Einrichtung: Berlin
Art der Forschung: angewandte Grundlagenforschung
Fächer: Politikwissenschaft
Grundfinanzierung: Land Berlin
Leitung: Miriam Hartlapp
Homepage: https://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss
Gebäudeansicht Ihnestr. 22: ehemaliges Kaiser-Wilhelm-Institut.
Gedenktafel zur Erinnerung an die NS-Verbrechen
Otto-Suhr-Institut während einer Besetzung im Dezember 2000

Koordinaten: 52° 26′ 58″ N, 13° 16′ 36″ O

Das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft (OSI) ist ein Institut der Freien Universität Berlin. Als Nachfolger der Deutschen Hochschule für Politik ist es seit 1959 Teil des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften. Das OSI gilt als renommiertestes politikwissenschaftliches Institut in Deutschland; im Wintersemester 2023/24 galt für eine Immatrikulation in den Studiengang Politikwissenschaften ein Numerus clausus von 1,0.[1] Namensgeber ist der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Otto Suhr (1894–1957, SPD).

Im QS-Universitätsranking für Politikwissenschaft nimmt das Otto-Suhr-Institut jährlich den Spitzenplatz in Deutschland ein.[2] Im CHE-Ranking 2021 nimmt das OSI ebenfalls eine Position als renommiertestes politikwissenschaftliches Institut in Deutschland ein.[3]

Das OSI ging 1959 aus dem Institut für politische Wissenschaft der FU und der 1920 gegründeten Deutschen Hochschule für Politik hervor, die unter den Nationalsozialisten als Auslandswissenschaftliche Fakultät unter der Leitung von Franz Six Teil der Berliner Universität war (s. hierzu auch Albrecht Haushofer, Harro Schulze-Boysen, Rainer Hildebrandt) und nach der Stilllegung am Ende des Zweiten Weltkriegs 1948 wieder eröffnet wurde.

Das OSI stand in den 1950er Jahren für einen Neuanfang der Politikwissenschaft in Deutschland. Sozialdemokratische und linkssozialistische Exilanten spielten an der Reformuniversität FU eine größere Rolle, als dies in den westdeutschen Ordinarienuniversitäten möglich gewesen wäre. Eine besondere Rolle spielten Franz L. Neumann, Ernst Fraenkel und Ossip K. Flechtheim.[4] Zur zweiten Generation gehörten Hochschullehrer wie Johannes Agnoli, der seit 1962 als Assistent Flechtheims am OSI lehrte und später auf eine Professur berufen wurde.[5]

Nicht erst seit der 68er-Bewegung war das Otto-Suhr-Institut somit Ideenschmiede für gesellschaftskritisches Denken und später auch für (links-)politischen Aktivismus. So gerieten die Jahre 1967 bis 1969 auch hier zu einem politischen Aufbruch, währenddessen die Studierenden und Teile des Mittelbaus sich breiter und teils auch radikaler politisierten als in den Vorjahren, aber auch als in anderen vergleichbaren Instituten der Bundesrepublik zu jener Zeit.

1995 entbrannte ein nicht nur am Institut[6] sondern auch in Berliner und überregionalen Tageszeitungen[7][8] viel beachteter Streit zwischen dem AStA der FU Berlin und der als Freiwilligenprojekt am OSI angesiedelten osi zeitung über die Eingriffsmöglichkeiten einer formalen AStA-Herausgeberschaft und die abrupte Verweigerung der seit Jahren üblichen Übernahme der Druckkosten der Zeitung aus dem AStA-Budget. Anlass des Streits waren Vorwürfe der Zensur gegenüber dem AStA bzw. die von der Redaktion gesehene Einschränkung der Pressefreiheit der osi zeitung. Im Kern ging es um die Veröffentlichung zweier von AStA-Verantwortlichen als unliebsam und geschichtsrevisionistisch eingeschätzten Artikeln in der osi zeitung und im Verlauf zunehmend auch um das – dann weiter strittige – meinungsoffene redaktionelle Konzept des Blatts.[9]

Im Zuge der internationalen Vereinheitlichung der Studiengänge wurde am Otto-Suhr-Institut 2003 der Diplomstudiengang Politikwissenschaft reformiert und durch konsekutiv gestufte Studiengänge mit Abschluss Bachelor of Arts und Master of Arts in Politikwissenschaft ergänzt. Darüber hinaus bietet das Otto-Suhr-Institut gemeinsam mit der Universität Potsdam und der Humboldt-Universität zu Berlin einen Master of Arts in Internationale Beziehungen an. Diese strukturellen Veränderungen, einhergehend mit einer EDV-gestützten Überwachung und Verwaltung der Studienverläufe der Studentenschaft durch die sogenannte „Campus-Management“-Software, sind seit ihrer Einführung ein andauernder Streitpunkt zwischen Studenten und Universitätsleitung.[10] Seit der Bewilligung des am Otto-Suhr-Institut angesiedelten Sonderforschungsbereichs 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Jahr 2006 wird von Teilen der Studenten und Lehrenden eine zunehmende Fokussierung von Forschung und Lehre auf den politikwissenschaftlichen Teilbereich der Internationalen Beziehungen zu Ungunsten der Politischen Theorie und Ideengeschichte kritisiert. Diese Entwicklung führte zu heftigen Auseinandersetzungen um Berufungsverfahren.[11]

Das Hauptgebäude wurde am 7. Mai 1962 eingeweiht. Die Baukosten von drei Millionen DM wurden zur Hälfte von der Dulles-Stiftung unter Leitung von Eleanor Dulles getragen.

Ein Teil des OSI ist im Gebäude des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik untergebracht. Anfang der 1940er Jahre forschte hier auch Josef Mengele.

Neben den metallenen Lettern mit der Bezeichnung Otto-Suhr-Institut steht in schwarzer Schrift: „Johannes-Agnoli-Institut für Kritik der Politik“.[12]

Forschungsschwerpunkte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wichtigsten aktuellen Forschungsschwerpunkte des Otto-Suhr-Instituts liegen in den Bereichen der Area Studies inklusive der Europäischen Politik, der Internationalen Beziehungen, der Sicherheits- und der Umweltforschung. Neben einer Vielzahl von Drittmittelprojekten ist am OSI der Sonderforschungsbereich „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ angesiedelt.

Deutsch-französische Studienprogramme

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • HEC Paris: Der integrierte Studiengang bietet jährlich zwanzig Studierenden aus aller Welt die Möglichkeit, innerhalb von zwei Studienjahren den Master of Science in Management der HEC und den Master of Public Policy und Management der Freien Universität Berlin zu absolvieren.[13] Darüber hinaus bietet die HEC jährlich drei Studierenden des Otto-Suhr-Instituts die Möglichkeit, im Rahmen ihres Grundstudiums ein Semester in Paris zu studieren.
  • Institut d’études politiques de Paris (Sciences Po): Im Rahmen des Studiengangs erwerben die Studierenden innerhalb von vier Semestern (2 Jahre in Nancy, 2 in Berlin) den deutsch-französischen Doppel-Bachelor in Politik- und Sozialwissenschaften. Zugleich gibt es diesen integrierten Studiengang auch als Master Option: in Politik- und Sozialwissenschaften, der den Master of Arts in Politikwissenschaft der Freien Universität und den Master de Sciences Po mit den mentions „Affaires Internationales“ oder „Affaires Européennes“ verbindet.

Diese Studienprogramme sind von der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) anerkannt.

Persönlichkeiten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktuelle:

Ehemalige:

Politik / Verwaltung:


Wissenschaft:

Medien:

Wirtschaft:

  • David Bebnowski, Grundlagen der Neuen Linken. Franz L. Neumann und amerikanisch deutsche Netzwerke in West-Berlin, in: Zauber der Theorie – Geschichte der Neuen Linken in Westdeutschland, Schwerpunktheft von Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2018, S. 23–38.
  • Bodo von Greiff, Gerhard Kiersch, Klaus Megerle, Das OSI. Wissenschaft, Studium und Organisation am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin, Berlin 1989.
  • Michael Hewener, Die Theorie der Außerparlamentarischen Opposition: Johannes Agnolis "Transformation der Demokratie in: Zauber der Theorie – Geschichte der Neuen Linken in Westdeutschland, Schwerpunktheft von Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2018, S. 39–45.
  • Detlef Lehnert: „Politik als Wissenschaft“. Beiträge zur Institutionalisierung einer Fachdisziplin in Forschung und Lehre der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933). In der Politischen Vierteljahresschrift. Bd. 30, Nr. 3 (September 1989), S. 443–465.
  • Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig – Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0.
  • Der Präsident der Freien Universität Berlin (Hrsg.), Forschung an der Freien Universität Berlin: Fachbereich Politische Wissenschaft (Otto-Suhr-Institut), Berlin 1996: Veröffentlichung der FU Berlin.
  • Britta Herweg, Siegfried Mielke: Otto Suhr als Gewerkschafter. Von der Arbeiterbildung zur Politikwissenschaft. Namenspatron des OSI, Berlin 1999: Veröffentlichung der Arbeitsstelle Nationale und Internationale Gewerkschaftspolitik der FU Berlin.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Freie Universität Berlin: Auswahlgrenzen für Staatsexamen und Monobachelor 2023/24. Abgerufen am 16. Februar 2024.
  2. QS World University Rankings for Politics 2023. Abgerufen am 1. Dezember 2023 (englisch).
  3. Centrum für Hochschulentwicklung bescheinigt Naturwissenschaften und Politikwissenschaft der Freien Universität Spitzenleistungen. 5. Mai 2021, abgerufen am 1. Dezember 2023.
  4. David Bebnowski, Grundlagen der Neuen Linken. Franz L. Neumann und amerikanisch deutsche Netzwerke in West-Berlin, in: Zauber der Theorie - Geschichte der Neuen Linken in Westdeutschland, Schwerpunktheft von Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2018, S. 23–38.
  5. Michael Hewener, Die Theorie der Außerparlamentarischen Opposition: Johannes Agnolis „Transformation der Demokratie“ in: Zauber der Theorie - Geschichte der Neuen Linken in Westdeutschland, Schwerpunktheft von Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft II/2018, S. 39–45.
  6. Userpage OSI/FU Berlin 1995
  7. Holger Heimann: Denkbefehle statt Diskussionsangebote. In: Die Tageszeitung: taz. 19. Mai 1995, ISSN 0931-9085, S. 23 (taz.de [abgerufen am 23. Februar 2021]).
  8. Redaktion neues deutschland: Auf dem Weg zur Posse (neues deutschland). Abgerufen am 23. Februar 2021.
  9. Diverse - FR und SZ: GENIOS - Presse Frankfurter Rundschau und Süddeutsche Zeitung 1995. In: Genios. Genios, 1995, abgerufen am 24. Februar 2021.
  10. Heike Schmidt: Stummer und lauter Protest. In der taz, 8. Dezember 2005.
  11. Streit um Politische Theorie am Otto-Suhr-Institut. Im Der Tagesspiegel, 30. Oktober 2010
  12. Werner van Bebber: 50 Jahre Studentenrevolte 1968: Nichts als die reine Lehre. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 28. April 2024]).
  13. Studiengang „Master of Public Policy und Management“ (Memento vom 6. November 2010 im Internet Archive)