Wolfgang Schäuble

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Wolfgang Schäuble

Wolfgang Schäuble (* 18. September 1942 in Freiburg im Breisgau) ist ein deutscher Politiker (CDU) und seit 28. Oktober 2009 Bundesfinanzminister im Kabinett Merkel II. Davor war er von 2005 bis 2009 Bundesminister des Innern. Er ist das einzige amtierende Kabinettsmitglied, das bereits vor der Deutschen Wiedervereinigung als Minister einer deutschen Bundesregierung angehörte: von 1984 bis 1989 war Schäuble Bundesminister für besondere Aufgaben sowie Chef des Bundeskanzleramtes. Von 1989 bis 1991 bekleidete er zum ersten Mal das Amt des Bundesinnenministers.

Von 1991 bis 2000 übte er den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus und zusätzlich dazu von 1998 bis 2000 den Bundesvorsitz der CDU.

Leben und Beruf

Schäuble mit seiner Frau am Pfingstmontag 2007 bei der Vorführung von Peter SteinsWallenstein“-Inszenierung in Berlin-Neukölln

Wolfgang Schäuble kam 1942 als mittlerer von drei Söhnen zur Welt. Sein Vater war der CDU-Politiker Karl Schäuble (1907–2000), der von 1947 bis 1952 Abgeordneter im badischen Landtag war, und seine Mutter Gertrud Schäuble geb. Göhring.

Nach dem Abitur 1961 am Gymnasium in Hausach, dem heutigen Robert-Gerwig-Gymnasium, absolvierte Schäuble ein Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Freiburg im Breisgau und Hamburg, das er 1966 mit dem ersten juristischen Staatsexamen beendete. Im Jahr 1970 folgte das zweite juristische Staatsexamen.

1971 promovierte er zum Dr. jur. mit der Arbeit Die berufsrechtliche Stellung der Wirtschaftsprüfer in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Er trat dann in die Steuerverwaltung des Landes Baden-Württemberg ein und war hier zuletzt als Regierungsrat beim Finanzamt Freiburg tätig. Anschließend war er von 1978 bis 1984 als Rechtsanwalt beim Landgericht Offenburg zugelassen.

Schäubles Wohnsitz ist die baden-württembergische Kleinstadt Gengenbach. Er ist evangelischen Glaubens und mit der Volkswirtin Ingeborg Schäuble, mit der er vier Kinder hat, verheiratet. Sein Bruder Thomas Schäuble war Innenminister des Landes Baden-Württemberg und ist seit 2004 Vorstand der Badischen Staatsbrauerei Rothaus. Seine Tochter Christine ist mit dem Bundestagsabgeordneten und baden-württembergischen CDU-Generalsekretär Thomas Strobl verheiratet.

Partei

1961 begann seine politische Laufbahn mit dem Eintritt in die Junge Union. Während des Studiums wurde er auch Vorsitzender des RCDS in Hamburg bzw. Freiburg. 1965 trat er dann auch in die CDU ein. Von 1969 bis 1972 war er Bezirksvorsitzender der Jungen Union Südbaden und von 1976 bis 1984 Vorsitzender des Bundesfachausschusses Sport der CDU.

Nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 wurde Schäuble Bundesvorsitzender der CDU. Im Zuge der CDU-Spendenaffäre musste er im Jahre 2000 seine Ämter als Partei- und Fraktionsvorsitzender niederlegen. Friedrich Merz wurde daraufhin zum neuen Fraktionsvorsitzenden und Angela Merkel zur neuen Parteivorsitzenden gewählt. Schäuble ist seither gewähltes Mitglied des CDU-Präsidiums und des CDU-Bundesvorstands.

Abgeordneter

Schäuble ist seit 1972 Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von 1981 bis 1984 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Im November 1991 wurde er zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Nach der Wahlniederlage der CDU/CSU 1998 war Schäuble somit auch Oppositionsführer im Deutschen Bundestag.

Auch von diesem Amt trat er im Februar 2000 im Zuge der CDU-Spendenaffäre zurück. Von Oktober 2002 bis November 2005 war er Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Wolfgang Schäuble wurde stets im Wahlkreis Offenburg direkt als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt. Zuletzt erreichte er bei der Bundestagswahl 2009 in seinem Wahlkreis 47,2 % der abgegebenen Erststimmen, nach 50,5 % bei der Bundestagswahl 2005.

Öffentliche Ämter

Wolfgang Schäuble (Mitte) als Bundesinnenminister bei einem Besuch beim Bundesamt für Zivilschutz, Juli 1989

Am 15. November 1984 wurde er als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen. In dieser Funktion war er auch mit der Vorbereitung des Staatsbesuches von Erich Honecker 1987 betraut.

Anlässlich einer Kabinettsumbildung wurde er dann am 21. April 1989 zum Bundesminister des Innern ernannt. Als solcher war er 1990 auch Verhandlungsführer der Bundesrepublik Deutschland für den Einigungsvertrag mit der DDR.

1997 erklärte Helmut Kohl, Schäuble sei sein Wunschkandidat für eine Nachfolge im Amt des Bundeskanzlers. Allerdings solle eine Amtsübergabe nicht vor 2002 stattfinden. Dies ergab sich nicht, da Kohl die Bundestagswahl 1998 verlor. Nach der Abwahl von Eberhard Diepgen als Regierender Bürgermeister von Berlin war Schäuble als Spitzenkandidat für die vorgezogenen Neuwahlen am 21. Oktober 2001 im Gespräch, wurde jedoch von der Berliner CDU zugunsten von Frank Steffel abgelehnt.

Die CSU und Teile der CDU wollten Schäuble Anfang März 2004 in Anbetracht seiner großen politischen Erfahrung zur Wahl des Bundespräsidenten vorschlagen.

Am 22. November 2005 wurde Schäuble als Bundesminister des Innern in die von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Bundesregierung berufen. Seine Berufung in dieses Amt wurde wegen seiner Beteiligung an der CDU-Spendenaffäre kritisiert.

Im Vorfeld der Neubesetzung der Europäischen Kommission im Herbst 2009 wurde Schäuble immer wieder als aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Nachfolgers des deutschen EU-Kommissars Günter Verheugen gehandelt.[1]

Stattdessen verblieb Schäuble aber nach der Bundestagswahl 2009 auch im zweiten Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wo er überraschend als Nachfolger von Peer Steinbrück (SPD) das Amt des Bundesfinanzministers übernahm.

Politische Positionen

Schäuble bei einem Vortrag an der Universität Basel (CH), 2008
Schäuble in der Schweiz, 2005

1991 engagierte sich Schäuble für die Verlegung des Regierungssitzes der Bundesrepublik nach Berlin; seine Rede gilt als ein entscheidender Wendepunkt der damaligen Bundestagsdebatte.

1999 initiierte Schäuble eine Unterschriftenaktion gegen die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts, der vor allem im hessischen Landtagswahlkampf 1999 eine entscheidende Rolle zugeschrieben wird. Die Kampagne stand unter dem Motto „Integration ja – Doppelte Staatsbürgerschaft nein“. Dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder warf er des Öfteren Gesichtslosigkeit vor, weil dieser die Menschenrechtsverletzungen, derer sich die russische Regierung bediene, kritiklos hinnehme.

Neben Tagespolitik beschäftigte Schäuble sich schon immer mit grundsätzlichen Fragen um die Zukunft von Staat und Gesellschaft in Deutschland und in Europa.

Anknüpfend an die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches fordert Schäuble Patriotismus und ein „gesundes Nationalgefühl“ bei der Rolle Deutschlands in Europa. „Deutschland hat als Land in der Mitte des Kontinents, das zeigt auch die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches, eine europäische Berufung.“

Neben dem Patriotismus wird von ihm auch ein Elitebewusstsein gefordert. Er hält Debatten zur deutschen Geschichte und Erinnerungskultur für oft von Politischer Korrektheit statt von Zivilcourage dominiert, und wertet diese als intolerante und undifferenzierte „verbale Keulenschläge“.[2]

Schäuble findet, trotz globalen Regierens und durch das Schengener Abkommen praktisch verschwundener Grenzen in Europa, die Bewahrung der nationalen Identität und heimatlichen Verwurzelung wichtig. So könnten die menschlichen Beziehungen in der heutigen globalisierten, durch Internet vernetzten und beschleunigten Welt tiefer bleiben, meint er, diese Zugehörigkeit verleihe auch der freiheitlichen Gesellschaft Stabilität.[3]

Im Nachbarland Schweiz fühlt sich Schäuble auch ein wenig zu Hause, vor allem wegen der Ähnlichkeit seines badischen Dialektes zu anderen alemannischen Mundarten. Da verbrachte er in seiner Jugend immer wieder Ferien und besuchte eine Tante in Luzern.[4] Sogar eine Festansprache[5] zum Schweizer Bundesfeiertag hielt er 2005 dort, ein seltenes Privileg für nicht in der Schweiz ansässige Politiker. Bei aller Schätzung der Schweiz betrachtet Schäuble deren direkte Demokratie als nicht übertragbar auf die Europäische Union, allerdings könne er sich EU-weite Volksabstimmungen mit einfacher Mehrheit der Stimmen – ohne Veto der einzelnen Länder – als Erweiterung der repräsentativen Demokratie der EU wohl vorstellen.

Im Dezember 2005 schlug Schäuble vor, Aussagen von Gefolterten bei der Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden zu verwenden.[6] Diese Auffassung Schäubles wurde nicht nur von den Oppositionsparteien FDP, Linkspartei.PDS und GRÜNE sowie vom Koalitionspartner SPD abgelehnt, sondern führte auch zur Kritik in den eigenen Reihen, so sprach sich der damalige CSU-Generalsekretär Markus Söder dagegen aus.

Um einen Einsatz der Bundeswehr für Sicherheitsaufgaben innerhalb der Landesgrenzen zu ermöglichen (unter anderem zum Zwecke des Abschusses von Zivilflugzeugen), spricht sich Schäuble für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes aus. Während Politiker der Unionsparteien diese Forderung unterstützen, wird sie von den meisten Politikern der übrigen Parteien abgelehnt. Den Abschuss von Zivilflugzeugen hält auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, für undenkbar.[7] Schäuble erwiderte darauf, Verfassungsrichter seien nicht demokratisch legitimiert, Ratschläge zu erteilen. Grundrechtlich geschützte Bereiche abzugrenzen, sei Sache des Gesetzgebers.[8]

Die im Autobahnmautgesetz vorgeschriebene strikte Zweckbindung der LKW-Mautdaten zu reinen Abrechnungszwecken soll nach dem Willen Schäubles durch eine entsprechende Gesetzesänderung aufgehoben werden, um so Sicherheitsbehörden die Nutzung zu Fahndungszwecken zu ermöglichen. Die Zweckbindung war während der Ausarbeitung des Autobahnmautgesetzes eine Forderung der CDU, die den Gesetzentwurf ohne diesen Passus ablehnen wollte. Die Forderung zur Aufhebung der Zweckbindung wird parteiübergreifend kontrovers diskutiert. So sprach sich zum Beispiel der damalige schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner für diese Möglichkeit aus.

Schäuble befürwortete vor dem EU-Parlament einen islamischen Religionsunterricht, stellte aber zugleich die These auf, „dass die Totalverschleierung eigentlich der europäischen Werteordnung widerspricht“.[9]

Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes, dass es für eine Online-Durchsuchung von Computern derzeit keine Rechtsgrundlage gibt, forderte Schäuble, um den rechtskonformen Einsatz des sogenannten Bundestrojaners zu ermöglichen, die Strafprozessordnung, das BKA-Gesetz, die Polizeigesetze der Länder sowie den Artikel 13 des Grundgesetzes, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert, entsprechend zu ändern.[10]

Anlässlich des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm entschied Schäuble in seiner Funktion als Innenminister, dass wie bereits während der Fußball-WM 2006 an den Schengen-Binnengrenzen der Bundesrepublik Deutschland vorübergehend Grenzkontrollen wieder aufgenommen werden konnten. Er begründete dies mit erhöhten Sicherheitsanforderungen für die Veranstaltungen des G8-Gipfels durch „gewaltbereite“ Globalisierungsgegner.[11] Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sowie während der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Basel und Wien befürwortete er die gleichen, vollen Befugnisse für die Gastbeamten bei der polizeilichen Zusammenarbeit von Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz unter der Einsatzleitung der einheimischen Organe.[3]

Schäuble bezweifelt, dass die in der Bundesrepublik praktizierte Kontrolle der Geheimdienste sinnvoll ist. Man erweise „der Freiheit einen Bärendienst“, wenn Geheimdienste anderer Länder die Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten wegen der parlamentarischen Kontrolle einschränkten. Weiterhin habe er „Schwierigkeiten damit“, dass ein Terrorist den gleichen Schutz durch das Grundgesetzes genießt wie jeder Bürger.[12] Gemäß Schäuble bezweckten die präventiven Maßnahmen zum Schutz der freiheitlichen Gesellschaft nicht die Einschränkung der Freiheit der Bürger, die Freiheit des einen höre nämlich dort auf, wo die Freiheit des anderen anfängt, argumentiert er. Die Prävention bleibe die einzige Schutzmöglichkeit vor Verbrechern, bei denen jegliche strafrechtliche Abschreckung wirkungslos sei. Schäuble wehrt sich empört gegen den Vergleich solcher Maßnahmen mit Stasimethoden, wer dies tue, meint er, interpretiere die Freiheit völlig falsch. Er sieht seine Äußerungen auch von Zahlen bestätigt, lediglich zehn optische Observierungen seien zum Beispiel letztes Jahr in ganz Deutschland aus präventivem Grund durchgeführt worden.[3]

Im November 2008 schlug Schäuble vor, Entscheidungen des Bundesrates auch mit einer relativen Mehrheit der abstimmenden Länder zustande kommen zu lassen, also Enthaltungen nicht mehr zu berücksichtigen. Der Vorschlag stieß bei der Opposition auf scharfe Ablehnung. Zum einen wären die kleineren Parteien durch eine solche Regelung benachteiligt, da sie als Mitglied einer Regierungskoalition bei Differenzen innerhalb derselben oft nur eine Stimmenthaltung im Bundesrat durchsetzen können. Zum anderen wurde Schäuble vorgeworfen, zur Durchsetzung seiner Vorstellungen von einer Novellierung des BKA-Gesetzes, deren Ablehnung durch den Bundesrat sich zu diesem Zeitpunkt abzeichnete, leichtfertig wichtige föderalistische Verfassungsprinzipien zur Disposition zu stellen. Politiker der Grünen forderten Schäubles Rücktritt. [13]

Im November 2009 verglich Schäuble das Ausmaß der Folgen der Finanzkrise ab 2007 mit denjenigen vom „Fall_der_Mauer“.[14]

CDU-Spendenaffäre

Hauptartikel: CDU-Spendenaffäre

Am 2. Dezember 1999 wurde Schäuble im Rahmen einer Sitzung des Deutschen Bundestages durch Zwischenrufe des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele auf seine Kontakte zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber angesprochen. Wolfgang Schäuble äußerte in öffentlicher Sitzung vor dem Deutschen Bundestag, er habe „irgendwann im Spätsommer oder im Frühherbst 1994“ bei „einem Gesprächsabend in einem Hotel in Bonn […] einen Herrn kennengelernt, der sich mir als ein Mann vorgestellt hat, der ein Unternehmen leitet. Ich habe später festgestellt, daß es dieser Herr Schreiber war. […] Auf der damaligen Veranstaltung bin ich Herrn Schreiber begegnet. Das war es.“[15]

Am 10. Januar 2000 räumte Schäuble ein, von dem inzwischen zur Verhaftung ausgeschriebenen Waffenhändler Karlheinz Schreiber im Jahre 1994 eine Bar-Spende von 100.000 D-Mark für die CDU entgegengenommen zu haben. Am 31. Januar 2000 gab er ein weiteres Treffen mit Schreiber im Jahr 1995 zu. Die Schatzmeisterei der CDU habe den Betrag als „sonstige Einnahme“ verbucht.

Schäuble behauptete, dass er das Geld in einem Briefumschlag von Schreiber in seinem Bonner Büro persönlich empfangen habe. Diesen Umschlag habe er „ungeöffnet und unverändert“ an Brigitte Baumeister weitergeleitet, später habe er erfahren, dass die Spende nicht „ordnungsgemäß behandelt worden“ sei. Die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister widersprach dieser Version Schäubles.

Anfang September 2000 entschuldigte sich Schäuble vor dem Bundestag gegenüber der deutschen Öffentlichkeit dafür, „dass unter der Verantwortung der CDU Gesetze gebrochen wurden“. Weiterhin entschuldigte er sich auch „beim“ Bundestag dafür, dass er im Dezember 1999 einen Teil der Wahrheit über seinen Kontakt zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber verschwiegen hatte.

Das Geld jedenfalls tauchte in keinem Rechenschaftsbericht der CDU auf. Am 13. April 2000 erklärte Schäuble vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre, die CDU-Führung und die Bundesregierung seien unter Helmut Kohl nicht bestechlich gewesen. Ein Ermittlungsverfahren gegen Schäuble wegen uneidlicher Falschaussage im Zusammenhang mit der fraglichen Spende wurde eingestellt, ebenso wie die Ermittlungen gegen Brigitte Baumeister. Die Berliner Staatsanwaltschaft konnte keine hinreichende Tatbestandsverwirklichung für eine Anklage feststellen. Nach den damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft sei aber davon auszugehen, dass die 100.000 D-Mark nur einmal gespendet wurden. Spekuliert wurde nämlich über die Frage, ob es womöglich zwei Mal 100.000 D-Mark von Schreiber gab: einmal als „unverfängliche“ Wahlkampf-Spende für die CDU, ein anderes Mal „unter der Hand“ als Bestechungsgeld für ein Rüstungsprojekt. Ungeklärt sind außerdem die Spekulationen, ob und gegebenenfalls inwiefern Schäuble seine Verbindungen ins Kanzleramt nutzte (was Schäuble stets vehement bestritten hat). Fraglich ist weiterhin, wo die 100.000 D-Mark verblieben sind.

Attentat und Behinderung

Am 12. Oktober 1990 wurde Schäuble bei einem Attentat während einer Wahlkampfveranstaltung in der Gaststätte „Brauerei Bruder“ in Oppenau von einem psychisch kranken Mann niedergeschossen. Der Attentäter feuerte drei Schüsse aus einem Revolver (Smith & Wesson, Kaliber .38) von hinten auf den damaligen Bundesinnenminister. Eine Kugel traf den Kiefer, eine das Rückenmark, und eine wurde durch den Leibwächter Klaus-Dieter Michalsky abgefangen, der die Folgen der Verletzung überlebte. Schäuble ist seit dem Attentat vom dritten Brustwirbel an abwärts gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen.

Der Angreifer, Dieter Kaufmann, litt an paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie (Verfolgungswahn) und wurde deshalb im folgenden Prozess für schuldunfähig befunden und in die forensische Psychiatrie eingewiesen.[16] Am 12. Oktober 1995, dem fünften Jahrestag des Attentats, entschuldigte sich Kaufmann brieflich bei seinem Opfer sowie auch öffentlich im Rundfunk.[17] Im Jahr 2004 wurde Kaufmann auf Probe in eine Wohngemeinschaft entlassen.[16] [18]

Schäuble ist mittlerweile Kuratoriumsmitglied in der Deutschen Stiftung Querschnittlähmung (DSQ) und Mitglied des Stiftungsrates beim Internationalen Forschungsinstitut für Paraplegiologie, Zürich.

Kritik

Datei:Stasi 2.0.JPG
Schäuble in der Kritik in Form eines Stasi 2.0-Stencil

Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde Schäuble in einem Interview vorgeworfen, den Unterschied zwischen Friedens- und Kriegsrecht verwischen zu wollen.[19] In diesem Zusammenhang kritisierte sie Schäuble für seine Pläne, die Bundeswehr im Innern einzusetzen.

Schäuble wird vorgeworfen, den Rechtsstaat in einen Überwachungs- bzw. Präventivstaat umwandeln und alle Grundrechte einem fiktiven Grundrecht auf Sicherheit unterordnen zu wollen.[20] Mittlerweile hat sich bezüglich Schäubles Sicherheitspolitik der Begriff Stasi 2.0 in Anlehnung an das Ministerium für Staatssicherheit der DDR und das Web 2.0 als neue Generation des Internets unter Datenschützern verbreitet.[21]

Juristische Fachverbände und Medien-Journalisten[22] sehen Deutschland unter Schäuble auf dem Weg vom Freiheits- und Rechtsstaat zum Präventivstaat. Man wirft dem Bundesinnenminister einen „Frontalangriff auf das Grundgesetz“ vor.[23] Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins kritisierte: „Die Sicherheitspolitik droht jedes Maß zu verlieren.“ Der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer erklärte: „Es werden Ängste in der Bevölkerung geschürt und instrumentalisiert, um eine gesellschaftliche Akzeptanz für weit reichende Kompetenzen der Sicherheitsbehörden zu schaffen.“ Schäuble opfere Grundrechte auf dem Altar vermeintlicher Sicherheitsinteressen. Kritiker werfen ihm in diesem Zusammenhang außerdem vor, Fahndungserfolge fälschlicherweise der Vorratsdatenspeicherung zuzurechnen, obwohl zu dem fraglichen Zeitpunkt überhaupt keine gesetzliche Grundlage zur Vorratsdatenspeicherung bestand.[24]
Am 11. Februar 2009 hackten Kritiker die Homepage von Schäuble und setzten einen Link zum Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.[25]

In einem Spiegel-Interview vom 7. Juli 2007 [26] sprach er sich für Internierungslager für sogenannte „Gefährder“ aus. Er regte auch an, eine Rechtsgrundlage für eine dem finalen Rettungsschuss entsprechende Regelung im Einsatz gegen Terroristen zu schaffen, um sich nicht auf den übergesetzlichen Notstand berufen zu müssen. Der daraufhin einsetzenden breiten Kritik, vor allem hinsichtlich der etwaigen gezielten Tötung von Terrorverdächtigen, hielt Schäuble entgegen, dass er keine Forderungen gestellt, sondern lediglich Fragen definiert habe [27]. Er wehrte sich auch gegen die Unterstellung, seine Vorschläge zum Kampf gegen Terror seien dadurch motiviert, dass er selbst Opfer eines Attentats und dadurch in seiner „politischen Urteilsbildung beschädigt“ sei [28]. Der Schleswig-Holsteinische Innenminister Ralf Stegner kritisierte Schäuble scharf mit den Worten, Terrorverdächtige umzubringen, sei „schlicht Auftragsmord“.[29]

Nach zahlreicher Kritik nahm Schäuble 2007 einen Gesetzentwurf seines Ministeriums zur Senkung des Mindestalters für den Waffenkauf zurück.[30]

Konrad Freiberg, der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, widersprach im September 2007 anlässlich einer Sonderkonferenz der Länderinnenminister der Meinung Schäubles, zum Schutz vor Terror brauche man Gesetzesänderungen. Zur Terrorabwehr, so Freiberg, seien nicht schärfere Gesetze nötig, sondern mehr Personal. Im Vergleich zu 2001 gebe es 10.000 Polizisten weniger in Deutschland[31].

Im Oktober 2009 wurde Schäuble der Negativpreis Big Brother Award für sein Lebenswerk verliehen. Die Jury kritisierte insbesondere Schäubles obsessive Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen.[32]

Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)

Funktionen in Vereinen, Verbänden und Stiftungen

Das Bundestagsabgeordnetenhandbuch (Onlineversion) für die 16. Wahlperiode mit den veröffentlichungspflichtigen Angaben nennt neben diesen Funktionen auch die Beteiligung an der Dr. Frieder Schäuble/Dr. Wolfgang Schäuble GbR, Leipzig im Abschnitt Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften[33].

Kabinette

Veröffentlichungen

Literatur

  • Werner Filmer, Heribert Schwan: Wolfgang Schäuble. Politik als Lebensaufgabe. Goldmann, München 1994. ISBN 3-442-12559-6
  • Ulrich Reitz: Wolfgang Schäuble. Die Biographie. Lübbe, Bergisch Gladbach 1996, ISBN 3-7857-0832-7. (Später als Taschenbuch: Bastei-Verlag, Bergisch Gladbach 1998, ISBN 3-404-61421-6)
  • Annika Kremer: Widerstand zwecklos? Schäuble & Co. vs. Grundgesetz. 1. Auflage. Aurel Verlag, Wegberg 2007, ISBN 3-938759-08-9
Commons: Wolfgang Schäuble – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikinews: Wolfgang Schäuble – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. vgl. EU-Kommissar: Schäuble „heißer Kandidat“, 11. Juni 2009, EurActiv.de; Stern: Schäuble nach Brüssel? „Frei erfunden“
  2. Zivilcourage vs. Political Correctness vom 26. September 2004
  3. a b c Vortrag von Wolfgang Schäuble «Global Governance und Grenzen nationaler Politik» mit Diskussion an der Universität Basel, Schweiz, 22. September 2008
  4. Wolfgang Schäuble – ein Deutscher in Europa, Neue Zürcher Zeitung, 15. Juli 1995
  5. Die Schweiz – eine Modell für Europa?, Rede von Schäuble in Samnaun, NZZ, 2. August 2005
  6. vgl. Anti-Terror-Kampf: Schäuble will Foltergeständnisse nutzen vom 16. Dezember 2005 bei Spiegel online
  7. Oberster Verfassungsrichter mahnt Schäuble bei spiegel.de vom 12. Januar 2008
  8. Schäuble greift Verfassungsrichter scharf an vom 20. Januar 2008 bei welt.de
  9. Der Standard: Schäuble: Totalverschleierung widerspricht europäischen Werten 25. Januar 2007
  10. Schäuble: Verfassungsänderung möglich Tagesschau vom 8. April 2007
  11. Bundesinnenministerium: Wiedereinführung von Grenzkontrollen aus Anlass des G8-Gipfels in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern Pressemitteilung vom 9. Mai 2007
  12. Süddeutsche Zeitung: Schäuble will weniger Kontrolle,30. Mai 2008
  13. Schäuble zum Streit ums BKA-Gesetz – Im Zweifel die Spielregeln ändern, tagesschau.de, 21. November 2008
  14. „Die Finanzkrise wird die Welt verändern wie der Mauerfall“ Interview in Bild am Sonntag
  15. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags zur Sitzung vom 2. Dezember 1999, gezippte Textdatei
  16. a b Schäuble Attentäter wird entlassen
  17. Schäuble-Attentäter bittet um Verzeihung
  18. Mir ist nicht wohl dabei – zur Entlassung des Attentäters
  19. Luftsicherheitsgesetz Süddeutsche Zeitung vom 2. Januar 2007
  20. Schäubles Anti-Terror-Kampf Süddeutsche Zeitung vom 2. April 2007
  21. Der Mann hinter der Schäublone taz vom 9. November 2007
  22. telepolis, 4. Oktober 2008: Schäubles Scheinargumente
  23. Sicherheitskatalog: Juristen werfen Schäuble Abkehr vom Rechtsstaat vor
  24. Schäuble sieht Gewaltkriminalität als Argument für Vorratsdatenspeicherung
  25. Wolfgang Schäuble Opfer von Hackern Augsburger Allgemeine vom 11. Februar 2009
  26. Schäuble für Internierung und Gezielte Tötung Spiegel-Interview vom 7. Juli 2007
  27. Financial Times Deutschland vom 10. Juli 2007
  28. n-tv vom 14. Juli 2007
  29. Spiegel Online vom 15. Juli 2007: Terrorabwehr: Alle gegen Schäuble – Rüffel von Köhler
  30. Spiegel Online vom 3. September 2007: Schäubles Waffenpatzer verwirrt Koalitionspartner
  31. Polizeigewerkschaft: Mehr Beamte, keine neuen Gesetze , sueddeutsche.de, 7. September 2007
  32. http://www.bigbrotherawards.de/2009/.life Laudatio für Schäuble
  33. Online-Abgeordnetenhandbuch: Dr. Wolfgang Schäuble