Marseille

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Marseille
Marseille (Frankreich)
Marseille (Frankreich)
Staat Frankreich
Region Provence-Alpes-Côte d’Azur (Präfektur)
Département (Nr.) Bouches-du-Rhône (13)
Arrondissement Marseille
Kanton Chef-lieu von 25 Kantonen
Gemeindeverband Métropole d’Aix-Marseille-Provence
Koordinaten 43° 18′ N, 5° 23′ OKoordinaten: 43° 18′ N, 5° 23′ O
Höhe 0–640 m
Fläche 240,62 km²
Bürgermeister Jean-Claude Gaudin
Einwohner
– Unité urbaine
873.076 (1. Januar 2021)
1.349.772
Bevölkerungsdichte 3.628 Einw./km²
Postleitzahl 13001–13016
(Die letzten beiden Ziffern stehen für die Nummer des städtischen Arrondissements)
INSEE-Code
Website www.marseille.fr

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Marseille [maʁˈsɛj] (deutsch veraltet: Massilien, okzitanisch: Marselha oder Marsiho [maʀˈse.jɔ]) ist die wichtigste französische und eine bedeutende europäische Hafenstadt. Sie liegt am Golfe du Lion, einer Mittelmeerbucht. Die Stadt, deren Einwohner sich Marseillais [maʁ.sɛ.ˈjɛ] nennen, ist Hauptstadt des Départements Bouches-du-Rhône in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Marseille ist mit 873.076 Einwohnern (Stand 1. Januar 2021) nach Paris die zweitgrößte Stadt Frankreichs.

Marseille war 2013 gemeinsam mit der slowakischen Stadt Košice Kulturhauptstadt Europas.

Geographie

Marseille liegt zwischen 0 und 646 m (12 m am offiziellen Zentrum Noailles) hoch. Das gebirgige Umland, das Massif des Calanques, findet seine höchste Erhebung im 710 m hohen Croix de Garlaban. Im Nordwesten grenzt die Stadt an die Chaîne de l’Estaque, eine aus Kalkfelsen bestehende Bergkette hinter l’Estaque, die den Étang de Berre, ein großes salzhaltiges Binnengewässer, in dem Muschelzucht betrieben wird, vom Meer abtrennt. Durch die Lage herrscht in Marseille ein mediterranes Klima. Die nördlichen Stadtteile gelten als arm, die südlichen als reich.[1]

Marseille
Klimadiagramm
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_ Temperatur (°C)   _ Niederschlag (mm)
Quelle: wetterkontor.de
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Marseille
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez
Mittl. Tagesmax. (°C) 10,7 12,1 14,7 17,8 21,9 25,8 29,0 28,4 25,2 20,5 14,6 11,2 19,4
Mittl. Tagesmin. (°C) 2,7 3,8 5,7 8,6 12,2 15,9 18,5 18,0 15,4 11,6 6,8 3,4 10,2
Niederschlag (mm) 47,2 54,0 43,7 47,9 42,3 27,8 13,7 29,3 46,7 77,6 58,4 55,8 Σ 544,4
Sonnenstunden (h/d) 4,8 5,5 6,9 8,2 9,4 10,9 11,8 10,6 8,5 6,6 5,2 4,6 7,8
Regentage (d) 6 6 6 5 5 4 2 3 4 6 5 6 Σ 58
Wassertemperatur (°C) 13 13 13 13 15 18 22 21 20 19 16 14 16,4
Luftfeuchtigkeit (%) 75 72 67 65 64 63 59 62 69 74 75 77 68,5
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  Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

Geschichte

Legende der Stadtgründung

Der Legende nach entstand die Stadt, als griechische Seefahrer die Mittelmeerküste erkundeten. Sie landeten an dem Tag an der Küste des heutigen Marseille, als der keltische König Nann einen Gatten für seine Tochter Gyptis suchte. Gyptis sollte unter allen versammelten jungen Männern demjenigen einen Kelch reichen, den sie zu heiraten wünschte. Überraschenderweise war es Protis, der Anführer der Neuankömmlinge, dem sie das Gefäß übergab. Die beiden heirateten, und Griechen und Kelten gründeten gemeinsam die Siedlung Massalia.[2]

Antiker griechischer Handelsstützpunkt

Marseille im Jahre 1575

Griechische Seehändler aus Phokäa in Kleinasien besuchten im 7. Jahrhundert v. Chr. die Südküste Frankreichs nahe der Mündung der Rhone, um mit den ligurischen Stämmen Handel zu treiben. Vor allem war Zinn als Bestandteil der Bronze bei den Griechen begehrt. Im Gegenzug fanden feine Töpferwaren und Schmuck den Weg in die Häuser der lokalen Fürsten. An der schroffen und felsigen Küste waren geschützte Landeplätze rar, und so steuerte man mit der Zeit immer wieder den natürlichen Hafen des heutigen Marseille an, wo die Galeeren vor Wind und Wellen geschützt waren.

Um 620–600 v. Chr. gründeten die Griechen dank einer Landschenkung des ligurischen Fürsten an diesem Hafen eine dauerhaft bewohnte Siedlung und nannten sie Massalia (griechisch Μασσαλία, lateinisch Massilia), das heutige Marseille.

Griechische Kolonialisierung

Historische Karte von Marseille
Drachme aus Massalia, Kopf der Artemis, nach 200 v. Chr. geprägt
Rückseite der Drachme, Löwe und Schrift

Die Polis wuchs zu einer der reichsten und größten griechischen Kolonien am Mittelmeer heran, die mit der Anbindung an die natürliche Handelsstraße der Rhône kulturellen Einfluss bis weit in das Hinterland hatte.[3] Ein Beleg für diesen Einfluss ist die Verwendung der griechischen Buchstaben bei den Helvetiern zur Zeit Cäsars. Auch in einigen südfranzösischen Dialekten scheint sich nach Ansicht mancher Forscher ein griechischer Einfluss erhalten zu haben.[4]

Málaga, Korsika und Nizza wurden ebenfalls von Zuzüglern aus Phokäa besiedelt, die eine Apoikie nach der anderen gründeten. Mit der Zeit wurde Massalia so groß und bedeutend, dass es selbst Siedler ausschickte, um Handelsposten und Kolonien im Westen bis hin nach Spanien zu gründen. Der Expansion der Phokaier und Massalioten wurde durch die Koalition der Etrusker und Karthager in der Seeschlacht bei Alalia ein Ende gesetzt.

Stephanos von Byzanz erwähnt mehrere von Massalia gegründete Städte oder Siedlungen im Umland,[5] die sonst nicht bezeugt sind:

  • Alonis (Ἀλωνίς)
  • Azania (Ἀζανία)
  • Kyrene (Κυρήνη), möglicherweise La Couronne bei Martigues
  • Sekoanos (Σηκοανός), vermutlich ein Fluss, möglicherweise Arc oder Touloubre[6]

Um das Jahr 545 v. Chr. kamen erneut Zusiedler aus Phokäa in die Stadt. Sie waren geflohen, nachdem Harpagos, Statthalter des Königs Kyros II. von Persien, Phokäa erobert hatte.[7]

Es gab immer wieder Konflikte mit den Gallien beherrschenden keltischen Stämmen.

125 v. Chr. rief Massalia die Truppen des Römischen Reiches um Hilfe gegen die Angriffe gallischer Stämme (Ligurer, Allobroger, Salluvier, Arverner und Vokontier). Im Laufe der Kriegshandlungen wurde das gesamte Gebiet des südlichen Galliens von den Römern als Provinz Gallia Narbonensis annektiert. Die Stadt selbst jedoch konnte ihre Unabhängigkeit noch einige Jahrzehnte bewahren. In den Jahren des Bürgerkrieges zwischen Julius Cäsar und Gnaeus Pompeius wollte sich Massalia neutral verhalten, doch dies wurde von Cäsar nicht geduldet. Im Jahr 49 v. Chr. wurde sie schließlich nach sechsmonatiger Belagerung erobert und in die Provinz Narbonensis integriert.[8] So blieb sie bis zum Ende des Römischen Reiches dessen Bestandteil und verlor langsam ihren griechischen Charakter. Anfang des 5. Jahrhunderts wurde am Südufer des Alten Hafens das Kloster Saint-Victor gegründet, das von 750 bis 960 die Residenz der Bischöfe von Marseille war. 481 fiel die Stadt an die Westgoten, 508 an die Ostgoten, 536 an die Franken und 879 an Niederburgund.

Nachdem die Sarazenen sie zerstört hatten, wurde die Stadt im 10. Jahrhundert wiederaufgebaut und den Vicomtes de Marseille unterstellt.

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Zwischen 1216 und 1218 wurde Marseille zur selbstständigen Republik und schließlich 1481 mit Frankreich vereinigt.

Es gilt als gesichert, dass über Marseille der Schwarze Tod im 14. Jahrhundert nach Nordeuropa eingeschleppt wurde.[9] 1720 und 1721 starben beim Ausbruch der Pest mit 50.000 Menschen die Hälfte der Bevölkerung Marseilles. Im Zusammenhang mit dieser schweren Epidemie wurde vom König den Stadträten eine militärische Kommandantur, eine 'Pest-Polizei', beiseite gestellt, um der Lage Herr zu werden. Die Stadt hatte damit eine doppelte Führung. Das Stadtgebiet wurde in verschiedene Bereiche eingeteilt, um die Überwachung zu gewährleisten und das Risiko der Ansteckung zu verringern.[10]

Die Bevölkerung von Marseille war seit jeher stolz und unabhängig und im ganzen Land bekannt, sich gerne gegen die Obrigkeit und den König aufzulehnen. So schickte die Stadt im Jahr 1792 500 freiwillige Kämpfer, um die neue Regierung der Aufständischen während der Französischen Revolution zu unterstützen. Das von den Kämpfern aus Marseille in den Straßen von Paris gesungene Lied wurde als die Marseillaise bekannt. Am 14. Juli 1795 wurde die Marseillaise zur französischen Nationalhymne erklärt.

Neuzeit

Im 19. Jahrhundert wuchs Marseille zum bedeutendsten Hafen des französischen Kaiserreiches, vor allem wegen der französischen Kolonialisierung in Afrika und Indochina. Die Entwicklung und Bedeutung des Hafens verstärkte sich mit dem Beginn der Industrialisierung und der Eröffnung des Sueskanals 1869.

Am 9. Oktober 1934 fielen der jugoslawische König Alexander I. und der französische Außenminister Louis Barthou vor der Börse einem Mordanschlag eines Attentäters der kroatisch-nationalistischen Ustascha-Bewegung zum Opfer.

Bekanntmachungen vom 4. Januar 1943 des Kommandanten über den Belagerungszustand
Notre Dame De La Garde
Zerstörung des alten Hafenviertels 1943

Nach der Kapitulation der Streitkräfte Frankreichs vor der Wehrmacht gehörte Marseille zunächst zur Zone libre, die unter Verwaltung des Vichy-Regimes stand. Im Januar und Februar 1943 wurde nach Himmlers Anweisung ein Großteil der historischen Altstadt (Vieux Port) von Truppen der Wehrmacht und der Waffen-SS unter Beteiligung von Rolf Mühler und Günter Hellwing (später SPD-Parteivorstand) gesprengt. 27.000 Einwohner wurden aus der Altstadt, die der Besatzungsmacht als ein Hort der Résistance galt, zwangsumgesiedelt (Himmler hatte 100.000 Deportierte verlangt). 1.640 Bewohner der Stadt, darunter etwa 800 Juden, wurden als „unerwünschte und antisoziale Elemente“ festgesetzt und später ins Reichsgebiet bzw. nach Polen deportiert.[11]

Zerstört wurden bei der Sprengung der Altstadt 1924 Gebäude. Ein Teil der Täter wurde 1954 in den Prozessen gegen Mühler u. a. sowie gegen Carl Oberg u. a. wegen dieser Kriegsverbrechen angeklagt, etliche wurden in Abwesenheit zum Tod verurteilt, ohne dass die französische Justiz ihrer habhaft werden konnte: Die Bundesrepublik lieferte sie nicht aus und klagte sie selbst nicht an. So wurde das Kriegsverbrechen der Altstadtvernichtung nie gesühnt.

Hitler ernannte im Januar 1944 alle wichtigen Hafenstädte im Westen – so auch Marseille – zu „Festungen“.

Am 27. Mai 1944 griffen amerikanische Bomber die deutschen Militäranlagen in Marseille an. Am 28. August kapitulierten nach einwöchigem Kampf die deutschen Besatzer gegenüber den Truppen des Freien Frankreich.[12]

Die Verteidiger kämpften nicht so fanatisch wie zum Beispiel in OKW-Befehlen von Februar 1944 zur Verteidigung von Festungen gefordert. Darin war befohlen, 'bis zum letzten Mann’ zu kämpfen und keinesfalls zu kapitulieren.[13]

Gegenwart

Der alte Hafen von Marseille, 2005
Marseille (2004)

Im starken wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit (trentes glorieuses) wuchs die Stadt weiter und nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 ließen sich Zehntausende Algerienfranzosen (pieds-noirs), die das Land verlassen mussten, in Marseille nieder. Hierfür wurden Wohnsiedlungen im Norden der Stadt errichtet. Seit den 1970er Jahren kam es zu erheblichen Problemen mit dem zeitgleichen Niedergang der traditionellen Industrien durch Strukturwandel, unkontrollierte Einwanderung, zunehmende Kriminalität, Verschmutzung und wachsenden Verkehr. 1973 kam es zu einer Welle von rassistischen Ausschreitungen gegen algerische Einwanderer, bei denen bis zu 100 Menschen umkamen und die für Entsetzen in der französischen Öffentlichkeit sorgten. Marseille verlor innerhalb von zehn Jahren 10 % seiner Bevölkerung durch Abwanderung, u. a. in die Vorstädte, wo sich die wohlhabenderen Bewohner niederließen. Die Bürgermeister unternahmen in dieser Zeit große Anstrengungen, um der Kriminalität, der großen Zahl der illegalen Einwanderer aus Nordafrika sowie des Verfalls der Stadt Herr zu werden. Jugendliche aus den sozialen Brennpunkten der Stadt begründeten in den 1980er Jahren den französischen Hip-Hop.

Seit den 90er Jahren wandelt sich das Bild der Stadt langsam. Mit dem Stadterneuerungsprojekt Euromediterrannée wurden große staatliche Mittel in die Marseiller Wirtschaft gepumpt. Alte Industriebauten wurden kulturellen Zwecken gewidmet, private Investoren wie der amerikanische Pensionsfonds Lone Star wirkten mit am Vorhaben der urbanistischen Aufwertung der im Zweiten Kaiserreich geschaffenen Prachtstraße Rue de la République. Die Stadt unternimmt große Anstrengungen, um das Stadtbild zu verschönern, ist aber auch mit der Kritik konfrontiert, durch Gentrifizierung die weniger wohlhabenden Stadtbewohner aus dem Zentrum zu vertreiben.[14]

Bevölkerung

Entwicklung der Einwohnerzahl

1750 bis 1920

  • 1750 – 068.000
  • 1800 – 111.000
  • 1850 – 195.000
  • 1880 – 360.000
  • 1910 – 551.000
  • 1920 – 586.000

1930 bis 1975

  • 1930 – 610.000
  • 1936 – 620.000
  • 1954 – 661.410
  • 1962 – 783.701
  • 1968 – 889.029
  • 1975 – 914.400

1982 bis 2012

  • 1982 – 878.689 (4. März)
  • 1990 – 800.550 (5. März)
  • 1999 – 798.430 (8. März)
  • 2006 – 820.000 (1. März)
  • 2012 – 900.000 (28. Februar)

Marseille ist als Frankreichs „Tor zum Mittelmeer“ wie kaum eine andere Stadt neben Paris durch Einwanderer geprägt.[15] In der Zeit um 1900 waren dies v. a. Italiener, nach dem Zweiten Weltkrieg kamen europäischstämmige Algerienfranzosen (pieds-noirs, zu dt. „Schwarzfüße“) sowie Bewohner der ehemaligen französischen Kolonien aus dem Maghreb und Schwarzafrika hinzu. Der Ausländeranteil liegt heute bei etwa 10 %, der Migrantenanteil insgesamt bei etwa 40 %. Werden frühere Einwanderungsbewegungen dazu gezählt, haben 90 % der Bevölkerung Vorfahren, die nicht aus Frankreich stammen.[16]

Religiöses Leben

Neben christlichen Gemeinschaften, vor allem der katholischen Kirche, spielen das Judentum und der Islam eine bedeutende Rolle in der Stadt. Rund 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung von Marseille sind muslimischer Abstammung, von denen die meisten in den ärmeren Vierteln im Norden der Stadt, dem 3., 2., 1., 13., 14. und 15. Arrondissement, leben. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Islam in Frankreich, Soheib Bencheikh, Großmufti von Frankreich, vertritt eine liberale Form des Islam.[17] In letzter Zeit gewinnen aber auch fundamentalistische Strömungen an Einfluss.

In Marseille existiert mit rund 75.000 Juden die bedeutendste jüdische Gemeinde außerhalb Israels an der Mittelmeerküste. In den 44 Marseiller Synagogen[18] beten täglich rund 5.000 Menschen. Die größte und wichtigste Synagoge ist die Große Synagoge (Grande synagogue de Marseille), die im 6. Arrondissement liegt. Es gibt 20 jüdische Studienzentren, 17 jüdische Schulen, ein Bet Din und derzeit 48 Rabbiner.[19]

Kriminalität

Besonders in den nördlich gelegenen Wohnvierteln spielt Kriminalität eine große Rolle, die vor allem durch soziale Probleme bedingt ist.[20] Marseille war seit den 1950er Jahren durch Einwanderung aus dem Maghreb geprägt; durch die Deindustrialisierung in den traditionellen Bereichen wie dem Schiffbau und der Schwerindustrie herrscht unter den Einwanderern hohe Jugendarbeitslosigkeit und Armut, der Drogenhandel sichert nicht selten ein Einkommen. Der Zusammenhalt innerhalb und zwischen den Einwanderergruppen wird immer brüchiger, damit mangelt es zunehmend an einer sozialen Struktur, was Kriminalität begünstigt.[21] Die Preise für Waffen sinken, Raubüberfälle werden häufig auch mit falschen Waffen verübt. Seit 2007 wurden zugleich 350 Stellen bei der Polizei gestrichen.[22] Die Stadtverwaltung überwacht inzwischen mit rund 200 Videokameras (Stand Frühjahr 2013) und etwa 40 Einsatzkräften den öffentlichen Raum rund um die Uhr.[23] In den Vierteln um den Innenstadtbereich rund um den Vieux Port sind zudem Polizeieinheiten auf Mountainbikes präsent, die auch in den engen Gassen und auf den Treppen sehr mobil sind.

Politik

Die Stadt Marseille teilt sich in 16 Arrondissements (Stadtbezirke) mit insgesamt 111 Stadtvierteln.

Wappen

Beschreibung: In Weiß ein blaues durchgehendes gemeines Kreuz.

Das alte Rathaus von Marseille

Bürgermeister

Bürgermeister von Marseille sind oder waren seit der Befreiung der Stadt 1944:

Städtepartnerschaften

Derzeit gibt es 14 Partnerstädte von Marseille:[24]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Museen

Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée

Das Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers (französisch: Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée, kurz: MuCEM) wurde im Zuge Marseilles als Kulturhauptstadt Europas am 7. Juni 2013[25] eröffnet.

Musée Regards de Provence

Ebenfalls im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas wurde das Musée Regards de Provence am 1. März 2013 in der ehemaligen Sanitärstation des Marseiller Hafens eröffnet. Das Gebäude wurde 1948 von Fernand Pouillon entworfen. Zu der ständigen Ausstellung Mémoire de la Station Sanitaire (Erinnerung an die Sanitärstation) gehört eine Videoinstallation im Dampf- und Maschinenraum. Die jeweils aktuellen Zusammenstellungen von Bildern, Zeichnungen, Fotografien und Plastiken präsentieren Werke im Zusammenhang mit Marseille, der Provence und dem gesamten Mittelmeerraum.[26]

Musée d’Art Contemporain

Das Musée d’Art Contemporain (MAC) (Museum für zeitgenössische Kunst) präsentiert in wechselnden Ausstellungen Werke zeitgenössischer Künstler, z. B. Monographien von Gordon Matta-Clark, Rosemarie Trockel, Dieter Roth, Franz West und Rodney Graham.[27]

Musée des Beaux-Arts

Das Musée des Beaux-Arts (Museum der Schönen Künste) präsentiert nach der Neueröffnung im Juni 2013 im Schwerpunkt Gemälde aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Darunter sind Werke italienischer Meister wie Perugino, Guercino, Carracci der Pannini und französischer Künstler wie Champaigne, Vouet, Lesueur, Greuze, Vernet, Hubert Robert und David. Zudem sind die Niederländer Peter Paul Rubens, Jacob Jordaens und Frans Snyders vertreten. Die Französische Schule des 19. Jahrhunderts ist ein Schwerpunkt der Sammlung. Neben dessen Meistern Courbet, Corot, Daubigny, Millet und Puvis de Chavanne werden Werke von Vertretern der Marseiller Schule gezeigt, darunter Loubon, Guigou oder Ziem. Die innere Stimme, ein Meisterwerk von Auguste Rodin, das der Bildhauer dem Museum vermachte, und die Büsten von Prominenten wie Juste Milieu oder Ratapoil Daumier sind Beispiele für Werke der Bildhauerei des 19. Jahrhunderts.[28]

Musée Borély

Als die Stadt Marseille im späten 19. Jahrhundert den Landsitz Borély mit dem grossen Park im 8. Arrondissement erworben hatte, richtete sie darin ein archäologisches Museum ein, das bis 1989 bestand. Nach umfassenden Renovationsarbeiten ist das Schloss seit dem 15. Juni 2013 erneut als Museum für Kunsthandwerk, Fayence und Kostümgeschichte geöffnet.

Musée d’Histoire Naturelle

Das Musée d’Histoire Naturelle (Naturgeschichtliches Museum) zeigt zoologische und geologische Ausstellungen und befindet sich wie das Musée des Beaux-Arts in den Seitenflügeln des Palais Longchamp (siehe Bauwerke).

Centre de la Vieille Charité

Das Centre de la Vieille Charité, das ehemalige Krankenhaus der Armen, beherbergt das Musée d’Archéologie Méditerranéenne (Museum für Mittelmeer-Archäologie) und das Musée d’arts Africains, Océaniens et Amérindiens (Museum für afrikanische, ozeanische und indianische Kunst).

Musée Cantini

Das im bürgerlichen 6. Arrondissement gelegene Museum Musée Cantini gründet auf das Vermächtnis des Bildhauers Jules Cantini, von dem auch die Marmorplastik am Place de Castellan stammt und der das Gebäude und seine Sammlung 1916 der Stadt übereignete.[29] Mit Ankäufen, zahlreichen Spenden und Unterstützung durch staatliche Museen (Musée national d’art moderne, Fonds National d’Art Contemporain, Musée National Picasso, Musée d’Orsay) wurde die Sammlung ergänzt und präsentiert heute die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts. Im Museum finden kontinuierlich Wechselausstellungen zur zeitgenössischen Kunst statt.

Musée de la Marine et de l’Economie de Marseille

Im 1852 bis 1860 am unteren Teil der Canebière, nahe dem Alten Hafen von Pascal Coste erbauten Palais de la Bourse (Börse) befindet sich heute das Musée de la Marine et de l’Economie de Marseille (Museum für Seefahrt und Wirtschaft). Es finden dort Ausstellungen zu Handel, Wirtschaft und Verkehr statt, die kommunale Einrichtung dient aber auch der Förderung der regionalen Wirtschaft.

Musée d’Histoire de Marseille

Das Musée d’Histoire de Marseille (Museum der Stadtgeschichte) wurde 1983 eröffnet und 2013 völlig renoviert. Es befindet sich im Einkaufszentrum Centre Bourse neben dem Palais de la Bourse in der Nähe des Alten Hafens. Beim Bau des Centre Bourse in den 1970er Jahren wurden Teile des antiken Hafens freigelegt, die im Jardin des Vestiges gleich neben dem Museum besichtigt werden können.[30]

Kino des Mittelmeerraumes

Seit 2011 gibt es ein Filmmuseum im Château de la Buzine, welches sich dem Kino des Mittelmeerraums widmet.[31]

Bauwerke

Notre-Dame de la Garde

Notre-Dame de la Garde

Südlich des Stadtkerns befindet sich die von Henri-Jacques Espérandieu im neobyzantinischen Stil entworfene Notre-Dame de la Garde, die in den Jahren 1853 bis 1864 an der Stelle einer mittelalterlichen Wallfahrtskapelle errichtet wurde. Sie befindet sich auf einem 147 m hohen Kalkfelsen und ist neben dem vor dem Hafen liegenden Château d’If das Wahrzeichen von Marseille. „La Bonne Mère“, wie sie im Volksmund genannt wird, birgt eine monumentale Sammlung an Votivbildern. Von den Aussichtsplattformen hat man einen spektakulären Blick über die Stadt.

Vieux Port

Alter Hafen mit Blick auf Notre-Dame de la Garde

Im Zentrum der Stadt liegt der Alte Hafen Vieux Port. Am Quai des Belges gibt es einen Fischmarkt. Etwa zur Mitte der Strecke zum Cours Saint-Louis hin befindet sich die Börse (Palais de la Bourse), wo das Musée de la Marine et de l’Économie de Marseille untergebracht ist. Beim Musée des Docks Romains befanden sich die Hafenanlagen aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Das Musée d’Histoire de Marseille wurde um einige Überreste des antiken Hafens herum angelegt. Vom Alten Hafen aus fahren kleine Transportschiffe und Touristenboote zu den Frioul-Inseln, bestehend aus den Inseln Ratonneau, Pomègues und If mit dem Château d’If. Einige Schiffe fahren vorbei an den Calanques ins etwa fünfzehn Kilometer entfernte Cassis (Bouches-du-Rhône) mit Europas höchster Klippe.

La Canebière

Vom Alten Hafen aus zieht sich in nordöstlicher Richtung die etwa einen Kilometer lange ehemalige Prachtstraße La Canebière bis zur Kirche Église des Réformés. Der Straßenname stammt vom provenzalischen Begriff Canabiero und bezieht sich auf den Handel von Hanf Cannabis sativa. Die Canebière wurde von Geschäftshäusern und Cafés gesäumt und früher oft mit der Pariser Avenue des Champs-Élysées verglichen. Die Straße wandelte sich seit den 1970er-Jahren im Zuge der Zunahme des Straßenverkehrs in eine stark befahrene Straße. Zwischen Cours Belsunce beziehungsweise Cours Saint-Louis und Boulevard Dugommier/Boulevard Garibaldi überwiegen verfallende oder vernachlässigte Fassaden.

Quartier du Panier

Der Alte Hafen von Marseille vom Quai du Port, der Panier-Seite aus fotografiert

Das Quartier du Panier liegt nördlich des Alten Hafens im 2. Arrondissement und wird von den Einheimischen knapp „Panier“ genannt. Es ist der Ort der ersten Besiedelung Marseilles. Hinter dem barocken Rathaus (Hôtel de ville), in dem das Bürgermeisteramt (Mairie) untergebracht ist, beginnt der verhältnismäßig unberührte alte Kern Marseilles. Auf dem Place des Moulins, einer der beiden Hügel des antiken Marseille, standen seit der Frühzeit die Windmühlen der Stadt. Die Grundrisse der Straßen und Treppen entsprechen zum großen Teil der griechischen Zeit, neue Häuser wurden auf den Grundstücken und Mauern der alten Häuser erbaut. Die heutigen Häuser stammen überwiegend aus dem 18., einige aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Auf dem anderen hohen Hügel der antiken Stadt erbauten die Griechen eine Agora; heute säumen alte Bistros den an der Rue Saint-Pons gelegenen Place de Lenche. Noch im Panier, ebenfalls westlich des Alten Hafens befindet sich die wie Notre-Dame de la Garde im neobyzantinischen Stil erbaute Cathédrale de la Major. Sie entstand zwischen 1852 und 1893 und besitzt zwei kuppelgekrönte Türme sowie eine 16 Meter hohe Vierungskuppel.

Am Quai du Port entstanden in den 1960er/70er Jahren fünfstöckige Neubauten. Dahinter befindet sich eine weitere Reihe Wohnhäuser: Werkbund-Nachläufer, eine Art in die Länge und die Höhe gezogener Kleinteiligkeit, die sich in erkerförmigen Backsteinapplikationen ausdrückt. Vorher befand sich dort das eigentliche Hafenviertel, ein verzweigtes Netz aus Wohnhäusern aus dem 17. Jahrhundert, vielen kleinen Gassen und Treppen. Die im November 1942 in Marseille einmarschierten Deutschen sahen darin einen Unsicherheitsfaktor sowie einen „Hort“ der Résistance. Im Januar 1943 begannen deutsche Truppen nach der sogenannten „Évacuation“ von fast 27.000 Einwohnern in ein Gefangenenlager bei Fréjus unter Befehl des Generalfeldmarschalls von Rundstedt mit der Sprengung des Hafenviertels (1924 Gebäude).[32]

Hinter dem Place de la Joliette erstreckt sich der Neue Hafen (Port Moderne). Die hier gelegenen Docks de Marseille, 1858–1864 erbaute Lagerhäuser von 365 Metern Länge, wurden im Rahmen der Euroméditerranée zu Büros, Wohnungen oder Veranstaltungsstätten umgewandelt, im Erdgeschoss befinden sich Läden und Restaurants, die im Oktober 2015 eröffnet wurden[33].

Cité radieuse

Die Ost-Fassade der Cité Radieuse von Le Corbusier

Die erste von Le Corbusier 1947–1952 verwirklichte ‚vertikale Stadt‘ vom Typ Unité d’Habitation als Vorläufer der Plattenbauten. Ladenstraße, Café (des integrierten Hotels) und Dachterrasse (mit Blick in die Marseille umgebenden Berge und bis zum Meer) sind öffentlich zugänglich; das Café und Restaurant[34] scheint weitestgehend im Originalzustand erhalten zu sein und veranschaulicht die rasterartige Modulbauweise sehr gut.

Parc Borély

Die Allee mit dem Chateau Borely in gleichnamigem Park

Der Parc Borély[35] ist ein 17 ha großer städtischer Park im Süden Marseilles. Er besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: Dem Hippodrome, der Allee mit dem Chateau Borély und einem englischen Garten; enthalten ist auch ein Rosarium, angegliedert ist der botanische Garten, die Flussauen der Huveaune verbinden fast direkt mit dem Meer. Vielfältige Freizeitaktivitäten sind möglich, besonders auch für Kinder (Karussells, Kettcar-Verleih etc.). Das Chateau Borély beherbergt das Musée des Arts décoratifs, de la Faïence et de la Mode[36][37].

Panoramablick auf Marseille, von Notre Dame de la Garde aus gesehen

Kulinarisches

In Marseille gibt es neben der traditionellen provenzalischen Küche durch den großen Anteil von Einwanderern auch viele Einflüsse aus dem gesamten Mittelmeerraum: Es wird levantinisch, maghrebinisch, griechisch, italienisch, korsisch, spanisch, jüdisch-sephardisch und armenisch gekocht.

Die Bouillabaisse stammt aus Marseille und ist in ganz Frankreich und über das Land hinaus bekannt. In den Restaurants von Marseille gehört diese ursprünglich von Fischern aus nicht verkauften Fischen, Crevetten und Muscheln gekochte Suppe zum Standard.

Les pieds et paquets bezeichnet Pansen vom Schaf oder Lamm, der gerollt und mit Speck, Knoblauch und Petersilie gefüllt wird. Dazu werden Pied-de-mouton bzw. Schafsfußpilze angerichtet.[38]

In der traditionellen Marseiller Küche wird (wie überall in Frankreich) frisch und mit Zutaten aus der Region gekocht. Fisch und Meeresfrüchte werden bevorzugt, allerdings auch Fleisch und Geflügel oft zubereitet.

Veranstaltungen

In Marseille findet alljährlich mit der „Mondial La Marseillaise à Pétanque“ das größte Pétanque-Turnier der Welt statt. 2006 waren zum Beispiel 4.112 Mannschaften mit 12.336 Spielern am Start.

Seit 1979 ist Marseille am letzten Oktobersonntag Startort von Marseille – Cassis, einem der populärsten Straßenläufe Frankreichs.

2010 wurde Marseille zur Kulturhauptstadt Europas 2013 gewählt.[39] Dafür wurden mehrere Stadtteile aufwändig restauriert und umstrukturiert.[40][41] Im Jahr 2012 fand in Marseille das 6. Weltwasserforum statt, da Marseille seit 1996 Welthauptstadt des Wassers ist.[42]

2013 fand in den Docks des Suds das 9. Mal das Weltmusikfestival Babel Med Music mit einem umfangreichen Kongress- und Messeprogramm und zahlreichen Konzerten statt.[43][44]

Musik

Neben den typischen französischen Chansons ist Marseille vor allem eine feste Größe im französischen Hip-Hop. Mitte der 80er Jahre begannen Gruppen wie IAM vor allem die Jugendlichen aus Migrantenfamilien für den neuen Musikstil zu begeistern. Heute ist der französische Hip-Hop-Markt, vor allem auch dank der Künstler aus Marseille, nach dem der USA der zweitgrößte der Welt.

Naturdenkmäler

Im April 2012 wurde der Parc National des Calanques offiziell eingeweiht. Der Nationalpark erstreckt sich von Marseille über sechs weitere Gemeinden und dient dem Schutz der Calanques, des küstennahen Kalksteingebirges einschließlich des Uferraumes.[45] Er umfasst in der Kernzone ein Gebiet von rund 11.200 ha Land- und 78.000 ha Seefläche, in der Randzone ungefähr 34.000 ha Land- und 145.000 ha Seefläche.[46] Zum Schutzkonzept gehören u. a. eine aufwändige Besucherführung durch Anlage von markierten Wanderpfaden und ein strenges Betretungsverbot bei Waldbrandgefahr.

Sport

Stade Vélodrome

Olympique de Marseille

In Marseille ist der 1899 gegründete und national und international sehr erfolgreiche Fußballclub Olympique de Marseille beheimatet. Die Heimspiele werden im 67.000 Zuschauer fassenden Stade Vélodrome ausgetragen. Vereinsfarben sind weiß und azurblau.

Bisherige Erfolge:

Mondial la Marseillaise à pétanque

In Marseille findet alljährlich mit der Mondial la Marseillaise à pétanque das größte Pétanque-Turnier der Welt statt. Es ist ein für alle Pétanque-Spieler offenes Turnier. Eine Lizenz ist zur Teilnahme nicht erforderlich. 2006 waren zum Beispiel 4.112 Équipes (Mannschaften) mit 12.336 Spielern am Start. Es wird im unweit des Strandes gelegenen Parc Borély und den angrenzenden Geländen ausgetragen, das Finale immer am Alten Hafen. Vor diesem Turnier finden im Parc Borely auch die ebenfalls jährlich stattfindenden Meisterschaften des Jeu Provençal statt. Dabei handelt es sich um die alte, historische Version des Boule (Pétanque)-Spiels, das seinen Ursprung in der Provence hat. Auch hier nehmen tausende von Spielern teil, die jedoch naturgemäß aus den südlichen Region (Frankreich) kommen.

Wirtschaft und Standortfaktoren

Bedeutende Industriezweige sind die Fahrzeug-, Maschinen-, Metall- und Nahrungsmittelindustrie. In Marseille befindet sich das Gefängnis Les Baumettes. Marseille ist auch ein Schwerpunkt in der kunsthandwerklichen Herstellung von Santons. 35 Hersteller (von 200 der Provence) leben in Marseille.[47] In der Weihnachtszeit findet ein fast ausschließlich diesem Thema gewidmeter Markt auf der Canebière statt.

Medien

Wichtigste Zeitung ist La Provence.

Verkehrsinfrastruktur

Anteil der Verkehrsmittel (Modal Split)

2009 hatten die verschiedenen Verkehrsmittel folgende Anteile am Gesamtverkehr: privater Autoverkehr: 45 % (-6 % gegenüber 1997), Fussverkehr 37 % (+3 %), öffentlicher Verkehr 14 % (+2 %), Motorrad 3 % (+1,3 %), Velo 0,4 % (unverändert)[48].

Bahnfern- und Güterverkehr

TGV im Hauptbahnhof Saint-Charles
Die Große Freitreppe zum Bahnhof Saint-Charles

Marseille ist über die 2001 in Betrieb genommene Schnellfahrstrecke Méditerranée mit dem TGV in etwa drei Stunden vom 750 km entfernten Paris (Gare de Lyon) zu erreichen. Der Ankunftsbahnhof dieser Züge ist der auf einer Anhöhe liegende Kopfbahnhof Saint-Charles. Der am 8. Januar 1848 eröffnete, mittlerweile auf 14 Gleise ausgebaute Bahnhof bildet den zentralen Verkehrsknotenpunkt der Stadt. Neben den TGV-Zügen fahren dort zahlreiche andere Fernzüge und Regionalzüge ab. Seit März 2012 existiert eine tägliche direkte Verbindung in acht Stunden nach Frankfurt am Main,[49] außerdem verkehrt in den Sommermonaten ein Thalys-Zugpaar direkt nach Amsterdam.

Zwischen Marseille und Avignon liegt bei Miramas der Bahnknotenpunkt mit Rangierbahnhof, über den Marseille als industrieller Ballungsraum und mit dem größten europäischen Hafen am Mittelmeer an das Netz des Eisenbahngüterverkehrs angeschlossen ist.

Straßenverkehr

Unter der südlichen Altstadt und dem Vieux-Port hindurch führt der mautpflichtige Straßentunnel Saint-Laurent oder auch Tunnel du Vieux-Port. Die aus Norden kommenden Autobahnen sind mit der Ostumgehung Marseilles über einen weiteren Tunnel (Viaduc de Plombières) verbunden. Die Autobahnen Marseille–Lyon und Marseille–Toulon werden durch einen Tunnel verbunden.

Der dichte Autoverkehr ist ein grosses Problem. Marseille ist die Stadt mit den meisten Staus in Frankreich[50].

Öffentlicher Personennahverkehr

Die Verkehrsmittel im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Marseille werden von der RTM (Régie des Transports Marseillais) betrieben.[51]

Metro und Straßenbahn

Metro- und Straßenbahnnetz
Video der Straßenbahn der Linie 2 in Marseille

Die 1977 eröffnete und später mehrmals erweiterte und ausgebaute U-Bahn Marseille verfügt über zwei Linien. Die beiden Linien kreuzen sich zweimal, an der Station Castellane und am Hauptbahnhof Saint Charles. Die Streckenführung ist in der Innenstadt unterirdisch, außerhalb der Stadt fahren die Züge oberirdisch oder als Hochbahn auf Pfeilern. Die Wagen verfügen über luftgefüllte, schienengeführte Reifen mit Stromversorgung mittels dritter Stromschiene. Vorbild war hier die Pariser Metro.

Mitte der 1990er Jahre kam es in Marseille aufgrund von stark zunehmendem Straßenverkehr zu Überlegungen, die aus dem Stadtbild verschwundene Straßenbahn wieder einzuführen. Bis dahin wurde die Straßenbahn verpönt und galt als nicht zeitgemäß und unbequem, waren doch die seit 1876 existierenden und ehemals zahlreichen Strecken ab Mitte des 20. Jahrhunderts bis auf eine Linie eingestellt worden. Es fiel die Entscheidung, die bestehende Strecke zu sanieren sowie weitere neu zu bauen. Seit Juli 2007 ist die erste der beiden neuen Trambahnlinien auf dem Abschnitt Euroméditerranée-Les Caillols in Betrieb. Die Fahrzeuge hierfür werden seit 2006 in Wien von Bombardier Transportation Österreich produziert. Die Inbetriebnahme der Straßenbahnwagen erfolgte auf dem Testgleis der Wiener Linien.

Busverkehr

Innerstädtisch sind in Marseille über 80 Buslinien eingerichtet. Sie verkehren frankreichtypisch abends und sonntags nach einem deutlich ausgedünntem Fahrplan. Mit den städtischen Linien erreicht man auch die Calanques. Weitere Linien bieten Verbindungen ins Umland, unter anderem in die Küstenregion mit anderen Zielen in den Calanques.

Seit Juni 2016 wird die Linie 82 alleinig von Elektrobussen bedient: Es werden sechs Busse des Typs IRIZAR i2e mit einer Beförderungskapazität von 77 Personen eingesetzt.[52]

Flugverkehr

Der für Südfrankreich bedeutende, da zentral gelegene Flughafen Marseille (frz. Aéroport Marseille Provence) befindet sich 20 km nordwestlich von Marseille und südwestlich des Étang de Berre bei der Stadt Marignane. Er wird von zahlreichen internationalen Fluglinien bedient, auch von mehreren deutschen Flughäfen.

Schiffsverkehr

In der ab 1844 angelegten Hafenanlage des Port Moderne befindet sich der Fährhafen von Marseille. Er ist einer der wichtigsten Häfen für Reisende in den Maghreb und nach Korsika. Mehrere Routen verbinden Marseille täglich mit den größten Fährhäfen Nordafrikas. In Korsika werden Ajaccio und Bastia täglich, Calvi, Propriano (mit Weiterfahrt nach Porto Torres auf Sardinien und Porto Vecchio) mehrmals wöchentlich angelaufen. Die für den Güterverkehr wesentlich bedeutenderen Hafenanlagen des Marseille Europort liegen u. a. in dem ca. 50 Kilometer westlich gelegenen Fos-sur-Mer.

Fahrradverkehr

2007 wurde der öffentliche Fahrradverleih Le Vélo installiert, über den mit EC- oder Kreditkarte bzw. über eine Registrierung beim städtischen Anbieter Fahrräder ausgeliehen werden können. Die Stationen sind nach dessen Angaben höchstens rund fünfhundert Meter voneinander entfernt und im Wesentlichen über das Kernstadtgebiet und an Straßen, die ins Zentrum führen, verteilt. Es stehen ca. 1'000 Fahrräder an 130 Stationen zur Verfügung. Das System funktioniert gleich wie Vélib’ in Paris, die Tarife sind jedoch günstiger: das 7-Tage-Abonnement kostet 1 €, das Jahresabonnement 5 €, die erste halbe Stunde ist gratis, jede weitere Stunde 1 €, mit Jahresabonnement 0.50 €[53]. Das Angebot unterstützt die stadtplanerische Ausrichtung auf den Ausbau des Radverkehrs mit breiten Radwegen besonders entlang der Ausfallstraßen und in das neue Dock-Viertel am Hafen.

Metropolenwanderweg

Im Rahmen der Kulturhauptstadtregion 2013 wurde ein sogenannter Metropolenwanderweg eingerichtet, der europäische Fernwanderweg GR 2013. Er führt durch die Stadt, ihre Vorstädte und ihre Peripherie. Der Weg soll der Bevölkerung ermöglichen, alle Teile der Stadt zu Fuß zu erwandern – inklusive der sonst gemiedenen Randgebiete.

Söhne und Töchter der Stadt

Zu den Marseiller Prominenten gehören der Zeichner Honoré Daumier, der Schauspieler Fernandel und der Sportler Zinédine Zidane.

Literatur

Antike

  • Monique Clavel-Lévêque: Das griechische Marseille. Entwicklungsstufen und Dynamik einer Handelsstadt. In: Elisabeth C. Welskopf (Hrsg.): Hellenische Poleis. Krise, Wandlung, Wirkung. Darmstadt 1974
  • Jean Guyon: Marseille. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Band 24, Hiersemann, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7772-1222-7, Sp. 246–265

Moderne

Weblinks

Wikivoyage: Marseille – Reiseführer

Einzelnachweise

  1. Oliver Meiler: In den Ghettos von Marseille., tagesanzeiger.ch vom 11. Januar 2013, abgerufen am 11. Januar 2013
  2. Marseille – von der Liebe gegründet von Planet Wissen abgerufen am 8. Nov. 2013
  3. Eduard Meyer: Geschichte des Altertums – Band 4; Jazzybee Verlag, 2012; (Online in der Google-Buchsuche)
  4. Hermann Bengtson: Griechische Geschichte von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit; C.H.Beck, 1977; (Online in der Google-Buchsuche)
  5. G. Barruol: Les peuples pre-romains du sud-est de la Gaule: étude de géographie historique. RAN Suppl. 1, Paris 1969, S. 224, Nr. 1.
  6. G. Barruol: Les peuples pre-romains du sud-est de la Gaule: étude de géographie historique. RAN Suppl. 1, Paris 1969, S. 199.
  7. Hdt. 1,163,1-1,165,4, Solin. II,77, Liv. V,34,7-8)
  8. Hermann Bengtson: Römische Geschichte – Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr., 8. Auflage, C.H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-02505-6, S 192f. (Online in der Google-Buchsuche).
  9. Bakterium Yersinia pestis eindeutig als Ursache der großen Pestepidemie des Mittelalters identifiziert – Presseveröffentlichung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vom 8. November 2010; abgerufen am 9. November 2013
  10. Fleur Beauvieux: Épidémie, pouvoir municipal et transformation de l’espace urbain : la peste de 1720–1722 à Marseille (franz./engl.); S. 29–50
  11. Michael Curtis: Verdict on Vichy. Power and prejudice in the Vichy France regime. Arcade, New York 2003 ISBN 1-55970-689-9, S. 194f.
  12. Chemins de mémoire: Provence August 1944, abgefragt am 27. August 2009. Hellwing wurde 1954 in Abwesenheit in Marseille zum Tode verurteilt, wurde aber dennoch SPD-Landtagsmitglied in Nordrhein-Westfalen sowie Mitglied des Bundesvorstands der SPD.
  13. Peter Lieb: Konventioneller Krieg oder Weltanschauungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frankreich 1943/44, Oldenbourg Verlag 2007, Seite 484 (Online in der Google-Buchsuche).
  14. vgl. ORF: Moment am Sonntag. Entsprechende Kritik wird beispielsweise durch die Vereinigung Un Centre-Ville pour Tous (CVPT) geäußert. Siehe z. B. Myriam Guillaume: Un centre ville pour tous : Curieux des effets de la rénovation urbaine.
  15. Christopher Dickey: Integration in Frankreich: Mélange Marseille, ZEIT ONLINE, 5. März 2012.
  16. Infoblatt Marseille, Haack Weltatlas-Online
  17. Beitrag der Open Society Foundations vom 20. September 2011: Muslime in Marseille fühlen sich von ihrer Stadt verstoßen; abgerufen am 31. März 2013
  18. Liste der Marseiller Synagogen; abgerufen am 31. März 2013
  19. Jüdische Allgemeine, online vom 14. Februar 2013: Sicherer Hafen – Seit rund 1500 Jahren leben Juden in Marseille. Ein Streifzug durch die Kulturhauptstadt Europas 2013; abgerufen am 31. März 2013
  20. FAZ-Online: Marseille – Stadt des Verbrechens; abgerufen am 29. Juli 2013
  21. vgl. Pascal Blanchard, Gilles Boëtsch: Marseille, porte sud – Un siècle d’histoire coloniale et d’immigration (franz.)
  22. Michaela Wiegel: Marseille: Spielend in die Kriminalität, faz.net vom 6. Oktober 2011, abgerufen am 20. Dezember 2011.
  23. Hinweise zur Videoüberwachung des öffentlichen Raums, veröffentlicht von der Stadtverwaltung Marseille, abgerufen am 23. März 2013
  24. Partnerstädte Marseilles (französisch).
  25. The history of MuCEM. MuCEM, abgerufen am 18. August 2013.
  26. Website des Museums. Abgerufen am 13. Januar 2016
  27. Webseite des MAC mit Informationen zu den Ausstellungen
  28. Informationen zur Ausstellung im Musée des Beaux-Arts, abgerufen am 30. März 2013
  29. Informationen über das Museum Cantini auf [1] (französisch)
  30. Website des Museums. Abgerufen am 13. Januar 2016
  31. Frankreich: Neues Filmmuseum in Marseille, Berliner Morgenpost vom 25. September 2011, abgerufen am 5. April 2012.
  32. Als die Deutschen in Marseille wüteten – Reportage auf Deutschlandradio Kultur
  33. Offizielle Website, Zugriff am 30. Januar 2016
  34. Internetseite des Restaurants im Hotel der Cité Radieuse, abgerufen am 1. Januar 2016
  35. Artikel in der franz. Wikipedia
  36. Artikel in der franz. Wikipedia
  37. Homepage des Kulturangebots der Stadt Marseille, abgerufen am 1. Januar 2016
  38. Gastronomische Spezialitäten aus Marseille (französisch), abgerufen am 15. April 2013
  39. Thomas Jorda: Eine einzigartige Welt, Niederösterreichische Nachrichten vom 24. Oktober 2011.
  40. Marseille, eine Stadt im Aufbruch, Deutsches Generalkonsulat Marseille, abgerufen am 5. April 2012.
  41. Michel Winde: Marseille: Das Ruhrgebiet Frankreichs, Westdeutsche Zeitung vom 21. Oktober 2011, abgerufen am 5. April 2012.
  42. World Water Forum 2012, Fremdenverkehrs und Kongreßamt von Marseille, abgerufen am 5. April 2012.
  43. Deutschlandradio Kultur über das Festival Babel Med Music 2013
  44. Downloads zu den Veranstaltungen des Festivals Babel Med Music (französisch/englisch)
  45. Offizielle Veröffentlichung zur Einrichtung des Parc National des Calanques
  46. Basisdaten des Parc National des Calanques (englisch)
  47. Christiane Schott: Südfrankreich : Der Figur zuliebe, ZEIT ONLINE vom 23. Dezember 2010.
  48. Vincent Tinet: Comment se déplacent les habitants de la métropole ? Résultats de l'enquête Ménage-Déplacement 2009. In: Note / Agence d’urbanisme de l’agglomération marseillaise. Septembre 2011, 2011 (agam.org [PDF; abgerufen am 27. September 2016]). Dasselbe (Memento vom 26. September 2016 im Internet Archive)
  49. Michael Kläsgen: Direkte Zugverbindung Frankfurt–Marseille – Der Grenzfahrer aus dem Elsass, süddeutsche.de vom 23. März 2012, abgerufen am 24. März 2012
  50. Gemäss Tom-Tom-Traffic-Index Zugriff 20.9.2016
  51. RTM betreibt den ÖPNV
  52. busworld.org vom 25. JUni 2016: SIX IRIZAR I2E ELECTRIC BUSES FOR MARSEILLE (englisch); abgerufen am 16. Oktober 2016
  53. http://www.levelo-mpm.fr/ Alle Angaben Stand Februar 2015