Rudern bei den Olympischen Spielen
Olympiasieger Rudern |
Die Sportart Rudern wird bei den Olympischen Spielen seit 1900 ausgetragen. Der Wettbewerb wird als olympische Ruderregatta bezeichnet und ist der sportlich anspruchsvollste und angesehenste Wettkampf im internationalen Rudersport.
Bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit im Jahr 1896 mussten die Ruderwettkämpfe aufgrund starker Winde ausfallen.[1] Von 1900 bis 1972 wurden Wettbewerbe in verschiedenen Bootsklassen nur für Männer ausgetragen, da das Frauenrudern lange Zeit als unschicklich und medizinisch bedenklich galt. Seit 1976 sind auch Frauen-Wettbewerbe olympisch, 1996 folgten drei Bootsklassen für Leichtgewichte.[2] Die Zahl der ausgetragenen Bootsklassen liegt seitdem bei 14, davon acht für Männer und sechs für Frauen.[3][4] Jede Nation darf lediglich eine Mannschaft pro Bootsklasse stellen, so dass im Falle einer Qualifikation in allen Klassen 28 Männer und 20 Frauen teilnehmen können. Durch eine Beschränkung der Teilnehmerzahlen in den Bootsklassen liegt das Geschlechterverhältnis unter allen Teilnehmern der Regatta von Rio 2016 bei etwa 60:40 zugunsten der Männer, nachdem es zuvor lange bei rund 64:36 gelegen hatte.
Im Laufe der Zeit wurde das Programm der Bootsklassen mehrfach verändert. Bei der Aufnahme neuer Bootsklassen wurden dabei alte gestrichen, um die Zahl der Teilnehmer im Rahmen zu halten. Die olympische Ruderregatta wird unter dem Regelwerk des Weltruderverbandes (FISA) ausgerichtet, der auch für die Qualifikationsregatten verantwortlich ist.
Ausgefahrene Bootsklassen
Seit 1996 ist das Programm der ausgetragenen Bootsklassen nicht verändert worden. Folgende Bootsklassen werden ausgetragen (inklusive Abkürzung und Anzahl der Startplätze für die Spiele von Rio):
- Frauen: Einer (W1x, 32 Startplätze), Doppelzweier (W2x, 13), Doppelvierer (W4x, 7), Zweier ohne Steuermann (W2-, 15), Achter (W8+, 7)
- Männer: Einer (M1x, 32), Doppelzweier (M2x, 13), Doppelvierer (M4x, 10), Zweier ohne Steuermann (M2-, 13), Vierer ohne Steuermann (M4-, 13), Achter (M8+, 7)
- Frauen (Leichtgewicht): Doppelzweier (LW2x, 20)
- Männer (Leichtgewicht): Doppelzweier (LM2x, 20), Vierer ohne Steuermann (LM4-, 13)
Das Leichtgewichtsrudern war nur wenige Jahre nach der Einführung von der Streichung bedroht, da das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Jahr 2002 mit der Ausnahme von Kampfsportarten keine Gewichtsklassen mehr im Programm sehen wollte.[5] Mit der Streichung der Leichtgewichts-Bootsklassen sollte ausdrücklich auch eine Reduktion der im Vergleich zu anderen Sportarten recht hohen Teilnehmerzahlen und der Zahl der ausgetragenen olympischen Bootsklassen einhergehen. Nach der Intervention des Weltruderverbandes wurde allerdings ein Bestandsschutz für die bereits im olympischen Programm existierenden Disziplinen inklusive des Leichtgewichtsruderns ausgesprochen.[6]
Im Zuge der sogenannten „Agenda 2020“ des IOC-Präsidenten Thomas Bach wird über Änderungen des olympischen Programms auch im Rudersport nachgedacht, die frühestens zu den Olympischen Spielen 2020 in Kraft treten könnten.[7] Beim Weltruderverband steht deshalb die Zusammensetzung der olympischen Wettbewerbe vor allem unter dem Aspekt des Geschlechterverhältnisses und der Universalität auf dem Programm. Es wird außerdem über eine Änderung der Streckenlänge diskutiert, um den Forderungen nach bezahlbaren Wettkampfstätten nachzukommen. Entscheidungen über das olympische Programm der Zukunft möchte das IOC im September 2017 treffen.
Frauen
Für Frauen werden seit 1976 Bootsklassen bei der Olympischen Regatta ausgefahren.[4]
Wettbewerb | 1976 | 1980 | 1984 | 1988 | 1992 | 1996 | 2000 | 2004 | 2008 | 2012 | 2016 | Austragungen (1976–2016) |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Einer | 11 | |||||||||||
Doppelzweier | 11 | |||||||||||
Doppelvierer | 8 | |||||||||||
Doppelvierer mit Steuerfrau | 3 | |||||||||||
Zweier ohne Steuerfrau | 11 | |||||||||||
Vierer mit Steuerfrau | 4 | |||||||||||
Vierer ohne Steuerfrau | 1 | |||||||||||
Achter | 11 | |||||||||||
Leichtgewichts-Doppelzweier | 6 | |||||||||||
Anzahl der Wettbewerbe | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | 6 | Summe: 66 |
Männer
Für Männer werden seit 1900 Bootsklassen bei der olympischen Regatta ausgefahren. 1896 fielen die Wettkämpfe aus.[4]
Wettbewerb | 1896 | 1900 | 1904 | 1906 | 1908 | 1912 | 1920 | 1924 | 1928 | 1932 | 1936 | 1948 | 1952 | 1956 | 1960 | 1964 | 1968 | 1972 | 1976 | 1980 | 1984 | 1988 | 1992 | 1996 | 2000 | 2004 | 2008 | 2012 | 2016 | Austragungen (1900–2016) |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Einer | 28 | |||||||||||||||||||||||||||||
Doppelzweier | 24 | |||||||||||||||||||||||||||||
Doppelvierer | 11 | |||||||||||||||||||||||||||||
Zweier ohne Steuermann | 24 | |||||||||||||||||||||||||||||
Zweier mit Steuermann | 20 | |||||||||||||||||||||||||||||
Vierer ohne Steuermann | 24 | |||||||||||||||||||||||||||||
Vierer mit Steuermann | 20 | |||||||||||||||||||||||||||||
Achter | 27 | |||||||||||||||||||||||||||||
Leichtgewichts-Doppelzweier | 6 | |||||||||||||||||||||||||||||
Leichtgewichts-Vierer ohne Steuermann | 6 | |||||||||||||||||||||||||||||
Vierer mit Steuermann (Dollengigs) | 1 | |||||||||||||||||||||||||||||
Sechser mit Steuermann | 1 | |||||||||||||||||||||||||||||
Sechzehner mit Steuermann | 1 | |||||||||||||||||||||||||||||
Anzahl der Wettbewerbe | 0 | 4 | 5 | 6 | 4 | 4 | 5 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | 8 | Summe: 193 |
Wettkampfdistanz
Von Beginn der neuzeitlichen Spiele sollte die Wettkampfdistanz der olympischen Regatta 2000 Meter betragen. Bei den ersten Austragungen wurden allerdings auch kurvige Strecken zwischen 1750 Metern und 2414 Metern (1,5 Meilen) genutzt, bei denen teilweise auch nur zwei bis drei Boote in einem Lauf starten konnten. Seit 1912 in Stockholm beträgt die Streckenlänge jedoch mit nur einer Ausnahme immer 2000 Meter bei nahezu gerader Streckenführung. Einzig 1948 wich die Distanz auf der Regattastrecke der Henley Royal Regatta in Henley-on-Thames ab, es wurden nur 1850 Meter gerudert. In Berlin 1936 wurde die Regatta erstmals mit sechs Startbahnen auf der Regattastrecke Berlin-Grünau durchgeführt, was sich seit 1956 in Melbourne als Standard etabliert hat.
Bei der Einführung von Frauen-Wettbewerben im Jahr 1976 in Montreal betrug die Wettkampfdistanz für die Frauen zunächst nur 1000 Meter. Seit 1988 in Seoul rudern aber auch Frauen über die 2000-Meter-Strecke.
Qualifikation
Bis zur olympischen Regatta 1992 in Barcelona existierte kein Qualifikationssystem, so dass die Mitgliedsverbände der FISA eine Mannschaft je Bootsklasse melden konnten. Dadurch war die Teilnehmerzahl im Rudern über die Jahre auf 627[8] angestiegen, was im Vergleich zu anderen Sportarten ein sehr hoher Wert war.
Die FISA etablierte daraufhin eine Beschränkung der Startplätze für jede Bootsklasse. Die Qualifikation kann von den nationalen Mitgliedsverbänden des Weltruderverbandes seit den Olympischen Sommerspielen 1996 bei verschiedenen Regatten im Vorfeld erreicht werden. Der größere Teil der Startplätze, derzeit 129 von 200,[3] wird bei den Ruder-Weltmeisterschaften im Jahr vor der olympischen Regatta an die Mitgliedsverbände der dort bestplatzierten Mannschaften vergeben. Die Ruderer in den qualifizierten Bootsklassen dürfen über diesen Qualifikationsweg bis zur olympischen Regatta noch getauscht werden, die Qualifikation ist also nicht personengebunden. Weitere 43 Startplätze in Einern und Doppelzweiern können auf kontinentalen Qualifikationsregatten in Afrika, Asien und Südamerika von den dort startberechtigten nationalen Ruderverbänden erreicht werden. Die letzten 28 allgemein zugänglichen Startplätze werden bei einer internationalen Qualifikation im Rahmen des Ruder-Weltcups einige Monate vor den Spielen vergeben. Die Qualifikation der kontinentalen und der internationalen Qualifikationsregatta sind personengebunden, das bedeutet eine Umbesetzung der Mannschaft ist danach nur noch im Verletzungsfall möglich. Zwei Startplätze sind zusätzlich für die Gastgebernation reserviert, vier Ruderer können auf Einladung vom Weltruderverband teilnehmen.
Teilnehmende Nationen
Medaillenspiegel
Die mit Abstand erfolgreichste Nation im ewigen Medaillenspiegel der olympischen Regatta ist Deutschland mit 62 Gold-, 28 Silber- und 29 Bronzemedaillen (Stand: nach der Regatta von London 2012). Dabei sind allerdings auch alle Medaillen der Vorgängerstaaten mitgezählt, so dass zeitweise zwei deutsche Mannschaften um Medaillen kämpfen konnten. Allein die Ruderer der ehemaligen DDR waren mit 33 Gold-, 7 Silber- und 8 Bronzemedaillen erfolgreicher als jede andere Nation bis heute, obwohl sie nur bei fünf von 27 Austragungen im Teilnehmerfeld vertreten waren. Diese Erfolgsserie wird heute auch mit dem damals praktizierten Staatsdoping in der DDR in Verbindung gebracht, von dem auch der Rudersport betroffen war.[9] Da in den 1970er- und 1980er-Jahren Dopingkontrollen noch nicht verbreitet waren, kam es dabei zu keinen Sanktionen.
Weitere erfolgreiche Rudernationen bei den Olympischen Spielen sind die USA (32 Gold-, 31 Silber- und 24 Bronzemedaillen), das Vereinigte Königreich (28–22–13) und Rumänien (19–10–8). Insgesamt haben 38 Nationen Medaillen bei der olympischen Regatta gewinnen können.
Mehrfache Medaillengewinner
Ruderer starten üblicherweise nur in einer Bootsklasse bei einer olympischen Regatta, nur in wenigen Ausnahmefällen haben Spitzenathleten Doppelstarts in zwei Klassen gewagt. Dadurch ist die mögliche Medaillenausbeute begrenzt. Allerdings konnten in der Vergangenheit mehrere Ruderer über 20 Jahre in der Weltspitze rudern, und dabei bis zu sechs Olympiateilnahmen mit einer entsprechenden Medaillenausbeute erreichen.
Die erfolgreichsten olympischen Ruderer mit mindestens 5 Goldmedaillen sind:
- Elisabeta Lipă (Rumänien, 6 Teilnahmen 1984 bis 2004, 5 Gold–2 Silber–1 Bronze)
- Steven Redgrave (Vereinigtes Königreich, 5 Teilnahmen 1984 bis 2000, 5 Gold–1 Bronze)
- Georgeta Andrunache (Rumänien, 4 Teilnahmen 2000 bis 2012, 5 Gold–1 Bronze)
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Olympic Games—1896-1908. In: rowinghistory-aus.info. Abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ Deutscher Ruderverband: Rudersport Almanach 2004. Meyer & Meyer Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-7853-1694-1, S. 202–209.
- ↑ a b Qualification System - Games of the XXX Olympiad; Rowing. (PDF; 201 kB) NOK Australien, abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ a b c Rowing: participation during the history of the Olympic Games. (PDF; 254 kB) Internationales Olympisches Komitee, abgerufen am 29. Januar 2013.
- ↑ Review of the Olympic Programme and the Recommendations on the Programme of the Games of the XXIX Olympiad, Beijing 2008. (PDF; 184 kB) Internationales Olympisches Komitee, abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ Weltruderverband: Lightweight Rowers Reassured as IOC Executive Board Modifies Controversial Principle (Memento vom 21. Februar 2005 im Internet Archive)
- ↑ FISA diskutiert IOC-Agenda 2020. Deutscher Ruderverband, abgerufen am 30. Oktober 2015.
- ↑ Rowing at the 1992 Barcelona Summer Games. In: sports-reference.com. Abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ Matt Smith: Shaping the Sport of Rowing. In: Volker Nolte (Hrsg.): Rowing Faster. 2., erweiterte Auflage. Human Kinetics, Champaign 2011, ISBN 978-0-7360-9040-7, S. 285–296 (englisch).