Karl (Österreich-Ungarn)

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Karl I. (* 17. August 1887 als Erzherzog Carl Franz Joseph Ludwig Hubert Georg Otto Maria von Österreich auf Schloss Persenbeug, Erzherzogtum Österreich unter der Enns; † 1. April 1922 in Funchal, Madeira, Portugal) aus der Dynastie Habsburg-Lothringen war von 1916 bis zu seinem Verzicht auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ 1918 letzter Kaiser von Österreich. Als Karl IV. (ungarisch IV. Károly, kroatisch Karlo IV.) war er im gleichen Zeitraum König von Ungarn und Kroatien und als Karel III. König von Böhmen.

2004 wurde er von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.

Kaiser Karl I. von Österreich, König Karl IV. von Ungarn (1917)

Leben

Abstammung und Familiäres

Erzherzog Otto und Erzherzogin Maria Josepha mit ihren Kindern

Karl war der älteste Sohn von Erzherzog Otto, einem Mitglied des österreichischen Kaiserhauses Habsburg-Lothringen, und dessen Gemahlin Prinzessin Maria Josepha von Sachsen. Sein Großvater väterlicherseits Erzherzog Karl Ludwig war ein jüngerer Bruder Kaiser Franz Josephs I. und nach dem Selbstmord des Kronprinzen Rudolf von 1889 bis 1896 Thronanwärter der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn; Karl war somit ein Großneffe des Kaisers. Ottos älterer Bruder, Karls Onkel Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, war von 1896 bis zu seiner Ermordung 1914 Thronfolger.

Leben bis 1916

Erzherzog Karl Franz Joseph

Erzherzog Karl wurde am 17. August 1887 auf Schloss Persenbeug geboren und zwei Tage später von dem St. Pöltener Bischof ebendort getauft. Seine ersten Lebensjahre lebte er mit seinen Eltern entweder in Persenbeug, der Villa Wartholz oder den verschiedenen Stationierungsorten des Vaters in Prag, Brünn und Ödenburg. Die Erziehung oblag dabei bis zum siebten Lebensjahr Kindermädchen, ehe Georg Graf Wallis zu seinem Erzieher bestimmt wurde. Maria Josepha legte von Beginn an großen Wert darauf, dass ihr Sohn im katholischen Glauben erzogen wurde, und zog später auch den Theologen Godfried Marschall hinzu. Daneben lag besonderes Augenmerk auf dem Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen. Bildungsreisen durch Europa vervollständigten das Ausbildungsprogramm des Erzherzogs.

Grundsätzlich wurde Karl durch private Hauslehrer unterrichtet, dennoch beschlossen seine Eltern, ab dem zwölften Lebensjahr eine Verbindung von privatem und öffentlichem Unterricht vorzunehmen. Von August 1899 bis Juni 1901 besuchte er daher das von Benediktinern geführte Schottengymnasium in Wien, was ungewöhnlich für ein Mitglied des Herrscherhauses war. Hier legte er die Abschlussprüfungen über den Lehrplan der Mittelstufe ab.[1]

1903 ernannte Kaiser Franz Joseph I. ihn zum Leutnant des Ulanenregiments „Erzherzog Otto“ Nr. 1 und Karl wurde fortan vor allem militärisch ausgebildet. Theoretische Fächer wie Waffen- und Schießkunde, Eisenbahn- und Telegraphenwesen, Taktik und Heeresorganisation standen auf seinem Lehrplan. Im Anschluss schlug Karl eine Offizierslaufbahn in der Kavallerie ein und am 1. September 1905 trat er den aktiven Militärdienst beim Dragonerregiment „Herzog von Lothringen und Bar Nr. 7“ im böhmischen Kutterschitz nahe Bilin an, 1906 war er in Brandeis-Altbunzlau stationiert. Am 1. November 1906 erfolgte die Beförderung Karls zum Oberleutnant. Im gleichen Jahr unterbrach er seinen Militärdienst für ein zweijähriges Studium an der Prager Karl-Ferdinands-Universität. Als Privathörer hörte Karl Vorlesungen ausgesuchter Hochschulprofessoren vor allem juristischer Lehrgegenstände (u. a. Verfassungsrecht, Kirchenrecht, Zivil- und Strafrecht sowie Wirtschafts- und Finanzwissenschaften). Am 1. Juli 1908 kehrte er zu seinem Regiment zurück und übernahm ein Schwadronskommando.

Nach dem Tod von Karls Vater 1906 übernahm dessen älterer Bruder und Thronfolger Franz Ferdinand die Vormundschaft für seinen Neffen. Franz Ferdinand war seit 1900 in einer nicht standesgemäßen morganatischen Ehe („zur linken Hand“) verheiratet, weshalb seine Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen waren. Daher stand Erzherzog Karl hinter seinem Onkel an zweiter Stelle der Thronfolge. Mit seiner Großjährigkeitserklärung 1907 erhielt Karl ein eigenes Gefolge, an dessen Spitze sein Kammervorsteher Prinz Zdenko Lobkowitz stand. Von 1916 bis 1918 war dieser Generaladjutant des neuen Kaisers.

Thronfolger Erzherzog Karl Franz Joseph (1915)

Zwischen März und November 1912 diente Karl im galizischen Kolomea, ehe er als Major das Infanterieregiment Nr. 39 in Wien übernahm. In der Haupt- und Residenzstadt bewohnte Karl mit seiner Ehefrau Zita Schloss Hetzendorf und unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu Franz Ferdinand, der seinen Neffen ab 1913 näher über seine Reformpläne informiert haben dürfte.

Nach der Ermordung Franz Ferdinands (Attentat von Sarajevo) am 28. Juni 1914 war Karl nach den Hausgesetzen des Hauses Habsburg-Lothringen „ex lege“, d. h. ohne neuerliche Entscheidung des Kaisers, Erzherzog-Thronfolger. Allerdings wurde Karl in die Entscheidungsprozesse während der Julikrise, die schließlich in den Ausbruch des Ersten Weltkriegs mündeten, nicht eingebunden. Auf Befehl des Kaisers wurde Karl nach Ausbruch des Krieges dem Armeeoberkommando (AOK) zugeteilt, wo ihm von Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf keinerlei Mitsprache bei strategischen Operationen zugestanden wurde. Vielmehr besuchte Karl im Auftrag des Kaisers die Front, nahm Truppenparaden ab und verteilte Auszeichnungen. Am 1. Juli 1915 wurde er zum Generalmajor befördert und von Franz Joseph I. in seine unmittelbare Umgebung berufen, um Einblicke in die „Kunst der Staatsführung“ zu gewinnen und das Zustandekommen der fortlaufenden politischen und verwaltungsmäßigen Entscheidungen an höchster Stelle kennenzulernen. Zur Übertragung politischer Mitverantwortung konnte der Monarch sich nicht durchringen.[2]

Am 12. März 1916 erfolgte die Ernennung Karls zum Feldmarschall-Leutnant und die Zuteilung zur 11. Armee unter Generaloberst Viktor Dankl an der Italienfront. Karl übernahm das Kommando über das XX. Korps (Edelweißkorps) und führte seine Truppen während der Südtiroloffensive im Frühjahr 1916. Am 12. August 1916 wurde Karl an den rumänischen Kriegsschauplatz abkommandiert, wo er die neugebildete Heeresgruppe Erzherzog Carl übernahm und im siebenbürgischen Schässburg sein Hauptquartier errichtete.

Ehe und Nachkommen

Hochzeit auf Schloss Schwarzau am 21. Oktober 1911

Am 13. Juni 1911 verlobte sich Karl in der Villa delle Pianore bei Lucca (Italien) mit Zita von Bourbon-Parma, die er am 21. Oktober desselben Jahres in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. in Schloss Schwarzau am Steinfeld (Niederösterreich) heiratete. Seine Entscheidung für die „Italienerin“, als die seine Gattin von Gegnern dieser Verbindung speziell nach Italiens Kriegserklärung an Österreich-Ungarn 1915 bezeichnet wurde, trug nach Meinung von Kritikern nichts zur wünschenswerten internationalen Verankerung des Hauses Habsburg-Lothringen bei, da Zita aus einem nicht (mehr) regierenden Adelshaus aus einem mit Österreich nicht befreundeten Land stammte.

Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor:

  • Otto (1912–2011) ∞ 1951 Regina Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1925–2010)
  • Adelheid (1914–1971)
  • Robert (1915–1996) ∞ 1953 Margherita von Savoyen (* 1930)
  • Felix (1916–2011) ∞ 1952 Anna Eugenie Herzogin von Arenberg (1925–1997)
  • Carl Ludwig (1918–2007) ∞ 1950 Yolande von Ligné (* 1923)
  • Rudolph (1919–2010)
    1. ∞ 1953 Xenia Tschernyschew Besobrasow (1929–1968)
    2. ∞ 1971 Anna Gabriele Prinzessin von Wrede (* 1940)
  • Charlotte (1921–1989) ∞ 1956 Georg Herzog zu Mecklenburg (1899–1963)
  • Elisabeth (1922–1993) ∞ 1949 Heinrich, Prinz von und zu Liechtenstein (1916–1991)

Herrschaft (1916–1918)

An der Regierung

Datei:JCKV Karel I.JPG
Kaiser Karl I.
Eidesleistung als König von Ungarn an der Dreifaltigkeitssäule vor der Matthiaskirche (Budapest, 30. Dezember 1916)
k.u.k. Feldpost-Briefmarke (Michel-Nr. 68 A) von 1917

Mit dem Tod von Kaiser Franz Joseph am 21. November 1916 war Karl „ex lege“ Kaiser und König. Einer formellen Thronbesteigung bedurfte es in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern (Cisleithanien), also in Altösterreich, nicht. Die führenden Politiker im Königreich Ungarn (Transleithanien) legten aber großen Wert auf die historische Krönungszeremonie, mit der der Eid auf die ungarische Verfassung verbunden war.

Karl ließ sich bereits am 30. Dezember als „Karl IV.“ bzw. ungarisch „IV. Károly“ zum König von Ungarn krönen. Von da an waren ihm, was die verfassungsrechtliche Möglichkeit für Reformen betrifft, in der ungarischen Reichshälfte weitgehend die Hände gebunden. Insbesondere war eine Ausgliederung von Gebieten aus dem Herrschaftsbereich der ungarischen Krone ausgeschlossen, die aber nötig gewesen wäre, um die nationalen Wünsche der Slawen der Doppelmonarchie zu befriedigen (Franz Ferdinand hatte geplant, die Doppelmonarchie unmittelbar nach seinem Regierungsantritt umzubauen, bevor ihm dies die Ablegung des ungarischen Krönungseides unmöglich gemacht hätte).

Den legendär gewordenen Regierungsstil Kaiser Franz Josephs, der – auch auf Grund seines hohen Alters – alle Angelegenheiten allein von seinem Arbeitszimmer in der Wiener Hofburg und in seinen letzten Lebensjahren von Schönbrunn aus geregelt hatte, ahmte Karl nicht nach. Er führte bei den Sitzungen des Gemeinsamen Ministerrates, der über die Außen- und Kriegspolitik entschied, regelmäßig den Vorsitz. Ungewöhnlich war auch, dass Karl alle wichtigen Entscheidungen mit seiner Frau Zita besprach und sich von ihr beraten ließ. Bei vielen Besprechungen war Zita auch als Zuhörerin anwesend.

Karl zeigte sich entschlossen, den Einfluss der militärischen Eliten zurückzudrängen. Bereits am 2. Dezember 1916 übernahm er den Oberbefehl über die Armee und verlegte das Armeeoberkommando (AOK) von Teschen nach Baden. Er griff nun direkt in die Kriegsführung ein und übernahm Verantwortung für Siege wie für Niederlagen.[3] Am 1. März 1917 setzte Karl den Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf ab. Damit schaltete er den Einfluss der Militärs im zivilen Bereich aus und übertrug die politische und diplomatische Führung wieder auf die österreichische und ungarische Regierung bzw. den Außenminister. Zugleich distanzierte er sich dadurch von dem seit 1914 über Österreich verhängten Ausnahmezustand.[4] Allerdings war Österreich-Ungarn aufgrund seiner Schwäche im Vergleich zum „Waffenbruder“ schon vor Karls Regierungsantritt bei militärischen Entscheidungen in Abhängigkeit von der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reiches geraten.

Bei den personellen Veränderungen, die Kaiser Karl bald nach Beginn seiner Regierungszeit durchführte, berief er Vertrauensleute, die zum größten Teil der Umgebung Franz Ferdinands angehört hatten. Durch die Entlassung von Außenminister Burián und des mächtigen ungarischen Ministerpräsidenten István Tisza drängte Karl die ungarische Dominanz in der Außenpolitik zurück, und mit dem neuen Außenminister Ottokar Czernin und Heinrich Clam-Martinic als österreichischem Ministerpräsidenten übernahmen Politiker aus der böhmischen, österreichtreuen Hocharistokratie die Führung.[5] Der Grund für Czernins Ernennung am 22. Dezember 1916 war hauptsächlich, dass dieser Karls Anschauung von der Notwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses teilte.[6]

1917 befand sich Österreich-Ungarn vor allem innenpolitisch in einer Krise. Krieg und alliierte Blockade hatten zu Material- und Rohstoffknappheit, Wirtschaftskrise, Armut und Hunger geführt. Angesichts von Protesten und Streiks sowie einem Erstarken der Arbeiterbewegung fürchtete der neue Kaiser eine Revolution.[7]

Von Jänner bis März 1917 traten für Cisleithanien Verordnungen zu Mieterschutz,[8] Krankenversicherung[9][10] und Arbeitsrecht in Kraft.[11] Mit der Mieterschutzverordnung wurde versucht, die steigenden Lebenshaltungskosten aufzufangen und insbesondere die Frauen von Soldaten vor der Wohnungskündigung auf Grund von Mietrückständen zu schützen.[12] Es ist in der Literatur strittig, ob es sich dabei um persönliche Initiativen von Karl I. im Sinn moderner Sozialpolitik handelte oder um beschwichtigende Maßnahmen der k.k. Regierung Clam-Martinic.

Die ersten innenpolitischen Maßnahmen, die Karl I. persönlich zugeschrieben wurden, waren die Wiedereinberufung des Reichsrates im Frühjahr 1917 und eine politische Amnestie; sie folgten nicht zuletzt dynastischen Erwägungen.[13] Am 1. Juni 1917 gab der Kaiser die Errichtung eines Ministeriums für soziale Fürsorge in Auftrag, das die Kriegsseuchen bekämpfen und soziale Fürsorge für die Kriegsbeschädigten einführen sollte, aber auch Jugendfürsorge, Wohnungswesen und Sozialversicherung einbezog. Als ersten Ressortminister ernannte er am 22. Dezember 1917 den am 30. August ohne Portefeuille in die Regierung berufenen Viktor Mataja.

Das Ministerium Clam-Martinic wurde aber insgesamt als erfolglos betrachtet und daher von Karl I. am 23. Juni 1917 gegen das (kaum erfolgreichere) Ministerium Seidler ausgetauscht. Am 24. November erging die Entschließung zur Schaffung des Ministeriums für Volksgesundheit, für das der ukrainische Chemiker Ivan Horbaczewski am 30. August 1917 ohne Portefeuille in die Regierung berufen worden war. Er wurde erst am 30. Juli 1918 unter dem am 25. Juli 1918 ernannten Ministerpräsidenten, Hussarek, dem vorletzten Regierungschef des Kaisers, vom Monarchen zum Ressortminister ernannt.

In den Kreisen der Entente, die den Erhalt der Monarchie wünschten, weckten die 1917 getroffenen Veränderungen die Hoffnung, die Monarchie könne sich selbst reformieren und von Deutschland lösen. Tatsächlich aber, so der britische Historiker Francis Roy Bridge, handelte es sich auch nur um Gesten und nicht um ein klares politisches Programm.[13]

Friedensbemühungen und Kriegsziele

Der neue Herrscher erkannte die Aussichtslosigkeit der Lage der Mittelmächte immer deutlicher. Das Friedensangebot vom 12. Dezember 1916 scheiterte aber an der Weigerung des Deutschen Reiches, konkrete Friedensziele zu nennen.

Beim Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten vom 12. Jänner 1917 wurden die Friedensbedingungen eingehend diskutiert. Karl stellte ein Maximalprogramm zur Diskussion, das den (schon nicht mehr wahrscheinlichen) Anschluss Kongresspolens vorsah, weiter Montenegro, die serbische Mačva, Grenzverbesserungen an der siebenbürgischen Grenze sowie die Absetzung der serbischen Dynastie Karageorgewitsch. Sein Minimalprogramm hingegen beschränkte sich auf die Forderung der vollen territorialen Integrität der Monarchie, die Annexion des montenegrinischen Lovćen und den Wechsel der Dynastie in Serbien (für Karl das Mörderhaus Karageorgewitsch).[14]

Im Frühjahr 1917 versuchte Karl erfolglos, über seinen Schwager Sixtus Ferdinand von Bourbon-Parma mit der Entente zu Verhandlungen über einen Separatfrieden zu gelangen (Sixtus-Affäre). Der Sixtusbrief wurde später als Zeichen für die „naive Impulsivität“ Kaiser Karls bezeichnet, weil er die Gefahren der Aufdeckung des geheimen Vorgangs und die Reaktion der Entente falsch eingeschätzt habe.[15] Die Billigung französischer Ansprüche auf Elsaß-Lothringen durch den Kaiser stand in offensichtlichem Gegensatz zum Unwillen, eigene territoriale Zugeständnisse (etwa bei der Frage der Abtretung des Trentinos an Italien) zu machen.[16] Der Wunsch des Kaisers nach Friedensgesprächen scheiterte letztlich an der französischen Hoffnung auf einen Sieg (die USA waren am 6. April in den Krieg eingetreten), an den Forderungen Italiens, aber auch an der Unnachgiebigkeit des Deutschen Reiches, wo immer mehr jene Kräfte den Ton angaben, die auf einen Siegfrieden setzten.

Die Friedensbemühungen, die Vorbehalte gegen den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, das Verbot der Bombardierung ziviler Ziele und die positive Antwort auf den Friedensappell von Papst Benedikt XV., der als Verbündeter Italiens angesehen wurde, führten zu immer größeren Differenzen Karls mit dem Deutschen Reich, aber auch mit deutschnationalen Kreisen im eigenen Land. Im Zusammenhang mit dem päpstlichen Friedensappell wies Kaiser Karl Czernin an, dem Vatikan mitzuteilen, „dass Österreich-Ungarn der Frage der Wiederherstellung des staatlichen Bestandes Serbiens und Montenegros nicht von vornherein ablehnend gegenüberstehe.“ Daraus sollte aber „kein Verzicht Österreich-Ungarns auf territorialen Gewinn gegenüber diesen beiden Staaten abgeleitet werden“ können (26. September 1917).[17]

Karl sah in den Plänen für Mitteleuropa, eines engen Zusammenschlusses der beiden Kaiserreiche, zu Recht schlicht einen Plan gegen die Unabhängigkeit der Monarchie (14. Mai 1917).[18] Er sprach sich gegen diese enge wirtschaftliche Verbindung mit Deutschland aus, weil er fürchtete, das würde die Monarchie auf eine Stufe mit Bayern stellen und außerdem Friedensverhandlungen unmöglich machen.[19] Gegenüber Czernin protestierte er gegen die Mitteleuropapläne, weil er diese für „einen Versuch der Hohenzollern, Österreich in völlige Abhängigkeit von Deutschland zu bringen“, hielt. Karl fürchtete gar einen Sieg Deutschlands im Krieg, weil dieser das Ende der österreichischen Souveränität bedeutet hätte: „Ein eklatanter militärischer Sieg Deutschlands wäre unser Ruin.“[20]

Karl war zwar gegen den Einsatz von Giftgas innerhalb des Befehlsbereichs der k.u.k. Armee, ließ aber letztlich zu, dass die Oberste Heeresleitung des Deutschen Reichs in der 12. Isonzoschlacht, der Schlacht von Karfreit, im Oktober 1917 Giftgas einsetzte.[21]

Karl hatte kaum Ratgeber, die seinen Kurs unterstützten und denen er voll vertrauen konnte. Außenminister Ottokar von Czernin befürwortete zwar am Anfang die Friedenspläne, später war auch er für eine stärkere Bindung an den Verbündeten. Czernin warf Frankreich in einer Rede am 2. April 1918 vor, geheime Friedensverhandlungen geführt zu haben. Da dies nicht stimmte, veröffentlichte der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau am 14. April den Inhalt der geheimen Sixtus-Briefe. Dadurch erlitt das Ansehen des Kaisers enormen Schaden, besonders weil er den Brief klar wahrheitswidrig dementierte. Man diffamierte Karl als „Pantoffelhelden“ und Zita als „italienische Verräterin“. Czernin wurde vom Kaiser am 24. April zum Rücktritt gezwungen. Karl musste einen Canossagang zu Kaiser Wilhelm nach Spa antreten und sich noch stärker an das Deutsche Reich binden.

Regierungsverzicht und Zerfall der Monarchie

Die Verzichtserklärung vom 11. November 1918, von Ministerpräsident Lammasch gegengezeichnet
Heimkehr der Habsburger in ihr Stammhaus, Karikatur von Theo Zasche, 1919
Völkermanifest

Karls Versuch, mit seinem von k.k. Ministerpräsident Max Hussarek von Heinlein mitverantworteten Völkermanifest vom 16. Oktober 1918 wenigstens die österreichische Reichshälfte zu retten und in einen Bundesstaat mit weitgehender Autonomie für die einzelnen Nationen umzuwandeln, kam zu spät.[22] Seine Einladung an die Nationalitäten Cisleithaniens, Nationalräte zu bilden, wurde angenommen; diese neuen Volksvertretungen gründeten aber voneinander und von Altösterreich unabhängige Staaten (zuletzt am 30. Oktober 1918 die Deutschösterreicher).

Zerfall der Armee

Ende Oktober meuterten vor allem ungarische Truppenteile der k.u.k. Armee an der italienischen Front. Ungarn beschloss mit Zustimmung von Karl das Ende der Realunion mit Österreich per 31. Oktober und rief seine Truppen aus Italien zurück. Um den Waffenstillstand von Villa Giusti mit Italien vom 3. November 1918, der den Intentionen des verbündeten Deutschen Reichs widersprach, nicht selbst unterzeichnen zu müssen, übergab der Kaiser und König den Oberbefehl über das, was von der k.u.k. Armee noch der alten Ordnung gehorchte, am 3. November 1918 an General Arthur Arz von Straußenburg und ernannte am 4. November auf dessen Wunsch Feldmarschall Hermann Kövess von Kövesshaza zum Oberbefehlshaber. Am 6. November wurde die k.u.k. Armee von Karl demobilisiert; die Kriegsflotte war auf Befehl Karls am 31. Oktober an den neuen südslawischen Staat übergeben worden.

Verzichtserklärung in Österreich

Der völlige militärische Zusammenbruch und die innere Auflösung der Donaumonarchie ließen sich nicht mehr leugnen. Die Abdankung Kaiser Wilhelms II. wurde am 9. November ohne seine Zustimmung bekanntgegeben; am selben Tag wurde in Berlin die Republik ausgerufen. Daher erschien nun auch das Ausscheiden Karls I. aus seinem kaiserlichen Amt als unausweichlich.

Karl I. wurde am 11. November 1918 von Ministern seiner letzten k.k. Regierung, des sogenannten Liquidationsministeriums unter Heinrich Lammasch, auf Drängen des Staatskanzlers Karl Renner und anderer deutschösterreichischer Politiker bewogen, in der österreichischen Reichshälfte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften zu verzichten und seine – inzwischen funktionslos gewordene – Regierung ihres Amtes zu entheben. Er enthob jedoch Armee und Offiziere formell nicht ihres dem Kaiser geleisteten Treueeides.[23]

Die Erklärung war von k.k. Ministern wie Ignaz Seipel gemeinsam mit Renner und anderen entworfen worden; der Kompromiss vermied verbal die vor allem von Kaiserin Zita strikt abgelehnte Abdankung. Man hatte es eilig, die Unterschrift des Kaisers zu erlangen, da für den folgenden Tag bereits die Proklamierung des am 30. Oktober 1918 entstandenen Staates Deutschösterreich zur Republik geplant war und man offene Loyalitätskonflikte um den Kaiser vermeiden wollte. Die Verzichtserklärung wurde noch am 11. November in einer Sonderausgabe der amtlichen Wiener Zeitung veröffentlicht.[24]

Verzichtserklärung bezüglich Ungarn

Mit einer ähnlichen Erklärung verzichtete Karl am 13. November auf Schloss Eckartsau auf Wunsch ungarischer Spitzenpolitiker auf die Ausübung seiner Staatsgeschäfte in Ungarn. Auch dort dankte er aber nicht formell ab; seine Gattin Zita hielt dies auf Grund des „Gottesgnadentums“ des Monarchen für „unmöglich“.

Nach dem Ende der Monarchie (1918–1922)

Das Arbeitszimmer Karls in Schloss Eckartsau 1918

Karl begab sich noch in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1918 mit seiner engsten Familie auf Schloss Eckartsau im Marchfeld,[25] das damals im Unterschied zu Schönbrunn habsburgischer Privatbesitz war. Der britische König Georg V. wollte ihnen das Schicksal des russischen Zaren Nikolaus II. und seiner Familie ersparen (sie wurden ermordet) und ließ sie dort vom britischen Oberstleutnant Edward Lisle Strutt beschützen. Karls und Zitas Hoffnung, die politische Lage werde sich zu seinen Gunsten „normalisieren“ und man werde ihn einladen, wieder an die Spitze des Staates zu treten, wurde aber nicht erfüllt.

Der deutschösterreichische Staatskanzler Karl Renner kam Anfang Jänner 1919 nach Eckartsau und wollte mit Karl persönlich über dessen Zukunft sprechen. Da er nicht dem Hofzeremoniell entsprechend um Audienz gebeten hatte, lehnte Karl ab, ihn zu treffen. Dem „ehemaligen Träger der Krone“ (wie er wenig später offiziell bezeichnet wurde) ließ man daher über Mittelsmänner die Information zukommen, das geplante Habsburgergesetz werde, falls Karl weder ausreisen noch abdanken wolle, seine Internierung bestimmen.

Ausreise in die Schweiz

Daraufhin bereitete Strutt die Ausreise der Kaiserfamilie in die Schweiz vor; Karl hatte unter der Bedingung zugestimmt, dass die Abreise „in allen Ehren“ erfolge. Strutt organisierte dazu für den 23. März 1919 den Hofzug der ehem. k.k. Staatsbahn, den Karl in der Eckartsau nächstgelegenen Bahnstation Kopfstetten in Feldmarschallsuniform bestieg. (Seine Familie, ein kleines Gefolge und sein Automobil reisten mit; das Fahrzeug befindet sich seit 2001 in der „Kaiserlichen Wagenburg“ in Wien.) Vor dem Grenzübertritt in die Schweiz am 24. März 1919 widerrief Karl im Feldkircher Manifest seine Erklärung vom 11. November 1918 und protestierte gegen seine Absetzung als Herrscher. In die Schweiz reiste er in Zivilkleidung ein.

Anders als Wilhelm II. dankte er – unter dem starken Einfluss Zitas – nicht formell ab. Dies führte in Deutschösterreich zum Gesetz vom 3. April 1919, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen (StGBl. 209 / 1919). Das Gesetz hob für Deutschösterreich alle Herrscherrechte der Dynastie auf und stellte fest:

„Im Interesse der Sicherheit der Republik werden der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen, diese, soweit sie nicht auf ihre Mitgliedschaft zu diesem Hause und auf alle aus ihr gefolgerten Herrschaftsansprüche ausdrücklich verzichtet und sich als getreue Staatsbürger der Republik bekannt haben, des Landes verwiesen.“

Die Nationalversammlung von Deutschösterreich beschloss neben der Landesverweisung auch die Beschlagnahme der habsburgischen Familienfonds, nicht aber des nachweislichen Privatvermögens einzelner Familienmitglieder. Am selben Tag wurde für Österreicher der Adel aufgehoben (Adelsaufhebungsgesetz).

Der zuvor ausgereiste Ex-Kaiser war somit aus (Deutsch-)Österreich verbannt. Die Mitglieder der Familie Habsburg-Lothringen entschieden sich zum Teil für ausländische Wohnsitze, zum Teil für das republikanische Österreich. Karls Witwe Zita bekannte sich niemals zur Republik Österreich, durfte aber ab 1982 wieder einreisen, nachdem man bei neuerlicher Prüfung ihres Falles (wenig überraschend) festgestellt hatte, dass sie der Dynastie nur angeheiratet war und niemals auch nur theoretisch Herrschaftsrechte gehabt hätte.

Im Schweizer Exil wohnte Karl zunächst auf Schloss Wartegg bei Rorschach am Bodensee und ab 20. Mai 1919 in Prangins am Genfersee.

Restaurationsversuch in Ungarn

Zweiter Restaurationsversuch Kaiser Karls in Ungarn; Karl beim Abschreiten der Ehrenkompanie am Bahnhof in Ödenburg am 21. Oktober 1921. Rechts hinter ihm Kaiserin Zita
Karls Abflug aus der Schweiz nach Ungarn als Fasnachts-Sujet.

Karl hielt eifrig Kontakt zu legitimistischen Kreisen, vor allem in Ungarn, wo schon 1919 nach einem kurzen republikanischen Intermezzo die Monarchie wiederhergestellt und am 1. März 1920 der vermeintlich habsburgtreue Miklós Horthy zum Reichsverweser gewählt worden war. Zwar hatte Karl diesem versprochen, ihn über seine Pläne zu informieren und erst nach einer Beruhigung der politischen Lage zurückzukehren; dennoch vertraute er eher dem Urteil seiner Berater, insbesondere dem Obersten Anton Lehár (dem Bruder des Komponisten Franz Lehár), die Zeit für eine Restauration der Habsburger sei reif.

So kehrte Karl, ohne dies Horthy wissen zu lassen, inkognito per Automobil quer durch Österreich zu Ostern 1921 nach Budapest zurück und verlangte vom Reichsverweser ultimativ den Rücktritt. Dabei pochte er nur auf Horthys Treueid, ohne dessen Einwände hinsichtlich innenpolitischer Schwierigkeiten und vor allem einer drohenden Intervention der Entente bzw. einer Kriegserklärung der Nachfolgestaaten Tschechoslowakei, Rumänien und Jugoslawien ernstzunehmen. Erst nach einem Aufenthalt von einer Woche in Szombathely (Steinamanger) in Westungarn konnte er von der Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen überzeugt werden und reiste zurück in die Schweiz, wo er sich mit seiner Familie im sogenannten Schlosshotel Hertenstein in Weggis bei Luzern einquartierte.

Schon am 20. Oktober 1921 unternahm Karl, wiederum ohne den ihm mittlerweile ohnehin suspekt gewordenen Horthy zu informieren, einen zweiten Versuch und flog mit seiner Frau Zita mit einer Junkers F 13 nach Sopron (Ödenburg). Dort hatten Legitimisten unterdessen damit begonnen, die Freischärler, die sich gegen die Abtretung des Burgenlandes an Österreich wandten (siehe dazu Landnahme des Burgenlandes und Volksabstimmung 1921 im Burgenland), und andere kleine Truppenkontingente zu einem Heer zusammenzufassen. Da das Telegramm mit der Meldung von Karls Ankunft allerdings einen Tag zu spät eintraf, verzögerte sich der Abmarsch entscheidend. Das langsame Tempo des Vorrückens gab dem zunächst schwankenden Horthy Zeit, auf die Drohungen der Ententemächte hin seinerseits Truppen zusammenzuziehen. In Budaörs, einem Vorort von Budapest, kam es am 23. Oktober 1921 zu einem kleinen Scharmützel, bei dem 19 Soldaten ums Leben kamen. Da damit klar geworden war, dass der Restaurationsversuch in einem Bürgerkrieg enden würde, gab Karl auf, allerdings gegen die Meinung seiner militärischen Ratgeber. Für den Anschluss des Burgenlandes an Österreich wirkte sich die Initiative Karls insofern positiv aus, dass nun der militärische Druck der Freischärler auf die österreichische Gendarmerie und das Bundesheer nachließ. Grund dafür war die Entmachtung und Ausschaltung der königstreuen Verbände unter den Freischärlern, welche Karl nach Budapest gefolgt und bei Budaörs gescheitert waren und nun nicht mehr zur Verfügung standen, die Interessen Ungarns im Burgenland militärisch zu vertreten.[26]

Exil auf Madeira, Tod

Nach einer kurzen Internierung in der Abtei Tihany am Balaton wurde Karl am 1. November mit seiner Frau Zita an Bord des britischen Donauschiffes Glowworm bis zum Schwarzen Meer und dann auf dem britischen Kreuzer Cardiff (D58) über Gibraltar auf die portugiesische Insel Madeira gebracht. Dorthin hatte ihn die Triple Entente nun verbannt, um ihm Auftritte in seinem ehemaligen Herrschaftsbereich unmöglich zu machen. Das Paar traf dort am 19. November 1921 ein. Karls und Zitas Kinder kamen erst am 2. Februar 1922 bei ihren Eltern an.

Grabstätte Kaiser Karls in Monte auf Madeira (2016)

Im ungarischen Parlament wurde am 6. November 1921 das Dethronisationsgesetz angenommen, das die Habsburger endgültig für abgesetzt erklärte. Horthy versicherte dazu gegenüber der Entente, bei der möglichen Wahl eines künftigen Königsgeschlechts würden die Habsburger ausgeschlossen.

Karl wohnte mit seiner Familie zunächst im Hotel Victoria in Funchal, für das dann aber bald nicht genug Geld vorhanden war. Nach dem Diebstahl der als letzte Mittel verbliebenen persönlichen Juwelen übersiedelte sein Haushalt in die Quinta Vigia (auch Villa Quinta do Monte), ein Herrenhaus in Monte bei Funchal, das ihm von einer Bankiersfamilie kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Die klimatischen Bedingungen auf dem Berg waren, wie eine von Brook-Shepherd zitierte Kammerzofe nach Hause schrieb, sehr ungünstig:

„Unten in der Stadt war es sehr hübsch. Hier oben haben wir nur drei warme Tage gehabt. […] Das Haus ist so feucht, dass alles nach Moder riecht. Der Nebel aber durchzieht alles.“

Brook-Shepherd, S. 384

Am 9. März zog Karl sich eine Erkältung zu. Erst am 21. März wurde ein Arzt gerufen, der eine schwere Lungenentzündung feststellte. Am 1. April 1922 starb Karl im Alter von 34 Jahren.

Gedenktafel an der Kirche in Monte

Bestattung

An seiner Beisetzung am 5. April nahmen etwa 30.000 Personen teil. Sein Leichnam wurde in der Kirche Nossa Senhora in Monte begraben. Sein Herz wird seit 1971 hinter dem Altar der Loretokapelle im Kloster Muri (Schweiz) aufbewahrt, wo sich auch die Familiengruft seiner Nachkommen befindet. Die silberne Herzurne Karls trägt das von Karl Wolfsgruber verfasste ChronogrammCAROLI AVSTRIAE IMPERATORIS AC HVNGARIAE REGIS COR IN DEO QVJESCAT“.[27]

Als 1972 der Sarkophag Karls I. geöffnet wurde, um einen Einblick in den Zustand der sterblichen Überreste zu bekommen, erwies sich der Leichnam als bemerkenswert gut erhalten. Obwohl die Leiche des früheren Kaisers nur hastig einbalsamiert worden war und durch ein zerbrochenes Sargfenster feuchte Luft eintreten konnte, war der Körper in einem guten Zustand. Nach Abschluss der Untersuchungen wurde Karl I. in eine neue Uniform gekleidet und in einen neuen Sarg umgebettet.[28]

Nach der Beisetzung von Zita 1989 in der Wiener Kapuzinergruft war ihr Sarkophag zunächst auf einem Doppelpodest aufgestellt, auf dem auch Platz für den Sarkophag Karls I. war. Seine Familie, vor allem sein Sohn Otto von Habsburg, nahm aber die Überführung nach Wien nicht vor, da Otto dies als Affront gegenüber der Bevölkerung von Madeira ansah, die seinem Vater in den letzten Lebensmonaten sehr geholfen hatte. Seit der Seligsprechung Karls I. hat seine Begräbnisstätte in Monte bei Funchal für die dortige Bevölkerung noch an Bedeutung gewonnen. Eine eventuelle Überführung des Seligen wäre nun eine Sache der Kirche. Im Zuge von Umbauten der Kapuzinergruft wurde das Doppelpodest 2008 entfernt, und der Sarkophag Zitas auf ein Einzelpodest umgestellt.

Seligsprechung

Kirchenfenster mit Darstellung Karls I. in der Pfarrkirche Liesing gestaltet von Martin Häusle
Datei:1000 Schilling Kaiser Karl.jpg
1000-Schilling-Goldmünze (1999)

Die ersten Bestrebungen zur Seligsprechung wurden bereits von Kardinal Innitzer initiiert. 1954 wurde der Seligsprechungsprozess für Karl begonnen, durch die „Kaiser-Karl-Gebetsliga für den Weltfrieden“ unter dem Vorsitz von Bischof Kurt Krenn wesentlich gefördert und am 20. Dezember 2003 zum Abschluss gebracht. Die Heiligsprechungskongregation veröffentlichte in Anwesenheit von Papst Johannes Paul II. ein Dekret, das eine auf Anrufung des Verstorbenen geschehene wunderbare Heilung – die notwendige Voraussetzung für die Seligsprechung – anerkennt: Maria Zita Gradowska, eine in Brasilien wirkende Nonne aus Polen, litt jahrzehntelang an einem sehr schmerzhaften Venenleiden, das als unheilbar galt. Sie hatte offene Geschwüre und war bettlägerig. 1960 rief sie Kaiser Karl um Fürsprache an. Am nächsten Tag war sie schmerzfrei und ihre Geschwüre verheilten.[29] Die Seligsprechung des früheren Monarchen fand am 3. Oktober 2004 statt.

Die Umstände der Seligsprechung, die umstrittene Persönlichkeit des Fürsprechers Kurt Krenn, der wenig später von seinem Amt als Diözesanbischof zurücktreten musste, und die Anwesenheit hoher politischer Würdenträger der Republik Österreich bei der Zeremonie – die offizielle Delegation wurde von Nationalratspräsident Andreas Khol angeführt – sorgten in Österreich für Diskussionen.

Als kirchlicher Gedenktag für den seligen Karl wurde nicht sein Todestag, sondern – in Erinnerung an seine Vermählung mit Zita von Bourbon-Parma – der Hochzeitstag des Paares festgelegt, das ist der 21. Oktober. Im November 2009 wurde auch für die ehemalige Kaiserin Zita ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet. In der Wiener Augustinerkirche, der ehemaligen k. u. k. Hofkirche, wo dem seligen Karl ein Altar errichtet wurde, genießt er hohe Verehrung. Schon im ersten Jahrzehnt nach der Seligsprechung etablierten sich allein in Österreich mehr als zwei Dutzend Stätten der Karls-Verehrung.[30]

Titel

Karls Großer Titel lautete:[31]

„Karl der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, König von Ungarn, dieses Namens der Vierte, König von Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; König von Jerusalem etc; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toskana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnthen, Krain und der Bukowina; Großfürst zu Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piascenza und Quastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien; Graf von Hohenems, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg, etc., Herr von Triest, von Cattaro und auf der Windischen Mark; Großwojwode der Wojwodschaft Serbien etc. etc.“

Vorfahren

Ahnentafel Karl I.
Ururgroßeltern

Kaiser
Franz II.
(1768–1835)
∞ 1790
Maria Theresia von Neapel-Sizilien
(1772–1807)

König
Maximilian I. Joseph von Bayern
(1756–1825)
∞ 1797
Karoline Friederike Wilhelmine von Baden
(1776–1841)

König
Franz I. von Sizilien
(1777–1830)
∞ 1802
Maria Isabel von Spanien
(1789–1848)

Karl von Österreich-Teschen
(1771–1847)
∞ 1815
Henriette Alexandrine von Nassau-Weilburg
(1797–1829)

Maximilian von Sachsen
(1759–1838)
∞ 1792
Caroline von Bourbon-Parma
(1770–1804)

König
Maximilian I. Joseph von Bayern
(1756–1825)
∞ 1797
Karoline Friederike Wilhelmine von Baden
(1776–1841)

Ferdinand von Sachsen-Coburg-Saalfeld-Koháry
(1785–1851)
∞ 1815
Maria Antonie Gabriele von Koháry
(1797–1862)

Kaiser
Peter I. von Brasilien
(1798–1834)
∞ 1817
Maria Leopoldine von Österreich
(1797–1826)

Urgroßeltern

Franz Karl von Österreich
(1802–1878)
∞ 1824
Sophie Friederike von Bayern
(1805–1872)

König Ferdinand II.
(1810–1859)
∞ 1837
Maria Theresia von Österreich
(1816–1867)

König Johann von Sachsen
(1801–1873)
∞ 1822
Amalie Auguste von Bayern
(1801–1877)

König Ferdinand II. von Portugal
(1816–1885)
∞ 1836
Maria II. von Portugal
(1819–1853)

Großeltern

Karl Ludwig von Österreich
(1833–1896)
∞ 1862
Maria Annunziata von Neapel-Sizilien
(1843–1871)

König Georg von Sachsen
(1832–1904)
∞ 1859
Maria Anna von Portugal
(1843–1884)

Eltern

Otto Franz Joseph von Österreich
(1865–1906)
∞ 1886
Maria Josepha von Sachsen
(1867–1944)

Karl I.

Literatur

Weblinks

Commons: Karl I. (Österreich-Ungarn) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Friedrich Weissensteiner: Frauen auf Habsburgs Thron – Kaiserin Zita, Kaiserin ohne Reich. Ueberreuterverlag, S. 155–157
  2. Eva Demmerle: Kaiser Karl I.; Amalthea ISBN 3-85002-521-7; S. 83 ff.
  3. Mark Cornwall: Auflösung und Niederlage. Die österreichisch-ungarische Revolution. In: Mark Cornwall (Hg.): Die letzten Jahre der Donaumonarchie. Der erste Vielvölkerstatt im Europa es frühen 20. Jahrhunderts. Magnus Verlag, o. O. 2004, S. 178.
  4. Ingeborg Meckling: Die Außenpolitik des Grafen Czernin. Wien 1969. S. 82.
  5. József Galántai: Der Sturz der Tisza-Regierung im Jahre 1917. In: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös nominatae. Sectio historica 5 (1965), S. 127–145, hier: S. 129.
    Zbynèk A.B. Zeman: A Diplomatic History of the First World War. London 1971. S. 126.
  6. Ingeborg Meckling: Die Außenpolitik des Grafen Czernin. Wien 1969. S. 7.
  7. Robin Okey: The Habsburg Monarchy, c. 1765–1918. St. Martin's Press, New York 2001, S. 385f.
  8. Verordnung des Gesamtministeriums vom 26. Jänner 1917, RGBl. Nr. 34 / 1917 (= S. 92 f.), mit 31. Dezember 1918 befristet, Befristung 26. Oktober 1918 aufgehoben
  9. Kaiserliche Verordnung vom 4. Jänner 1917, RGBl. Nr. 6 / 1917 (= S. 10 f.)
  10. Kaiserliche Verordnung vom 4. Jänner 1917, RGBl. Nr. 7 / 1917 (= S. 18 f.)
  11. Kaiserliche Verordnung vom 18. März 1917, RGBl. Nr. 122/1917 (= S. 289 f.)
  12. Ernst Bruckmüller: Sozialgeschichte Österreichs. Oldenbourg, München 2001, S. 360.
  13. a b Francis Roy Bridge: The Habsburg Monarchy among the Great Powers 1815-1918. New York/Oxford/Munich 1990. S. 359
  14. Miklós Komjáthy (Hrsg.): Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918). Budapest 1966, S. 440ff.
    Erich Feigl (Hrsg.): Kaiser Karl. Persönliche Aufzeichnungen, Zeugnisse und Dokumente. Amalthea, Wien 1984, ISBN 3-85002-179-3, S. 116.
  15. Gary W. Shanafelt: The Secret Enemy: Austria-Hungary and the German Alliance 1914–1918. New York 1985, ISBN 0-88033-080-5, S. 129.
  16. Robert A. Kann: Die Sixtusaffäre und die geheimen Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg. Wien 1966, S. 55.
  17. Wolfgang Steglich (Hrsg.): Der Friedensappell Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917 und die Mittelmächte. Diplomatische Aktenstücke des deutschen Auswärtigen Amtes, des bayerischen Staatsministeriums des Äußeren, des österreichisch-ungarischen Ministeriums des Äußeren und des britischen Auswärtigen Amtes aus den Jahren 1915–1922. Wiesbaden 1970. S. 376 (Nr. 323).
  18. Gary W. Shanafelt: The Secret Enemy: Austria-Hungary and the German Alliance 1914-1918. New York 1985. ISBN 0-88033-080-5. S. 158.
  19. Arthur J. May: The Passing of the Habsburg Monarchy 1914–1918. Philadelphia 1967, Band 2: S. 511.
  20. Helmut Rumpler: Die Sixtusaktion und das Völkermanifest Kaiser Karls. Zur Strukturkrise des Habsburgerreiches 1917/18. In: Karl Bosl (Hrsg.):Versailles–St.Germain–Trianon. Umbruch in Europa vor fünfzig Jahren. Verlag Oldenbourg, München/Wien 1971, ISBN 3-486-47321-2, S. 111–125, hier: S. 112f.
  21. Historiker würdigt Friedensbemühungen von Kaiser Karl I.
  22. Tageszeitung Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 19.450 / 18. Oktober 1918, S. 1
  23. Ludwig Jedlicka: Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärpolitische Lage Österreichs, 1918–1938. Böhlau, Wien 1955, S. 29.
    Hans Hautmann: Geschichte der Rätebewegung in Österreich. 1918–1924. Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung, Europa Verlag, Wien 1987, ISBN 3-203-50985-7, S. 252.
  24. Wiener Zeitung, Wien, Nr. 261 / 11. November 1918, Extra-Ausgabe
  25. Wilhelm Brauneder: "Ein Kaiser abdiziert doch nicht bloß zum Scheine!" - Der Verzicht Kaiser Karls am 11. November 1918 (Seite 130). In: Susan Richter, Dirk Dirbach (Hg.): Thronverzicht: die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Böhlau 2010 (ISBN 978-3412205355), Seite 123-140.
  26. Gerald Schlag: Aus Trümmern geboren ..., Burgenland 1918–1921. (=Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland (WAB) Band 106) Burgenländisches Landesmuseum, Eisenstadt 2001, ISBN 3-85405-144-1, S. 452–454.
  27. Jan Mikrut (Hrsg.): Kaiser Karl I. (IV.) als Christ, Staatsmann, Ehemann und Familienvater. Band 1 von Veröffentlichungen des Internationalen Forschungsinstituts zur Förderung der Kirchengeschichte in Mitteleuropa, Dom-Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85351-188-0, S. 197.
    Josef Gelmi: Der letzte Kaiser. Karl I. (1887-1922) und Tirol. Tyrolia, Innsbruck 2004, ISBN 3-7022-2619-2, S. 97–98.
  28. Seligsprechung von Kaiser Karl I.: Ein mehr als 50-jähriger Prozess (religion.orf.at), Zugriff am 10. August 2015
  29. Kaiser Karl Gebetsliga (Memento vom 17. Mai 2008 im Internet Archive)
  30. Johann Werfring: Militärisch adjustiert zur Ehre der Altäre In: „Wiener Zeitung“ vom 7. November 2013, Beilage „ProgrammPunkte“, S. 7.
  31. 3. Juni 1815, Quelle unbek., angegeben in: Franz Gall: Österreichische Wappenkunde. Böhlau, Wien 1992; zitiert in Austria-Hungary: Apostolic King (Hungary), Habsburg Titles. In: Royal Styles. heraldica.org, 18. Januar 2007, abgerufen am 23. Juni 2015 (englisch).
VorgängerAmtNachfolger
Franz Joseph I.Kaiser von Österreich
1916–1918
Ende des Kaisertums 1918
Franz Joseph I.Apostolischer König von Ungarn
als Karl IV.
1. 1916–1918
2.de jure 1920–1921

1. Republik Ungarn

Ministerpräsident: Mihály Károlyi

2. vakant, Reichsverweser: Miklós Horthy
Franz Joseph I.König von Böhmen etc.
als Karl III.
1916–1918
Tschechoslowakische Republik
Präsident: Tomáš Garrigue Masaryk
Franz Joseph I.Erzherzog von Österreich etc.
1916–1918
Republik Deutschösterreich
Vorsitzender des Staatsrates: Karl Seitz