Friedensbewegung

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Als Friedensbewegung bezeichnet man eine vorwiegend in demokratischen Staaten auftretende soziale Bewegung, die bestimmte Kriege, Kriegsformen und Kriegsrüstung aktiv und organisatorisch verhindern und den Krieg als Mittel der Politik langfristig ausschließen will.

Überblick

Eine Friedensbewegung als massenhafte Opposition gegen Krieg und Kriegsrüstung entstand erstmals seit dem Krimkrieg in den 1850er Jahren. Von einer internationalen Friedensbewegung spricht man öffentlich seit etwa 1900. Dieser Begriff bezog sich auf jene europäischen Friedensgruppen, die seit 1815 mit dem Liberalismus als demokratische Reformbewegung in vielen europäischen Staaten und den USA entstanden waren. Vertreter solcher Gruppen bezeichneten sich seit 1901 als „Pazifisten“, so dass die Begriffe Pazifismus und Friedensbewegung seitdem oft synonym verwendet werden. Dabei wird der erste Begriff meist auf die geistigen Grundlagen und langfristigen Ziele, der zweite auf die jeweils aktuellen Organisationen, Methoden und Aktivitäten bezogen.[1] Oft lehnen Pazifisten auch den Verteidigungskrieg ab, während Friedensbewegungen alle Tendenzen zusammenfassen, die eine aktuelle Kriegsgefahr durch Entspannung und völkerrechtliche Abmachungen verringern wollen, ohne Selbstverteidigung und Rüstung prinzipiell abzulehnen. [2]

Seit etwa 1890 unterschied sich der in der Arbeiterbewegung entstandene Antimilitarismus sozialistischer Gruppen und Parteien von der „bürgerlichen“ Friedensbewegung, deren Ziele er weitgehend teilte. Im Ersten Weltkrieg gingen beide Lager in manchen zentraleuropäischen Staaten aufeinander zu, gewannen nach 1918 zeitweise eine Massenbasis, die sich etwa beim jährlichen Antikriegstag zeigte, und organisierten gemeinsame Aktionen gegen Aufrüstung, Wehrpflicht und Krieg.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Organisationen der deutschen Friedensbewegung verboten, ihre Vertreter vielfach inhaftiert und ermordet oder ausgebürgert. Außerdeutsche Friedensgruppen verloren aufgrund des Krieges gegen den Faschismus und Nationalsozialismus viele Anhänger und Einflussmöglichkeiten.

Seit der Aufrüstung der Vertragsstaaten von NATO und Warschauer Pakt mit Atomwaffen in den 1950er Jahren wuchs eine neue Friedensbewegung heran, die sich etwa mit den Ostermärschen eine jährliche Demonstrationsform schuf. In den 1960er Jahren kristallisierte sie sich im Rahmen der internationalen Opposition gegen den Vietnamkrieg und trat dann zeitweise zurück. Erst mit neuen Aufrüstungsschritten und -plänen der NATO ab 1979 entstand in einigen westlichen Staaten eine breite, länderübergreifende und auf Zustimmung großer Bevölkerungsteile gestützte Friedensbewegung, die als Nahziel die im Nato-Doppelbeschluss angekündigte Raketenstationierung verhindern, mittelfristig andere Sicherheitskonzepte und langfristig vollständige atomare Abrüstung durchsetzen wollte.

Seit den Interventionskriegen der 1990er Jahre trat von Fall zu Fall eine Antikriegsbewegung hervor, die jedoch nicht mehr die Massenbasis und den Organisationsgrad der 1980er Jahre erreichte. Gegen den Irakkrieg von 2003 zeigte sich erneut eine internationale Friedensbewegung, die sowohl seit 1890 und 1945 entstandene als auch neue Friedensorganisationen und viele nichtorganisierte Kriegsgegner umfasste.

Die Anfänge: Friedensgesellschaften

Seit den antinapoleonischen Kriegen entstanden in verschiedenen europäischen Staaten kleine Vereine von meist bürgerlichen Idealisten, die für Menschenrechte, soziale Verbesserungen, Freihandel, die Abschaffung der Sklaverei eintraten und – meist aus ethischen und religiösen Gründen – auch jede Militärgewalt ablehnten. Sie schlossen sich bald in einigen Staaten zu nationalen Friedensgesellschaften zusammen: so zur American Peace Society in New York City (1815), London Peace Society in Großbritannien (1816) und Genfer Friedensgesellschaft in der Schweiz (1830).

Während die angloamerikanischen Friedensgesellschaften sich vor allem auf das christliche Gewissen bezogen, beriefen sich die kontinentaleuropäischen Gruppen auf die Ideale der französischen Revolution und waren oft Freidenker. Sie hatten anfangs nur wenige Mitglieder, meist aus mittelständischen Bevölkerungsschichten. Mit dem Erstarken des Liberalismus wuchsen diese Gruppen und veranstalteten gemeinsame internationale Kongresse, so 1843 in London, 1848 in Paris und 1850 in Frankfurt am Main.

Hauptziel dieser Zusammenkünfte war die Kodifizierung eines Völkerrechts und Schaffung eines überstaatlichen Schiedsgerichts, um Kriege und bewaffnete Konflikte zu vermeiden. 1849 gelangte mit der Anti-Corn-Law Association von Richard Cobden erstmals eine pazifistische Partei in ein Parlament. Sie bildete mit friedensbewegten Parlamentariern anderer Staaten bald darauf eine Interparlamentarische Union.

Die Kriegsberichterstattung im Krimkrieg 1850 machte mit der neu erfundenen Fotografie in englischen Tageszeitungen die verheerende Wirkung der Artillerie öffentlich bewusst. Die Technisierung in modernen Kriegen forderte immer mehr auch zivile Opfer. Proteste gegen die katastrophalen Lebensbedingungen der Soldaten und der Einsatz von Florence Nightingale führten zu humanitären Erleichterungen für das britische Heer. Kriegserfahrungen in Italien veranlassten den Schweizer Henry Dunant 1863 zur Gründung des Roten Kreuzes. Mit der 1864 abgeschlossenen ersten Genfer Konvention gelang die erste internationale Vereinbarung des modernen Völkerrechts.

1867 wurde von Frédéric Passy die Internationale Friedensliga gegründet.

1869 bildete sich in Deutschland als erste pazifistische Gruppe die Gesellschaft für Friedensfreunde. Sie war wie die übrigen europäischen Friedensgesellschaften zunächst ganz auf die rechtliche Begrenzung und Verkürzung der Nationalkriege und die Milderung der Kriegsfolgen durch Eingaben an die Regierungen, aber noch kaum auf politisch unabhängige Parteibildung und Kriegsdienstverweigerung ausgerichtet.

Friedenskonferenzen und erste Völkerrechtsverträge vor 1914

1891 trafen sich auf Initiative von Elihu Berrit (1810–1879) europäische Pazifisten in Rom bei der Dritten Weltfriedenskonferenz. Dort bildete eine Gruppe gebildeter und politisch engagierter Europäer das Internationale Friedensbüro mit Sitz in Bern. Seine Aufgabe war die Vorbereitung künftiger internationaler Friedenskonferenzen. Führend darin waren unter anderen:

Im Jahr darauf erschien Bertha von Suttners Roman Die Waffen nieder, der in der völlig militarisierten Gesellschaft des Kaiserreichs breitere Schichten für die Problematik von Krieg und Frieden sensibilisierte. Sie gründete nach der Österreichischen Friedensgesellschaft mit Fried zusammen 1892 in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft, die älteste noch bestehende deutsche Vereinigung von Kriegsgegnern.

Beiden Gründern wurde 1905 der Friedensnobelpreis zuerkannt, den Alfred Nobel, ein mit von Suttner befreundeter Wissenschaftler, zuvor gestiftet hatte. Auch Dunant und das Berner Friedensbüro erhielten später diesen Preis.

Aufgrund der Initiativen dieser Gruppen kam es 1899 zur ersten internationalen Haager Friedenskonferenz, auf der mit der Haager Landkriegsordnung Grundregeln der Kriegführung verabschiedet wurden, die bahnbrechende Prinzipien des modernen Völkerrechts festlegten. Auf der Basis der Unterscheidung von Zivilisten und Kombattanten (Militär) formulierte Artikel 22:

Die Staaten haben kein unbegrenztes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.

Damit war erstmals eine rechtliche Handhabe zur internationalen Ächtung von Massenvernichtungsmitteln gegeben. Zudem sollte die Einrichtung des Haager Schiedsgerichtshofs die Schlichtung von Konflikten zwischen Staaten ermöglichen.

Das Deutsche Reich verweigerte jedoch die in Haag vereinbarte Abrüstung und lehnte das Schiedsgericht ab, so dass seit 1908 das Wettrüsten im Flottenbau zwischen Deutschland und Großbritannien noch forciert wurde. Der auf Begrenzung der Kriegsmittel und Kriegführung ausgerichtete Vertragspazifismus scheiterte folglich am Problem des – besonders deutschen – Imperialismus.

Zweite Internationale

Auch die damals vornehmlich marxistisch orientierte Arbeiterbewegung und die Sozialdemokratie des 19. Jahrhunderts lehnten den Krieg ab. Für sie verlief eine Front nicht zwischen Staaten und Nationen, sondern zwischen den sozialen Klassen in allen Nationen. Ihr Anliegen war es daher, die Arbeiter aller Länder zum Kampf gegen den Kapitalismus und die darin herrschende Klasse der Bourgeoisie zu vereinen (Internationalismus), um so der profitorientierten Kriegswirtschaft nachhaltig den Boden zu entziehen. Ihre handlungsleitende Parole stammte aus dem Kommunistischen Manifest von 1848, verfasst von Karl Marx und Friedrich Engels:

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Demgemäß vereinbarte die 1889 gegründete II. Sozialistische Internationale, ein Zusammenschluss von Arbeiteroganisationen und -parteien mit weltweitem Anspruch aus zunächst 20 Staaten, gemeinsame Aktionen gegen einen Krieg ihrer Regierungen, darunter seit dem Kongress von Paris 1912 den Generalstreik im Falle eines Kriegsausbruchs zwischen den europäischen Hegemonialmächten, besonders Deutschland und Frankreich.

Erster Weltkrieg

Pazifisten

Die deutschen Friedensorganisationen wurden vom Ersten Weltkrieg überrascht und waren zunächst weitgehend rat- und tatenlos. Sie besaßen zum einen kaum verlässliche Informationen über die tatsächliche Außenpolitik unter Wilhelm II., hatten an die kriegsverhindernde Macht internationaler Verträge und Verflechtungen geglaubt und stellten das nationale Selbstverteidigungsrecht nicht in Frage. Im Glauben, andere Staaten hätten Deutschland einen Verteidigungskrieg aufgezwungen, betonte der Vorstand der DFG am 15. August 1914 das Recht dazu. Zugleich trat er nationalistischem Rausch und Propagandalügen entgegen und versprach, seine Auslandskontakte zu Aufklärung über die Kriegsursachen und zum Aufbau eines dauerhaften Friedens mit anderen Ländern zu nutzen. Im ersten Kriegswinter organisierten viele Ortsgruppen der DFG humanitäre Hilfen für vom Krieg betroffene Gebiete, etwa die Ostpreußenhilfe, und Rechtsberatung für Flüchtlinge. Demgegenüber befürworteten viele Mitglieder des Verbandes für internationale Verständigung nun den Krieg als nationale Aufgabe.[3]

Im November 1914 gründete sich der Bund Neues Vaterland mit dem Satzungsziel, friedlichen Wettbewerb, Völkerverständigung und überstaatliche Zusammenschlüsse zu fördern. Dazu dürften nicht länger „einige Wenige über Wohl und Wehe von hunderten Millionen Menschen“ entscheiden. Innen- und Außenpolitik müssten zur Deckung gebracht werden. In internen Rundschreiben forderte der Bund dazu parlamentarische Kontrolle der Reichsregierung, Gleichberechtigung aller Parteien, soziale Reformen und allgemeine Bildung als Bedingung für engere Zusammenarbeit der europäischen Staaten. Damit gab er das bisherige Prinzip der Friedensgesellschaften, sich nicht in innere Belange fremder Staaten einzumischen, auf und näherte sich dem SPD-Programm an. Daraufhin traten SPD-Politiker wie Kurt Eisner, Eduard Bernstein und Rudolf Breitscheid, aber auch der DFG-Vorsitzende Ludwig Quidde, der Soziologe Ferdinand Tönnies, der Schriftsteller Gustav Landauer und andere dem Bund bei. Auch Albert Einstein gehörte zu den Mitgliedern.

Der Bund hielt daran fest, das Deutsche Reich führe nur einen berechtigten Verteidigungskrieg, um so auch die Regierung und nationalistische Gruppen beeinflussen zu können. Das Auswärtige Amt erlaubte einigen Bundvertretern die Teilnahme an einer Friedenskonferenz im April 1915 in Den Haag, um indirekt Verhandlungsmöglichkeiten mit Feindstaaten zu sondieren. Die Konferenz beschloss ein Mindestprogramm für eine künftige Friedensordnung: Es schloss Gebietsveränderungen jeder Seite ohne Bevölkerungszustimmung aus, forderte gemeinsame Garantien für Rechtsgleichheit, Religionsfreiheit und Sprachfreiheit, einen friedlichen Staatenbund, einen internationalen Gerichtshof, gemeinsame Sanktionen für kriegerische Staaten und internationale Abrüstungsverträge. Nach der Konferenz versuchte der Bund mit Eingaben und „Denkschriften“ etwa die Annexion Belgiens, französischer Erz- und Kohlegebiete und russischer Gebiete, die der Alldeutsche Verband am 20. Mai 1915 forderte, abzuwehren und einen vorzeitigen Verhandlungsfrieden im Sinne der Haager Konferenzen zu erreichen. Gespräche dazu fanden u.a. mit Kurt Riezler, dem engsten Kanzlerberater, statt. Die Schriften des Bundes wurden jedoch beschlagnahmt und verboten, einige seiner Mitglieder inhaftiert.

Sozialisten

Die SPD-Fraktion im Reichstag hatte am 4. August 1914 entgegen ihrem Programm und ihren verbindlichen internationalen Zusagen geschlossen für die Kriegskredite und einen Burgfrieden gestimmt. Daran zerbrach die Zweite Internationale: Denn nun bejahten auch die Sozialisten Frankreichs die Kriegserklärung ihres Landes. Als einer von wenigen stellte sich dort der sozialistische Pazifist Jean Jaurès öffentlich dagegen; er wurde unmittelbar vor Kriegsbeginn von einem französischen Nationalisten in Paris ermordet. In der SPD wandte sich der Partei- und Fraktionsvorsitzende Hugo Haase gegen den Krieg, fand aber keine Mehrheit.

Die wenigen Kriegsgegner in der SPD formierten sich zunächst in der am 5. August gegründeten Gruppe Internationale, aus der 1915 die illegale Spartakusgruppe und 1918 der Spartakusbund hervorgingen. Sie strebten eine sozialistische Revolution an, die auch künftige Kriege wirksam verhindern sollte. Karl Liebknecht (Dezember 1914) und Otto Rühle (Januar 1915) lehnten als erste SPD-Abgeordnete im Reichstag weitere Kriegskredite ab.

Ab 1916 lehnten immer mehr SPD-Mitglieder, die den Krieg zuerst bejaht hatten, seine Fortsetzung ab, darunter Hugo Haase, Kurt Eisner, Heinrich Ströbel und Rudolf Breitscheid. Sie plädierten wegen der Distanzierung der DFG von den Kriegszielen der kaiserlichen Regierung auch für eine ideologische Annäherung von Pazifismus und Sozialismus. Der Vorwärts erkannte die „Standhaftigkeit“ der „bürgerlichen“ Pazifisten in einem Artikel am 14. Juli 1916 selbstkritisch an. 1916/17 lehnten 19 SPD-Abgeordnete weitere Kriegskredite ab und wurden daraufhin aus der SPD ausgeschlossen. Sie gründeten im April 1917 unter Führung Hugo Haases die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), der sich die Spartakusgruppe anschloss. Die USPD wollte das baldige Kriegsende durch den Sturz der kaiserlichen Regierung und der Monarchie erreichen, während die MSPD weiterhin auf Frieden durch Verhandlungen und Kompromisse mit der Obersten Heeresleitung setzte.

Novemberrevolution

Mit dem Januarstreik der Munitionsarbeiter in den Berliner Rüstungsbetrieben im Januar 1918 wuchs eine von beiden sozialistischen Parteien unabhängige Rätebewegung, geführt von den Revolutionären Obleuten. Sie strebten eine Räterepublik nach dem Vorbild der Oktoberrevolution in Russland an. Die spontane Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten während des Kieler Matrosenaufstands vom 3. November 1918 löste dann auch die Novemberrevolution aus, in deren weiterem Verlauf sich am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründete. Deren Hauptgründer, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, wurden jedoch am 15. Januar von reaktionären Freikorps ermordet. Auch die übrigen Versuche einer sozialistischen Räterepublik in Deutschland ließ Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) bis Juni 1919 militärisch niederschlagen. Damit war die 1918 wiedererstarkte sozialistische Friedensbewegung, die das Kriegsende mit erzwingen konnte, nachhaltig zerschlagen.

Weimarer Republik

Nach der Novemberrevolution 1918 rückten liberale Pazifisten und sozialistische Antimilitaristen stärker aufeinander zu. Die Friedensbewegung der Weimarer Republik konzentrierte sich vor allem im Linksliberalismus, unter ehemaligen Soldaten des Ersten Weltkriegs und in Kunst und Kultur. Bekannte Beispiele dafür waren:

  • der Schriftsteller Ernst Toller. Er trat die Nachfolge des ermordeten Kurt Eisner als Münchner USPD-Vorsitzender an und wurde Regierungsmitglied der Münchner Räterepublik von 1919. Er leitete zeitweise entgegen seinem antimilitaristischen Selbstverständnis neben Rudolf Egelhofer (KPD) deren „Rote Armee“. Diesen Konflikt zwischen pazifistischer Einstellung und notwendiger militärischer Verteidigung sozialer Errungenschaften verarbeitete er später in seinem Theaterstück „Masse Mensch“.
  • Die Journalisten Siegfried Jacobsohn und Carl von Ossietzky gründeten und entwickelten die politische Wochenschrift Die Weltbühne zu einem pazifistisch-kritischen Organ, in dem auch Kurt Tucholsky Artikel gegen reaktionäre gesellschaftliche Tendenzen wie den Militarismus schrieb.
  • Tucholsky und Ossietzky gründeten im Oktober 1919 zusammen mit dem Redakteur der Berliner Volkszeitung, Karl Vetter, den Friedensbund der Kriegsteilnehmer (FdK). Dessen Leitung konstituierte im Juli 1920 den Aktionsausschuss "Nie wieder Krieg", der in den Folgejahren große Massendemonstrationen mit bis 1926 steigenden Teilnehmerzahlen am damaligen Antikriegstag, dem 1. August (Beginn des Ersten Weltkriegs) organisierte.
  • Schriftsteller wie Erich Mühsam, Karl Kraus, Erich Kästner, Bertolt Brecht warnten in ihren Schriften vor neuen Kriegen.
  • Bildende Künstler wie Käthe Kollwitz, Otto Dix, John Heartfield setzten sich mit ihren Kunstformen für den Frieden und gegen reaktionäre und militaristische Tendenzen ein.
  • Erich Maria Remarque schrieb seinen viel beachteten Antikriegsroman Im Westen nichts Neues, der den Frontalltag aus Sicht Betroffener ohne ideologische Absichten beschrieb.
  • Der Anarchopazifist Ernst Friedrich dokumentierte 1924 mit dem Buch Krieg dem Kriege fotografisch schwerste Kriegsverletzungen und mahnte in einem viersprachigen Aufruf an die „Menschen aller Länder“ den Einsatz der Völker gegen den Krieg an. Mit derselben Intention eröffnete er 1925 in Berlin das „Antikriegsmuseum“.

Journalisten, die auf die Einhaltung des Versailler Vertrages pochten, wurden von Weimarer Gerichten, die vielfach mit Justizbeamten aus der Kaiserzeit besetzt waren, oft wegen Landesverrats angeklagt und verurteilt. Im spektakulären Weltbühne-Prozess z. B. wurden Ossietzky und Walter Kreiser wegen Landesverrat und Verrat militärischer Geheimnisse im November 1931 vom IV. Strafsenat des Reichsgerichts in Leipzig zu je 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Vertragspazifismus gewann seit dem 14-Punkte-Programm von US-Präsident Thomas Woodrow Wilson 1918 zunächst Auftrieb: In der Folge wurde 1919 der Völkerbund gegründet und auf der Friedenskonferenz von Versailles angenommen. Obwohl die USA ihm nie und die Sowjetunion erst seit 1934 angehörten, gelang ihm anfangs die Entschärfung einiger kleinerer Konflikte. In die Ruhrbesetzung 1923, den Spanischen Bürgerkrieg 1936 und die Sudetenkrise 1938 griff er jedoch nicht ein. Auch Japans Besetzung der Mandschurei im Nordosten Chinas 1931 und Japans Angriff auf das übrige China 1937 sowie Italiens Angriff auf Abessinien 1935 zeigten die Ohnmacht des Völkerbunds. Der Vertragspazifismus scheiterte seit 1933 vor allem an Adolf Hitlers Erpressungs-, Besetzungs- und Angriffspolitik.

Zeit des Nationalsozialismus

Für den Nationalsozialismus galt die Friedensbewegung als Ableger des Weltjudentums und Helfer des Erzfeindes Frankreich, die die nationale Selbstbehauptung und das germanische Heldentum durch intellektuelle „Gehirnerweichung“ untergraben und zerstören wolle. Der von nationalistischen Verbänden und der SA 1923 gebildete Vaterländische Kampfbund erklärte den Pazifismus neben Marxismus und Judentum zum Hauptfeind.

Diese Sicht vertrat vor allem Alfred Rosenberg, Redakteur des Völkischen Beobachters seit 1921. Er sah den „jüdischen Pazifismus“ besonders durch Albert Einstein, Erich Fried, Friedrich Wilhelm Foerster, Hellmut von Gerlach, George Grosz, Georg Moenius und Kurt Tucholsky verkörpert. Er verunglimpfte diese Personen etwa als „Sittlichkeitsfanatiker“, Vertreter der „Kriegsschuldlüge“ und „erfolgreiche Beschmutzer des deutschen Volkes“ fortlaufend in seinen Artikeln und drohte ihnen Gewalt an. Er kritisierte auch die Annäherung zwischen Kirchen, christlichen Pazifisten und Völkerbund, etwa bei der 3. Bodenseekonferenz katholischer Politiker 1923 oder den ökumenischen Kongressen in Stockholm 1927 und Prag 1928, als Verrat am „deutschen Gewissen und deutschen Interesse“.[4]

Adolf Hitler nannte den Pazifismus im ersten Band seiner Autobigrafie Mein Kampf 1924 eine „Humanitätsduselei“, die eigentlich widernatürlich und kriminell sei, da sie gemeinsame Humanität über die natürliche Gliederung der Menschheit in höhere und niedere Rassen stelle. Er begriff „Humanität“ als „Ausdruck einer Mischung von Dummheit, Feigheit und eingebildetem Besserwissen“.[5]

Bis 1929 nahmen die pazifistischen Organisationen die NSDAP kaum Ernst. Nur einzelne DFG-Mitglieder wie Erich Zeigner warnten vor ihrem Aufstieg. Doch nach der Reichstagswahl vom 14. September 1930, bei der die NSDAP zweitstärkste Partei wurde, rief Fritz Küster als Vorsitzender der DFG alle Pazifisten und ihre Organisationen zum bedingungslosen Kampf gegen „Revanchegeist, Faschismus und Krieg“ und zur „Aufklärung über das wahre Gesicht des Hitlertums“ auf. Die DFG machte die Uneinigkeit von SPD und KPD für den Wahlerfolg der Nationalsozialisten verantwortlich und stellte nun fortlaufend deren Rüstungs-, Kriegs- und Diktatur-Absichten heraus. Küsters westdeutscher Landesverband organisierte Gegenkundgebungen zu NSDAP-Versammlungen, auch in Ostdeutschland, und wehrte Störaktionen der SA gegen Pazifistentreffen zum Teil erfolgreich ab.[6]

Ab 1931 richteten sich DFG und Friedensbund Deutscher Katholiken auf künftige illegale Arbeit ein. Die DFG forderte einen Generalstreik, Sabotage und einen internationalen Handelsboykott im Falle einer Machtübernahme der NSDAP, eine parteiübergreifende Abwehrfront gegen diese und benannte die Hindernisse dafür: die Sowjethörigkeit, das Sozialfaschismus-Dogma und die unrealistische Opposition der KPD gegen den Versailler Vertrag, die Zusammenarbeit der SPD mit bürgerlichen Kräften, deren Unterschätzung Hitlers und Bereitschaft, diesen an der Regierungsmacht zu beteiligen. Ossietzky sah in Hitler jedoch ein Instrument für kapitalistische Interessen und teilte die damals unter Demokraten verbreitete Annahme, seine Machtbeteiligung werde die NSDAP eher schwächen und entzaubern, sei also vorübergehend. Dagegen rechneten Ernst Toller und Walter Dirks mit einer Diktatur und baldigem Krieg Hitlers gegen Polen und Russland, der dann nur noch militärisch von außen entmachtet werden könne. 1932 warnte die DFG-Zeitschrift Das Andere Deutschland:[7]

Dieser Faschismus ist nicht nur der Tod der Demokratie, sondern auch der fanatische Entfacher des neuen Weltkrieges. Wer seine Gefahr unterschätzt, wer sich gar zum Hehler der nationalsozialistischen Weltbedrohung entwürdigt, macht sich zum Mitschuldigen des neuen Weltkrieges!

Nach Hitlers Amtsantritt als Reichskanzler am 30. Januar 1933 riefen die DFG und ihre Zeitung nochmals zur Bildung einer Einheitsfront aller Antifaschisten auf. Mitglieder klebten im Februar 1933 illegale Plakate dafür. Am 10. Februar schrieb Heinrich Ströbel in der letzten Nummer des Anderen Deutschland:[8]

[…] Wir haben vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß die Grundursachen des ganzen Unglücks unserer Zeit aufgedeckt und beseitigt werden.
Die Grundursachen aber bestanden in jenem Gewaltgeist, der den Krieg entfesselte. In der erschauernden Ehrfurcht vor dem Götzen des Nationalismus. In der sträflichen Gedankenlosigkeit, in der man den Begriff „Patriotismus“ akzeptierte und weitergab, statt zu prüfen und zu erklären: nur derjenige liebt sein Vaterland, nützt seinen Mitbürgern, der sich niemals gegen andere Länder und Mitmenschen verhetzen läßt, sondern mithilft, alle wirtschaftlichen, politischen und geistigen Grenzsperren niederzureißen, damit das Reich der Vernunft, Gerechtigkeit und Güte endlich aufgebaut wird!

Am 20. Februar trafen sich einige DFG-Führungspersonen in Berlin und berieten, ob sie noch weiterkämpfen oder ihr Leben durch Flucht aus Deutschland retten sollten. Gerlach, Küster und Ossietzky wollten die Reichstagswahl vom 5. März abwarten, Otto Lehmann-Rußbüldt dagegen ins Exil gehen.[9]

Nach dem Reichstagsbrand verbot das NS-Regime am 28. Februar 1933 neben der KPD auch die DFG und die ihr nahestehende Christlich-Soziale Reichspartei. Am 3. März wurde die DFG-Zeitung Das Andere Deutschland verboten, am 5. März das DFG-Büro geschlossen, die dortigen Akten beschlagnahmt, die Führungspersonen inhaftiert und in KZs interniert: darunter Küster, Ossietzky, Gerhart Seger, Kurt Hiller und Paul von Schoenaich. Ins Ausland flohen u.a. Harry Graf Kessler, Otto Lehmann-Rußbüldt, Ludwig Quidde, Helene Stöcker, Anna Siemsen.

Der Friedensbund deutscher Katholiken wurde zunächst verschont, da die NSDAP noch auf Unterstützung der katholischen Zentrumspartei angewiesen war und ihre Verhandlungen um das Reichskonkordat nicht gefährden wollte. Am 1. Juli wurde auch der Friedensbund, der die Zustimmung der Zentrumspartei zum Ermächtigungsgesetz scharf kritisiert hatte, neben anderen katholischen Verbänden verboten. Seine Mitglieder Friedrich Dessauer, Walter Dirks, Josef Knecht, P. Lenz, F. Müller und Franziskus Maria Stratmann wurden verhaftet. Lenz und Müller konnten nach der Haft ins Ausland fliehen, andere wie Bernhard Lichtenberg starben an Misshandlungen in der Haft oder wurden wie Richard Kuenzer als Widerständler hingerichtet. Die deutschen katholischen Bischöfe unterstützten die katholischen Pazifisten trotz eindringlicher Bittschreiben von Friedensbundmitgliedern nicht.[10]

Bei der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 waren vor allem Werke von Pazifisten der Weimarer Zeit betroffen. Joseph Goebbels verhöhnte sie als „Unrat und Schmutz jüdischer Asphaltliteraten“, die „die nationale Wehrhaftigkeit und die Ehre des deutschen Volkes ungestraft mit Füßen treten durften“. 1940 schrieb Meyers Lexikon zum Stichwort Pazifismus: [Er] führt besonders infolge der internationalen Zusammenarbeit leicht zum Vaterlandsverrat; zum die Anhänger des Pazifismus in Deutschland (Pazifisten) waren meist Landesverräter.[11]

Am 23. August 1933 bürgerte das NS-Regime neben emigrierten KPD- und SPD-Mitgliedern auch Führungspersonen der deutschen Friedensbewegung aus, darunter Gerlach, Tucholsky, Emil Julius Gumbel, Berthold Jacob, Lehman-Rußbüldt, später auch Foerster, Hiller, Quidde. Frau und Tochter Gerhart Segers, dem 1934 die Flucht nach Prag gelungen war, wurden in „Schutzhaft“ genommen; die intensiven Proteste Großbritanniens veranlassten die deutschen Behörden dann jedoch, beide ausreisen zu lassen. Die Gestapo entführte den Pazifisten Berthold Jacob am 9. März 1935 aus der Schweiz, um seine Berichte über heimliche deutsche Aufrüstung im Vorfeld ihrer neu eingeführten Wehrpflicht zu verhindern. Nach einem Schweizer Auslieferungsanntrag wurde er freigelassen, 1941 jedoch aus Portugal erneut entführt und 1944 im KZ ermordet.[12]

Emigrierte und ausgebürgerte Pazifisten protestierten 1935 gegen die wiedereingeführte Wehrpflicht. Die deutsche Exilbewegung erreichte 1936, das dem jahrelang in KZs inhaftierten Ossietzky der Friedensnobelpreis für 1935 zuerkannt wurde. Damit wurde der Terror gegen Andersdenkende unter dem NS-Regime weltweit publik.

Nach Beginn des Polenfeldzugs rief Fritz von Unruh stellvertretend für alle inhaftierten oder exilierten Pazifisten am 4. September 1939 mit einem von französischen Fliegern in Polen abgeworfenen Flugblatt alle deutschen Soldaten zur Befehlsverweigerung und zum Aufstand gegen das NS-Regime auf:[13]

Der Hitlerkrieg wurde von einer Handvoll politischer Abenteuerer in Berlin entfesselt. Dieser Krieg wird gegen unser Volk geführt. [...]
Kameraden! Das Hitlersystem ist nicht die Knochen eines einzigen deutschen Soldaten wert. Denkt an die Leiden und Schrecken seit 1933, gedenkt der Verfolgten, Eingekerkerten, Erschlagenen und heimlich Ermordeten.
Die Stunde der Abrechnung ist gekommen! Sagt euch los von den Brandstiftern und Tyrannen. Fallt den Kriegstreibern in die Arme. Bekennt euch zu unserem Volke und zu Deutschland. Verbrüdert euch mit denen, die wie wir für die Freiheit kämpfen.

Innerhalb Deutschlands versuchten vor allem SPD- und KPD-Anhänger im Untergrund gegen den Krieg zu arbeiten. Aktive Kriegsdienstverweigerer gab es bei den Zeugen Jehovas und einigen Religiösen Sozialisten wie Günther Dehn und Georg Fritze.

Friedensbewegungen im Rahmen des Kalten Krieges

Von den 50er bis zu den 80er-Jahren entstanden in verschiedenen Ländern immer wieder mitunter starke Friedensbewegungen und Friedensaktivitäten. Diese waren in ihrer Intensität meist an besondere Ereignisse und Themen (wie z.B. die Atomtests der 50er-Jahre, die Wiedebewaffnung der BRD, den Vietnamkrieg, oder den Nachrüstungsbeschluss der Nato in den 80er-Jahren) gebunden, und wechselten mit Zeiten in denen die Aktivitäten der Friedensbewegungen geringer waren und weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen. Die spezifische Geschichte, Bedrohungslage, und Mentalität in einzelnen Länder führte dabei auch zu verschiedenen Organisations- und Protestformen der jeweils nationalen Friedensbewegungen.

Großbritannien

1955 und 1956 nahmen die Atomtest der Großmächte stark zu und bewirkten eine verstärkte Sorge über radioaktive Gefährdung in der britischen Bevölkerung. Die Bewegung zur nuklearen Abrüstung der 50er und 60er-Jahren in Großbritannien war in der Folge eine der größten außerparlamentarischen Bewegungen in der modernen Geschichte des Landes. Eine zentrale Wurzel des Nuclear Disarmment Movements war radikaler Pazifismus und zu einem geringeren Teil die außerparlamentarische Linke. [14]

Der erste Anstoß zur Bewegung kam allerdings 1957 mit dem Hydrogen Bomb Campaign Committee von Seite der parlamentarischen Labour-Partei. Im Jahre 1957 entstanden auch viele andere kleinere Protestbewegungen gegen Atomwaffen und Atomwaffentests außerhalb von Labour. Das Direct Action Committee hatte seine Wurzeln hauptsächlich im Pazifismus. Es organisierte auch den ersten der sogenannten Aldermaston Märsche 1958. Das National Council for the Abolition of Nuclear Weapons Tests war dann der Vorgänger des CND. [15]

Frankreich

In Frankreich gab es keine anderen, westuropäischen Gesellschaften vergleichbare Friedensbewegung, sondern nur Ansätze autonomer Friedensbewegungen. Die Schwäche von Friedensbewegungen in Frankreich hat mehrere Ursachen: Sie werden hier nur sehr schwach von institutionellen Kräften wie Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen wie in Italien unterstützt, bzw. es fehlt ein relativ entfaltetes Netz sozialer Bewegungen wie in Deutschland. Hinzu kommen die Tatsachen, dass die französischen Sozialisten im Gegensatz zu anderen europäischen Linksparteien die Nachrüstung befürworteten, Frankreich massive materielle Interessen an der Aufrechterhaltung von Rüstungsproduktion hat, die Medien dem Thema weniger Aufmerksamkeit schenken, und das Image der Friedensbewegung als "kommunistisch gesteuert" und "Geist von München" immer noch virulent ist. [16] Französische Friedensbewegungen sind Coordination française pour la Décennie pour la culture de la non-violence et de la paix, Mouvement pour une alternative non-violente (MAN), und die Union pacifiste de France.

Kampf gegen die deutsche Wieder- und Atombewaffnung ab 1950

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in der Bundesrepublik immer wieder zu größeren Wellen der Friedensbewegung, große Menschenmengen wurden dabei mobilisiert. Erste große Aktionen der Friedensbewegung richteten sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Anfang der 1950er Jahre ("Ohne mich-Bewegung"). Sie wurde getragen von Gewerkschaften, Intellektuellen, christlichen und Frauengruppen (insbesondere der Westdeutschen Frauenfriedensbewegung). Beteiligt an der Friedensbewegung dieser Zeit war auch die KPD, die 1956 verboten wurde.

Als bekannter Politiker trat der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann aufgrund der Wiederbewaffnungspläne 1950 aus dem Kabinett Adenauer zurück und verließ 1952 auch die CDU. 1957 trat er in die SPD ein.

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wurden von der Bewegung "Kampf dem Atomtod" eine Serie von Massendemonstrationen gegen eine atomare Bewaffnung veranstaltet. Es fanden die bis heute andauernden Ostermärsche statt, ursprünglich entstanden als Protestform gegen die von der Bundesregierung seit dem Frühjahr 1956 verkündeten Pläne, die Bundeswehr mit Trägerwaffen für atomare Sprengköpfe auszurüsten.

Opposition gegen den Vietnamkrieg (ab 1965)

Mitte der 1960er Jahre begannen Proteste gegen den Vietnamkrieg, der als Bürgerkrieg zwischen dem am Westen orientierten Südvietnam und dem kommunistischen Nordvietnam begonnen hatte und seit dem Eingreifen der USA auf der Seite der südvietnamesischen autoritären Regierung im Jahr 1963 militärisch eskaliert war. Die Bewegung gegen den Vietnamkrieg wurde vor allem getragen von der studentischen Opposition, der APO. Sie schloss sich in ihren Protesten gegen diesen Krieg der ersten weltumspannenden Antikriegsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg der international wachsenden Opposition gegen das US-amerikanische militärische Engagement gegen die mit Nordvietnam verbündete oppositionelle FNL und deren Guerilla-Einheiten an. Die Berichterstattung der Medien, die in bis dahin nicht vorgekommenen Ausmaß realistische Bilder der Kriegsgreuel einschließlich der Leiden der Zivilbevölkerung weltweit verbreitete, trug wesentlich zu einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei. Die Proteste gegen den Vietnamkrieg gingen zunächst wesentlich von einer insbesondere von den Studenten getragenen kritischen Opposition in den USA selbst aus und setzten die US-Regierung zunehmend unter moralischen Druck. Der Widerstand gegen den Vietnamkrieg trug eventuell dazu bei, dass sich die USA bis 1974 aus Vietnam zurückzogen, worauf der Krieg ein Jahr später zugunsten der FNL beendet werden konnte und es 1976 zur Wiedervereinigung Nord- und Südvietnams kam. Liberale Antikriegsaktivisten hatten allerdings darauf hingewiesen, dass radikale Aktionen der Friedensbewegung ineffektiv waren, die Friedensbewegung vom Mainstream-Amerika getrennt und die Anstrengungen zur Beendigung des Vietnamkrieges somit eher behindert hätten. [17]

Gegen Neutronenbombe, Nato-Doppelbeschluss und SDI-Programm (1977–1986)

Demonstranten verbrennen die Flagge der USA vor einem US-Militärstützpunkt in Deutschland, Dezember 1982

Ab 1977 löste die Entwicklung der Neutronenbombe in den USA einen weltweiten Aufschwung der Friedensbewegung aus. Viele Menschen empfanden deren angebliche Fähigkeit, Leben zu vernichten, aber Bauten und Material zu schonen, als "Perversion menschlichen Denkens" (Egon Bahr). Als typische Protestform gegen diese Bombe entwickelte sich in den USA und in Australien das Die-in, bei dem sich die Demonstranten auf ein Signal plötzlich wie tot auf die Erde legten.

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Friedenstaube: Zeichen vieler Friedensdemonstrationen der Jahre 1980-84

Anfang bis Mitte der 1980er Jahre protestierten Millionen gegen den sog. NATO-Doppelbeschluss. Dieser sah die Stationierung der atomar bestückten US-amerikanischen Mittelstreckenraketen Pershing II und Marschflugkörper AGM-86 Cruise Missile in Europa als Antwort auf die Stationierung der neuen sowjetischen SS 20-Raketen vor. Die Friedensbewegung kritisierte, dass die amerikanischen Mittelstreckenwaffen in der Lage waren, die sowjetische Hauptstadt faktisch ohne Vorwarnzeit zu treffen. Viele hatten Angst davor, die USA könnten einen Atomkrieg auf Europa begrenzen und ihr eigenes Territorium aussparen. Tatsächlich gab es im Pentagon solche Pläne, die u.a. der Militärstratege Colin S. Gray ausgearbeitet hatte. Über vier Millionen Menschen unterzeichneten 1980-83 den "Krefelder Appell" gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstrecken-Atomwaffen in Europa. 1983 verkündete US-Präsident Ronald Reagan seine "Strategic Defense Initiative (SDI)", die darauf hinauslief, das Territorium der USA mit Hilfe von Anti-Reketen-Raketen und weltraumgestützten Laserwaffen unverwundbar zu machen.

Eine der ersten großen Friedensdemonstrationen fand anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni 1981 in Hamburg statt. Am 10. Oktober 1981 demonstrierten im Bonner Hofgarten mehr als 300.000 Menschen friedlich gegen Atomwaffen; am 25. Oktober 1981 demonstrierten 200.000 Menschen in Brüssel, am 21. November 1981 400.000 Menschen in Amsterdam. In Bonn fand anlässlich eines Staatsbesuches von US-Präsident Ronald Reagan am 10. Juni 1982 eine Demonstration mit ca. 500.000 Menschen statt. Auch die Ostermärsche mobilisierten 1981-84 regelmäßig Hunderttausende in zahlreichen Städten und Regionen Westdeutschlands. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) 1983 in Hannover waren es wieder Hunderttausende, und am 22. Oktober 1983 demonstrierten in Bonn, Berlin, Hamburg sowie zwischen Stuttgart und Ulm insgesamt 1,3 Millionen Menschen. Zwischen Stuttgart und Ulm entstand eine durchgehende Menschenkette. Weitere Großdemonstrationen folgten in Brüssel (am 23. Oktober 1983, mit 400.000 Menschen) und in Den Haag (am 29. Oktober 1983, mit 550.000 Menschen). Auf den Demonstrationen sprachen u. a. Gert Bastian, Heinrich Böll, Willy Brandt, Helmut Gollwitzer, Günter Grass, Petra Kelly, Oskar Lafontaine, Martin Niemöller, Horst-Eberhard Richter und Dorothee Sölle. Zu den Organisatoren gehörten Bastian, Kelly, Jo Leinen, Gunnar Matthiessen, Josef Weber und Andreas Zumach.

Es wurden vielfältige gewaltfreie Aktionen entwickelt, die auch Rückhalt in der Bevölkerung fanden: Sitzblockaden vor Atomstandorten und Raketenabwehrstellungen, "Rüstungssteuerverweigerung", Kampagnen gegen Rüstungsexporte, "Fasten für den Frieden", Menschenketten u.a.

"Konzertblockade" der Gruppe Lebenslaute

Bekannt wurden insbesondere die Proteste und gewaltfreien Sitzblockaden am Pershing-II-Stationierungsort Mutlangen. In dem kleinen Ort von etwa 5500 Einwohnern im Schwäbischen Wald kam es zu einer stetig steigenden Anzahl von Aktionen. Eine Gruppe von Aktivisten wollte Mutlangen erst wieder verlassen, wenn die Pershing-II-Atomwaffen entfernt seien, sie lebten in der Pressehütte Mutlangen ([1]), die Anwohner zur Verfügung stellten. Bekannt wurden auch die "Seniorenblockade" (600 ältere Menschen blockierten mehrere Tage lang die Basis), die "Konzertblockade der Lebenslaute" ([2]) (ein ganzes Sinfonieorchester blockierte musizierend die Tore zum Raketenstandort) und die "Richterblockade" (etwa 20 Richter entschlossen sich, das Widerstandsrecht nach dem Grundgesetz-Artikel 20 über den § 240 des Strafgesetzbuches (Nötigung) zu stellen). Am 22. November 1983 versuchten mehrere zehntausend Menschen, unter Verstoß gegen die Bannmeile den deutschen Bundestag in Bonn zu blockieren. Gleichwohl stimmte der Bundestag gegen zahlreiche Stimmen aus der SPD und die Stimmen der Grünen der Raketenstationierung zu.

Im Hunsrück auf der Pydna wurden 1986 – von US-Streitkräften gesichert – 96 abschussbereite Cruise Missiles mit Atomsprengköpfen stationiert. Der Protest der Bevölkerung gipfelte am 11. Oktober 1986 in der größten Demonstration im Hunsrück. Rund 200.000 Menschen, an deren Spitze der Friedensaktivist und evangelische Pfarrer August Dahl, protestierten friedlich gegen die Stationierung der Marschflugkörper.

Grundsätzlich richteten sich Proteste gegen die atomare Aufrüstung insgesamt, wenn auch in geringerem Maße gegen die der UdSSR und des Ostblocks als die im eigenen Land. Die meisten Anhänger der Friedensbewegung waren der Auffassung, dass jedes Volk sich vor allem um die Abrüstung im eigenen Land kümmern müsse.

Die Friedensbewegung führte unter anderem 1980 zur Gründung der Partei der Grünen. Innerhalb der Friedensbewegung wurde 1981 unter anderem von dem ehemaligen General Gert Bastian die, wie sich später herausstellte unter dem Einfluss des MfS der DDR stehende, Gruppe Generale für den Frieden gegründet. Im Juni 1984 gründete sich die Friedensliste, die im selben Jahr zu den Europawahlen und 1987 zu den Bundestagswahlen antrat, allerdings konnte sie keine Mandate erringen.

Friedensbewegung in der DDR

In der DDR kursierten seit Mitte der 1960er Jahre Diskussionspapiere zur Kriegsdienstverweigerung und über Methoden der gewaltfreien Verteidigung, die schließlich eine nicht staatlich kontrollierte Friedensbewegung inspirierten ("Schwerter zu Pflugscharen"). Nicht zuletzt die Erstickung des Prager Frühlings im August 1968 gab dieser Bewegung Auftrieb. In ihrer Wendung auch gegen die Aufrüstung des Warschauer Pakts bildete sie eine wichtige Keimzelle für eine lose organisierte Opposition im realsozialistischen Teil Deutschlands. In den 1980er Jahren waren die Friedensdekaden jeweils im November ein Kulminationspunkt dieser Bewegung. Die Friedensgebete wurden 1989 zum Ausgangspunkt der späteren Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderen Orten. Die gewaltfreie "Oktoberrevolution" der DDR und der Fall der Mauer am 9. November 1989 waren so auch Höhepunkte der Friedensbewegung.

Nach Ende des Kalten Krieges

Mit Zusammenbruch des "Sowjetimperiums", und dem Ende der Zustimmungs- und Oppostitionsmodelle der Zeit des Kalten Krieges wurden auch die Friedensbewegungen mit den neuen und vielfältigeren Bedrohungsszenarien und Konflikten einer machtpolitisch-militärisch eher multipolaren und weniger bipolar organisierten globalen Welt konfrontiert. Dies hatte zur Folge, dass die Antworten der nationalen Friedensbewegungen auch in Bezug auf häufige regionale Konflikte und Kriege, differenzierter und widersprüchlicher als früher ausfielen. Diese Problematik kulminiert besonders in den sehr unterschiedlichen Reaktionen von Friedensbewegungen (auch innerhalb eines Landes) zu eher ethnisch, und nicht in herkömmlichen ideologischen Mustern des Ost-West-Denkens zu interpretierenden Konflikten.

Opposition gegen den Kosovokrieg und Zweiten Golfkrieg

Demonstration gegen den Zweiten Golfkrieg, Venedig 1990

1990 / 1991 bedeutete dann der Zweite Golfkrieg ein Ende vieler Illusionen vom großen Frieden und von der Friedensdividende, die man sich von der Auflösung des Ost-West-Konflikts versprochen hatte. Gegen diesen Krieg, den die USA in der UNO legitimieren konnten und der das militärische Ziel hatte, die irakischen Besatzungstruppen aus Kuwait zu vertreiben, protestierten weltweit Millionen Menschen. Allerdings "dämmerte die Einsicht, dass die Protestform der Demonstration an ein vorläufiges Ende gelangt sei und der Weg vom Protestieren zum positiven Frieden (Buro 1997) konsequenter gegangen werden müsse". So wurde das Thema der Friedensbewegung der 1990er Jahre die Verbindung von Protest gegen militärische und Eintreten für zivile Konfliktbearbeitung.

Eine große Herausforderung war dabei der Jugoslawienkrieg, der auch innerhalb der Friedensbewegung zu hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Bellizisten und Pazifisten führten. Es gab zwar keine nennenswerten zentralen Großdemonstrationen mehr, aber viele dezentrale Aktivitäten: vielfältige Hilfsmaßnahmen für Kriegsflüchtlinge, Unterstützung einheimischer Kriegsdienstverweigerer, konkrete Versöhnungsprojekte in den Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawiens. Allerdings zeigte der brutale Bosnienkrieg auch eine gewisse Hilflosigkeit der neuen Friedensbewegung. Wie friedensstiftendes Handeln vor, in und nach den "neuen Kriegen" aussehen kann, musste und muss als neue Herausforderung weiter entwickelt werden. Ansätze hierzu werden unter dem Stichwort zivile Konfliktbearbeitung beziehungsweise ziviler Friedensdienst erprobt.

Der völkerrechtlich sehr umstrittene Einsatz der NATO im Kosovo beziehungsweise gegen (Rest-)Jugoslawien im Jahr 1999 (als humanitäre Intervention bezeichnet) löste wieder starke öffentliche Proteste der Friedensbewegung aus.

Globale Bewegung gegen den Irakkrieg 2003

Graffiti an einer Hausmauer in Landsberg am Lech
Friedenskundgebung in den USA
Antikriegsdemonstranten zur 2. Amtseinführung von George W. Bush am 20. Januar 2005

2003 agierte die Friedensbewegung in vorher nicht dagewesenem Ausmaß global. Auf der ganzen Welt fanden Demonstrationen gegen den diesmal nicht von der UNO legitimierten Krieg der USA und seiner Verbündeten im Irak statt. Am 15. Februar 2003 demonstrierten weltweit über 10 Millionen Menschen gegen den drohenden Irakkrieg, die meisten davon in Europa. Allein in Berlin gingen etwa 500.000 Menschen auf die Straße.

Am „Tag X" des Bombardierungsbeginns demonstrierten erneut weltweit Millionen Menschen dagegen. In vielen deutschen Städten nahmen Schüler während der Schulzeit daran teil.

Schon Kundgebungen am 20. Januar in Washington DC anlässlich der Amtseinführung von George W. Bush waren gleichzeitig Friedensdemonstrationen gewesen.

Kritik an dem EU-Verfassungsentwurf

2004 und 2005 machte die westeuropäische Friedensbewegung den Entwurf für eine EU-Verfassung, besonders dessen militär- und verteidigungspolitischen Inhalte, zum Hauptthema ihrer Proteste. Kritisiert wurden etwa die Festschreibung möglicher weltweiter EU-Kampfeinsätze, die Ausdehnung des Einsatzspektrums einer europäischen Armee und eine Aufrüstungsverpflichtung für die einzelnen Staaten (Artikel I-41 der EU-Verfassung: Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.).

Eine entsprechende Aufklärungskampagne fand in Deutschland anders als den Benelux-Ländern und Frankreich jedoch kaum öffentliches Gehör. Bei nationalen Volksabstimmungen in Frankreich (Mai 2005) und den Niederlanden (Juni 2005) verbündeten sich die dortigen Friedensbewegungen mit anderen Verfassungsgegnern. Die Ablehnung und Kritik fanden dort jeweils breite Zustimmung.

Proteste gegen öffentliche Gelöbnisse

Seit Wiedereinführung öffentlicher Vereidigungen von Rekruten der Bundeswehr (1977) stieß diese Praxis auf regelmäßige Proteste aus der Friedensbewegung und Skepsis in manchen Medien.[18] siehe dazu Feierliches Gelöbnis

Kritik

Appeasement

Diese Kritik setzt Pazifismus und Appeasement, das heißt eine nachgiebige, verständigungsbereite Außenpolitik gegenüber kriegsbereiten Diktaturen, miteinander gleich und wirft deren Anhängern vor, diese zu stärken, ihre Beseitigung zu erschweren und damit Krieg insgesamt eher zu fördern.

In diesem Sinne nannte Winston Churchill pazifistische Studenten der Oxford University, die 1933 eine Resolution zur Verständigung mit dem nationalsozialistischen Deutschland veröffentlicht hatten, „unerfahrene, falsch erzogene Jugend“, deren Haltung ein „sehr beunruhigendes und widerwärtiges Symptom“ sei.[19] Der britische Liberale Robert Bernays berichtete dem britischen Unterhaus 1934 von Reaktionen eines Nationalsozialisten auf diese Oxforder Friedensresolution bei seinem Deutschlandbesuch:

He was asking about this pacifist motion and I tried to explain it to him. There was an ugly gleam in his eye when he said, „The fact is that you English are soft“. Then I realized that the world enemies of peace might be the pacifists.

Der westdeutschen Friedensbewegung der 1980er Jahre warfen ihre politischen Gegner parteiübergreifend gesinnungsethische Naivität gegenüber der Sowjetunion vor. Dabei wurden auch historische Vergleiche angestellt. Heiner Geißler (CDU) erklärte am 15. Juni 1983 im Bundestag:[20]

Der Pazifismus der 30er Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.

Geißler stieß damit auf heftigen Widerspruch bei SPD und Grünen; Willy Brandt bezeichnete ihn deshalb noch 1985 in einer Wahlkampfdebatte als „schlimmsten Hetzer seit Goebbels“.[21]

Im Bosnien- und Kosovokonflikt der 1990er Jahre wurden ähnliche Vorwürfe an die deutsche Friedensbewegung laut:[22]

Der mangelnde politische Wille, angesichts der serbischen Aggression und der sogenannten ethnischen Säuberungspolitik wirkungsvoll tätig zu werden, gibt gerade wegen der Parallelen zur westlichen Appeasement-Politik der dreißiger Jahre zu denken. Auch die Verlegenheit der Friedensbewegung und des Pazifismus angesichts dieser Tatsache verweisen zurück auf diese Erfahrungen.

Wolf Biermann kritisierte die deutsche Bewegung gegen den Irakkrieg von 2003, indem er auf die Gefährdung Israels durch Saddam Husseins Raketenangriffe verwies. Er warnte mit Anspielung auf das Diktum von Joseph Goebbels zum „totalen Krieg“ vor einem „totalen Frieden“, d.h. einem Frieden um jeden Preis.[23]

Westlichen Friedensbewegungen werfen Kritiker auch allgemein falsche Wahhrnehmung von Kriegsursachen und verschwörungstheoretisches Denken vor:[24]

Tatsächlich beruhte der relative Erfolg der Friedensbewegung nicht zuletzt auf der Popularität von verschwörungstheoretischen Erklärungsmustern, die die gesamte westliche Politik auf die Ränkespiele des militärisch-industriellen Komplexes zurückführten und die parlamentarische Politikebene als bloße Fassade darstellten.

Fernlenkung, Missbrauchbarkeit, Einseitigkeit

Häufig werden Friedensbewegungen innenpolitisch als verlängerter Arm feindlicher Staaten dargestellt. Sie würden von diesen ideologisch beeinflusst, personell gelenkt oder unterwandert und politisch benutzt, um deren Interessen durchzusetzen. Diesen Vorwurf machte man in den 1950er Jahren Gruppen innerhalb der damaligen westlichen Opposition gegen Atomwaffen, die wie das britische World Peace Council (WPC) maßgeblich von kommunistischen Parteien gegründet und bestimmt wurden. Diese stießen auch innerhalb der damaligen Friedensbewegung auf Kritik, da sie sowjetkritische Stimmen wie Bertrand Russell zu diskreditieren und zu isolieren versuchten. [25]

Verschiedene Autoren beschrieben den Einfluss von SED und MfS auf die westdeutschen Anti-Nachrüstungs-Bewegung der 1980er Jahre, besonders auf manche Führungsstrukturen.[26][27] [28] Der Einfluss DKP-naher Gruppen wurde in der damaligen Friedensbewegung selbst ebenfalls kritisiert und organisatorisch bekämpft. So warnte Rudolf Bahro vor einer Diskreditierung der gesamten Bewegung durch eine mangelnde Abgrenzung von kommunistischen Gruppen.[29]

Auch ohne direkten Einfluss von Gruppen, die dem Lager des gegnerischen Staates zugerechnet werden, stoßen Friedensbewegungen oft wegen fehlender Stellungnahme zu anderen Konflikten auf Kritik. Häufig wird ihnen die direkte oder indirekte Parteinahme für eine bestimmte politische Richtung vorgeworfen. Schon dem Weltfriedensrat der 1950er Jahre wurde eine prokommunistische und antiamerikanische Einstellung vorgeworfen.[30]

Der westdeutschen Friedensbewegung der 1980er Jahre wurde ebenfalls Antiamerikanismus vorgeworfen und nachgesagt, dass sie sich mit Kritik an Konflikten und Kriegen der Sowjetunion eher zurückhalte.[31][32] So schrieb Wolf Biermann:[33]

Ich ärgere mich natürlich, wenn die Heuchelei wie ein Syhilis in diese Friedensfront hineinkommt, weil nämlich zu viele Leute dabei sind, die im Grunde genommen nur für eine Abrüstung im Westen sind, […] aber der Meinung sind, dass die Waffen im Osten für den Frieden, die Menschheit, den Humanismus und die Rettung des Sozialismus sind.

Umstrittene Protestformen

Einige Demonstrationsformen von Friedensbewegungen wurden einerseits als vom Widerstandsrecht gedeckte Formen des zivilen Ungehorsams, andererseits als Verstoß gegen geltendes Strafrecht beurteilt. So verurteilten einige Gerichte Sitzblockaden von Friedensdemonstranten als Nötigung.

Das Landgericht Memmingen begründete dies am 20. November 1984 wie folgt:

Wer sich mit Sitzblockaden politisch betätigt, verletzt demokratische Spielregeln und gefährdet ein geordnetes Zusammenleben. Das gewinnt auch nicht dadurch eine eine tolerierbare Qualität, daß das Anliegen der Blockierer ernst zu nehmen ist.

Der Bundesgerichtshof meinte in einem Urteil vom 5. Mai 1988:[34]

Die Anerkennung von (Fern)zielen, für die mit Mitteln des § 240 Abs. 1 StGB geworben werden dürfe, ließe die Gefahr einer Radikalisierung der politischen Auseinandersetzung entstehen, die einem demokratischen Rechtsstaat nicht hinnehmbar ist.

Am 10. Januar 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Sitzblockade vor einem Fahrzeug noch keine Gewalt darstelle.

Verhältnis zu Israel

Zu internen Kontroversen und externer Kritik führte seit den 1960er Jahren das Verhältnis von Friedensbewegungen zum fortdauernden Nahostkonflikt.

Der deutschen Friedensbewegung wurde anlässlich ihrer Proteste gegen den Krieg der USA gegen die irakische Besetzung Kuwaits 1991 (Zweiter Golfkrieg) vorgeworfen, einen nationalen Sonderweg einzuschlagen. Sie habe aufgrund einer undifferenzierten Stellungnahme gegenüber der existentiellen Angst der israelischen Bevölkerung an Ansehen eingebüßt. [35]

Ilka Schröder, parteiloses Mitglied des Europäischen Parlaments, schrieb im Februar 2003 folgenden offenen Brief an Friedensdemonstranten:[36]

Im Vorfeld der Demonstration wurde klar, dass auch Gruppierungen dorthin mobilisierten, deren politisches Weltbild durch Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus bestimmt ist. […] Geprägt war die Demonstration jedoch vor allem durch eine gefährliche Mischung aus Antiamerikanismus und politischer Naivität.

Michael Lerner beschrieb den Zielkonflikt für die Situation in den USA 2003 wie folgt:[37]

Es ist allerdings eines, wenn man Ariel Scharons repressive Maßnahmen gegenüber dem palästinensischen Volk verurteilt. Etwas anderes ist es, wenn man dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht. Und genau das machen Teile von Answer, und mit ihnen Teile der amerikanischen Friedensbewegung. […] Erst wenn sie den Antisemitismus überwinden, wird die Friedensbewegung stärker und erfolgreicher werden.

Organisationen

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Dieter Riesenberger: Geschichte der Friedensbewegung in Deutschland, a.a.O., S. 7
  2. Gerhard Strauss, Ulrike Hass, Ulrike Hass-Zumkehr, Gisela Harras: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist, 1989, S. 284
  3. Dieter Riesenberger, a.a.O. S. 99f
  4. Dieter Riesenberger, a.a.O. S. 246f
  5. Adolf Hitler: Mein Kampf, München 1939, S. 148f; zitiert nach Karl Holl, Wolfram Wette (Hrsg.): Pazifismus in der Weimarer Republik, Paderborn 1981, S. 13
  6. Dieter Riesenberger, a.a.O. S. 239
  7. Dieter Riesenberger, a.a.O. S. 240
  8. zitiert nach Wolfgang Benz: Pazifismus in Deutschland, Fischer TB 4362, ISBN 3-596-24362-9, S. 206f
  9. Dieter Riesenberger, a.a.O., S. 248
  10. Dieter Riesenberger, a.a.O. S. 249f
  11. zitiert nach Karl Holl, Wolfram Wette: Pazifismus in der Weimarer Republik, a.a.O. S. 15f
  12. Dieter Riesenberger, a.a.O. S. 250f
  13. zitiert nach Wolfgang Benz, a.a.O. S. 218
  14. Richard K. S. Taylor: Against the Bomb, Seite 5
  15. Richard K. S. Taylor: Against the Bomb, Seite 5 und 6
  16. Gernot Heiss und Heinrich Lutz: Friedensbewegungen Bedingungen und Wirkungen, Band 2, 1984, Seite 162 und 163
  17. Simon Hall: Peace and Freedom – The Civil Rights and Antiwar Movements in the 1960s. 2006, Seite 158
  18. Beispiele: Lars Langenau (Der Spiegel 16. Juni 2003): Hamburgs öffentliches Gelöbnis: Müde Massen am militärischen Sperrgebiet; Netzeitung 21. Jul 2008: Bundeswehr-Gelöbnis: Pazifisten-Ekstase und preußische Rituale
  19. zitiert nach Robert Cohen: When the old Left was Young, S. 80
  20. WDR, 15. Juni 2008: Vor 25 Jahren: Heiner Geißler hält „Skandalrede“ im Bundestag: „Pazifismus hat Auschwitz möglich gemacht“
  21. zitiert nach Harald Suerland: Am Gipfelpunkt der Aufgeregtheit (Münsterländische Volkszeitung 22. Januar 2008)
  22. Richard Faber, Barbara Neumann: Literatur der Grenze, Theorie der Grenze, S. 135
  23. Wolf Biermann: Brachiale Friedensliebe. (Der Spiegel Nr. 9, 24. Februar 2003, S. 144
  24. Michael Ploetz, Hans-Peter Müller: Ferngelenkte Friedensbewegung?, S. 113
  25. Alan Schwerin: Bertrand Russell on Nuclear War, Peace, and Language. S. 16 ff.
  26. zum Beispiel Udo Baron: Zur heute nachweisbaren Einflussnahme von SED und MfS – Die verführte Friedensbewegung;
  27. Michael Ploetz, Hans-Peter Müller: Ferngelenkte Friedensbewegung? a.a.O., S. 111;
  28. Klaus Schröder und Peter Erler: Geschichte und Transformation des SED-Staates, S. 274 und 276
  29. Udo Baron: Kalter Krieg und heißer Frieden - Der Einfluss der SED und ihrer westdeutschen Verbündeten auf die Partei Die Grünen, Lit-Verlag, 1. Auflage 2003, ISBN 3825861082, S. 170
  30. Gernot Heiss und Heinrich Lutz: Friedensbewegungen Bedingungen und Wirkungen, Band 2, 1984, S. 153
  31. Anne-Katrin Gebauer: Der Richtungsstreit in der SPD - Seeheimer Kreis und neue Linke im innerparteilichen Machtkampf, 2005, S. 203
  32. Volker Böge und Peter Wilke: Sicherheitspolitische Alternativen, Nomos Verlagsgesellschaft, 1984, S. 263
  33. zitiert nach John Shreve: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu - Wolf Biermann im Westen, 1989, S. 133
  34. Werner Offenloch: Erinnerung an das Recht - Der Streit um die Nachrüstung auf den Straßen und vor den Gerichten, Mohr Siebeck, 2005, S. 32f
  35. Hans Elbeshausen: Deutschland - Geschichte und Politik, 1997, S. 129
  36. Ilka Schröder: Wider die politische Naivität (Presseerklärung Nr. 07, Berlin/Brüssel 18. Februar 2003)
  37. [http://www.nahost-politik.de/amerika/friedensbewegung.htm Michael Lerner: Ein historischer Fehler (Nachdruck bei HaGalil aus: tageszeitung, 2. März 2003)

Literatur

Anfänge
  • André Durand: Gustave Moynier and the peace societies. In: International Review of the Red Cross. Nr. 314, S. 532-550 (Text online, 31. November 1996).
  • Alfred Hermann Fried: Handbuch der Friedensbewegung, 2 Bände, Berlin/Leipzig 1911, 2. Auflage 1913, Neudruck New York/London 1972
  • Hans Wehberg: Die internationale Friedensbewegung. In: Staatsbürgerbibliothek Heft 22,

Volksvereins-Verlag GmbH, Mönchengladbach 1911

Zwischen den Weltkriegen
  • Kurt Lenz, Walter Fabian: Die Friedensbewegung. Ein Handbuch der Weltfriedensströmungen der Gegenwart. Berlin 1922
  • Franz Kobler: Gewalt und Gewaltlosigkeit, Handbuch des aktiven Pazifismus. Erlenbach-Zürich 1928
  • Beatrix Müller-Kampel (Hrsg.): „Krieg ist der Mord auf Kommando“. Bürgerliche und anarchistische Friedenskonzepte. Bertha von Suttner und Pierre Ramus. Mit Dokumenten von Leo Tolstoi, Peter Kropotkin, Stefan Zweig, Romain Rolland, Erich Mühsam u.a. Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2005, ISBN 3-9806353-7-6
  • Dieter Riesenberger: Geschichte der Fridensbewegung in Deutschland. Von den Anfängen bis 1933. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1985, ISBN 3-525-01332-9
1950er Jahre


1980er Jahre
  • Christoph Butterwegge (Hrsg.): Friedensbewegung – Was nun? Probleme und Perspektiven nach der Raketenstationierung. Hamburg 1983
  • Christoph Butterwegge, Bernhard W. Docke, Wolfgang Hachmeister: Kriminalisierung der Friedensbewegung: Abschreckung nach Innen?, Bremen 1985
  • Uli Jäger, Michael Schmid-Vöhringer: „Wir werden nicht Ruhe geben…“: Die Friedensbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1982. Geschichte, Dokumente, Perspektiven. Tübingen 1982
  • Lorenz Knorr: Geschichte der Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Köln 1983
  • Rüdiger Lison: Wissenschaftler zu Frieden und Abrüstung. 2. erweiterte Auflage, Duisburg 1986
  • Andreas Maislinger: Friedensbewegung in einem neutralen Land. Zur neuen Friedensbewegung in Österreich. In: Medienmacht im Nord-Süd-Konflikt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11166-3
  • Hans A. Pestalozzi, Ralf Schlegel, Adolf Bachmann (Hrsg.): Frieden in Deutschland. Die Friedensbewegung: wie sie wurde, was sie ist, was sie werden kann. Goldmann Sachbuch Nr. 11341, München 1982, ISBN 3442113415 (mit Adressen und Kontaktpersonen von über 2.300 Friedensinitiativen, nach Sachgebieten geordnet)
  • Helmut Donat, Karl Holl (Hrsg.): Die Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Hermes Handlexikon, Düsseldorf 1983, ISBN 3-612-10024-6
  • Thomas Klein: Frieden und Gerechtigkeit. Die Politisierung der Unabhängigen Friedensbewegung in Ost-Berlin während der 80er Jahre. Böhlau Verlag Köln Weimar, 2007, ISBN 978-3-412-02506-9
seit 1990
  • Andreas Buro: Totgesagte leben länger: Die Friedensbewegung. Von der Ost-West-Konfrontation zur zivilen Konfliktbearbeitung, Idstein 1997, ISBN 3-929522-42-X
  • Jan Große Nobis: Frieden! – Eine kurze Geschichte der bundesdeutschen Friedensbewegung, Münster 2001/2005 (Text online)
Verhältnis zu Israel
  • Helmut Kellershohn: „Frieden oder ´Rettet Israel´?“ Die linken Kritiker der Friedensbewegung und ihr Beitrag zur neuen deutschen Normalität. Ein kritischer Rückblick auf die Golfkriegsdebatte (DISS-Texte Nr. 24), Duisburg 1992
  • Bernhard Schmid: Der Krieg und die Kritiker. Die Realität im Nahen Osten als Projektionsfläche für Antideutsche, Antiimperialisten, Antisemiten und andere. Münster 2006, ISBN 978-3-89771-029-0

Weblinks

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