Giacomo Casanova

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Giacomo Casanova, porträtiert von seinem Bruder Francesco, Anfang der 1750er Jahre, Staatliches Historisches Museum (Moskau)

Giacomo Girolamo Casanova [ˈdʒaːkomo dʒiˈrɔːlamo kazaˈnɔːva] (* 2. April 1725 in Venedig; † 4. Juni 1798 auf Schloss Dux im Königreich Böhmen) war ein venezianischer Schriftsteller und Abenteurer, bekannt durch die Schilderungen zahlreicher Liebschaften, vor allem aber durch seinen Ausbruch aus den Bleikammern Venedigs. Das Pseudonym des Sohnes zweier Schauspieler lautete Chevalier de Seingalt.

Er ist womöglich der erste, der Berühmtheit nicht vorrangig durch seine Taten oder seine wissenschaftlichen oder kulturellen Leistungen erlangte, also durch Erfolge und Verdienste, sondern dadurch, dass er unentwegt von sich reden machte, und zwar in ganz Europa. Zwar versuchte Casanova sich als Violinist, Kleriker, Arzt und Alchemist, Übersetzer und Schriftsteller, ließ sich dabei von vermögenden Adligen protegieren, er gründete in Paris eine überaus erfolgreiche Lotterie, doch dies alles war nie die Grundlage seiner Jahrzehnte anhaltenden Bekanntheit. Er nutzte die Kommunikationswege zwischen den Höfen Europas ebenso wie die sich zu dieser Zeit stärker verbreitenden Zeitungen sowie das öffentliche Präsentieren an den dafür geeigneten Plätzen und Festivitäten, Theater- und Opernbesuchen, Gastmählern, Glücksspielstätten und Empfängen. Auch seine Memoiren und einige seiner sonstigen literarischen Werke dienten der in seinen Augen angemessenen Repräsentation seiner Persönlichkeit, ebenso wie seiner Rehabilitation. Oder, wie er selbst formulierte: „Ich bin stets nach Auszeichnung begierig gewesen und habe stets die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken geliebt. Aber ich bin es mir selber schuldig, hinzuzusetzen, dass ich niemals einen Menschen habe demütigen wollen, außer dummen oder hochmütigen Laffen“ (Erinnerungen, 4, 19).

Mehrmals wurde Casanova verhaftet, des Landes verwiesen, schließlich ließ er sich als Spitzel in Venedig einsetzen – ohne relevante Ergebnisse zu liefern. Dennoch wurde er erneut aus seiner Heimatstadt verbannt und musste schließlich seine letzten Jahre auf einem abgelegenen Schloss in Böhmen fristen. Dort entstanden seine umfangreichen Memoiren, die besondere Bedeutung für die Kulturgeschichte und die Alltagsgeschichte erlangten, zumal er viel reiste und die wichtigsten Höfe Europas kennen lernte, dazu eine große Zahl von bedeutenden Persönlichkeiten. Seine Memoiren, die bewusst auf Französisch verfasst wurden, erlauben zudem, in Verbindung mit anderen Quellen, eine recht genaue Darstellung seines Lebens bis etwa 1774. Casanova war nie verheiratet, hatte jedoch eine unbestimmte Zahl eigener Kinder, von denen er nur teilweise Kenntnis erhielt. Er habe, wie er schrieb, „die Frauen rasend geliebt, aber ich habe ihnen stets die Freiheit vorgezogen“ (Erinnerungen, 2, 10).

Erst im 19. Jahrhundert tauchte die Figur Casanova in künstlerischen Werken auf, doch war die Auseinandersetzung mit seinem Lebensweg noch weitgehend ohne verlässliche Quellengrundlage. Einen ersten Höhepunkt stellte in der literarischen Auseinandersetzung dabei im deutschsprachigen Raum das 1899 erschienene Werk des Hugo von Hofmannsthal Der Abenteurer und die Sängerin dar. In der Zeit bis 1933 sieht man die Phase höchster Intensität in der Rezeptionsgeschichte, die neben Hofmannsthal mit dem Namen Arthur Schnitzler verbunden ist. Dabei passte der Rückgriff auf eine männliche Identifikationsfigur in eine Zeit der Emanzipation und der Geschlechterkrise. Spätere Werke haben diese Ansätze übersimplifiziert und komprimiert fortgeführt, im Wesentlichen ohne neue künstlerische Ansätze zu liefern (Lehnen, S. 11 f.).

Dabei wurde das zentrale Werk, Casanovas Memoiren, erst nach 1960 in einer verlässlichen Ausgabe bei Brockhaus ediert. Zuvor erschienen allein in Deutschland und Frankreich bis 1956 beinahe 200 Ausgaben (Lehnen, S. 25 f.), doch sie alle basierten auf einer willkürlichen Auswahl und zum Teil verfälschenden Übersetzungen, die die Memoiren in Verruf brachten und ein einseitiges Bild Casanovas zur Geltung brachten, den Verlagen jedoch zu erheblichen Gewinnen verhalfen. Eine Forschung auf verlässlicher Grundlage, die die kulturgeschichtliche Bedeutung Casanovas herausschält, setzte dementsprechend erst nach den Editionen in Leipzig und Paris ein. Mehrere Fachzeitschriften und Forschungsinstitute befassten sich seither mit Casanovas Werken und seinem ungewöhnlichen Lebensweg.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Familie, früheste Erinnerungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenktafel an das Geburtshaus Casanovas in der heutigen Calle Malipiero, dort soll Casanova gezeugt worden sein[1]

Giacomo Casanovas Mutter war die Schauspielerin Giovanna Maria Farussi (1708–1776), genannt „Zanetta“ oder „La Buranella“, sein mutmaßlicher Vater der zehn Jahre ältere Tänzer und Schauspieler Gaetano Giuseppe Casanova (1697–1733). Die beiden wurden am 17. Februar 1724 in San Samuele getraut, dort, wo auch Giacomo getauft wurde.[2] Giacomo war das älteste Kind von insgesamt sechs Geschwistern (Francesco (1727–1803), „Cecco“ gerufen, Giovanni Battista (1730–1795), „Zanetto“ gerufen, Faustina Maddalena (1731–1736), Maria Maddalena Antonia Stella (1732–1800) und Gaetano Alvise (1734–1783)). Seine Kindheit verbrachte Casanova in der Calle degli Orbi, 3089; zu seiner Zeit hieß die Gasse allerdings Calle alla Commedia.[3] Sie befindet sich im Kirchspiel San Samuele. Entsprechend seiner Herkunft verglich er sein Leben mit einem dreiaktigen Theaterstück.[4]

Im ersten Kapitel seiner Autobiographie konstruiert Casanova eine ziemlich unwahrscheinliche adlige Abstammung (Mangini). Dabei führt er sich auf einen Don Giacobbe Casanova, Sekretär am Hof König Alfons' von Aragòn zurück. Dieser habe 1428 Donna Anna Palafox aus dem Kloster entführt. Aus deren Verbindung sei seine Familie hervorgegangen. Wie er selbst in seinem Büchlein Né amori né donne einräumt, war er wohl eher die Frucht der Beziehung seiner Mutter mit dem venezianischen Nobile Michiel Grimani, dem Besitzer des Teatro San Samuele, wo seine Eltern arbeiteten. In seinen Memoiren schreibt er, er habe keinerlei Erinnerung an die Zeit vor dem August 1733.

Der Hof (Corte) de le Muneghe, in dem Casanovas Großmutter lebte

Am 18. Dezember 1733 starb sein Vater, der wegen eines Engagements in London seine Familie 1726 bis 1728 hatte in Venedig zurücklassen müssen, an einer eitrigen Mittelohrentzündung, seine Frau war zu dieser Zeit im sechsten Monat schwanger. Da sie, die mit nach London gereist war, zunächst ein Engagement in Petersburg, dann ab 1738 auf Lebenszeit in Dresden hatte, wurde Giacomo von seiner Großmutter Marzia Farussi (ca. 1669–1743) erzogen, die zunächst gegen die Ehe ihrer Tochter gewesen war. Sie lebte im Corte delle Muneghe.

Bei dieser Großmutter, Marzia, litt Giacomo häufig unter Nasenbluten – dies war nach eigener Aussage seine älteste Erinnerung. Marzia Farussi besuchte zur Behandlung eine Art Zauberin („Hexe“) auf Murano, der, so Giacomo in seinen Memoiren, die Heilung gelang. Doch brachte ihn diese erste Begegnung mit magischen Vorstellungen erheblich durcheinander. Später bezeichnete er sich bereits früh so oft dem Tode nah, näher als dem Leben, dass „er ihn später kaum noch fürchtete“. Seine zweite Erinnerung betraf seinen Bruder Francesco und sie war zugleich die einzige an ihren gemeinsamen Vater. Darin eignete er sich einen Kristall seines Vaters an. Doch dieser bemerkte den Diebstahl, drohte dem Täter mit Prügel. Giacomo steckte den Kristall seinem unschuldigen Bruder in die Tasche, was ihm sofort leid tat, denn nun bezog dieser Prügel. Francesco verzieh diese Tat, deren sich Giacomo später rühmte, niemals. Sechs Wochen später erkrankte der Vater, und er starb binnen acht Tagen.

Ausbildung und Studium, Kleriker, erste Reisen (bis 1743/1744)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung in Padua, Studium der Jurisprudenz (1737–1739)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Danach kam der Junge unter die Vormundschaft des Abbate Alvise Grimani, eines Bruders des Michiel Grimani. Darum hatte sie Giacomos Vater noch auf dem Sterbebett gebeten. Die Brüder gehörten einer der einflussreichsten Familien Venedigs an. An seinem neunten Geburtstag wurde Giacomo über den Brenta nach Padua gefahren, nämlich in die Schule des Antonio Gozzi. Seine Unterkunft, die er sich mit drei anderen Jungen teilen musste, kostete einschließlich Verpflegung und Schule, wie Casanova in seinen Memoiren vermerkt, sechs Zecchini für ein halbes Jahr. Schmutz und Hunger trieben ihn zum Diebstahl von Nahrungsmitteln.

Doch erkannte sein Lehrer Antonio Maria Gozzi (1709–1783) seine Begabung, und so stieg Giacomo bereits nach fünf Monaten zum Dekurio auf, er sah also die Aufgaben seiner 30 Mitschüler durch. Er sah aber auch, dass sein Lehrer in seinen Augen abergläubisch war. So bestellte er für seine Schwester einen Exorzisten. Seine Großmutter zahlte dem Lehrer 24 Zechinen als Kostgeld für ein Jahr, und er zog um. Binnen zwei Jahren wurde er, vor allem durch Eigenstudium, ein Kenner der Klassik, er kannte Ariost und Horaz auswendig, befasste sich aber auch zunehmend selbstständig mit den Naturwissenschaften, lernte zudem Violine zu spielen. Dieses vielfältige, aber auch unsystematische Wissen, das er sich zudem durch eigene Lektüre erarbeitete, nutzte er später in einer Vielzahl von Situationen. Nach eigener Aussage war es das Glück der ersten Beifallsbekundung, das ihn antrieb, sich literarisch zu betätigen. Wo er seine medizinischen Kenntnisse erwarb, darüber schweigt Casanova.

In Padua verliebte er sich mit zwölf Jahren zum ersten Mal, nämlich in Bettina, die vierzehnjährige Schwester seines fast doppelt so alten Präzeptors, von der er berichtet, sie habe die Grundlagen seiner Kenntnisse gelegt. Dann schrieb er sich an der Universität Padua ein. Er selbst wollte Medizin studieren, doch überzeugte ihn seine Mutter davon, dass es mehr Vorteile böte, die Jurisprudenz zu wählen.

Rückruf nach Venedig, Kleriker an San Samuele (1740–1744), erste Protektion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Luca Carlevarijs: San Samuele und der Palazzo Malipiero, um 1716

Giacomo folgte dem Rat seiner Mutter, und er ging im November 1737 nach Padua, wo auch eine akademische Grundausbildung angeboten wurde; so lernte er bei Ercole Francesco Dandini (1691–1747). Bei dem Antiquar Carlo Ottaviani kam er mit der Alchemie in Kontakt. Doch als sich herausstellte, dass er sich dort vor allem vergnügte und sich an einer Studentenrevolte beteiligte, wurde er 1739 nach Venedig zurückgerufen. Seine Philosophie- und Rechtskenntnisse vertiefte er bei dem Gelehrten Biago Schiavo (1668–1738). Dort sollte er an San Samuele Profeta auf eine kirchliche Karriere vorbereitet werden. Tatsächlich erhielt er am 14. Februar 1740 die Tonsur. Er selbst berichtet, er habe sich, bereits als angehender Priester, nach Erhalt der vier niederen Weihen, am 19. März 1741 während seiner zweiten Predigt in San Samuele, eine Ohnmacht vortäuschend, in der Kanzel hart zu Boden fallen lassen. Sein Predigttext war ihm entfallen, die ersten Besucher verließen die Kirche, Gelächter, so dass er keine andere Möglichkeit sah. Drei Jahre später gab er seine kirchliche Laufbahn auf. Er wohnte nun im Sterbehaus seines Vaters zusammen mit seinem Bruder Francesco, während sein jüngster Bruder und seine Schwester bei der Großmutter lebten. 1742 lernte er für kurze Zeit am Seminar von San Cipriano.

Mit kaum 16 Jahren durfte er sich Abate des Pfarrers der Gemeinde Giovanni Tosello (1697–1757) nennen und die Wege in die venezianische Gesellschaft standen ihm offen. So stellte ihn Tosello dem Senator Alvise Gasparo Malipiero (1664–1745) vor, vermögend, gichtkrank, aller Zähne verlustig und 70 Jahre alt, aber ein Feinschmecker, der stets allein speiste und kultiviert war. Durch die Protektion dieses Senators, dessen Tischgenosse Casanova wurde, und die Freundschaft des Dichters Giorgio Baffo (1694–1768) erhielt er Zugang zu führenden Kreisen, in denen er auf seine geistreiche und galante Art auf sich aufmerksam machte. Andererseits war ihm klar, dass diese Zugehörigkeit ihre Grenzen hatte, denn er gehörte nicht dem Adel der Stadt an – ein schmerzhaftes Bewusstsein, das er jedoch stets verbarg, zumal er den Adel für hochmütig hielt (Memoiren 2,4). So schrieb er über einen Aufsteiger in der venezianischen Gesellschaft, der den Namen Tognolo gegen Fabris tauschte und danach steil aufstieg: „Wenn er seinen Namen Tognolo beibehalten hätte, so würde ihm dieser Name Schaden bereitet haben, denn er hätte ihn niemals aussprechen können, ohne sich an das zu erinnern, was man nach dem verächtlichen Vorurteil eine niedrige Herkunft nennt. Die bevorrechtigte Klasse will in strafbarem Irrtum nicht glauben, dass in einem Bauern Größe und Genie sein können. Die Zeit wird zweifellos kommen, wo die Gesellschaft aufgeklärter und vernünftiger sein und erkennen wird, dass in allen Ständen edle Gefühle, Ehre und Heldentum sich ebenso leicht finden können, wie in einer Klasse, deren Blut nicht immer frei von dem Makel der Mesalliance ist.“

Casanova erwarb angeblich mit 17 Jahren, wie er immer wieder behauptete, am 28. November 1742 an der Universität Padua den Grad eines Doktors beider Rechte (Doctor iuris utriusque, Dr. iur. utr.), d. h. des weltlichen und des kanonischen Rechts. Dieser akademische Grad lässt sich für Casanova in den Quellen jedoch nicht belegen,[5] auch wenn er später behauptete mit den Themen De Testamentes und Utrum Hebraei possint construere novas synagogas promoviert worden zu sein.

Reisen (vielleicht ab 1741/1742), Verlust der Protektion, Tod der Großmutter (1743)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Chronologie der Ereignisse ist zwar unsicher, doch wird konventioneller Weise angenommen, dass Casanova 1741 oder 1742 als Sekretär über Korfu nach Konstantinopel reiste, wo er Claude Alexandre de Bonneval traf, einen adligen Abenteurer.

Nun sammelte er Ende 1741/Anfang 1742 weitere Erfahrungen mit zwei Schwestern, den 16 und 15 Jahre alten Gräfinnen Nanetta und Marton Savorgnan, ohne sich gefühlsmäßig zu verstricken.

Am 18. März 1743 starb seine Großmutter Marzia, die er bis zuletzt gepflegt hatte. Zudem musste seine Mutter, die zu dieser Zeit in Warschau lebte, ihr Wohnhaus aufgeben. Sie schrieb, sie hätte Abbate Grimani Auftrag gegeben, das Mobiliar zu verkaufen und die vier Kinder in eine gute Pension zu geben.

In Venedig verlor Casanova die Freundschaft des Senators Malipiero, mit dessen Liebhaberin er sich eingelassen hatte; er durfte sein Haus nie wieder betreten, nachdem er mit Stockhieben von dort vertrieben worden war, wie sich Casanova später erinnerte.[6] Diese, die 17-jährige Opernsängerin Teresa Imer, gehörte der Compagnia comica von San Samuele an. Sie wohnte nicht weit entfernt im Corte del Duca, 3065. Ihr begegnete er noch einige Male.

Erste Inhaftierung, Geschlechtskrankheiten, Martirano, Abschied vom Klerus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenig später, nach seinen Angaben am 2. April 1742, wurde er erstmals festgesetzt, nämlich in der Inselfeste Sant’Andrea in der Lagune von Venedig, die er erst im Juli 1743 verließ. Nach eigenen Angaben lebte er nach dem Verkauf seines Elternhauses dort, wobei er sich Feinde machte, als er Mobiliar verkaufte. In jedem Falle erging es ihm dort keineswegs schlecht, er hatte sogar Gelegenheit Frauen aufzusuchen, zumal die Insel in Sichtweite des Ostrands der Kernstadt liegt. Drahtzieher war, wie sich Casanova erinnert, letztlich Alvise Grimani. In der Festung lagen seinen Angaben zufolge etwa 2000 Albaner, Cimarioten genannt, dazu 500 bis 600 Frauen und zahlreiche Kinder. Die Männer hatten sich im letzten Osmanenkrieg ausgezeichnet. Für diese, so berichtet er, seien Knoblauchzehen wie Zuckerplätzchen gewesen. Die einzige medizinische Bedeutung des Knoblauchs liege darin, dass er den Appetit anrege.

Nun handelte Casanova sich eine erste einer ganzen Serie von Infektionen mit der Gonorrhoe ein – es handelte sich nicht, wie früher vermutet, um die Syphilis. Diese stammten von einer Griechin, für deren Mann er eine Art Empfehlungsschreiben aufsetzte (von denen er viele verfasste). Casanova selbst betrachtete diese Episoden, die ihn immer wieder für mehrere Wochen zwangen, sich zurückzuziehen, als unausweichlich. So resümierte er in seinen Memoiren: „Mein Leben lang habe ich nichts anderes getan, als mich angestrengt, krank zu werden, wenn ich mich meiner Gesundheit erfreute, und mich angestrengt, meine Gesundheit wiederzuerlangen, wenn ich sie verloren hatte […] ‚Die Krankheit‘ (Casanova nennt hier wohl die Narben des weichen Schankers) verkürzt das Leben nicht, wenn man sich davon zu kurieren weiß; sie hinterläßt nur Narben. Aber man tröstet sich leicht, wenn man bedenkt, dass man sie mit Freuden erworben hat…“[7] Insgesamt infizierte sich Casanova im Laufe seines Lebens mindestens elf Mal mit der Gonorrhoe, mindestens zwei Mal mit dem weichen Schanker.[8] Auf der Insel pflegte und enthielt er sich sechs Wochen lang. Im Juni wurden die Albaner abgezogen, bald konnte er die Insel verlassen, auf der er eine völlig verarmte Adelsfamilie kennengelernt hatte, die von Almosen der Gemeinde lebte. Von seinen „beiden Engeln“, wie er die beiden Schwestern nannte, und die seine „erste Liebe“ waren, musste er sich bald verabschieden.

Überraschenderweise nämlich intervenierte nun seine Mutter für ihn. Sie arrangierte es von Dresden aus, dass ihr Sohn in den Dienst des neuen Bischofs Bernardino Bernardi (1699–1758) trat, der für das Bistum Martirano in Kalabrien vorgesehen war. Casanova träumte gar davon, Papst zu werden, wie er sich erinnerte. Doch schreckte ihn der abgelegene Ort so sehr ab, dass er seiner Klerikerkarriere endgültig entsagte, auch wenn er noch zwei Mal in seinem Leben über einen Rückzug ins Kloster nachdenken sollte.

Protektion und Adoption an Europas Höfen, Militär (1743–1753)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neapel, Rom, Ancona (1743–1745)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schließlich reiste er über Chioggia – wo er sein ganzes Geld verspielte –, Pola und Ancona – dort wurde er wegen der grassierenden Pest, die Schiffe aus Messina womöglich mitgebracht hätten, drei Wochen lang unter Quarantäne gestellt – über Rom zu seinem Bischof. Doch die dortigen Verhältnisse waren so ärmlich, dass er nach nur 60 Stunden Aufenthalt über Cosenza nach Neapel zog, eine Stadt, die ihm sogleich gefiel. Am 16. September 1743 dort angekommen, verbanden ihn bald Freundschaften, er lernte Antonio Genovesi kennen, den Marchese Galiani, den Duca d’Arienzo Lelio Carafa. Auch knüpfte er Beziehungen zu adligen Frauen.

Während seines Aufenthalts in Neapel erfand er einen Marcantonio Casanova als seinen Stammvater, der 1528 als Sekretär eines Kardinals in Rom gestorben sei. Doch fürchtete er, dass seine Abstammung ruchbar werden könnte, zumal die Königin, die seine Mutter kannte, ihren Besuch ankündigte: „nichts hätte sie verhindern können zu erzählen, was diese in Dresden war; … mein Stammbaum wäre lächerlich gewesen.“ Er entzog sich dem königlichen Besuch, indem er nach Rom abreiste. So ging es fünf Tage lang per Kutsche über Capua, Terracina, Sermoneta, Marino nach Norden, wobei sich Casanova in die verheiratete (etwa 20-jährige) Lucrezia Castelli verliebte, die Frau eines Advokaten in Rom (sie brachte eine gemeinsame Tochter zur Welt, der er fast zwei Jahrzehnte später wieder begegnen sollte). Rom war für Casanova „die einzige Stadt …, wo jemand, der aus dem Nichts hervorgeht, es zum Höchsten bringen kann.“ Als Zeichen, dass seine Jugendzeit endete, ließ er sich rasieren und kleidete sich nach Art der Römer. Immer wieder erhielt er den Hinweis, er müsse Französisch lernen; tatsächlich begann er die Sprache zu studieren.

Verzeichnis der verbotenen Bücher von Benedikt XIV., 1758, mit dem Abbild einer Bücherverbrennung
Orden vom Goldenen Sporn

Im Frühjahr 1744 lernte er Papst Benedikt XIV. kennen. Als Dank für amüsante Plaudereien erlaubte ihm der Papst, verbotene Bücher zu lesen – allerdings vergaß er, ihm dies schriftlich zu bestätigen –, und genehmigte ihm beim zweiten Besuch Fleisch zu essen – doch eine Dispens von der Fastenpflicht versagte er ihm ausdrücklich.

Es war ihm inzwischen gelungen, auf Empfehlung Carafas in die Dienste des Traiano Acquaviva d'Aragona (1696–1747) einzutreten, des Kardinals Acquaviva. Dennoch musste er die Stadt verlassen. Nicht wegen seiner erwachten Liebe zu einer Marchesa, Ehefrau eines spanischen Kardinals, musste er Rom verlassen, sondern weil er in eine gescheiterte Entführung verwickelt war. Der einflussreiche Kardinal fragte ihn, wohin seine Reise gehen sollte, und welche Empfehlungen er brauche. Tatsächlich soll er ihm ein entsprechendes Schreiben an „Osman Bonneval, Pascha von Karamanien in Konstantinopel“ übergeben haben.

Am 25. Februar 1744 traf Casanova in Ancona ein, zum Abschied mit reichen Geldmitteln ausgestattet, deren Löwenanteil er mittels Wechsel auf den Ragusaner Giovanni Buchetti transferierte, der in der Stadt ein Haus besaß – eine Art des Transfers, die Casanova wie selbstverständlich einsetzte. Als er, trotz der Behauptung, der Papst habe ihm erlaubt Fleisch zu essen, im Gasthof keines erhielt, wurde er durch einen anderen Gast davon abgehalten, sich weiter zu blamieren. Casanova gab sich als Sekretär des Kardinals Acquaviva aus. Dabei stellte ihm der spanische Gast seine Familie aus Bologna vor, der ein Kastrat namens „Bellino“ anzugehören schien. Die Dienste eines Lustknaben, eines Giton(e), wies er allerdings von sich. Im Hafen traf Casanova die Griechin wieder, die er vor sieben Monaten kennengelernt hatte, und die weiterhin Sklavin eines Türken war. „Bellino“ erklärte sich später als „Teresa“, die Casanova angesichts seiner Eskapaden, auch mit ihren sehr jungen Schwestern und der Griechin, für flatterhaft hielt. Bei Teresa hegte er zum ersten Mal den Gedanken an eine dauerhafte Verbindung.

Im Februar 1745 hielt sich Casanova kurz in Venedig auf, fuhr dann im März 1745 erneut nach Ancona, wo er sich in eine bekannte Sängerin verliebt hatte, bei der es sich um Angela Calori (1732 – etwa 1790) handelte, die aus Vicenza stammte.[9] Wie immer hielt seine Verliebtheit nur kurz an, dann trennten sich ihre Wege – er sollte sie erst in London wiedersehen.

Venedig (1745/46), zweite Reise nach Konstantinopel (1746–1749)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wechsel von 1782 für Carlo Acquaviva, abgezeichnet von Alessandro Pico della Mirandola (1705–1787)

In Venedig kaufte er sich ein Leutnantspatent und trat in den Militärdienst ein; schon in Bologna hatte er sich eine Uniform schneidern lassen; dort hatte er begonnen, sich durch Flanieren und Kaffeehausbesuche bekannt zu machen. Wieder ließ er sich einen Wechsel, diesmal auf Venedig und um 600 Zechinen ausstellen, dazu Gold im Wert von 100 Zechinen. Er wurde nach Korfu abkommandiert, von wo er im Sommer 1745 nach Konstantinopel reiste (vielleicht auch erst 1746). Kurz vor der Abfahrt lernte er Antonio Dolfino kennen, einen Rat auf Zante, der, obwohl venezianischer Adliger, in fremdem Sold gedient hatte. Auch hatte er einige Zeit im venezianischen Staatsgefängnis, den Bleikammern im Dogenpalast zugebracht, und – wie Casanova notierte – es fehlten ihm alle Fertigkeiten, um in der Gesellschaft bestehen zu können.

Zwar vermischt Casanova Jahrzehnte später selbst die Ereignisse dieser neuerlichen Reise, nach der von 1741 bis 1742, so dass sich die Chronologie auch hier nicht mehr genau klären lässt, doch besteht kein Zweifel, dass diese zweite Reise den Tatsachen entspricht.

Auf der Höhe von Curzola geriet das Schiff in einen Sturm, in dessen Verlauf ein Priester versuchte, die Teufel zu vertreiben, woraufhin die Mannschaft verlangte, dass Casanova, der jede Art von Zauberkünsten, böse Geister und Exorzismen für Albernheiten hielt, von Bord gehen sollte. Sogar ein Anschlag wurde auf ihn verübt. Nachdem sich der Sturm gelegt hatte, fuhr er dennoch weiter und erreichte nach acht Tagen Korfu. Auch dort verspielte er innerhalb eines Monats sein kleines Vermögen. Schließlich kam mit dem Linienschiff Europa, das 72 Kanonen führte, der neue Bailò von Konstantinopel, den er dorthin begleiten sollte. Nach sechs Tagen lag das Schiff vor Cerigo, wohin der Rat der Zehn, wie einer von ihnen Casanova klagte, über vierzig Männer verbannt hatte, die im Verdacht standen, von der Prostitution profitiert zu haben. Nach weiteren rund zehn Tagen erreichte das Schiff die Dardanellen, wo sie auf türkischen Schiffen Mitte Juli nach Konstantinopel gelangten.

Jean-Marc Nattier: Silvia Balletti, die Casanova verehrte, in einer allegorischen Darstellung, in der linken Hand eine Moretta muta; Öl auf Leinwand, 135,9 mal 124,5 cm, 1739, Fine Arts Museums of San Francisco

Mit seinem Empfehlungsschreiben suchte er Osman Bonneval, den Pascha von Karamanien auf, der ihn mit einem Gelehrten bekannt machte, mit dem er tagelang über die Unterschiede der Religionen nachdachte und dessen Freund er wurde – was Casanova in ungewöhnlicher Ausführlichkeit schildert. Er wünschte Casanova gar, zum Schwiegersohn zu gewinnen, doch müsste er dazu Türkisch lernen und Muslim werden. Bei Osman Pascha hatte er Gelegenheit, mit einer Tänzerin, die eine Moretta trug, zur Violinenmusik eine Furlana zu tanzen. Auch lernte er Jussufs Frau kennen, eine Chiotin. Als er mit dem Bailo Giovanni Donà zurückreiste, endete unter Tränen und reichen Geschenken ihre Freundschaft, wozu für Casanova später noch nützliche Kontakte kamen. Auf Korfu wurde er Adjutant bei „D. R.“, dessen, wie er glaubte, Geliebte Casanova so herablassend behandelte, dass er an sich eine Gehässigkeit entdeckte, die ihn beunruhigte. Auch behauptete er, einen Hochstapler entlarvt und auf eine Insel geflohen zu sein. Schließlich holte er im Karneval eine neapolitanische Schauspieltruppe aus Otranto auf die Insel. Als er seine Geliebte „F.“ mit einer Kurtisane betrog, fühlte er Abscheu gegen sich selbst, fühlte sich zum ersten Mal der Liebe einer Frau unwürdig, zumal er sich erneut angesteckt hatte. In kurzer Zeit verlor er, wie er selbst formuliert „Gesundheit, Geld, Kredit“, „gute Laune, Überlegung und Geist“. Der Geliebten, die mit „D. R.“ nach Venedig reiste, wurde er gleichgültig, und auch er reiste mit der Flotte nach Venedig zurück.

Violinist an San Samuele, Protektion durch Senator Bragadin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wohl zum Jahresende 1745 (?) war er wieder in seiner Geburtsstadt, verließ das Militär und arbeitete bei einem Rechtsanwalt. Allerdings war er diesmal ohne Protektion und ohne Einkünfte. Doch er wusste seine Fähigkeiten als Violinisten einzubringen, so dass er dem Orchester des Theaters von San Samuele beitrat, an dem schon seine Eltern gearbeitet hatten. Währenddessen hatte Teresa ein Engagement in Neapel angenommen, als Casanova nach Venedig gegangen war. In Venedig hatte eine der beiden Schwestern geheiratet, die andere war Nonne geworden; diese, Martina, sollte er erst 1754 wiedersehen. In Venedig, so berichtet er, seien die Galeassen abgeschafft worden, wogegen sich die Konservativen wendeten, von denen er meinte, „diese guten Leute müsste man nach China oder zum Dalai-Lama schicken; in diese Länder gehören sie weit eher als nach Europa“. Auch glaubte er, dass die Galeeren vor allem deshalb niemals abgeschafft werden würden, weil man sonst nicht wüsste, wohin mit den Gefangenen (auf Korfu allein befanden sich 3000 von ihnen), die dort ihren Zwangsdienst leisten mussten. Seinen Bruder Francesco konnte er aus der Gefangenschaft befreien, seine Schwester war inzwischen bei ihrer Mutter in Dresden. Den Militärdienst gab er wieder auf. In den nächsten Monaten gehörte er einer siebenköpfigen Gruppe junger Männer an, die sich in Casanovas Augen überaus schlecht aufführte. Da ihr Anführer ein Adliger war, schritten die Behörden dagegen nicht ein.

Am 20. April 1746 lernte er, nachdem er bei einer Hochzeit aufgespielt hatte, den 57-jährigen Senator Matteo Giovanni Bragadin (1698–1767) kennen, den er angeblich durch einen schnell herbeigeführten Aderlass, den ein herbeigerufener Wundarzt durchführte, von den Folgen eines Schlaganfalls befreien konnte. Danach habe er den Kranken in dessen Gondel nach Santa Marina gebracht, wo ein Arzt einen zweiten Aderlass durchgeführt habe, wie sich Casanova erinnerte. Der Arzt, Terro mit Namen, hätte ihn mit einer Quecksilber-Heilsalbe fast umgebracht, was Casanova verhindert habe. Der Senator fühlte sich ihm daher auf immer zu Dank verpflichtet.

Bragadin, der von seinem Bruder unterdrückt wurde, und seine Freunde Marco Dandolo (1704–1779) und Marco Barbaro (1688–1771) – wie er unverheiratet und zudem frauenfeindlich, wie Casanova feststellt –, beschäftigten sich mit okkulten Wissenschaften. Casanova nutzte diese für medizinische Gesichtspunkte, aber auch, um seine leichtgläubigen Gönner mit kabbalistischen Mystifikationen zu beschäftigen – ein Vorgehen, das er vor allem beim abergläubischen Adel Europas immer wieder zu seinen Gunsten nutzte. Er versuchte nach eigenen Aussagen, seine Gastgeber zu unterhalten, nicht sie auszunutzen. Bragadin adoptierte ihn bald als seinen Sohn und verpflichtete sich, ihn auf Lebenszeit mit zehn Zecchini pro Monat zu unterstützen, ihm sein Haus anzubieten, eine eigene Gondel zu unterhalten. So konnte er immerhin drei Jahre lang ein materiell sorgenfreies Leben führen, angefüllt mit Vergnügungen, Spiel und phantasievollen Ritualen. Mit Hilfe von Glücksspielen gelang es ihm, seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren. Doch, so konstatierte Casanova in seinen Erinnerungen, verhinderten sein feuriger Charakter, seine unwiderstehliche Neigung zum Vergnügen und seine Unabhängigkeitsliebe, sich Mäßigung aufzuerlegen, zu der seine neue Lage ihm zu raten schien. Nur die Gesetze wollte er achten.

Zunächst aber verspielte er bei einem Grafen Rinaldi, in dessen Frau er sich verliebt hatte, sein kleines Vermögen. Als er nicht zahlen konnte, sprang Bragadin ein, so dass er sein Geld zurückbekam. Doch Casanova mied nun das Haus des Grafen. Es gelang ihm zu erreichen, dass jeder, der eine Vergünstigung von seinem „Vater“, wie er Bragadin nannte, erhoffte, sich zunächst an ihn wandte.

Francesco Guardi: Das Ridotto im Palazzo Dandolo bei San Moisè, Öl auf Leinwand, 108 mal 208 cm, Ca’ Rezzonico, nach 1746 und vor 1750

Ein Zanetto Steffani, der einer jungen Gräfin „A. S.“ aus „C.“ die Ehe versprochen hatte, musste in den Kapuzinerorden eintreten, um ihre Ehre wiederherzustellen. Casanova hatte sie zufällig gesehen und sich ihre Notlage erklären lassen. Die Gräfin und er verliebten sich, doch die Familie des angereisten Grafen erfuhr nichts davon. Die Trennung schmerzte Casanova zwar heftig, doch nur kurz, denn er verliebte sich schon bald in Ancilla, die berühmteste Kurtisane Venedigs, wie er vermerkte. Doch auch diese Liebe dauerte nur wenige Wochen. Mit ihrem Hauptliebhaber, Graf Medini, duellierte er sich, wobei der Graf nach einem Stich in die Schulter um Gnade bitten musste. Der Graf blieb sein lebenslänglicher Feind. Ende Januar 1747 erhielt er einen Brief von „A. S.“, die inzwischen verheiratet war. Sie wollte verhindern, dass er sie bei einem Wiedersehen zu offensichtlich begrüßte. Wieder verspielte Casanova in den Ridotti sein Geld, wo die Patrizier nur mit Perücke und ihrer Kleidung erscheinen durften.

Einer Cristina, einem Bauernmädchen, das er in einer Gondel gesehen hatte, versprach er die Ehe, doch zog er es vor, sie mit einem anderen Mann zu verkuppeln – eine Episode, die Hugo von Hofmannsthal in einem Lustspiel verarbeitete (1899). Bei der Hochzeit war Casanova selbst anwesend. Dieser Vorgang wurde häufig als Beleg für Casanovas Verantwortungsbewusstsein herangezogen.

Flucht aus Venedig, Mailand und Mantua, Cesena: Henriette (1749)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach einem bösen Streich, bei dem Casanova auch vor Leichenschändung nicht zurückschreckte – hinzu kam, dass er ein Mädchen verprügelt hatte, dessen Mutter es verkuppelt und die Entlohnung im Voraus erhalten hatte, das sich aber verweigerte –, verließ er auf Anraten Bragadins Venedig für einige Zeit.

Im Januar 1749 reiste er Richtung Verona, zwei Tage später war er in Mailand. Dort traf er Marina wieder, die tanzte, und ihren Geliebten und Zuhälter (wie sich herausstellte gezwungenermaßen) einen angeblichen Grafen Celi aus Rom. Sie berichtete. Nach einem kurzen Duell, bei dem ihn Balletti unterstützte, flohen Celi und sein Begleiter. Balletti war ein Franzose und sollte noch einigen Einfluss auf Casanova haben. Marina, Balletti und Casanova reisten nun über Cremona nach Mantua.

Dort wurde er verhaftet, weil er bei Dunkelheit keine Laterne mit sich führte, feierte mit den Offizieren, und musste sich zu seinem Ärger sechs Wochen lang auskurieren – ein Opfer, das nur die Liebe wert sei. In Mantua traf er eine ehemalige Geliebte seines Vaters, die Ursache dafür, dass dieser zu seiner späteren Mutter gegangen war.

Dann traf er auf einen Capitani, der davon überzeugt war, eine überaus wertvolle Reliquie zu besitzen, nämlich das Messer, mit dem einst Petrus im Garten von Getsemane Malchus das Ohr abgeschnitten hatte. Casanova, wie so häufig unter Mangel an Geldmitteln leidend, versprach, ihm die dazugehörige Scheide zu beschaffen, was den Wert der Reliquie noch ungemein steigern würde.

In Cesena verliebte sich Casanova so heftig wie noch nie zuvor, in eine vier Jahre jüngere Frau. In seinen Erinnerungen nennt er diese Frau Henriette, die erste Französin, mit der er sprach, und deren Anmut, Geist und Witz er als selten in Italien hervorhebt. Nach Childs Untersuchungen handelte es sich dabei um Jeanne-Marie d'Albert de Saint-Hippolyte, die mit einem Boyer de Fonscolombe verheiratet war. Sie war in Begleitung eines über 60-jährigen, ungarischen Offiziers auf dem Weg nach Parma; Casanova begleitete die beiden. Es gelang ihr, den Offizier, der nur Latein und Ungarisch sprach, und deren Wege sich in Parma trennen sollten, mit großer Achtung zu behandeln, wie es auch Casanova tat, obwohl er Henriette bereits begehrte; in solchen Situationen führte er lautstarke Selbstgespräche, in denen er vergaß, dass er allein war. In Bologna entschied sich Henriette, die ihren Gatten und ihren Schwiegervater, der sie ins Kloster stecken wollte, als Ungeheuer bezeichnete, für Casanova. Nach drei Monaten, einem ‚Freudentaumel des Glücks‘, wurde die größte Liebe seines Lebens – Casanova bezeichnete sie als ‚seine Frau‘ – jedoch erkannt und so musste sie heimkehren. Casanova begleitete sie über den Mont Cenis, den sie in Sänften überquerten, noch bis nach Genf. Doch mussten sich dort im Februar 1750 ihre Wege trennen – für Casanova war die ganze Welt nichts mehr. Seine Gefühle waren zwar nie von langer Dauer, aber doch tief, durchaus respektvoll und glaubhaft; ohne Eifersucht und keineswegs zynisch, wie Mangini konstatiert. Allerdings traute er Frauen bei Weitem nicht alles zu.[10] Fünfzehn Jahre später begegneten sich die beiden zum letzten Mal, doch Casanova erkannte sie nicht. Sie selbst schrieb, sie sei froh darüber, denn sie empfand sich als unansehnlich.

Nach einem Fehltritt, bei dem er sich auch noch infizierte und er sich mit Quecksilber behandeln ließ, wäre Casanova beinahe zum Frömmler geworden, wie er selbst schreibt. Doch: „Wie du weißt, mein lieber Leser, verbreitet nichts sich so rasch wie die Pest, und was ist der Fanatismus jeder Art anders, als eine Pestkrankheit des Geistes?“ (2,5). Erst Anfang April war er geheilt. Dann riefen ihn Briefe von Bragadin nach Venedig zurück, wo niemand mehr seine Taten ahnden wollte.

Paris, Dresden, Wien (1750–1753)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erste Reise nach Paris (1750–1752), Freimaurer, Einführung bei Hof, Übersetzer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Crébillon unterrichtete Casanova ein Jahr lang im Französischen

Nach kurzem Aufenthalt in Venedig – durch einen Herrn de la Haye war er, wie er schrieb, zum ‚Fanatiker‘ geworden – brach für Casanova ein neuer Lebensabschnitt an. Zunächst fuhr er von Parma, wo er mit Henriette gelebt hatte, nach Fusina, von wo er nach Venedig übersetzte, das er ein Jahr lang verlassen hatte. Doch bald merkte er, dass de la Haye versuchte, ihn bei seinen Freunden zu verdrängen. Damit endete schlagartig seine Zeit als Mystiker, er begann wieder zu spielen und gewann 1750 zu Karneval 3000 Dukaten. De la Haye verließ Venedig und ging nach Polen; 1753 traf ihn dort Casanova wieder.

Am 1. Juli 1750 brach Casanova nach Paris auf, wo er mehr als zwei Jahre blieb – für das Elend in den Vorstädten hatte er allerdings, im Gegensatz zu einigen seiner Zeitgenossen, anscheinend keine Wahrnehmung, so dass die Stadt nur aus dem Blickwinkel des Hofes und nur schemenhaft auftaucht. Seine Brüder Giovanni und Francesco blieben in Venedig.

Diesmal reiste er in Begleitung des Schauspielers Antonio Stefano Balletti, Sohn der gefeierten Silvia Balletti (1701–1758), die Casanova verehrte, und der er in seinen Erinnerungen nach über vierzig Jahren noch eine ausführliche Schilderung widmete. Durch die etwa fünfzigjährige Schauspielerin, den „Abgott Frankreichs“, wurde er in die Pariser Gesellschaft eingeführt. In Turin musste er auf dem Weg dorthin feststellen, dass der König nichts Majestätisches hatte, was ihn als „denkenden, jungen Republikaner“ überraschte, denn er war im Gegenteil „hässlich, bucklig, mürrisch und unvornehm“ (2, 7).

In Lyon schloss er sich der Freimaurerei an, denn ihm war klar geworden, dass er nur so den Unwägbarkeiten begegnen können würde, die ihn erwarteten. Childs nimmt an, dass er in die schottische Loge Amitié, amis choisis aufgenommen wurde. Zudem soll er den Rosenkreuzern beigetreten sein.[11]

In Paris boten sich Casanovas Talenten reiche Möglichkeiten, zunächst aber musste er lernen, dass der Umgang miteinander dort anderen Gesetzen und Mustern unterlag – so grüßte man die Schauspieler mit den Namen ihrer Charaktere. Er freundete sich mit Künstlern der Comédie Italienne an, darunter mit der besagten Silvia Balletti, bei deren Tod er über zehn Jahre später anwesend war. Er machte die Bekanntschaft zahlreicher bedeutender Männer, wie etwa Crébillon, Jean-Baptiste le Rond d’Alembert, Bernard le Bovier de Fontenelle oder Claude-Henri de Fusée de Voisenon. Der noch immer berühmte ältere Crébillon bot ihm an, ihn ein Jahr in Französisch zu unterrichten – allerdings überwand Casanova nie seine italienischen Redewendungen. Von Marcel, dem bekannten Ballettmeister, wollte er bis in die feinsten Einzelheiten das Menuett erlernen. Den König hielt er für einen Despoten, doch meinte er zur Französischen Revolution: ‚Seither haben die Franzosen den Despotismus des Volkes. Ist dieser weniger abscheulich?‘ (2, 7). Er war beeindruckt von Ludwig XV., doch ‚Trauriges Geschick der Könige! Erbärmliche Schmeichler tun beständig alles, was erforderlich ist, sie noch unter den gewöhnlichen Menschen herabzudrücken.‘ (2,9).

Mit Begeisterung besuchte er die Comédie-Française und die Opéra, wo es ihm leichter fiel, Bekanntschaften zu machen und Freunde zu gewinnen. Er unterhielt zwar auch Kontakte zum Hof, doch er bevorzugte weiterhin die Konversation, das Spiel, die Liebe. Erst in Paris wurde er der umfassend gebildete Mann, als den er sich selbst sah. Sein erstes eigenes Werk war eine Übersetzung des Dramas Zoroastre von Louis de Cahusac ins Italienische. Seinem Bruder Francesco konnte er durch seine Kontakte eine Stellung als Schlachtenmaler verschaffen.

Mimi, die vielleicht 16-jährige Tochter seiner Wirtin, Madame Quinson, verliebte sich in Casanova und brachte einen Sohn zur Welt. Die Mutter ging später zur Bühne, das Kind wurde ‚zum Besten der Nation ins Hotel Dieu geschickt‘. Die Kosten für die Entbindung und das Wochenbett übernahm Casanova, der einer Anklage entging. Im Gegenteil geriet die Mutter wohl in den Verdacht der Kuppelei (2, 10).

Vesian hingegen war eine junge Frau aus Parma, die er so sehr respektierte und ihren Geist geradezu verehrte, dass er mit Erfolg alles unternahm. Balletti unterrichtete sie, und sie wurde an der Oper angestellt. Mit seinen Instruktionen suchte sie sich einen geeigneten Mann, und es gelang auch, ihrem Bruder eine Anstellung zu verschaffen. Ihr Glück lag ihm, wie Casanova schreibt, zu sehr am Herzen, als dass er es hätte wagen mögen, ihr nachzustellen. Ein anderes Mal ließ er eine 13-jährige Griechin namens Morphi von einem deutschen Maler porträtieren. Von dem Bild zirkulierten bald Kopien. Eine davon sah der König, der das Mädchen zu einer seiner Geliebten machte. Auch wenn sie später in Ungnade fiel, wurde sie doch immerhin reich ausgestattet.

Nachdem sein Bruder ein Schlachtengemälde ausgehängt hatte, das für schlecht befunden wurde, zerstörte dieser es eigenhändig. Giacomo geriet, nachdem er bei Condé gespeist und offenbar betrogen worden war, in eine Art Duell, das jedoch ohne Folgen blieb. Ein „Chevalier de Talvis“, der angab, die von Casanova beleidigte ‚Halsabschneiderin‘ beschützen zu wollen, wurde entsprechend den Regeln und somit korrekt, leicht verletzt.

Dresden, Prag, Wien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Grundriß von der Stadt Dresden und den aufselbige vorgenommenen Angriffen, unter dem Commando Sr. Excell. des Kaiserl. Königl. General-Feldmarschall-Lieutenants Herrn Grafen von Maquire im Monath September 1759, Kupferstich, 37,5 × 46,5 cm, Privatbesitz

Mitte August 1752 verließen die Brüder Giacomo und Francesco Paris Richtung Dresden, das sie Ende des Monats erreichten, um zu ihrer Mutter zu reisen, die sie voller Freude aufnahm. Der Weg führte sie über Metz, Mainz und Frankfurt. Für seine Mutter schrieb Giacomo La Moluccheide, eine verlorene Parodie in drei Akten auf La Thébaïde ou les frères ennemis (= Die Thebais oder die feindlichen Brüder) von Jean Racine (1664). Francesco übte seine Fertigkeiten an den Schlachtengemälden früherer Meister, um vier Jahre später nach Paris zurückzukehren. Bald darauf reiste Giacomo von Dresden ab, wo er Mutter, Bruder und Schwester zurückließ. Diese hatte den Hofklavierlehrer Peter August geheiratet.

Über den König, und erst recht seinen Minister, sagte er: ‚Niemals war ein Monarch ein so abgesagter Feind der Sparsamkeit‘. ‚Dresden hatte den glänzendsten Hof, den es damals in Europa gab.‘ Der König unterhielt vier Spaßmacher, denn ‚König August war nicht galant‘, die sich in Fratzenschneiden und Grobheiten ergingen, ‚man nennt sie in Deutschland Narren, obgleich diese herabgekommenen Menschen für gewöhnlich klüger sind als ihre Herren‘.

Von dort reiste er, nachdem er eine erneute Gonorrhoe sechs Wochen auskuriert hatte, im März 1753 nach Prag, wo er sich nur kurz aufhielt – zwei, drei Tage verbrachte er bei seiner Geliebten Morelli –, und weiter nach Wien, wo er Pietro Metastasio traf. Auch begegnete ihm dort wieder de la Haye, der ihm 50 Dukaten lieh, wie Casanova überhaupt wieder häufiger unter Mangel an Geld litt. An der Oper traf er den Tänzer Bodin, den er in Turin kennen gelernt, und der die schöne Geoffroi geheiratet hatte. Er wohnte bei Campioni, dem einstigen Ehemann der schönen Ancilla, der ein ebenso großer Spieler wie großer Tänzer war. Doch eine Legion von in Zivil gekleideten „Keuschheitskommissären“, die die jungen Frauen überwachten, hinderte ihn daran, seinen üblichen Vergnügungen nachzugehen. Dies änderte sich, als er wieder auf Baron Vais stieß, in dessen Gesellschaft man ihn bedrängte, er müsse doch mindestens ein Baron sein. Auch fiel ihm auf, dass die „Keuschheitskommissäre“ in diesen Kreisen keine Rechte hatten. Casanova, der keinen Genuss ausließ, erkrankte schwer, ein gegen seinen Willen hinzugezogener Arzt wollte ihn zur Ader lassen. Doch der Patient schoss auf ihn und konnte so die zwangsweise Behandlung verhindern; stattdessen nahm er nur Wasser zu sich. Man sah in ihm einen Mann, der sich mit Pistolenschüssen gegen den Tod gewehrt hatte. Zu seinem Ärger scheiterten seine Versuche bei einer Mailänder Tänzerin, die in einen anderen verliebt war (er entwendete ihr Porträt), aber immerhin konnte er vom Casinogewinn eines Gascogners profitieren, der dem Fürstbischof vielleicht 14.000 Gulden abgenommen hatte.

Venedig (1753–1756)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach seiner Abreise brauchte Casanova, dem das gesellschaftliche Klima zu eng wurde, vier Tage mit der Post bis Triest. Am 29. Mai 1753 war er wieder in Venedig. Freudig empfangen von Bragadin und seinen Freunden, konnte er sein altes Leben wiederaufnehmen, versuchte sich auch wieder im Glücksspiel (2, 12). Das gestohlene Porträt rückte er aufgrund eines Briefes der Mailänderin, den ihm der junge Giovanni Grimani aushändigte, anstandslos wieder heraus. Um den Festivitäten auszuweichen, reiste Bragadin nach Padua und Casanova mit ihm.

In dieser Zeit traf er wieder mit Teresa Imer zusammen, die, aus Bayreuth kommend, Venedig aufsuchte. Die beiden trafen zwei Mal zusammen, Teresa wurde schwanger.

Fassade der Kirche Santa Maria degli Angeli auf Murano

Caterina Capretta, Eheversprechen, Fehlgeburt im Kloster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bald verliebte er sich erneut, diesmal in die 14-jährige Cat(t)erina Maria Teresa Francesca Capretta (1738 – nach 1793), die Casanova „C. C.“ nannte. Ihr Bruder, der in Wien bankrottgegangen war, versuchte die beiden zu verkuppeln (er landete bald im Schuldgefängnis), und Casanova mittels Wechseln hinters Licht zu führen. Die beiden versprachen sich die Ehe, und Casanova, nicht nur in der Hoffnung, den gleichzeitigen Erguss herbeizuführen, äußerte zum ersten Mal einen Kinderwunsch. Er hielt um ihre Hand an, vermittelt durch Bragadin.

Blick auf Murano und die Kirche Santa Maria degli Angeli, fotografiert im Jahr 1904

Doch ihre Eltern – der Vater wollte sie als mindestens 18-Jährige verheiraten, und nur an einen Kaufmann – sperrten sie in das Kloster Santa Maria degli Angeli auf Murano. Dies erfuhr er durch eine Botin namens Laura, die davon lebte, Briefe aus und ins Kloster zu schmuggeln. Wieder spielte Casanova in Padua um sehr viel Geld, stürzte bei Padua mit seinem Pferde, und wegen eines neuen Pferdes schoss er auf einen Postillon. Kaum eine Viertelstunde zu Hause angekommen, erhielt er von der Botin sieben Seiten eines Tagebuchs. Dann traf er Croce, der wegen Glücksspiels ausgewiesen worden war, mit dem Casanova gemeinsame Sache gemacht hatte (er wurde später endgültig ausgewiesen und starb nach einem großen Skandal in der Feste Cattaro). So erhielt Casanova die Hälfte vom Gewinn, also 5000 Zechinen. Damit konnte er seine Schulden begleichen. Immerhin wurde er Caterinas Bruder los, dessen Wechsel als wertlos aufgeflogen waren.

Doch dann erhielt Casanova einen Brief von Caterina, in dem sie von einer Fehlgeburt berichtete. Sie hatte Laura, eine Botin, eingeweiht, denn sie drohte zu verbluten. Der aufgewühlte Casanova hielt sich während einer Reihe von Tagen auf Murano auf. Anlässlich einer Neuaufnahme im Kloster gelang es ihm, sich unter die Menge zu mischen, und die beiden begegneten sich zum ersten Mal wieder. In der Kirche trafen sie sich vielleicht fünf Wochen lang an jedem Feiertag.

Marina Morosini, Geliebte des französischen Botschafters, Dreiecksbeziehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei einer solchen Gelegenheit, an Allerheiligen 1753, ließ eine unbekannte Frau einen Brief vor seine Füße fallen. Sie habe ihn seit dreieinhalb Monaten beobachtet und wolle ihn kennen lernen. Als Casanova seine Memoiren verfasste, war der Brief noch immer in seinem Besitz, wie viele andere auch.

Das Sprechzimmer der Nonnen im Kloster San Zaccaria, Francesco Guardi, um 1745/1750, Öl auf Leinwand, 108 mal 208 cm, Ca’ Rezzonico

Im sogenannten Parlatorio, einem überwachten Gesprächsraum, sollte er die Unbekannte zu Gesicht bekommen, die seiner Caterina Französisch beibrachte. In seinen Erinnerungen nannte er sie „M. M.“, die sich als Marina Morosini identifizieren ließ. Es war dies eine seiner Indiskretionen, wenn es um Frauen von Stand ging. Am Gitter war ein großes Fenster angebracht, durch das ein Erwachsener hätte schlüpfen können, wie Casanova vermerkt.

Doch die 22- bis 23-jährige Morosini, obwohl ein Freigeist, freiwillig ins Kloster gegangen, redete kein Wort, wohl als Reaktion darauf, dass Casanova sich aus Vorsicht nicht hatte vorstellen lassen wollen (2, 17). Beim nächsten Mal ließ sie ihn (vergebens) warten. Am Ende musste sich Casanova für seine Rachegelüste entschuldigen, sie sprachen zum ersten Mal miteinander, gestanden sich ihre Liebhaber ein. Casanova schien es, als sollte ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich glücklich sein‘. Er war ‚verliebt, aber er genießt des geliebten Wesens nur, wenn er sicher ist, daß es seinen Genuß teilt, und dies kann nur der Fall sein, wenn ihre Liebe gegenseitig ist‘ (2, 18). Die, so glaubte Casanova, geschorene Nonne trug bei ihrem Treffen gar keine Perücke – eine große Erleichterung für Casanova. Dieser mietete ein Casino beim Theater San Moisè, übte sogar die Abläufe für den nächsten Tag mit seinem Personal ein. Unterdessen hatte ihm Caterina, die im Klostertratsch von der Affäre geahnt, dann die beiden durch einen Spalt beobachtet hatte, einen Abschiedsbrief überbringen lassen. Wie Casanova nicht zum ersten Mal vermerkt, vergnügten sich die neu Verliebten, diesmal sieben Stunden lang. Obwohl wiederum Morosinis Geliebter, der kaum 40-jährige französische Botschafter Pierre de Bernis (1715–1794), von ihrer beglückenden sexuellen Beziehung wusste, nahm er eine freundschaftliche Beziehung zu Casanova auf, ja, er wirkte heimlich im Hintergrund mit und öffnete dem Paar sein Haus. Dabei beobachtete er aus einem versteckten Raum die erste Liebesnacht. Als sich Casanova auf weitere Affären einließ, konnte Bernis auch dabei seinen voyeuristischen Neigungen nachgehen. Morosini wiederum hatte Capretta, die unter ihrem Einfluss gleichfalls zum Freigeist wurde, „in die Mysterien der Sappho“ „eingeweiht“ (2, 21), wie sie ihm im Januar 1754 schrieb. Casanova hielt immer noch an der älteren Beziehung fest, obwohl er wusste, dass es falsch war; Caterina war seit acht Monaten im Kloster.

Bei der Gelegenheit fügt Casanova in seine Memoiren ein, dass man glaubte, der Same komme aus dem Gehirn der Männer, während die weiblichen Säfte keinen Einfluss auf die Intelligenz des Kindes hätten, das gezeugt wurde. Daraus folge, dass das Kind‚ in Bezug auf das Gehirn, das der Sitz der Vernunft sei, nicht von der Mutter abstamme, sondern vom Vater‘ (2, 21).

Beinahe wäre es zu einem Zerwürfnis gekommen, als M. M. ein Treffen Casanovas mit C. C. arrangierte. Auf der Fahrt zum Palazzo Bragadin wäre er fast ertrunken, fiel danach in ein tagelanges Fieber. Doch nach intensivem Briefwechsel, durch den Casanova erkannte, dass Morosini ohne jede Eifersucht war, versöhnten sich die drei, deren Treffen jedoch durch einen Hexenschuss verzögert wurde, den Casanova nach der beinahe tödlichen Gondelfahrt erlitten hatte. Am 4. Februar 1754 kamen Morosini und Casanvoa wieder zusammen.

Bernis, der Casanova ein Bildnis ihrer gemeinsamen Geliebten hatte zukommen lassen, wollte Casanova unbedingt persönlich kennen lernen. Als Nichtadliger, dem der Kontakt mit Ausländern dementsprechend nicht untersagt war, konnte er sogar formell vorgestellt werden. Als Adliger wäre er ‚unter die Bleidächer gekommen, du wärest entehrt gewesen‘, erklärte er Morosini, die gefürchtet hatte, er wäre Bragadins Sohn und damit von Adel (2, 22).

Wenig später kamen Morosini und Casanova gemeinsam mit Capretta zusammen. ‚Wie üblich hatte die Liebe die Vernunft über den Haufen geworfen.‘ (2, 23). Doch schließlich verlor Casanova seine C. C. an Bernis, der sie reich machte. Wie Casanova vermerkt, trug er selbst die Schuld daran. Doch nun starb Caterinas Mutter, infolgedessen wurde sie auch von M. M. und Bernis isoliert, konnte das Kloster nicht mehr verlassen; zudem reiste der Franzose nach Wien ab. Drei Monate lang trafen sich Morosini und Casanova in dem Casino, dass ihm Bernis überlassen hatte. Doch traute Casanova keinem Ruderer, so dass er immer selbst die Gondel fuhr. Doch Anfang Oktober wurde ihm das Boot gestohlen, obwohl es an einer eisernen Kette vertäut war (Stricke waren beinahe ungebräuchlich geworden); Casanova gelang es, für Ersatz zu sorgen.

Spielsucht, Feindschaft Condulmers, zwei neue Geliebte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Doch Casanova riskierte immer wieder sein Glück, indem er um immer höhere Summen spielte. Erst Ende 1774 mussten auf Veranlassung des Großen Rates alle privaten Glücksspielstätten geschlossen werden. Obwohl die Mehrheit der Adligen im Rat dies gar nicht wollte, hatte die drei Staatsinquisitoren und der spätere Kardinal Flangini um ein Wunder durch den hl. Markus gebetet, wie Casanova sarkastisch anfügt. Casanova gibt als Grund seinen Geiz an, denn das Herz blutete ihm, wenn er anderes Geld ausgeben musste, als solches, das er im Spiel gewonnen hatte (2, 23).

Bald brachte er Condulmer gegen sich auf, da sie es auf die gleiche Frau abgesehen zu haben schienen. Deren Ehemann, Marcantonio Zorzi, ein Theaterfreund und Verfasser von Spottgedichten, unterstützte er gegen einen Rivalen. Condulmer, der auch darüber verärgert war, saß im Rat der Zehn, infolgedessen wurde er bald Staatsinquisitor. Er war Miteigentümer des Theaters Sant’Angelo, wo der besagte Rivale auftrat – sein Theater erlitt dementsprechend Verluste.

Bernis gab aus der Ferne Anweisung, sein Casino zu verkaufen, was bis Mitte Januar 1755 abgeschlossen war. Morosini erkrankte nun, beim Besuch am 2. Februar schien sie dem Tod nahe zu sein, doch erholte sie sich gegen Ende März. Casanova nahm sich inzwischen anonym eine Wohnung auf Murano, wo ihn Tonina, die 15-jährige Tochter jener Laura bedienen sollte, die die Botendienste geleistet hatte. Sie pflegte ihn – er hatte 48 Tage nur in seinem Zimmer verbracht. Schließlich verliebte er sich, sie liebte ihn schon heimlich seit Wochen, und seine Beziehung zu Morosina kühlte weiter ab. Die folgenden 22 Tage zählte Casanova später zu den glücklichsten seines Lebens. Er dachte jedenfalls nicht mehr daran, mit Morosina zu fliehen.

Stattdessen ließ er sich auf eine Wette mit dem englischen Gesandten Murray ein, der behauptet hatte, Morosina habe sich als Prostituierte verkauft. Doch diese, so zeigte sich, war eine andere Frau, die von dem Zuhälter Capucefalo engagiert worden war, eine Nonne zu spielen. Die verbotenen Früchte seien eben besonders reizvoll, konstatierte Casanova. Capucefalo wurde später in seine Heimat Kephalonia verbannt – die zweite lautlose Verbannung durch die venezianischen G, die Casanova schildert. Schrecklich fand er dabei, dass ‚kein Mensch je den Grund erfährt, so dass die furchtbarste Willkür den Unschuldigen wie den Schuldigen treffen kann‘ (2, 26). Dies ersparte ihm immerhin die Verpflichtung, den Mann selbst zu töten, da er Morosini schwer beleidigt hatte.

Als der Bruder Bragadins starb, wurde sein Gönner sehr vermögend. Doch dieser, inzwischen 63 Jahre alt, hatte eine Geliebte nebst einem natürlichen Sohn, den die Mutter durch die Ehe zu legitimieren wünschte. Casanova machte sie die Zusage, ein Landgut zu erhalten, das jedes Jahr 5000 Dukaten abwerfe. Doch Casanova, der sein Orakel, wie so oft, manipuliert hatte, schlug dies Angebot aus, zumal der Vorschlag bereits von de la Haye gemacht worden war (der ja auch schon versucht hatte, Dandolo zu verkuppeln).

Überschuldung, Absicherung Toninas, Lösung von Caterina, erste Warnungen, weitere Geliebte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Giovanni Antonio Canal: Blick von den Fondamenta Nove Richtung San Cristoforo, San Michele und Murano, 1722, Öl auf Leinwand; 143,5 × 153 cm, Dallas Museum of Art
Blick von den Fondamenta Nove Richtung Murano und San Michele, Francesco Guardi, zwischen 1765 und 1770, Öl auf Leinwand; 31,7 mal 52,7 cm, Fitzwilliam-Museum zu Cambridge

Doch nun wendete sich das Glück von ihm ab. Er verspielte zunächst, nach einer langen Glücksphase, sein gesamtes Vermögen, dann auch Morosinis Diamenten. Damit war die einst geplante Entführung unmöglich geworden. Murray, der englische Botschafter, bat Casanova, ihm Tonina zu überlassen, die er bestens versorgen wollte, vor allem mit einer Wohnung und einer beträchtlichen Leibrente. Tonina, wohl schwanger, bat Casanova, ihre Mutter Laura zu befragen, die sich freute, auf diese Art selbst versorgt zu sein.

Doch die Neugier, eine Schwäche, auf der ‚durchweg die Unbeständigkeit eines Mannes, der an ein lasterhaftes Leben gewöhnt ist‘ beruht, trieb Casanova in die Arme von Barberina, Toninas Schwester. ‚Verderbtheit … lieben die Männer nicht, so verderbt sie auch selber sein mögen‘ (2, 26). An den Fondamenta Nuove nahm er sich eine neue Wohnung, gegenüber von Murano. Von Morosini erfuhr er, dass Caterina mit einem Advokaten verheiratet werden sollte. Doch tat sie dies erst, nachdem Casanova aus den Bleikammern geflohen war. Der Arzt, der Casanova eine Wohnung besorgt hatte, hatte zwei Töchter, mit deren einer, die unter starker Blutarmut litt, weil ihr Vater glaubte, sie fortwährend zur Ader lassen zu müssen, er sich einließ, um sie auf diese Art zu „heilen“.

Um diese Zeit erhielt Casanova einen anonymen Brief, der ihn warnte, den er jedoch ignorierte. Inzwischen zog die Staatsinquisition Erkundigungen über seinen Lebenswandel ein, da er die Söhne der Familie zum Atheismus verführe. Frau Memmo wandte sich an den Onkel Bragadins, zugleich intrigierte Antonio Condulmer gegen Casanova. Condulmer hatte Casanova seine Angriffe auf Abbate Chiari – gemeint ist der Dichter Pietro Chiari (1743–1795) – nicht verziehen. Bezahlte Zeugen behaupteten, er bete den Teufel an, er ‚äße alle Tage Fleisch, ginge nur an den hohen Feiertagen zur Messe und stände in dringendem Verdacht, der Freimaurerei anzugehören‘ (2, 27). Außerdem verkehre er mit fremden Gesandten; er lebe mit drei Patriziern zusammen, deren Geheimnisse er verkaufe, um seine Spielschulden zu begleichen – zumal es unverständlich sei, wie die drei frommen Männer mit einem solchen ‚Wüstling‘ zusammenleben konnten.

Wieder wurde er gewarnt, er solle ins Ausland reisen, da sich das Tribunal mit ihm befasse. Er selbst hatte kein schlechtes Gewissen, er fühle sich ohne Schuld, daher müsse er sich nicht beunruhigen, zumal er ein Feind der Unruhe sei. In seinen Erinnerungen konstatierte er: ‚Ich war ein Dummkopf: so konnte wohl ein freier Mensch denken, aber in Venedig gab es keine freien Menschen.‘ Die Tatsache, dass die Gräfin Bonafede wahnsinnig geworden war, legte man ebenfalls Casanova zur Last. Währenddessen verspielte Casanova noch die letzten 500 Zechinen der Morosini – doch erreichte er noch einen Aufschub, was ihr die Versorgung sicherte, denn er konnte das Geld nie bei ihr abholen.

Während er einen Besuch des Gemüsemarkts bei der Rialtobrücke unternahm – bei der Gelegenheit stellte Casanova fest, dass die Venezianer, die früher alles im Geheimen getan hätten, nun alles in der Öffentlichkeit taten, es ging darum Neid und Gerede zu erzeugen, vor allem wegen einer gelungenen Liebesnacht –, wurde unter dem Vorwand, nach geschmuggeltem Salz zu fahnden, seine Wohnung von Staatsbediensteten durchsucht. Bragadin riet ihm dringend zur Flucht nach Florenz.

Doch weigerte sich Casanova erneut, denn dies sei wie ein Schuldgeständnis zu werten. Außerdem fürchtete er, nicht zurückkehren zu können. Selbst die unter Tränen geäußerte Bitte, im sicheren Palazzo zu bleiben, der für die Inquisitoren tabu war, schlug er aus, wofür er sich später schämte. Die beiden sollten sich nicht wiedersehen, Bragadin starb elf Jahre später.

Bleikammern, Flucht aus Venedig, Erfolge in Paris (1755–1759)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inhaftierung (26. Juli 1755) und Flucht (31. Oktober / 1. November 1756)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Canaletto: Der Markusplatz, um 1743

Am Morgen des 26. Juli 1755[12] wurde er wegen „Schmähversen gegen die heilige Religion“ durch den Polizeichef (Capitan Grande oder Messer Grande) Matteo Varutti in das Staatsgefängnis verbracht. Casanova selbst stellte über die Gründe später verschiedene Spekulationen an, da ihm die Gründe für seine Verhaftung nicht mitgeteilt wurden. In jedem Falle machte er in seiner autobiographischen Novelle Il duello (1780) diesen Vorgang für sein ruheloses Leben verantwortlich.[13]

Illustration zur Flucht aus den Bleikammern, 1788

Belegt ist, dass um 1753/54 die venezianische Staatsinquisition, die nach Casanova alle Venezianer, selbst die Dogenfamilie, hasste (2, 32), auf ihn aufmerksam wurde. Er verschwende Geld seiner Gönner, insbesondere des einflussreichen Senators Matteo Giovanni Bragadin, habe den strikt verbotenen Umgang mit Ausländern gepflegt – der schwerwiegendste Vorwurf – und sei 1750 in Lyon den Freimaurern beigetreten. Die Akten zu Casanovas Verhaftung gehören zu den frühesten Dokumenten, in denen die Freimaurer in Venedig erwähnt werden. Er galt den Behörden als Mann ohne Glauben, als Verderber und Betrüger, wie es in den Berichten des Giovanni Battista Manuzzi heißt, wo auch der Vorwurf erscheint, Bragadin ruiniert zu haben. Aus den Akten geht hervor, dass Casanova zu fünf Jahren in den sommerlich-heißen und winterlich-kalten, bleigedeckten Zellen verurteilt wurde, die sich unter dem Dach des Dogenpalasts befinden.

Er fand sich in einer niedrigen, dunklen Zelle wieder, in der er auf dem nackten Boden schlafen musste, nachdem ihm ein Hinrichtungsinstrument, eine Art Garrotte, gezeigt worden war. Er sah sich in seinem Zorn, dem größten Feind der Vernunft, ‚an der Spitze des Volkes die Regierung stürzen, die mich vergewaltigt; erbarmungslos metzelte ich alle Aristokraten nieder‘. Durch seinen Wärter, Lorenzo, erfuhr er, dass weitere sieben Männer gefangen waren, doch er sollte durch Einzelhaft besonders hart bestraft werden; dabei hielten ihn die Ratten und die lauten Glocken vom Schlaf ab, außerdem plagten ihn Flöhe – doch das Schlimmste war die ungeheure Hitze unter Bleidächern. Er las in seiner Not ein mystisches Werk, litt unter so starker Auszehrung, dass er vollkommen verstopft war. Aus dieser Zeit stamme, so Casanova, sein Leiden an den ‚Hämorrhoidaladern‘, das er nie wieder auskurieren konnte. Immerhin erhielt er von einem Arzt, der ihn wegen seines dreitägigen Fiebers behandelte, nun den ‚Boëtius‘. Anfang September hatte er sich erholt, hoffte immer noch auf Einsicht durch das Tribunal. Erst Anfang November begann er, Fluchtpläne zu fassen. Als es zu einem Erdbeben kam, das nach seiner Meinung mit demjenigen von Lissabon in Zusammenhang stand, das jene Stadt völlig zerstörte, hoffte er, der Dogenpalast würde zusammenbrechen und er würde als freier Mann über den Markusplatz schreiten (2, 28). Ein weiterer Gefangener, ein junger Mann, dessen Freundin schwanger geworden war, und deren Vater ihn hatte einsperren lassen, wurde zu ihm gesperrt.

Casanova sann über Fluchtmöglichkeiten nach, dabei fand er neben Mobiliar in einer Kammer, diversen Abfällen, auch Akten der Kriminalgerichtshöfe, die bis zu drei Jahrhunderte alt waren. Nachdem sein Mitgefangener verlegt worden war, befiel ihn wieder seine ‚Traurigkeit‘, immerhin aber durfte er weiterhin seinen halbstündigen Gang absolvieren, der ihm eingeräumt worden war. Sein Bart, der nicht geschoren werden durfte, war inzwischen vier Zoll lang. Auf einem seiner Gänge konnte er sich einen metallenen Riegel sichern, aus dem er eine Art Spieß von 20 Zoll Länge anfertigte. Bragadin gelang es, unter Tränen und auf Knien, von den Inquisitoren die Möglichkeit zum Erwerb von Büchern und Zeitschriften für Casanova zu erreichen.

Dieser war ausdrücklich stolz auf den Mut, einen Ausbruchsplan ins Auge zu fassen, nicht auf den letztlichen Erfolg. Er begann, unter seinem Bett ein Loch durch die Balken zu stechen, doch wurde er zunächst durch die Einquartierung eines Juden unterbrochen. Seine Flucht war für den 27. August geplant, doch zwei Tage zuvor wurde er in eine helle Zelle verlegt, in der er auch stehen konnte (2, 29). Insgesamt, so Casanova, gab es im Dogenpalast 19 Gefängnisse. In einer dieser vom Wasser der Kanäle regelmäßig überschwemmten Zellen saß ein französischer Doppelspion namens Béguelin 37 Jahre lang.

Lorenzo, der Wächter, hatte Angst, er könne in den Ausbruchsversuch verwickelt werden, und so sorgte er dafür, dass Casanova Bücher mit einem Mitgefangenen austauschen konnte – und darin versteckte Nachrichten. Dieser Mitgefangene war ein Nobile namens Marino Balbi (1719–1783), Angehöriger des Somaskerordens, der drei uneheliche Kinder von drei Frauen hatte. Dieser erhielt von Casanova unter einer Bibel den Spieß zugespielt, den er zum Aufbrechen der Decke benutzte.

Erst nach fünfzehn Monaten gelang ihm mit Balbis Hilfe die Flucht aus den Bleikammern, den gefürchteten Piombi, was allgemeine Aufmerksamkeit erregte, da dies als unmöglich galt. Für den Zeitpunkt der Flucht nutzte Casanova das Buch L’Orlando Furioso von Ludovico Ariosto als Orakel (Stichomantie). Es gelang den beiden Männern, durch die besagten Löcher in der Decke, auf das Dach zu gelangen, sich von dort über 20 m tief abzuseilen, dann, nach dreieinhalb Stunden Erschöpfungsschlaf, ging es bei Morgengrauen weiter durch die Kanzlei. Dort zogen die beiden neue Kleider über. Als sich Casanova am Fenster zeigte, wurde man auf ihn aufmerksam. Doch der Wächter schloss den beiden Männern auf, und so gelang die Flucht in der Morgendämmerung des 1. November 1756.[14]

Die beiden Flüchtigen erreichten nach einer Dreiviertelstunde Mestre, dann Treviso, waren also immer noch auf venezianischem Gebiet – daher wollte Casanova auf getrennten Wegen nach Borgo di Valsugana, sie legten also einen weiten Umweg ein. Casanova, den eine Ahnung in das gerade verlassene Haus eines der Männer führte, die die Geflohenen suchen sollten, wurde dort gepflegt und binnen zwölf Stunden wiederhergestellt. Er begegnete zudem zufällig Marcantonio Grimani, den Neffen des Staatsinquisitors nebst seiner Gattin Maria Visani. Er floh weiter über Feltre nach Valdobbiadene. Unterwegs schrieb er 20 Briefe nach Venedig. Schließlich reiste er weiter nach Pergine Valsugana und weiter mit Balbi nach Trient und nach Bozen, München (Gasthof zum Hirsch). In München, wo schon die ganze Stadt über seine Flucht sprach, traf er auf die Gräfin Coronini, die er noch vom Kloster Santa Giustina kannte. Sie verschaffte ihm vom Kurfürsten einen Geleitbrief, Balbi jedoch war als Ordensangehöriger davon ausgeschlossen. Doch konnte ihn Casanova über Zwischenetappen nach Darmstadt vermitteln. Eine Madame Rivière und ihre Tochter begleitete er auf deren Bitten, nachdem er drei Wochen lang seine Gesundheit wiederhergestellt hatte, nach Paris. Sie reisten am 18. Dezember ab, um ihn in Straßburg zu erwarten; er folgte wenige Tage später, nachdem er Wechsel aus Venedig erhalten hatte, zunächst nach Augsburg, wo er den kaum 40-jährigen Balbi wiedersah. Im nächsten März erhielt Casanova einen Brief, in dem es hieß, Balbi sei mit einer Magd und Diebesbeute durchgebrannt. Er starb letztlich in Rom 1783, nachdem er noch zwei Jahre in den Bleikammern zugebracht hatte.

Über seinen Ausbruch aus dem Verlies schrieb er ein Buch, das 1787 in Leipzig in französischer Sprache erschien (Histoire de ma fuite) und das noch zu seinen Lebzeiten ins Deutsche übersetzt wurde. Damit war sein Ruf als Abenteurer für alle Zeit gefestigt.

Paris (Januar 1757 bis November 1759), Lotterie, Protektion durch Bernis und d'Urfé[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jean-Marc Nattier: Maria Maddalena Balletti (1740–1776), Tochter der Silvia Balletti, war bekannt als Manon Balletti, 1757

Am 5. Januar 1757 kam Casanova mit den Rivières in Paris an, wo er von der Familie Balletti überaus herzlich aufgenommen wurde. Er war entschlossen, den wichtigsten Leuten, die seinem Fortkommen nutzen konnten, den Hof zu machen, dazu die Großen und Mächtigen kennen lernen. In Paris wollte er sich auf Bernis stützen, der inzwischen zum Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten aufgestiegen war, einer Art Außenminister. Am Tag seiner Ankunft wurde er mit 20 anderen gefangengesetzt, da er zufällig in der Nähe war, als ein Attentat auf den König verübt wurde (vgl. Robert François Damiens). Für Bernis verfasste er binnen acht Tagen eine Geschichte seiner Flucht, die Bernis vervielfältigen und verteilen ließ, um nützliche Personen für sich zu gewinnen. Einen Monat nach seiner Ankunft kam sein Bruder Francesco aus Dresden nach Paris, und diesmal hatte der mit seinem weiterentwickelten malerischen Talent Erfolg. Er wurde in die Akademie aufgenommen, und er verdiente in den nächsten 26 Jahren wohl eine Million Francs mit seinen Schlachtengemälden. Doch am Ende richteten ihn zwei Ehen und übertriebener Luxus zugrunde, wie sein Bruder Giacomo sich erinnerte.

Casanova knüpfte ein engeres Freundschaftsnetz, so etwa zu Joseph de Pâris-Duverney an der Militärschule, oder den Brüdern Giovanni und Ranieri de’ Calzabigi, mit denen er eine öffentliche Lotterie unterstützte, die bereits in Planung war und die sich als großer Erfolg herausstellte (zwei Dekrete vom 15. August und vom 15. Oktober 1757). Er selbst ließ Plakate in der Stadt anbringen, die garantierten, dass die Gewinne binnen 24 Stunden in seinem Büro bereitstehen würden. Er erhielt 6 % der Einnahmen. Die Gesamteinnahmen der ersten Ziehung, so Casanova, lagen bei 2 Millionen Francs, die Regie gewann 600.000. Viele steckten Casanova Geld zu, um für sie zu spielen (3, 2).

Weiterhin unterhielt er Kontakte zu einer Reihe von Frauen, mit denen er sogar der Hinrichtung jenes Attentäters, allerdings mit großem Widerwillen, zuschaute. Wenig später verliebte er sich genauso in eine Sylvia de la Meure, noch mehr aber in ihre Nichte. Diese war zwar versprochen, wollte sich auch fügen, diese Frauen, so Casanova ‚scheinen zu fühlen, dass ein Gatte kein Liebhaber zu sein braucht. In Paris herrscht diese Auffassung auch bei den Männern, und darum sind die meisten Ehen Konvenienzehen. Der Franzose ist eifersüchtig auf seine Geliebte, niemals auf seine Frau‘ (3, 3). Doch die Nichte trennte sich von Casanova, der, von Eifersucht gequält, den Zukünftigen ermorden wollte. Doch dieser nahm ihn als Freund seiner Frau herzlich auf, und so nahm er ihm den Wind aus den Segeln: ‚Die Krisis war vorüber.‘ Casanova war glücklich, kein Verbrechen begangen zu haben (3, 3).

Ansicht von Dünkirchen nach 1700

Auf Initiative des Abbé Jean-Ignace de La Ville trat Casanova erstmals als Spion in den Dienst, diesmal für den französischen Staat. Bernis vermittelte dem nunmehr materiell besser Abgesicherten den Auftrag, in Dünkirchen die Garnison und die Flotte zu inspizieren (oder auszuspionieren), wofür er 500 Louis d’or erhielt. Allerdings, so wurde er belehrt, hätte er sich in diesem Auftrag unauffällig benehmen müssen – stattdessen war es zu einem Streit mit Zollbeamten bekommen. Doch nicht nur diese waren bestechlich, sondern alle Minister sorgten nur für die Bereicherung ihrer ‚Kreaturen‘: ‚Sie waren Despoten; das Volk wurde mit Füßen getreten und kam für sie nicht in Betracht; der Staat war überschuldet…. Eine Revolution war notwendig, das glaube ich wohl; aber es brauchte keine blutige Revolution zu sein, es musste eine moralische und patriotische sein. Doch der Adel und die Geistlichkeit fühlten nicht hochherzig genug, um einige für den König, den Staat und sie selber notwendige Opfer zu bringen.‘ (3, 4).

Trotz seiner Liebe zu Manon Balletti (1740–1776) suchte Casanova ‚käufliche Schönheiten‘ auf, aber auch ‚die ausgehaltenen Frauen‘ und Frauen am Theater und an der Oper (3, 5). Auch Camilla, der er schon in Fontainebleau sieben Jahre zuvor verbunden war, zog ihn an. Casanova lieh dem Liebhaber Camillas 100 Louis auf Ehrenwort, doch geriet er darüber in einen Ehrenhändel. Am Ende vertiefte dieser die große Freundschaft; Casanova heilte ihn sogar, wie er selbst konstatierte, mit Scharlatanerie.

Seine Tante wiederum war die Marquise Jeanne d’Urfé, die an Okkultem überaus interessiert war, an der Herstellung von Gold, am Stein der Weisen, einen ‚Kultus‘, den Casanova für ‚Wahnwitz‘ hielt. Diese wiederum verschaffte ihm Zugang zu den einflussreichsten Kreisen der Pariser Gesellschaft. Später bedauerte er, seinen wachsenden Einfluss auf sie missbraucht zu haben, gar ihr einziger Freund geworden zu sein. Wie bereits in Italien behauptete er, jederzeit sein Genius, einen sogenannten „Elementargeist“ ‚Paralis‘ befragen zu können (3, 5). Dabei war die Marquise nicht nur durch Immobilien vermögend, sondern sie vermehrte es durch einen geschickten Börsenmakler, der mit Staatspapieren handelte. Allerdings glaubte sie fest, mit den Elementargeistern nur als Mann kommunizieren zu können.

Derweil verliebte sich sein inzwischen erfolgreicher Bruder Francesco in Coralina, die ihm jedoch untreu war. Empört heiratete er eine ‚Figurantin‘ der Commedia italiana. Sein Schwiegervater wiederum vermittelte ihm zahlreiche Aufträge für Gemälde.

Dem Generalrevisor der Finanzen, Jean de Boulogne, verdankte er den Auftrag, in Holland 20 Millionen französische Staatstitel in gewinnbringendere Papiere umzutauschen. Er reiste über Antwerpen und Rotterdam nach Den Haag. Auch hierbei gelang ihm die Ausführung mit erheblichen Gewinnen. Als ihm ein Jude namens Boas vorschlug, er könne neugeprägte Dukaten erwerben, die zum Goldpreis ausgegeben wurden, diese nach Frankfurt bringen und sie per Wechsel nach Amsterdam zurücktransferieren – zum vollen Münzpreis – musste er dieses Geschäft ausschlagen, da ihm die nötigen Geldmittel zu einem so gewaltigen Kauf fehlten. Man hatte ihn für einen Millionär gehalten, ihm eine solche Transaktion also zugetraut (3, 6). Tatsächlich erlaubte es ihm seine Einkünfte, ein verschwenderisches Leben zu führen. Er hielt eine prächtige Equipage und den Unterhalt eines Landhauses (Petite Pologne, auf dem Grund des Bahnhofs St. Lazare), das mit zwei Gärten, einem Stall für 20 Pferde und drei Appartements ausgestattet war.[15]

In Den Haag traf er erneut auf Teresa Imer, die auf Spenden des Publikums angewiesen war. Sie war in Begleitung ihrer fünfjährigen Tochter Sophie, die Casanova verblüffend ähnlich sah. Doch war das ‚Begehren‘ zu Teresa, die zwei Jahre älter war als Casanova, erloschen. Ihr gemeinsamer Sohn Joseph war inzwischen 13 Jahre alt. Casanova akzeptierte ihn als seinen Sohn, versprach, ihn mit nach Paris zu nehmen, denn die Familie war arm, Teresa verstoßen. Dabei kritisierte er auf das Schärfste ihre Erziehungsgrundsätze, denn sie würden die Kinder unglücklich machen. Man solle nicht die Lüge hassen, sondern die Wahrheit lieben. Wieder geriet er in einen Zweikampf mit einem unbedeutenden jungen Mann, dem Sohn des Bürgermeisters.

Er kehrte nach Amsterdam zurück, wo er sich in die 14-jährige Tochter des Hernn ‚d'O‘, Esther, verliebt hatte, eines Kaufmanns. Von diesem Stand hatte er eine klare Meinung: ‚Aber dies ist der Geist des Handels. Ein Kaufmann verkauft eine Ware zum Zehnfachen des Ankaufspreises. Er rühmt sie als ausgezeichnet, obgleich er weiß, dass sie nichts taugt; aber er glaubt von Berufs wegen dieses Vorrecht zu haben, und infolgedessen ist sein Gewissen vollkommen ruhig. Die Juden, die Christen betrügen, denken genau so wie diese Kaufleute‘ (3, 7). Durch sein Orakel fand er zwar einerseits vorgeblich die Geldbörse von Herrn ‚d'O‘ wieder, doch andererseits glaubte er, ein verschollenes Schiff, an dessen Wiederkehr niemand mehr glaubte, aufgrund einer leichtsinnigen Aussage des angeblichen Orakels kaufen zu müssen. Denn er war sicher, es werde zurückkehren. Tatsächlich trat ein, was Casanova für unmöglich gehalten hatte, es lag bei Madeira. Casanova wurde nicht nur reichlich an diesem Gewinn beteiligt, sondern auch am Fund der Geldbörse, über die er gestolpert war, und die sein Orakel entsprechend leicht hatte finden könne. Dazu kamen 100.000 Gulden in Wechseln; auch gelang ihm die Platzierung der 20 Millionen des französischen Staatsschatzes, den an der Börse in Paris angesichts der desolaten Finanzlage Frankreichs niemand gekauft hätte, mit nur geringem Abschlag. Doch: ‚Nicht die Liebe zu Manon Baletti, sondern eine dumme und lächerliche Eitelkeit, in dem prachtvollen Paris eine Rolle zu spielen, veranlasste mich, Holland zu verlassen.‘ Nach seiner Unfähigkeit, die Gefahr seiner Verhaftung in Venedig wahrhaben zu wollen, klagte er sich zum zweiten Mal einer Form der Eitelkeit, ja, Dummheit an.

In einer üblen Kneipe traf er nach 18 Jahren wieder auf die inzwischen 32-jährige Lucia von Paseano, deren „Unschuld“ er geschont hatte, die sich in ihrer Not nun als Prostituierte durchschlug. Er wollte sich ihr nicht zu erkennen geben, lehnte ihre Dienste ab, drückte ihr verlegen ein paar Dukaten in die Hand.

Teresa, die wusste, dass Casanova eine halbe Million verdient hatte, brachte ihren Sohn nach Rotterdam, wo ihn sein Vater in Empfang nahm. Ihre Tochter überließ sie ihm nicht, auch nicht gegen 1000 Dukaten, denn sie war für die Mutter eine Art Alterssicherung. Am 10. Februar war Casanova wieder in Paris, wo er sich eine prachtvolle Wohnung nahm (3, 7).

Angelica Kauffmann: Porträt des Andrea Memmo, des späteren Prokuratoren von San Marco, Radierung, 44,3 mal 30,0 cm, 1785; Civico museo di storia ed arte, Triest

Allerdings brachte ihm die Begegnung mit „X. C. V.“ (Giustiniana Wynne), der Geliebten des venezianischen Patriziers Andrea Memmo (1729–1793), die ihn um Rat bei der Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft im vierten Monat bat, in Schwierigkeiten; Casanova lehnte eine Abtreibung ab, hielt sie für eine ‚Schändlichkeit‘, die Schwangere war entschlossen, sich zu vergiften. Die Sechzehnjährige wurde von der Verwandtschaft ihres Verlobten verfolgt. Casanova, der dies nur tat, weil er sie ‚anbetete‘, brachte sie in einem Kloster unter, aus dem sie nach der geheim gehaltenen Entbindung wieder auftauchte. Zuvor hatte er geglaubt, sie wolle mehr von ihm, doch sie wies ihn zurück. Dies widerstrebte ihm, doch ‚der bloße Gedanke an Vergewaltigung hat mich stets empört; denn ich denke noch heute, dass zwei Liebende in ihrer Vereinigung nur glücklich sein können, wenn sie sich in völligem Vertrauen einander hingeben.‘ Einen neuen Versuch hätte er ‚mit Verachtung von sich gewiesen‘, doch fühlte er sich gedemütigt (3, 8). Zu dieser Zeit war für ihn Esther ‚nur noch eine angenehme Erinnerung.‘ Casanova machte sich den zukünftigen Ehegatten zum Feind. Unter dem Vorwand, auf diese Art eine Abtreibung zustande zu bringen, verbrachte er sechs Nächte mit ihr. Über eine Gönnerin namens du Roumain organisierte er einen Aufenthalt im Kloster ‚C.‘, dieser Aufenthalt wurde als Flucht vor der Ehe ausgegeben. In der Nacht vor der Flucht verbrachten sie eine Nacht ohne besagten Vorwand, die Geburt sollte im Kloster stattfinden.

Doch wieder begann das Glück Casanova zu verlassen. So unterbreitete er einen Vorschlag zur Änderung des Erbrechts, ohne dass er an den Einnahmen beteiligt wurde. Sein Urheberrecht wurde, da nur mündlich vorgetragen, ohne Weiteres abgewiesen, obwohl der Vorschlag zwei Jahre später umgesetzt wurde (3, 10). Sein Gönner Bernis wurde zum Kardinal erhoben, fiel daraufhin beim König in Ungnade, ging später als französischer Gesandter nach Rom.

Bald lernte er durch Urfé Jean-Jacques Rousseau kennen, der zu dieser Zeit noch vom Notenschreiben lebte. Doch blieb diese oberflächliche Begegnung folgenlos.

Als völliger Fehlschlag erwies sich sein Projekt, französische Seidenstoffe, verziert mit chinesischen Motiven, auf den Markt zu bringen. Der Krieg hatte zur Folge, dass die Käufer sparsamer wurden. Finanziell war es ein solches Fiasko, dass er wegen Überschuldung inhaftiert wurde. Die Ursache lag in seiner Freigebigkeit gegenüber den etwa 20 weiblichen Angestellten, mit denen er wechselnde Liebschaften unterhielt. Dabei beschenkte er sie reichlich und stellte auch einmal eine möblierte Wohnung zur Verfügung. Allein für das Haus hatte er 60.000 Francs investiert (3, 10).

Antoine de Sartine (1787) lud Casanova vor und verdeutlichte ihm die höchste Gefahr, in den ihn die Anklage, lanciert von Farsetti, gebracht hatte.

Die Hebamme, die Casanova wegen einer Abtreibung um Rat gefragt hatte, ohne ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, verriet ihn bei der Polizei. Dahinter steckte Farsetti, den die ins Kloster geflohene Frau verschmäht hatte, und der Casanova hasste und den er bespitzeln ließ. Doch die Hebamme und ihr Helfer, ein Spieler, den Casanova kannte, wurden eingesperrt. Auch die Mutter der Schwangeren, die im Kloster einen Jungen zur Welt gebracht hatte, ließ von ihrer Verfolgung Casanovas ab, nachdem ihre Tochter zurückgekehrt war. Diese ging später nach Venedig, wie Casanova, der sich immer für das weitere Leben seiner Geliebten interessierte, erfuhr, wo sie eine große, geistreiche und glückliche Dame wurde. Auch kaufte er die Hebamme frei. Selbst Antoine de Sartine, der spätere Polizeipräfekt von Paris, hatte versucht Casanova zu helfen.

Casanova schrieb an Esthers Vater, der es jedoch ablehnte, Geschäfte außerhalb Hollands zu gründen. Da Casanova Paris nicht verlassen wollte, griff auch dieser Rettungsanker nicht. Doch am Ende brachte er sein beträchtliches Vermögen in der Hauptsache mit seinen höchstens 20-jährigen Angestellten durch, die er überreich beschenkte, da er zu ungeduldig war, sie zu umwerben. Dabei zögerte er die Ehe mit Manon Balletti immer weiter hinaus, ließ sich auf eine weitere Frau namens Baret ein, eine Siebzehnjährige, die er liebte, ‚wie ich nie zuvor ein Weib geliebt zu haben glaubte‘ (3, 11).

Doch nun wurde er um eine erhebliche Summe bestohlen, die er im Tausch gegen ein Drittel seiner Stoffe erworben hatte; seine Angestellten musste er nun entlassen. Man verdächtigte ihn bald, die 50.000 Francs beiseite geschafft zu haben, und er wurde verhaftet. Er erhielt zahlreichen Besuch und auch Hilfsangebote, sein Anwalt hatte ihn betrogen, aber sein Bruder ließ sich nicht blicken (er war verschuldet). Von d'Urfés Vermögen profitierte Casanova in den Jahren 1757 bis 1763. Sie holte ihn aus dem Gefängnis. Als diese Protektion endete, war der Höhepunkt seines Lebens schlagartig überschritten. Die beiden gingen demonstrativ in den Tuilerien spazieren, um zu beweisen, dass seine Verhaftung nur ein Gerücht war. Sie glaubte, er wolle nur von sich reden machen. Doch Casanova, den das Prozessieren und Paris ekelten, entschloss sich nun nach Holland zu gehen, um sich ein gesichertes Vermögen zu verschaffen, und Manon Balletti endlich zu heiraten. Auch strich er letztmals Einnahmen aus seiner Lotterie ein, eine Stellung, die er ‚lächerlich‘ fand. Er verkaufte sein Mobiliar, löste seine Wohnung auf. So konnte er insgesamt ein Vermögen von 200.000 Francs mit sich führen, als er am 1. Dezember 1759 Paris verließ.

Zielloses Reisen, Begegnung mit Voltaire, Ausweisung aus höfischen Zentren (1759–1769)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Holland (Oktober 1759), Deutschland, Schweiz, Demütigung durch Voltaire (Juli 1760)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Oktober 1759 reiste Casanova nach Holland, suchte Esther auf. Auch Lucia, inzwischen 33 Jahre alt, die inzwischen als Kupplerin ihren Lebensunterhalt bestritt, traf er wieder. Für sie arbeiteten zwei junge Frauen aus dem Paduanischen, mit denen Casanova und sein holländischer Freund eine Stunde verbrachten, was Casanova im Nachhinein bedauerte. Er ließ sich auf schlechte Gesellschaft ein, wurde bedroht, konnte durch ein Orakel Herrn d'O von einem riskanten Geschäft mit einem französischen Hochstapler namens St.-Germain abhalten.

Dann erhielt er Ende Dezember von Manon Balletti einen Brief, in dem sie ihm mitteilte, sie werde heiraten (nämlich den Architekten Jacques-François Blondel), was seine Eitelkeit, wie er in seinen Erinnerungen schrieb, verletzte, weniger seine Liebe, wie er sich eingeredet hatte. Ihre etwa 200 Briefe überließ er Esther, die sie mit Vergnügen las, und deren Gesellschaft, nach seinen Worten, ihm das Leben rettete (3, 12). Er bemühte sich, ihren unerschütterlichen Glauben an die Gewissheiten seiner Orakel zu widerlegen, an das er selbst keineswegs glaubte. Doch sie hatte den Plan, mit derlei Kenntnissen zu glänzen, selbst dann, wenn sie nur eine Verbindung von Täuschung und Wissen sein sollten. Dazu bräuchten sie auch nicht zu heiraten. 1760 wollte Casanova nach Deutschland reisen, versprach Ende des Jahres wieder in Holland zu sein. Doch unvorhersehbare Ereignisse verhinderten, dass er Esther jemals wiedersah. Er verfügte inzwischen über etwa 100.000 holländische Gulden.

Ohne sich erkennbar um den Kriegsverlauf zu kümmern, reiste Casanova ins Rheinland; allerdings wich er den Haupttruppenbewegungen dabei aus. Doch vor Köln, wo französische Einheiten im Winterquartier lagen, musste er vor Räubern fliehen. Er hätte ‚es machen sollen wie die Engländer, die stets eine leichte Börse für die Straßenräuber bereithalten‘. Er wurde zum Ball des Kurfürsten, der auch Venezianisch sprach, in Bonn eingeladen, nachdem er die Frau des Kölner Bürgermeisters kennen gelernt hatte. Dort musste er die Geschichte seiner Flucht erzählen, und, da diesen Tanz fast keiner beherrschte, Furlana tanzen, während alle als Bauern verkleidet waren. In Brühl lud er zu einem dreistündigen Frühstück für 200 Dukaten ein, das um 1 Uhr begann. Wenige Tage später vergnügten sich die beiden sieben Stunden lang, wie Casanova vermerkt, nachdem er sich in einem Beichtstuhl versteckt und alle Heiligen angerufen hatte. Mitte März verließ er nach zweieinhalb Monaten Köln, versprach auch ihr wiederzukommen, was aber auch diesmal nicht gelang.

Möglicherweise folgte er aber auch geheimen Instruktionen, etwa der Jesuiten oder der Freimaurer, wie Childs mutmaßt. Ob er nicht eher vor Langeweile und Ungenügen, oder aber den Konsequenzen seiner eigenen Handlungen floh, wurde ebenfalls überlegt.

Pompeo Batoni: Herzog Karl Eugen von Württemberg, 1753

Er reiste jedenfalls über Koblenz nach Stuttgart, wo Gardella, Tochter eines venezianischen Barcarole, die Maitresse des Fürsten Karl Eugen war, und die Casanova noch aus München kannte – allerdings als Frau Michele Agata. Toscani, eine Schauspielerin, behauptete, ihre Tochter würde die Gardella in ihrer Rolle ablösen. Auch auf sie ließ sich Casanova für einige Stunden ein (3, 13). ‚Der Hof des Herzogs von Württemberg war zu jener Zeit der glänzendste von ganz Europa‘ (3, 14).

Der Gardella war der Fürst überdrüssig geworden, so dass er sie mit einer Pension ausgestattet entließ, die sie sich dadurch erhielt, dass sie seine Schauspielerinnen beriet. ‚Er war von der närrischen Sucht besessen, nach dem Vorbilde des Königs von Preußen herrschen zu wollen, während dieser sich über den Herzog nur lustig machte und ihn seinen Affen nannte. Er hatte die Tochter des Markgrafen von Bayreuth geheiratet, die schönste und liebenswürdigste deutsche Prinzessin. Sie … hatte sich wegen eines blutigen Schimpfes, den ihr unwürdiger Gemahl ihr angetan hatte, zu ihrem Vater geflüchtet. Es ist nicht richtig, wenn man behauptet, die Fürstin habe ihren Gemahl verlassen, weil sie seine Treulosigkeiten nicht mehr habe ertragen können.‘ Die Theateraufführungen waren gratis. Casanova traf Gardella in der Oper, dann die Binetti (Liebhaberin des österreichischen Gesandten), aber auch den Violinspieler Curtz, den er noch von San Samuele kannte, und dessen Tochter, die eine Zeit lang Maitresse des Fürsten wurde und ihm zwei Kinder schenkte.

Doch ließ er sich wieder zum Glücksspiel verlocken, bei dem er, betrunken, 100.000 Francs verlor. Die drei Offiziere, die ihn hereingelegt hatten, forderten ihr Geld, ließen ihn verhaften. Am 2. April, Casanovas Geburtstag, gelang ihm die Flucht über die Stadtmauer. Erst in Tübingen fühlte er sich sicher. Er forderte die Offiziere zum Duell, doch die erschienen nicht. In diesen drei Tagen vergnügte er sich mit den beiden Töchtern des Wirtes. Dann floh er über Schaffhausen nach Zürich. Wieder musste er seine eigene Schuld am Unglück erkennen. Immerhin besaß er noch 300.000 Francs.

Er selbst meint in seinen Memoiren, er habe kein Ziel verfolgt, sondern er habe sich dahin treiben lassen, wohin ihn der Wind wehte. Ab 1760 nannte sich Casanova auch Chevalier de Seingalt, ein Name, den er bis an sein Lebensende immer wieder benutzte. Außerdem erhielt er die französische Staatsbürgerschaft.

Anfang April 1760 fand er durch Zufall auf einem Spaziergang das Kloster Einsiedeln, wo man ihm den Fußabdruck Jesu zeigte (was er für ein ‚Ammenmärchen‘ hielt) – ‚Ich verstand sehr wenig deutsch und kein Wort von der Schweizer Mundart, die mir sehr schwer verständlich zu sein scheint und in der deutschen Sprache etwa die Stellung einnehmen dürfte, wie die genuesische Mundart in der italienischen‘ (3, 14) –, und wo ihn die Idee der Weltentsagung einige Zeit reizte, bis er am 23. April wieder auf eine anziehende ‚Amazone‘ stieß, diesmal aus Solothurn.[16]

In Zürich vergnügte er sich zwar ebenfalls mit einer Frau, doch verstand er ihre Sprache nicht: ‚Ich habe stets gefunden, dass ohne das Vergnügen der Sprache das Vergnügen der Liebe diesen Namen nicht verdient‘ (3, 16). In Baden musste er einen Louis bezahlen, weil er an einem Feiertag getanzt hatte.

In Solothurn speiste er, vermittelt durch ein Empfehlungsschreiben von d'Urfé aus Versailles, mit dem französischen Botschafter Chavigny, den er noch aus Venedig kannte. In Gegenwart seiner ‚Amazone‘, Frau ‚***‘ (Maria Anna Ludovica von Roll, 24 Jahre alt[17]), nahm er, ebenso wie diese, an einer spontanen Theateraufführung teil. Darin erklärte er ihr so glaubhaft seine Liebe, dass die 400 Zuschauer ‚bis, bis‘ riefen, um eine Wiederholung zu erwirken. Chavigny, ein alter, erfahrener Liebhaber, fädelte es so ein, dass Casanova mit seiner ‚Amazone‘ allein in einer anderen Kutsche fuhr. Beider Errötung nach der Kutschfahrt kaschierte er mit Nieswurz, wodurch beide eine Viertelstunde lang niesen mussten. Der Botschafter beschaffte Casanova ein Landhaus unter dem Vorwand, der Arzt Herrenschwand (wohl Johann Friedrich von Herrenschwand) habe ihm Landluft zur Genesung von einer Krankheit verordnet. Die Freundschaft des Ehemanns jener Frau, seiner ‚Fee‘, seiner ‚Zauberin‘, erlangte er, indem er sich in Paris, bei d'Urfé, für den Neffen ihres Mannes verwandte, der wegen eines Duells aus Frankreich hatte fliehen müssen. Herr ‚***‘ vermietete ihm für sechs Monate ein großes Landhaus an der Aare für 100 Louis (3, 16–17).

Doch eine in Casanovas Augen hässliche Frau, eine ‚Hexe‘, ein ‚scheußliches Ungeheuer‘, Frau ‚F.‘, rächte sich für seine Verachtung, indem sie dafür sorgte, dass er sie im Dunkel der Nacht mit seiner ‚Fee‘ verwechselte. Wie sie ihm darüber hinaus brieflich mitteilte, hatte sie ihn mit einer Krankheit angesteckt, die er sicherlich nicht weitergeben wolle; sie würde auch nicht zögern, Frau ‚***‘ zu entehren, wenn er sie nicht in Ruhe lasse. Casanova, dessen Hausangestellte, die geistreiche Lyonerin ‚Dubois‘ (er nennt nie ihren Vornamen), hatte sich in ihn verliebt, und heimlich den Brief gelesen. Sie machten gemeinsam die Witwe glauben, sie habe die zwei Stunden nicht mit Casanova, sondern mit seinem Bediensteten verbracht, der sich die besagte Krankheit an anderer Stelle eingehandelt hatte. Schließlich erkannte Frau ‚***‘, dass Casanova ihr Ansehen in der Öffentlichkeit geschützt hatte, dass er sich aber in seine Haushälterin verliebt habe, vorn der auch sie glaubte, sie sei ‚sehr hübsch, klug wie ein Engel; lustig, talentvoll, außerordentlich wohl erzogen und weise im Sprechen‘, dies sei ‚mehr als genug, um einen Mann zu bezaubern‘ (3, 18). So kündigte Casanova einsichtig an, er werde mit Dubois nach Bern gehen. Da er noch krank war, befriedigte er sie auf andere Weise, zum einzigen und letzten Mal. Er sollte sie erst nach zehn Jahren wiedersehen. Mit seiner ‚lieben Dubois‘ reiste er ab, die beiden wurden nach seiner Genesung in Bern ein Paar. Doch ihre Liebe wich ‚der allzu friedfertigen Freundschaft‘. In einer Art Spiel hatten sie sich mit Sarah eingelassen, eine 13-Jährige, die Dubois als ihre Frau beanspruchte, ausgestattet mit einer fingergroßen Klitoris, wie Casanova schildert. Nachdem Casanova Bern verlassen hatte, Dubois zu ihrer Mutter nach Lausanne gegangen war, suchte er die Dienste einer ‚Raton‘, die jedoch krank war, weswegen er sie fortschickte. Für Dubois sorgte er vor, indem er sich, von seiner eigenen Untreue wissend, zuließ, dass sie einen anderen heiratete. Er selbst setzte den Brief auf und sie unterschrieb, obwohl sie von Casanova schwanger war.

In Roche traf er mit ‚dem berühmten‘ Albrecht von Haller zusammen, dem Mediziner und Universalgelehrten, der ‚ein großer Physiologe, ein großer Arzt und ein großer Anatom‘ war, ‚in der Wissenschaft der Botanik nahm Haller den größten Rang ein‘ (3, 20). Doch hielt er sich aus religiösen Fragen heraus. Casanova besaß im Alter noch 22 Briefe des Gelehrten.

Er reiste nach der besagten Trennung weiter und disputierte mit einem calvinistischen Priester aus Genf. Am 20. August 1760 kam er an. Es war dasselbe Zimmer, in dem er und Henriette sich vor 13 Jahren getrennt hatten. Er stellte von sich fest, er habe nicht mehr das ‚Zartgefühl, das ich damals besaß, nicht die Gefühle, die die Verirrungen der Sinne entschuldbar machen, nicht mehr die Sanftmut des Charakters und endlich nicht mehr eine gewisse Redlichkeit, die sogar die Schwächen adelt‘ (3, 21). Vor allem erschrak er über die Minderung seiner Kräfte. Von seinem Bankier Tronchin erhielt er einen Kreditbrief auf Marseille, Genua, Florenz und Rom, an Bargeld führte er nur noch 12.000 Francs mit sich.

Michel-Vincent Brangua (1733–1807): Das Haus Voltaires in Ferney

Als bedeutendste Begegnung galt allerdings die mit Voltaire in Ferney (5. bis 8. Juli 1760), das sich seit 1878 Ferney-Voltaire nennt. In Casanovas Memoiren kündigte sich der unleidliche Charakter Voltaires bereits im Umgang mit seinen Laienschauspielern an. Die Begegnung war wohl eher eine Demütigung (3, 21). Auf Casanovas Seite blieb ein Ressentiment, das sich auch noch in den Memoiren erweist. Er verfasste 1769 (La confutazione) und 1779 (Scrutinio del libro Eloges de M. de Voltaire) zwei Schriften gegen den Philosophen. Immerhin gab er ihm, während doch überwiegend und hitzig der Wert zahlreicher Gelehrter abgewägt wurde, insofern Recht, als jede Sprache ‚rein geschrieben werden‘ müsse, also ohne Einsprengsel anderer Sprachen; eben weil ‚ein mit Italienisch oder Deutsch gespicktes Französisch unerträglich‘ sei. Casanovas Lieblingsdichter war Ariosto, den Voltaire in jungen Jahren kritisiert habe, während er ihn nun verehre. Die Franzosen seien die besten Deklamatoren, sie ‚haben weder den leidenschaftlichen und einförmigen Ton meiner Landsleute, noch den sentimentalen und übertriebenen der Deutschen, noch die ermüdende Manieriertheit der Engländer. Sie sprechen jeden Satz in dem Ton, mit dem Klang der Stimme, die am besten der Natur des auszudrückenden Gefühls entsprechen; aber durch die gezwungene Wiederholung derselben Klänge gehen ihnen diese Vorzüge zum Teil wieder verloren‘.

Voltaire war von der Vortragskunst Casanovas sehr angetan, da er echte Tränen vergoss. Doch plötzlich empfand er Casanovas Besuch bei ihm als Beleidigung, weil er nicht mindestens eine Woche bei ihm bleiben wollte. Seine Einladung, drei Tage zu bleiben, nahm er an. In seiner Abneigung gegen historische Werke lehnte Casanova auch Muratori ab, seine unermessliche Gelehrsamkeit, wie Voltaire sie schätzte, sei gerade sein Fehler. Er hielt Voltaire, der Abschriften von 50.000 seiner eigenen Briefe mit sich trug, für ruhmsüchtig.

Illustration in Giacomo Casanova: Mémoires, écrits par lui-même, Brüssel 1872

Casanova zog es vor, nacheinander drei junge Frauen zu genießen, die ihm sein Syndikus vorstellte, wobei er ‚englische Überzieher‘ (frühe Kondome) für ‚demütigend‘ hielt und behauptete, seine Goldenen Kugeln würden genügen. Voltaire unterstellte er, er habe sein Gedicht von Theophilo Folengo nicht verstanden, und habe dieses deshalb nicht zu schätzen gewusst. Die Nichte Voltaires, Marie Louise Mignot, genannt Madame Denis, wusste Casanova, im Gegensatz zu Voltaire, sehr zu schätzen. Während Voltaire Albergati sehr schätzte, hielt ihn Casanova für eine ‚Null‘, ansonsten sei er ein braver Edelmann und ein Theaternarr und guter Schauspieler. Goldoni hingegen ‚der italienische Molière‘, sei nur ein guter Lustspieldichter, mehr nicht; er kenne ihn und er habe einen sanften Charakter. Die Begegnung mit Voltaire hätte ein gutes Ende genommen, wären sie nicht in Streit über die Bedeutung des Aberglaubens geraten, den Voltaire vernichten wollte, Casanova hingegen für notwendig hielt, der auch glaubte, um frei zu sein, genüge es, sich für frei zu halten. Zurück blieb eine ‚verdrießliche Stimmung‘, die Casanvoa nach eigener Aussage dazu veranlasste, zehn Jahre lang alles zu kritisieren, was Voltaire veröffentlichte. Er notierte ausdrücklich jedes Wort ihres Gespräches.

Südfrankreich, Genua, Toskana, Rom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aix um 1674

Über Annecy reiste Casanova nach Aix-les-Bains, wo er auf ‚Brunnengäste‘ traf, die jedoch alle gewerbsmäßige Spieler waren (3, 21). Dort traf er auch „M. M.“ wieder, wie er glaubte, die jedoch eine 21-jährige Schwangere war, die gezwungen war, im Kloster zu leben. Casanova, der glaubte, die Frau sei geschaffen, um ‚eine gute Familienmutter zu sein, und die die Grausamkeit ihrer Erzeuger dazu verdammt hatte, nur eine nutzlose Nonne zu sein‘, versprach ihr, sie nach Italien zu bringen. Casanova war selbst überrascht, dass sein Altruismus nicht eines erotischen Antriebes bedurft hatte. Doch bald verliebte er sich in die Frau, ohne eine der Spielerinnen namens Zeroli zu verschmähen, mit der er vier Stunden verbrachte – wie er fast immer die Dauer ihrer gemeinsamen Beschäftigung vermerkte. Derweil hatte das Schlafmittel, das die Nonne ihrer Aufpasserin gegeben hatte, damit sie die Geburtswehen nicht mitbekam, tödliche Folgen für die alte Nonne.

Abgabestelle für Findelkinder, hier in Mâcon, eingerichtet im Jahr 1762

Am nächsten Tag kam ein Junge zur Welt, der von der Mutter getrennt nach Annecy am Findelhaus auf einer Drehscheibe abgelegt wurde. Bei der Nonne stellte sich heraus, dass sie nicht nur aussah wie jene „M. M.“, sondern auch den gleichen Namen trug. Die beiden verbrachten, nach Überwindung ihrer religiösen Bedenken und ihrer eher töchterlichen Gefühle, eine Nacht. Die Zeroli reiste ab und drohte Casanova in einem Brief, sich zu rächen, wenn er nach Turin reisen würde. In der zweiten Nacht benutzte Casanova ein ‚Futteral‘. Wieder vermerkt Casanova die Zahl der Stunden, nämlich zwölf. Die Nonne entschied sich, dennoch ins Kloster zurückzukehren. Den Nachstellungen der Geliebten des Marquis von Prié entzog er sich durch Abreise nach Grenoble, zumal die Spieler gedachten, seine Kassette zu plündern (4, 1–2).

Wieder durch ein Empfehlungsschreiben von d'Urfé an einen Offizier namens Valenglard wurde ihm ein Landhaus vermittelt, dessen Hausmeister ihn bekochte. Als Venezianer habe er Talglichter abgelehnt und nur Wachskerzen geduldet. Seine Pariser Protektorin hatte ihn unter dem Namen „Seingalt“ angekündigt, und auf diesen Namen lauteten fortan auch seine Wechsel. Er habe ‚stets Furcht vor dem Sparen‘ gehabt (4, 3). Wie immer verließ sein Bediensteter Leduc das Haus, da ‚reizende Mädchen‘ anwesend waren, nämlich die Töchter des Hausmeisters, Rose und Manon, und dann und wann ihre Base. Casanova fühlte sich auf dem Höhepunkt seines Lebens, zumal er noch ein tugendhaftes, 17-jähriges ‚Fräulein Roman‘ im Auge hatte, die sich als entfernte Verwandte jener M. M. herausstellte. Diese bat jedoch, sie nicht zugrunde zu richten. Wie in Holland wollte er das Mittel der Prophezeiung wählen, vermittels der Astrologie, um die Frauen für sich einzunehmen. Die Roman versuchte er so dazu zu bewegen, nach Paris zu gehen, um Geliebte des Königs zu werden. Doch sie wies Casanova immer wieder ab, ihre Bedingung war die Ehe; er vergnügte sich ersatzweise mit Manon. Bei einer Kutschfahrt kam er zum Ziel, doch war dies für ihn wenig bedeutend, denn er hatte dabei ihr Gesicht nicht gesehen. Als ein russischer Abenteurer ihn um Geld bat, erkannte er sehr wohl, dass er selbst bloß einer war. Valenglard bat ihn um Korrespondenz, was Casanova die Gelegenheit gab, über Roman in Kenntnis zu bleiben. Die letzte Nacht verbrachte er mit den anderen drei Mädchen – fünf Stunden.

Per Schiff fuhr Casanova am nächsten Tag nach Avignon, dort wollte er die Quelle von Vaucluse besichtigen, wo er eine bewegte Hommage an Francesco Petrarca verfasste. Eine falsche Pariser Schauspielerin versuchte ihn zu täuschen. Sie waren in Begleitung einer sehr schönen, jedoch traurigen Frau. Auch traf er Marchese Grimaldi aus Genua, der immer im in seinen Augen freieren Venedig lebte. Er hatte kurz zuvor gleichfalls vergebens sein Glück bei der Traurigen versucht. Gegen einen weiteren Mann musste sie sich zur Wehr setzen, ihr Mann brachte sie aufs Zimmer. Casanova ließ sich aus Neugierde auf die falsche Schauspielerin und eine bucklige Riesin ein, ein Vorgang, den er breit schildert. Als die besagte Schöne sich gegen 25 Louis durch ihren Mann anbietet, lehnt Casanova dies ab: ‚wenn Sie sich einmal für Geld preisgeben, so sind Sie ebensogut eine Verlorene, wenn Sie hundert Millionen, wie wenn Sie fünfundzwanzig Louis erhalten‘, da sie nicht das gleiche Gefühl mit dem Mann teile. Sie und ihr angeblicher Mann reisten nach Lyon ab – sie sollten sich in Lüttich wiedersehen. Kurz danach betätigte er sich als Voyeur bei einem jungen Paar.

Von dort ging es weiter nach Marseille (dort gab es für ihn den besten Fisch der Welt), wo sich ihm ein Gaetano Costa aus Parma empfahl, den er als eine Art Diener anstellte. Dort empfand er offenbar Heimweh, nannte aber zugleich eine Reihe von Klischees: ‚Das bunte Gemisch aller Trachten: der ernste Türke neben dem lebhaften Andalusier, der französische Stutzer, der stumpfsinnige Afrikaner, der schlaue Grieche, der schwerfällige Holländer – dies alles erinnerte mich an meine Heimat, und ich fühlte mich glücklich‘ (4, 4).

In Marseille, wo die Huren im Amphitheater Eintritt zahlen mussten, kam es zu einem Massenauflauf, als eine Mutter ihre Tochter aus dem Haus warf – dabei musste sich Casanova in eine Kirche flüchten: ‚Ich bin, glaube ich, niemals in größerer Lebensgefahr gewesen als an diesem Tage‘, vermerkte er (4, 5). Er brachte die 15-jährige Rosalie in einem Dachbodenzimmer unter. Bei ihr erwähnte er ausdrücklich, dass er auf Jungfräulichkeit ‚gar keinen Wert lege‘. Mit seinem erfahrenen Blick – wieder einmal verliebt – wusste er ihre Maße so genau, dass er sie ohne ihr Beisein mit Kleidern ausstatten konnte. Er zeichnete in seinen Memoiren sogar ein Bild von ihr. Er freute sich an ihrer Einfachheit, auch darüber, dass sie schreiben konnte – und er notierte sieben Stunden. Er beschloss, sie nach Genua mitzunehmen (zusammen mit Costa und Leduc) und sie zu ‚erziehen‘, denn sie sollte ‚glänzen‘.

Zunächst aber fuhren sie nach Toulon (nicht Toulouse), dann nach Antibes, weiter ging es nach Nizza (‚der Sitz der Langeweile, und die Mücken sind dort eine fürchterliche Plage für die Fremden‘). Casanova hoffte inzwischen, dass er ‚zufrieden mit ihr leben und nicht mehr das Bedürfnis empfinden würde, von einer Schönen zur anderen zu eilen‘ (4, 5). Doch das Schicksal habe anders entschieden.

In Genua, wo er sich bei Grimaldi per Karte anmeldete, war er bis dahin nie gewesen. Dort lieferte er ein Paket ab. Die dortigen Champignons waren seiner Ansicht nach die besten der Welt. Grimaldi erkannte in Rosalie die Marseillerin, da sie mit dem ‚R schnarrte‘. Der Venezianer suchte ihr eine Kammerjungfer namens Veronika aus, von der Casanova sogleich bemerkte, dass sie wohl eher für ihn bestimmt wäre. Um Rosalie nicht unglücklich zu machen, hielt er sich von Veronika fern. Grimani hielt er für ungefährlich, da er bereits über 60 Jahre zählte.

Voltaire, Le Café ou L'Écossaise, Akt 2 Szene 2, Stich von 1784; Casanova übersetzte die Komödie und ließ sie in Genua aufführen.

Casanova übersetzte nun die Schottin von Voltaire, übte mit den Schauspielern die Rollen ein und verteilte diese – den Brief an Voltaire mit der entsprechenden Mitteilung beantwortete jener noch nicht einmal, was ihm Casanova zum ‚Todfeind‘ machte. Zwar hielt Casanova sein Verhalten für einen großen Fehler, doch Voltaire habe den Fehler gemacht, gegen die Religion aufzutreten, ohne zu erkennen, dass ‚die Religion für die Moral der Völker notwendig ist und dass das Glück der Nationen von der Moral der Völker abhängt‘ (4, 6).

Wieder traf er auf den Betrüger Carlo Iwanoff, doch ließ er ihn wortlos stehen. Veronika übernahm eine der Rollen, da Rosalies Italienisch noch unzureichend war. Diese erkannte, dass Casanova in Veronika verliebt war, der dies hatte vermeiden wollen. Doch Rosalie war schwanger und er verletzte sie durch Mutmaßungen, ob das Kind sicher von ihm sei. Grimani, dessen Patenkind ein Petri, Sohn eines Kaufmanns war, wusste inzwischen, dass Rosalie kurz vor der Zeit mit Casanova mit diesem etwa 24-jährigen Kaufmannsneffen zusammen gewesen war. Ohne Vorankündigung lud er Petri, der Rosalie hatte heiraten wollen, und das Paar zum Essen: Casanova war entsetzt, wütend, doch fehlte ihm der Mut, den Säbel zu ziehen. ‚Niemals habe ich bei Tisch eine so entsetzliche Stunde verbracht, wie bei diesem bösen Diner.‘ Der Marchese entschuldigte sich am nächsten Abend für diesen Auftritt. Rosalie sagte zu, den Vater ihres Kindes heiraten zu wollen; sie selbst zog sich in ein Kloster zurück (4, 6).

Inzwischen war für Casanova die Liebe explizit nichts anderes als Neugier, und so konnte er sich unentwegt verlieben. Dementsprechend erlosch seine Liebe, wenn die Neugier befriedigt war. Daher passte es, dass ihn nicht nur Veronika neugierig machte, sondern auch ihre albino-artig blasse, kurzsichtige, 14-jährige Schwester Annina (möglicherweise litt sie unter dem Hermansky-Pudlak-Syndrom). Als er bei Veronika zudringlich wurde, wies sie ihn brüsk zurück. Sie schrieb, sie glaube ihm, dass ‚Sie aufrichtig bereuen, mich gedemütigt zu haben‘, sie litt aber, wie häufiger, unter Kopfschmerzen. Zwei Stunden vergnügte sich Casanova, wie er vermerkt, nun mit der jüngeren Schwester. Rosalie wünschte er nunmehr als ‚Frau Petri‘ wiederzusehen.

Veronika ließ ihm einen Brief zukommen. Sie forderte eine Mitgift, eventuelle Kinder sollten bei ihr bleiben, er müsse sie binnen eines Jahres heiraten – den Vertrag dazu sollte Grimani abzeichnen. Casanova lehnte dies ab, machte sich auch nichts mehr aus ihr, zumal seine Vermögenssituation nicht so stabil war, wie man hätte meinen können. Seinen Niedergang kündigte er an: ‚Ich will mich glücklich schätzen, wenn meine Irrtümer oder vielmehr meine Torheiten meinen Lesern zur Warnung dienen.‘ Abends sah Veronik ein, dass ihr Plan ‚lächerlich‘ war. Zur Strafe musste sie den beiden zusehen, während Annika diese Rolle in der nächsten Nacht übernehmen sollte. Dann schaute Casanova den Schwestern zu. Am nächsten Abend war er bei Veronika zum ersten Mal in seinem Leben ohne Potenz: ‚Sie war hingebend, liebevoll und zärtlich, ich aber sah mich gezwungen, sie unbefriedigt zu lassen und ihr damit den größten Schimpf zuzufügen, den man in einem solchen Falle einer Frau antun kann! Der Leser wird sich meine Verzweiflung daher wohl vorstellen können.‘ ‚Meine Verzweiflung kam der ihrigen gleich, als ich sie entmutigt, erniedrigt, ermüdet und vor Beschämung weinend ihr Unterfangen aufgeben sah.‘ Er fühlte am nächsten Tag eine Verachtung, die er nicht mehr versuchte in Achtung umzuwandeln. Zum Abschied beschenkte er beide Schwestern (4, 7).

Nun reiste Casanova ab, fuhr über Lerici nach Livorno, wo er einem in seinen Augen unfähigen Dichter und Maler begegnete, den er jedoch unterstützte, da er gegen Abbate Chiari wetterte – obwohl er einräumte, dass dieser ein guter Dichter wäre. Er gab ihm sogar ein Empfehlungsschreiben nach Bern an Sarahs Vater mit.

Am nächsten Tag reiste Casanova nach Pisa, wo er die seinerzeit berühmte Sängerin Corilla traf. Nach zwei Tagen reiste er weiter nach Florenz. Wie immer gibt er den Namen seiner Unterkunft an. Er räumte ein, dass er in die Oper ging, ‚mehr um die Künstlerinnen zu beäugeln als die Musik zu hören, von der ich niemals ein begeisterter Freund war‘ (4, 8). Völlig unvorbereitet traf er dort Teresa wieder, die er Anfang 1744 in Rimini verlassen hatte. Ihr letzter Brief, den er nicht beantwortet hatte, lag 13 Jahre zurück. Sie verabredeten sich, doch traf Casanova durch einen Zufall auf ihren Ehemann. Beim gemeinsamen Frühstück nutzten die beiden die halbstündige Abwesenheit des Ehemanns, der eine Schokolade versprochen hatte, ihre ‚Liebesglut wenigstens zum Teil‘ zu stillen. Teresa war 32, gab sich jedoch als 24-Jährige aus; ihr Mann war 22. Schließlich trat sein Sohn auf, Cesare Filippo Lanti, inzwischen 15, 16 Jahre alt, und Casanova zum Verwechseln ähnlich. Er war nach seiner Geburt einer Amme in Sorrent übergeben worden, wo er seine ersten neun Jahre verbracht hatte. Von seiner Mutter wurde er im Glauben gehalten, sie sei seine ältere Schwester. ‚Dieser Tag gehört zu den glücklichsten meines Lebens, und ich zähle deren viele‘ (4, 8).

Doch blieb dies nicht lange so. Als er wieder einmal versuchte, ein Mädchen zu besuchen, das Redegonda hieß, empfing sie ihn im Kreis ihrer Familie. Die Mutter, obwohl arm, beharrte darauf, die beiden niemals allein zu lassen, so dass Casanova unverrichteter Dinge gehen musste: ‚Ich schämte mich; denn nichts beschämt einen Wüstling so, wie die Sprache der Scham im Munde der Armut‘. Andererseits wurde ihm noch immer nicht bewusst, dass er begonnen hatte, sich Vergünstigungen zu erkaufen. Teresa machte sich derweil zu seiner Komplizin, um die junge Redegonda zu verführen. Doch scheiterte dies weiterhin an Redegondas Mutter, ebenso wie ein Versuch, ein anderes Mädchen zu verführen zunächst an dessen Mutter scheiterte. Diesem Mädchen wollte Casanova eine bestimmte Rolle in der Oper zuschanzen, wogegen sich jedoch der jüdische Theaterleiter wehrte. Casanova ließ ihn zusammenschlagen, weil er sich dadurch entehrt zu fühlen behauptete. Immerhin sagte ihm ein portugiesischer Diplomat und Spion zu, ihm einen Auftrag als Gesandter zu verschaffen, den er bereitwillig angenommen hätte.

In Florenz fiel er jedoch im Dezember 1760 einer Intrige jenes Abenteurers Carlo Ivanoff zum Opfer, denn er wurde für einen gefälschten Wechsel verantwortlich gemacht, so dass er als Fremder binnen drei Tagen Florenz, binnen fünf die Toskana verlassen musste.[18] Zwar stand die Gesellschaft, in der sich Casanova bewegte, auf seiner Seite, was ihm wohltat, doch der zuständige Auditor blieb unnachgiebig. Teresa musste er ebenso aufgeben, wie die Besuche bei der jungen Corticelli, jener Tänzerin. 36 Stunden nach seiner Abreise war Casanova in Rom (4, 9).

Giovanni Battista, Giacomo Casanovas Bruder, Stich von Christian Friedrich Boetius nach einem Gemälde von Anton Raphael Mengs

Dort wurde durch die Zollbehörden sein Gepäck nach verbotenen Büchern durchsucht, doch ließ man ihn mit etwa 30 solcher Werke, die er mit sich führte, passieren. In Rom traf er nach zehn Jahren wieder auf seinen Bruder Giovanni Battista, der wie Francesco Maler war. In Rom lernte er auch dessen Lehrmeister Raphael Mengs kennen sowie den Archäologen Johann Joachim Winckelmann.

Doch gleich am ersten Tag bei seinem Wirt hatte er sich in dessen 16-jährige Tochter Teresa verliebt, was sein Bruder eine bloße ‚Liebelei‘ nannte. Er suchte die Menschen, die er von seinem letzten Aufenthalt kannte, doch manche waren bereits gestorben, andere erkannten ihn kaum wieder, wieder andere hatten die Stadt verlassen. Winckelmann lernte er durch einen Disput über den Unterschied zwischen ‚Es ist Casanovas Bruder‘ und es ‚sei‘, in dem der Deutsche Casanovas Partei ergriff. Mit Kardinal Alessandro Albani geriet er aneinander, weil ihn der Kardinal darauf hinwies, dass er wegen seiner Flucht aus den Bleikammern fürchten müsse, durch einen Ordine Santissimo der Staatsinquisition ausgeliefert zu werden. Casanova, der glaubte, für dumm erklärt zu werden, konterte mit dem Hinweis auf das Risiko, das die Inquisitoren eingehen würden, denn sie könnten immer noch keinen Grund für die seinerzeitige Verhaftung angeben. Das Haus betrat er nie wieder. Der blinde, alte Mann ‚schämte sich, mich für einen Dummkopf gehalten zu haben und zu sehen, daß ich ihm den Dummkopf zurückgab‘ (4, 9). Er bevorzugte es, Winckelmann und Mengs aufzusuchen, wobei ersterer keine Bedenken hatte, mit den Kindern Purzelbäume zu schlagen (4, 10). Sein Wirt machte ihn mit seiner Tochter bekannt, doch gefiel sie ihm nicht mehr so, wie beim ersten Mal. Stattdessen verliebte sich sein Bruder in sie, der sie ein Jahr später heiratete, schließlich mit nach Dresden nahm. Fünf Jahre später hatten sie ein Kind, doch nach zehnjähriger Ehe starb seine Schwägerin an der Schwindsucht. Während er Mengs als Künstler bewunderte, dessen Schüler sein Bruder ja war, meinte er: ‚Mein Bruder hat niemals etwas hervorgebracht, um den Namen eines Schülers dieses großen Künstlers zu rechtfertigen.‘ Mengs Schwester hatte sich gleichfalls in Casanovas Bruder verliebt. Sie war eine ‚ausgezeichnete Miniaturmalerin‘ (4, 10). Mengs hingegen war ‚grausam‘ und ein Trinker, wenn auch nie in der Öffentlichkeit. Mengs Frau saß ihm nackt nur deshalb Modell, weil ihr Beichtvater ihr gesagt hatte, ihr Mann würde mit anderen Modellen ansonsten ‚fleischlich verkehren‘.

Anton Raphael Mengs: Porträt Papst Clemens' XIII., 1758, Öl auf Leinwand, 100 mal 85 cm, Ca’ Rezzonico (Museo del Settecento Veneziano)

Im selben Jahr – Casanova hatte den Ehrgeiz in die höchsten Kreise zu gelangen – erhielt er bei Papst Clemens XIII. eine Audienz durch die Vermittlung des Kardinals Passionei, ‚der ein großer Feind der Jesuiten, ein geistvoller Mann und ein ausgezeichneter Kenner der Literatur war‘ (4, 9); Rezzonico war selbst Venezianer und seit 1758 Papst, doch habe er sich, seit er Papst war, zu seinen Ungunsten verändert – diese Auffassung äußerte Passionei, der den Papst für einen Coglione hielt, einen Tölpel – Casanova: ‚Ich bewahrte diese Anekdote sofort in meinem Tagebuch auf‘. Passionei hielt nur den früh verstorbenen Kardinal Fortunato Tamburini für würdig, worin ihm Winckelmann laut Casanova zugestimmt habe, und zwar, weil er ein erklärter Feind der Jesuiten war. Winckelmann verwaltete Passioneis Bibliothek, der Großbibliothekar des Vatikans war.

Im Dezember 1760 ernannte ihn Papst Clemens, die beiden kannten sich, seit Clemens Bischof von Padua gewesen war, zum „Protonotar extra urbem“ und erhob ihn zum „Ritter des goldenen Sporns“. Das Kreuz hängte er sich um den Hals, ohne zu wissen, dass andere ihre Kammerdiener damit schmückten, so verächtlich war dieses Abzeichen geworden (4, 10). Daraus leitete Casanova das Recht ab, sich Cavaliere (Ritter) nennen zu lassen. Doch der Papst erinnerte sich auch, dass Casanova in Padua jedes Mal die Kirche verlassen hatte, wenn er den Rosenkranz anstimmte.

Casanova freute sich, den Barcarole Momolo wiederzusehen, der ihn, was Casanova sehr freute, in seine Familie einlud. Seinen Bruder brachte er mit. Doch die Familie war arm (und hässlich), musste von ‚zweihundert römischen Talern im Jahre leben, und da der apostolische Kehricht nicht denselben Wert hat wie die Darmentleerungen des Dalai Lama, so musste er mit dieser geringen Summe alle Bedürfnisse bestreiten.‘ Es gab Polenta und Schweinsrippchen, zwei noch ärmere Gäste kamen hinzu, doch er erkannte die Großherzigkeit sehr wohl: ‚Ich sah, dass die wahre christliche Liebe öfter im Herzen des Armen zu finden ist als bei demjenigen, den das Glück mit seinen Gaben überschüttet und den es gleichgültig gegen die Leiden des Nächsten macht, indem es ihm alles gibt, was sein Herz begehrt‘ (4, 10). Mariuccia, das hinzugekommene fünfte Mädchen, denn Momolo hatte vier Töchter und zwei Söhne, glaubte fest an den Sieg der Losnummer 27, woraufhin auch Casanova auf diese Zahl setzte – und gewann.

Um dies zu feiern, wollte er nach Neapel reisen, nachdem er zuvor zu eruieren versucht hatte, unter welchen Bedingungen er nach Venedig zurückkehren dürfe. Auch hatte er den Papst um eine Art Schutzbrief ersucht. Casanova besaß noch immer ‚zweihunderttausend Franken, … Juwelen für dreißigtausend und fünfzigtausend Gulden in Amsterdam.‘ Nun waren Momolos Töchter enttäuscht, was Casanova dazu veranlasste, zu sagen: ‚Geld macht nicht glücklich, und Fröhlichkeit wohnt nur in sorglosen Herzen.‘ Er verlangte, Mariuccia hinzuzuholen, in die er sich verliebte, und ihm war ‚das Glück beschieden, sie glücklich zu machen‘. Auf der Suche nach einem geeigneten Zimmer traf er auf eine Frau, die ihm dieses vermitteln wollte. Ihrer armen Familie hinterließ Casanova ein paar Münzen: ‚Es ist so süß, Gutes zu tun, dass heute, wo ich nichts mehr habe, die Erinnerung daran, dass ich oft mit geringen Kosten Menschen glücklich gemacht habe, fast die einzige Lust ist, die mich noch erfreut.‘ Während Casanova und er sich gegenseitig beglückten – drei Stunden hatten sie Zeit –, erhoffte Mariuccia, ihr, ‚ihr zu glauben, dass sie trotz ihrer Armut im Herzen fühle, dass sie sich nur der Liebe ergeben habe‘. Das Geld, das er ihrem Beichtvater gab, war für die Aussteuer vorgesehen, denn die junge Frau hoffte bald heiraten zu können. Bevor Casanova Rom Richtung Neapel verließ, bemerkte er, dass Costa die zweite Tochter Momolos liebte. Er erklärte sich bereit, ihre Hochzeit auszurichten. Doch Costa traute Casanova nicht, denn er fürchtete, dieser würde das ‚Herrenrecht‘ beanspruchen. So heirateten die beiden erst ein Jahr später, nachdem Costa Casanova bestohlen hatte.

Leduc ritt als Kurier voraus. Obwohl man glaubte, der Vesuv werde ausbrechen, setzte Casanova seine Reise fort.

Neapel, Frankreich, Süddeutschland, Paris[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Rom reiste er weiter nach Neapel, wo er sich jedoch nur einige Wochen aufhielt (4, 11). Vieles hatte sich verändert, der Herzog veranlasste ihn, im Palazzo Matalone zu gastieren. Seine Geliebte, die 17-jährige Leonilda, überließ er ihm, zumal er selbst impotent war – außer bei seiner Frau. Obwohl das Glücksspiel verboten war, betätigte sich der Herzog und seine Gäste darin. In der Oper siezte Leonilda ihn weiterhin, doch ‚der Ton ihrer Stimme und der Ausdruck ihrer Augen‘ waren mehr wert, ‚ als das »Du«, mit welchem man in Neapel so verschwenderisch umgeht, daß es oft keinen Wert mehr hat‘. Der Herzog überzeugte sich eigenhändig, dass Casanova nicht gleichfalls impotent war. Casanova bot Leonilda die Ehe an, nachdem der Herzog sein Einverständnis erklärt hatte; ein Heiratsvertrag wurde aufgesetzt. An mehreren Abenden spielte Casanova und gewann insgesamt 15.000 Dukaten. Leonilda war die Tochter von Donna Lucrezia Castelli, die inzwischen 38 Jahre alt war. Sie war dementsprechend Casanovas Tochter. Lucrezias Mann, der offenbar wusste, dass er die Tochter Giacomo Casanovas großzog, nannte sie Giacomina. Eine Verbindung zwischen Vater und Tochter hielt Casanova ‚in jeder Beziehung [für] abscheulich‘. Sie war nicht das einzige seiner Kinder, dessen Existenz er einfach ignorierte. Schon 1759 hatte ihm in Amsterdam Teresa Imer offenbart, dass er der Vater ihrer Tochter war. Doch nun erwachte die alte Leidenschaft zwischen Lucrezia und Casanova wieder. Zurecht hielt der Herzog ihn für den ‚glücklichsten aller Sterblichen‘. Die nachfolgende Nacht mochte selbst Casanova nicht schildern, er schrieb nur von ‚wollüstiger Raserei, verliebter Ausgelassenheit und Zurückhaltung‘ (4, 11).

Auf dem Weg nach Rom glaubten die Männer, überfallen worden zu sein, ihr Wagen umgestürzt, doch war nur die Achse des Wagens gebrochen. Vor der Tür des Postmeisters machte Casanova ‚einen Höllenlärm‘, doch bemerkte er auch, dass seine‚ üble Laune … im Grunde weiter nichts war als ein gewisses Bedürfnis, wie ein großer Herr Spektakel zu machen‘. So kam man bei Marchese Galiani unter, den Casanova noch von seinem ersten Besuch kannte. Zufällig traf Casanova dort auf Lucrezia, der er erneut die Ehe anbot. Doch war er nach wie vor nicht bereit, sein ‚Landstreichertum‘ aufzugeben. Nach 15 Poststationen erreichte er wieder Rom. Dort erlebte er den Karneval, der sich über acht Tage erstreckte. Auch gastierte er wieder bei Momolo und seine Mariuccia besuchte ihn auf eine Stunde in der besagten Wohnung. Ihrem zukünftigen Schwiegervater kaufte er für 200 Taler einen Garten jenseits des Tibers ab, wobei der Bräutigam die Summe zur Mitgift Mariuccias schlug. Casanova forderte sie auf, ihrem gemeinsamen Kind seinen Namen zu geben (vier Stunden).

In scharfem Gegensatz dazu beschreibt Casanova eine widerwärtige Orgie, die im Haus Talons stattfand, den er aus Paris kannte, und der inzwischen Graf Limore war. Dabei wurde er allerdings, im Gegensatz zu anderen Gästen, von sexuellen Handlungen verschont, so dass er nicht zu seinem Degen greifen musste: ‚Ich konnte mir nicht verhehlen, daß mein Leben in Gefahr gewesen war‘ (4, 12). Limore musste aus Rom fliehen, nachdem ein Wechsel geplatzt war.

Casanova besuchte die Oper um einem Kastraten zu lauschen, der durch seine wohlgeformten Brüste verliebt machen konnte, wie Casanova schreibt. ‚Um ihm zu widerstehen oder nichts zu fühlen, hätte man kalt oder prosaisch sein müssen wie ein Deutscher‘ – ‚Das heilige Rom, das auf diese Weise alle Männer nötigt, Päderasten zu werden, will dies nicht zugeben und stellt sich, als glaube es nicht an die Wirkungen einer Illusion, die es mit allen Kräften zu erwecken sich bemüht‘ (4, 12). Casanova nannte ihn ein ‚Ungeheuer‘.

Am zweiten Fastentag besuchte Casanova erneut den Papst und ließ sich von ihm segnen. Er erkannte aber, dass dieser ‚nicht übermäßig an seine eigene Macht glaubte‘. Nachdem Casanova seine Geliebte und ihren Zukünftigen reich beschenkt hatte, verließ er Rom. Von seinem Bruder erhielt er als Geschenk einen Onyx: ‚eine Kamee, die eine Venus im Bade darstellte‘. Sie war von ‚Sostrates angefertigt worden, der vor dreiundzwanzighundert Jahren lebte‘. Casanova behauptet, er habe das Stück an ‚Doktor Masti für dreihundert Pfund Sterling‘ verkauft, und spekulierte, ob es sich noch immer im ‚Britischen Museum‘ befinde.

Da Casanovas Verweisung aus Florenz immer noch gültig war, brach er fluchtartig nach Bologna auf. Die Corticelli, wie er sie meist nennt, die er mitgeführt hatte, verschaffte ihm mit ihren Freundinnen acht unvergessliche Tage, bevor sie Richtung Prag zu einem Engagement abreiste. Doch klagte Casanova über die in Bologna grassierende, leichte Form der Krätze.

Wegen seiner Flucht aus den Bleikammern wurde er aus Modena ausgewiesen. Als ihm ein Mann anbot, den Stadtoberen dafür zu erschießen, lehnte er dies nur ab, weil er fürchtete, sich bloßzustellen.

Bei seinem Aufenthalt in Parma, wo er unter dem Namen eines Chevaliers de Seingalt auftrat (‚denn wenn ein Ehrenmann einen Namen annimmt, der keinem Menschen gehört, hat niemand das Recht, ihm diesen zu bestreiten, und es ist seine Pflicht, ihn nicht wieder abzulegen‘), entließ er Costa, nahm den Sohn eines armen Violinenspielers jedoch aus Mitgefühl wieder auf. Sein ‚Spanier‘ warnte ihn vor Costa, der ein Dieb sei, der seinen großen Schlag noch führen wolle. Tatsächlich stahl er ihm fünf, sechs Monate später 50.000 Taler. Im Jahr 1784 traf er den Dieb in Wien als Kammerdiener des Grafen von Hardegg. Er hatte das Geld verspielt, war von seinen Teilhabern ausgeplündert worden, und er lebte seither in völliger Armut. Casanova hätte ihn am liebsten hängen lassen, doch verschonte er ihn am Ende. ‚Er hatte im selben Jahre Momolos Tochter geheiratet und verließ sie, nachdem er sie zur Mutter gemacht hatte‘ (4, 13).

In Turin hoffte er, dass Abbate Gama die Zusage, er würde einen diplomatischen Posten erhalten, wahrmachen würde. Dabei sollten Gesandte der Kriegsteilnehmer sich in Augsburg versammeln. In einem Kaffeehaus, wo er Zeitungen las, traf er auf Marquis Desarmoises, den er aus Savoyen kannte. Nirgendwo sei die Polizei so ‚unbequem‘, überall waren Spitzel, die Prostitution unterlag ‚barbarischen‘ Strafen. Schon bald suchte Casanova ein Abenteuer, wozu er sich mit der Jüdin Lia bekanntmachen ließ, der Tochter eines Pferdehändlers. Ihr Vater, ‚habgierig wie alle seine Glaubensgenossen‘, ermunterte sie, mit Casanova auszureiten, der dies als Bedingung für den Kauf gestellt hatte. Als Lia sagte, sie sei nicht käuflich, antwortete Casanova: ‚Alle Frauen, anständig oder nicht, verkaufen sich. Wenn ein Mann Zeit hat, kauft er die Frau, die seine Liebe begehrt, durch eifrige Bewerbung; wenn er es eilig hat, wie ich, bedient er sich der Geschenke und sogar des Goldes‘ (4, 13). Dennoch erreichte Casanova zunächst nichts, mietete aber ein verschwiegenes Haus an. Dann besuchte er eine jüdische Hochzeit, deren Zeremonie, wie er meinte, ‚etwas Symbolisches und zugleich lächerlich Groteskes‘ hätte. In sein Haus ließ er sich von einer Kupplerin junge Mädchen kommen. Lia und Moses, ihr Vater, suchten ihn ebenfalls auf. ‚Während der Karwoche wagten die Juden sich nicht in den Straßen von Turin sehen zu lassen; ich riet ihnen daher, die drei Tage bei mir zu verbringen‘ (4, 13). Lia ‚war den ganzen Tag gefügig und verliebt … und obwohl ihr Leib das Vollkommenste war, was man sich denken kann, brauchte und missbrauchte ich ihn auf jede Art.‘

Am Ostermontag wurde Casanova vor die Polizei geladen. Casanova weigerte sich, die Stadt binnen drei Tagen zu verlassen, und er wandte sich stattdessen an den ‚Minister des Auswärtigen, Chevalier Osorio‘, der mit dem König sprach. Am Ende durfte Casanova einen Monat bleiben.

Mitte Mai verließ Casanova Turin Richtung Chambéry. Wieder sah er eine reizvolle junge Frau, deren Begleiter nach einem Degenstich darniederlag. Eilends nahm er sich ‚die Freiheit, ihr die Hand zu küssen; dies ist in Frankreich eine ebenso ehrerbietige wie zarte Liebeserklärung.‘ Der junge Mann hatte die Tochter von Marquis Desarmoises entführt, die Tochter fürchtete von ihrem Vater vergewaltigt zu werden. Dieser verfolgte sie seit ihrem elften Lebensjahr. Er hatte den Mann niedergestochen, den sie in Genf heiraten wollte. Casanova wollte die beiden nicht verraten, sondern half ihnen bei der Flucht, was ihn nicht abhielt, sein Glück bei der jungen Frau zu versuchen. Doch ‚heuchlerische Liebe bedeckte sich mit dem Mantel väterlicher Zärtlichkeit.‘

François-Hubert Drouais: Porträt der Anne Couppier de Romans (1737–1808), der Casanova prophezeite, sie werde Maitresse des Königs von Frankreich werden, wenn sie nach Paris gehe; Öl auf Leinwand, 75 mal 58 cm, Privatsammlung

Frau Morin berichtete ihm aus Paris. Fräulein Romans, der Casanova prophezeit hatte, dass sie die Geliebte des Königs werden würde, wenn sie nur nach Paris ginge, berichtete, sie sei tatsächlich ‚die Geliebte des Königs; sie bewohne ein schönes Haus in Passy, und da sie im fünften Monat schwanger sei, so sei sie auf dem Wege, Königin von Frankreich zu werden‘. Nun glaubte jeder in Grenoble an Casanovas Prophezeiungen und ‚der ganze Adel würde ihm zu Füßen liegen‘; man würde ihn nicht wieder fortlassen. Mit Frau Morin besuchte er nun erst ‚M. M.‘ im Kloster, wo man nur durch das Sprechgitter reden konnte. Geistesgegenwärtig konnte sie ihrer Tante glaubhaft machen, sie kenne Casanova kaum, doch verabredete man sich zum Speisen, und zwar sollte die Gesellschaft je zur Hälfte dies- und jenseits des Sprechgitters sitzen. Casanova, der die Kosten übernahm, saß zwischen M. M. und der jungen Desarmoises. Hinter dem Gitter saßen sieben Nonnen, insgesamt saß Casanova mit elf Frauen drei Stunden lang beisammen. Seine M. M. hatte sich auf ihre 12-jährige Pensionärin eingelassen, was ihr einen begrenzten Ersatz bot. Die Beziehung zu Casanova beendete sie, denn man schöpfte bereits Verdacht. Doch verhinderte sie nicht, dass ihre Geliebte durch das Gitter Casanova befriedigte und er sie. So hielt sich Casanova an die Desarmoises, doch versprach er ihrem zukünftigen Ehemann, den alten Desarmoises zu zwingen, von seiner Tochter abzulassen. Er glaubte, sie sei unzufrieden mit ihm, denn ‚ich unterhielt sie nur ein einziges Mal von meiner Zärtlichkeit; M. M.'s junge Freundin hatte mich beinahe völlig ausgepumpt‘.

Am nächsten Tag reiste er nach Lyon ab. Leduc und Desarmoises, der ihm die besagten Versprechungen verbriefte, schickte er nach Straßburg voraus, denn er wollte nach Paris. Sowohl Desarmoises' Frau als auch ihm, den er als verarmten, falschen Marquis, von denen es so viele gebe, wie er betont, half er mit einigem Geld aus. Er selbst nahm nur Costa mit. Diesen schickte er zu Madame d'Urfé voraus (4, 14).

In Paris angekommen, versprach er seiner Gönnerin, die Operation, die sie zum Mann machen sollte, werde stattfinden. Doch zuvor müsse ‚Quérilinte, eines der drei Häupter der Rosenkreuzer, aus den Gefängnissen der Lissaboner Inquisition befreit‘ werden (4, 15). Dazu müsse er nach Augsburg reisen, brauche aber reichlich Bestechungsgeld. Sie teilte ihm mit, der Kongress in Augsburg werde erst im September stattfinden. Er behauptete, die 14 Tage in Paris zu benötigen, um eine Intrige St.-Germains zunichte zu machen. Tatsächlich, als d'Urfé ihm von ihren Visionen im Bois de Boulogne berichtete, erschien der Graf, floh jedoch. Für den zuständigen Minister, den Herzog Choiseul, war dies keine Überraschung, denn er habe die Nacht in seinem Kabinett verbracht. ‚Der Herzog von Choiseul hatte zum Schein St.-Germain in Frankreich in Ungnade fallen lassen, um ihn in London als Spion zu halten; aber Lord Halifax ließ sich davon nicht anführen, er fand sogar die List zu plump.‘

Als er Roman, die zukünftige Königin traf (wie er glaubte), klagte sie ihm ihr Unglück, denn sie fühlte sich einflusslos und immer wieder gedemütigt, weil sie vom König nichts verlangen mochte. ‚Ach! nur Einfachheit macht glücklich, Luxus nicht!‘ (4, 15). Casanova bedauerte am Ende, die Unglückliche nicht selbst geheiratet zu haben.

Er besuchte seinen Bruder, der mit seiner Frau an der Porte St. Denis wohnte. Sie liebte ihn, doch konnte er sie nicht befriedigen, denn er war vollkommen impotent. Sie hingegen glaubte, er liebe sie nicht und enthalte sich aus diesem Grund. Sie starb 5, 6 Jahre später, wie Casanova glaubte, vor Kummer an der Schwindsucht. Für seinen Bruder war dies eine harte Strafe.

Flucht aus Paris, Katastrophe in München, Augsburg, Paris (1762), Elsass bis Mailand (1763)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als er noch alte Freunde und Bekannte aufsuchte, ereilte ihn ein Unglück, das ihn zwang, Paris Hals über Kopf zu verlassen. Er begegnete in den Tuilerien der Opfernfigurantin Dangenancour, die ihn schon einmal abgewiesen hatte. In einem Gasthof trafen die beiden auf eine Gesellschaft von Abenteurern, und wieder gelang es Casanova nicht, dieser Gesellschaft einfach den Rücken zu kehren. Einer von ihnen, ein Santis, stahl ihm einen Ring, den Casanova ihm gezeigt hatte. Doch Santis und sein portugiesischer Freund Xavier behaupteten, er sei ihm zurückgegeben worden. Casanova stach Santis im Streit mit seinem Degen nieder – wie er erst später erfuhr, überlebte Santis.

Wegen dieser Tat musste Casanova Paris sofort verlassen. Er fuhr zum falschen Marquis Desarmoises, der ihn einer Frau vorstellte, die behauptete, Casanova zu kennen. Seine ‚schöne Renaud‘ war eine anziehende Trinkerin, und der ‚Weinrausch machte aus ihr eine Bacchantin, die schwer zu befriedigen war; aber wenn ich nicht mehr konnte, bat ich sie, mich in Ruhe zu lassen, und sie musste mir wohl oder übel gehorchen‘ (4, 15). Der Augsburger Bankier Carli,[19] bei dem er ein Konto hatte, besorgte ihm ein Haus. Den Gesandten Englands, Lord Stormon, und Frankreichs, de Folard, machte er seine Aufwartung.

Er verbrachte nun vier Wochen in München. Dort, in der ‚kleinen Hauptstadt‘, verlor er sein gesamtes Vermögen und seine Gesundheit. Am dritten Tag in München machte er der Kurfürstin-Witwe von Sachsen seine Aufwartung. Sein Schwager gehörte zum Gefolge der Fürstin. Doch nun musste er erkennen, dass ihn sein ‚böser Geist‘ seit Neapel von Unglück zu Unglück trieb, wie er meinte: ‚Der nächtliche Sturz aus dem Wagen, die Abendgesellschaft bei Limore, die Verbindung mit Desarmoises, die Lustpartie nach Choisy, mein Vertrauen zu Costa, meine Verbindung mit der Renaud, und mehr als alles meine unbegreifbare Dummheit, mich auf das Pharaospiel einzulassen an einem Hofe, wo die Bankhalter für die geschicktesten Verbesserer des Glücks in ganz Europa galten – dies waren die Stufen meiner Dummheit‘ (4, 16). Anwesend war auch ‚Affliso, der Teilhaber des Herzogs Friedrich von Zweibrücken‘. Renaud, der man ihre Erkrankung äußerlich nicht ansah, wusste davon, und sie schlief trotzdem mit Casanova. Dieser ließ sich zudem davon überzeugen, sich nicht behandeln zu lassen, denn man wisse, dass die beiden wie Mann und Frau zusammenlebten. Die Kurfürstin-Witwe warnte ihn sogar persönlich.

La Cittá di Augstbourg, detta volgarmente Augusta, Vedute der Stadt Augsburg, Kupferstich, 15,5 × 20,5 cm, aus: Thomas Salmon: Lo stato presente di tutti i paesi e popoli del mondo con nuove osservazioni, e correzioni degli antichi e moderni viaggiatori, Bd. 10: Dei Circoli Susseguenti dell'Imperio, Cioe' Suevia, Alto, e Basso Reno, e Vestfalia; e delle dieci Provincie dei Paesi Bassi Austriaci, e Francesi, Giambattista Albrizzi, Venedig 1740, eingelegt zwischen S. 24 und S. 25

Casanova zog sich in sein Haus in Augsburg zurück. Sein Bankier empfahl ihm einen gewissen Kefalides, der bei Fayet gelernt hatte, der Casanova wiederum einige Jahre zuvor in Paris kuriert hatte. Dieser verordnete ‚strengste Diät, … Bäder und ließ mir Quecksilbereinreibungen machen‘. Nach sechs Wochen war er jedoch völlig abgemagert und hatte zwei riesige Geschwüre in der Leistengegend. ‚Kefalides schnitt aus Ungeschicklichkeit die Arterie an und verursachte dadurch eine Blutung, die nur mit großer Mühe gestillt werden konnte und die mich das Leben gekostet hätte, wenn sich nicht der bolognesische Arzt Algardi, der Leibarzt des Fürstbischofs von Augsburg, meiner angenommen hätte‘. Algardi, der den Arzt ersetzte, heilte Casanova binnen zweieinhalb Monaten. Erst Ende des Jahres fühlte dieser sich wieder gesund. Costa hatte inzwischen alle Wertgegenstände gestohlen, die ihm d'Urfé mitgegeben hatte. Dies betraf allerdings nicht ihren Wechsel über 50.000 Francs, der auf anderem Wege in Augsburg ankam. Zugleich merkte er, dass auch Leduc ihn bestahl. Das gleiche galt für Renaud, die mit Desarmoises direkt nach Paris reiste, ohne Casanova noch einmal zu besuchen. Desarmoises starb seines Wissens im tiefsten Elend in der Normandie, während die Renaud einen Juwelier namens Böhmer heiratete, wie Casanova vermerkte.

Casanova nahm, kaum gesundet, seine Vergnügungen wieder auf, diesmal mit Gertrud und Anna Midel, seiner Köchin, gleichzeitig. Doch diesmal bevorzugte er die höfische Gesellschaft, wie etwa die des Grafen von Lamberg; dieser war ‚ein Gelehrter ersten Ranges und besaß eine umfassende Bildung‘. Die beiden korrespondierten bis zu dessen Tod im Jahr 1792, verursacht durch eine ärztlich verordnete Quecksilberanwendung.

Als eine 14-köpfige italienische Theatertruppe in Augsburg ankam, unterstützte er diese. Zu ihr gehörte ein Venezianer namens Bassi, den er vom ‚Kollegium San Cipriano‘ kannte, wo sie gemeinsam gelernt hatten, und der der Direktor der mäßigen Truppe war. Casanova, der bei der ‚hässlichen‘ Frau Bassi zu Gast war, sah die große Armut und den Schmutz, doch waren die Leute offenbar glücklich. Sein Schulkamerad vermachte ihm als Geschenk die Rezeptur des venezianischen Theriak. Zur Vorstellung kamen nur 30 oder 40 Zuschauer, so dass Bassi nicht mehr wusste, wie er seine Truppe entlohnen sollte. Casanova lud die Truppe zu einem dreistündigen Mahl, was er nur tat, weil ihn ‚eine junge Straßburgerin, die Soubrette der Truppe … auf den ersten Blick interessierte‘ (4, 16). Doch sie wollte den eifersüchtigen Harlekin heiraten, den Casanova kurzerhand hinauswarf. Nun bestimmte Casanova die Eintrittspreise, die er deutlich höher ansetzte, nur sollten die ersten Zuschauer Gratiskarten bekommen. Bei der nächsten Gelegenheit machte er sich an die Tochter Bassis heran, zugleich ergab sich ihm die Straßburgerin.

Casanova musste wegen seines Namens Seingalt im Rathaus erscheinen, wo der Bürgermeister ihm vorhielt, er trage einen falschen Namen. Doch dieser berief sich darauf, dass er ihn frei gewählt habe, ihn niemand sonst beanspruche, und jeder Name sei von einem der Vorfahren irgendwann einmal erfunden und beigelegt worden. Nur ablegen dürfe man ihn nicht mehr, denn dies schade der Gesellschaft. Der Bürgermeister pflichtete ihm sogar bei.

Mitte Dezember 1761 verließ er Augsburg. Gertrud, die schwanger war, hätte er gern mitgenommen. Seinen Diener Leduc, der ihn in Verdacht gebracht hatte, zu stehlen, ließ er einfach an der Straße stehen, ohne ihm ein Zeugnis auszustellen. Er hörte nie wieder von ihm, doch er bedauerte am Ende, ihn entlassen zu haben, da ihm Leduc so bedeutende Dienste erwiesen hatte.

Das heutige Hotel Les Trois Rois in Basel, in dem Casanova Ende 1761 unterkam

Von Augsburg reiste er über Konstanz nach Basel. Dort vergnügte er sich mit den Töchtern seines Wirtes Imhoff, der ‚ein Schinder allerersten Ranges‘ war – es war das teuerste Haus der Stadt. Am letzten Tag des Jahres 1761 kam Casanova erneut in Paris an. Er wohnte drei Wochen in der Rue du Bac, die d'Urfé für ihn eingerichtet hatte.

Dort konnte er auf großzügige Zuwendungen der Gräfin Constance du Rumain und weiterhin der Markgräfin d'Urfè rechnen. Vor allem letztere, die sehr vermögend und zugleich äußerst abergläubisch, tief verstrickt in okkulte Kreise war, plünderte Casanova geradezu aus, wozu er eine andere Geliebte, Marianna Corticelli, benutzte. Sie sollte die Universalerbin werden, deren Vormund bis zum 13. Lebensjahr wiederum Casanova sein sollte. Am 25. Januar reiste Casanova, reich ausgestattet, nach Metz, um seine zukünftige Komplizin dort abzuholen. Er hatte d'Urfé noch nicht einmal dadurch von ihrem unbedingten Willen, ein Mann zu werden, abhalten können, indem er sie auf ihren Tod vorbereitete. Wieder fesselte ihn eine Frau, diesmal eine Dame der Oper. Sie ‚hieß Raton und war fünfzehn Jahre alt, das heißt, nach der Mode der Bühnenkünstlerinnen, die stets mindestens zwei oder drei Jahre unterschlagen – eine Schwäche übrigens, die allen Frauen gemeinsam ist, und die man ihnen wohl vergeben muss, da für sie Jugend der höchste Vorzug ist.‘ Sie erhielt für ihre Dienste einen Louis pro Tag.

Wieder verabschiedete sich Casanova, reiste nach Nancy. Doch die Mutter der Corticelli war mit seinem Vorhaben nicht einverstanden, widersetzte sich ihm. Später betrachtete Casanova diese Tatsache als letzten Versuch seines Guten Geistes, die nachfolgende Katastrophe zu verhindern. Doch Casanova setzte sich durch, bereitete ihre Tochter zwölf Tage lang vor. Sie wurden auf Schloss Pont-Carré erwartet.

Im April scheiterte der erste Versuch, die besagte Operation durchzuführen, wobei Casanova seiner Corticelli einen potentiellen Liebhaber vorenthielt, ihn fortschickte. Nun, so behauptete er, müsse außerhalb Frankreichs im Mai ein zweiter Versuch unternommen werden – dazu erwählte er Aachen. Dorthin fuhren zwei Kutschen über Brüssel und Lüttich. In Aachen geriet Casanova wieder in schlechte Gesellschaft: ‚Die schlechteste von allen aber war die eines jungen Offiziers d'Aché, der eine hübsche Frau und noch hübschere Tochter hatte. Diese Tochter bemächtigte sich bald des Platzes, den die Corticelli bereits nur noch sehr oberflächlich in meinem Herzen eingenommen hatte; sobald jedoch Frau von Aché bemerkte, dass ich ihre Tochter ihr vorzog, nahm sie meine Besuche nicht mehr an.‘ Wieder geriet er in einen Streit, der in ein Duell mündete, bei dem einer der Kontrahenten zu Tode kam. Zudem weigerte sich Corticelli, den Zeugungsakt durchzuführen, indem sie Krämpfe simulierte. Wieder musste d'Urfé vertröstet werden, die selbst in einem Orakel „herausfand“, dass die Corticelli verrückt geworden sei, ihr Geist sei in den Händen eines bösen Geistes. Man könne ihr also kein Wort glauben, folgerte sie. D'Urfé schrieb nun an den Mond (!), der ihr brieflich antwortete, sie könnten erst im nächsten Jahr, dann in Marseille, einen weiteren Versuch unternehmen. Wieder nutzte Casanova die Gelegenheit, sich auf ein Mädchen namens Mimi einzulassen, das die Rolle der Corticelli übernehmen konnte. Diese wurde Casanova durch ihre Art zu tanzen, die sie als berufsmäßige Tänzerin auszeichnete, gefährlich, denn ihre Rolle als seine Nichte und Angehörige der höheren Gesellschaft wurde damit unglaubwürdig.

Die Reisegruppe brach nach Paris auf, zunächst Richtung Lüttich. Er ‚überredete Frau von Urfé, den nächsten Tag noch dazubleiben, weil ich Pferde nehmen wollte, um auf dem Wege durch die Ardennen nach Luxemburg zu fahren; diesen Umweg machte ich absichtlich, um meine reizende Mimi länger besitzen zu können.‘ Über Metz reisten sie weiter nach Colmar, wo Frau d'Aché und ihre Tochter Mimi ihre Wohnung hatten, und wo sie zurückblieben. Trotz aller Bemühungen gelang es der Corticelli nicht mehr, Casanovas Gunst zurückzugewinnen. Auch die beiden Frauen aus Colmar verlor er, denn beide heirateten, weil sie nicht wussten, ob ihr Zusammensein mit Casanova folgenlos geblieben war (4, 17). Corticelli und ihre Mutter brachte er nach Genf, dann ließ er sie nach Turin befördern. Er selbst mied diesmal Voltaires Haus. Doch sein Böser Geist gab ihm ein, bald die falschen Leute einzuladen.

Er lernte die 22-jährige Helene kennen, in die er sich verliebte, sich aber zugleich mit seinen drei Freundinnen von früher vergnügte. In Genf lernte er von Helene: ‚wenn ein junges Mädchen geistvoll oder gebildet ist, so muss sie dies sorgfältig verbergen, wenigstens wenn sie die Absicht hat, sich zu verheiraten‘ (4, 18). Noch klüger war jedoch ihre Base Hedwig, eine überaus scharf denkende Theologin, was Casanova sehr anziehend fand. Doch nun erhielt er von seiner früheren Haushälterin, Frau Lebel, eine Einladung nach Lausanne. Sie kam mit einem 18-monatigen Kind, das Casanova als das seinige erkannte. Ihrem Mann gab Casanova eine Uhr mit seinem Porträt mit. 21 Jahre später sollten sich Vater und Sohn in Fontainebleau wiedersehen. Das Paar reiste heim nach Solothurn. Mit Hedwig und der sechs Jahre jüngeren Helene verbrachte er eine gemeinsame Nacht. Bei Helene konstatierte er: ‚vierzehnmal wechselte sie in der Zeit, die ich zu einer einzigen Operation brauchte, zwischen Leben und Tod.‘ Dann reiste er ab, um d'Urfé zu treffen. Schließlich besuchte er in Chambéry seine Nonne, die jedoch um ihre Pensionärin trauerte, die verheiratet worden war. Anfang Dezember kam Casanova schließlich wieder nach Turin (4, 18–19).

Dort glaubte man, er sei immer noch verliebt, forderte ihn dringend auf, sich angemessen zu verhalten. Doch Casanova war anderer Auffassung: ‚Ein bisschen Skandal war mir nicht unlieb, und ich wusste, dass die Leute darüber reden würden, und war neugierig, wie die Folgen sein würden‘ (4, 19). Er suchte – stets in Begleitung, wie es in Turin streng vorgeschrieben war – Corticelli auf, die inzwischen als Kupplerin berüchtigt war, dann auch Lia, die verheiratet und nach seiner Meinung zu dick geworden war. Auch sie versuchte er nicht wiederzusehen. Die Behörden achteten inzwischen streng darauf, dass Mädchen nicht mehr allein zu ihren männlichen Auftraggebern geschickt wurden, Frau R. hatte nur noch Raton und Victorine bei sich. Der Vikar hatte ein ‚schreckliches Spioniersystem‘ in der ganzen Stadt eingerichtet, wie Casanova klagt. In seinen Augen erzeugte solcher Zwang nur reizvolleren Ideenreichtum, diesen zu umgehen – zu Lasten der Moral und der Sitte. Daher verzichtete er für diesmal darauf, die sonst üblichen Vorstellungswege der städtischen Gesellschaft zu beschreiten, um weitgehend unbeobachtet zu bleiben. Dieweil lobte er die Küche des Piemont in den höchsten Tönen, auch dessen Weine. Er glaubte, die Piemontesinnen seien wegen dieser guten Lebensmittel und wegen der guten Luft besonders schön.

Casanova lernte beim Tanzunterricht eine junge, arme Witwe aus Lucca kennen, vor allem aber ihre Tochter Agata. Diese wollte aber nicht als ‚Lückenbüßerin‘ für die Corticelli fungieren. Nach einem von ihm organisierten Tanzfest, ließ er sich am nächsten Morgen nach einer Schokolade auf ihre Mutter ein, ohne zu verhehlen, dass er noch mehr ihre Tochter liebte. Die Corticelli wurde er endgültig los, als er sie in flagranti ertappte und seine Zahlungen an sie demonstrativ einstellte. Sechs Monate später traf er sie wieder in Paris; der Versuch, Casanova mit einer ‚langweiligen‘ Veröffentlichung, einem Heftchen, in Misskredit zu bringen, misslang. In diesem Zusammenhang notierte Casanova, die Rachsucht habe alle seine anderen Eigenschaften überragt (4, 19).

Agata wurde seine ‚anerkannte Geliebte‘, so dass die Behörden sich heraushielten. Doch der Engländer Lord Percy, vermögender Sohn der Herzogin von Northumberland, warb gleichfalls um sie. Er bot ihm im Tausch die ‚Tänzerin Redegonda‘ an, um die Casanova vergebens geworben hatte, dazu ein ‚Draufgeld‘, das Casanova von dem reichen Percy beliebig fordern können sollte. Überraschenderweise, jedoch wohl im Scherz, stimmte Agata zu. So traf man sich in Percys Haus zu viert. Doch nun tauchte wieder Corticelli als ‚Draufgeld‘ auf, so dass Casanova und Agata das Haus eilig wieder verließen. Casanova, der seine Unstetheit kannte, wurde ein Freund Percys, auch wollte er einem länger als mit ihm selbst anhaltenden Glück Agatas nicht im Wege stehen. Um sie zudem materiell abzusichern meinte er zu Percy: ‚… aber Sie müssen mir versprechen, Agata unter keinen Umständen zu verlassen, ohne ihr zweitausend Guineen zu schenken‘. Auch versprach er, sie im Falle seines Todes abzusichern (4, 20). Unter Tränen verabschiedete sich Casanova von Mutter und Tochter, um nach Mailand abzureisen.

Über Casale ging es nach Pavia, wo ihn sein Bediensteter Clairmont gegen den Angriff eines französischen Offiziers verteidigte, der ausgewiesen wurde. Casanovas Auffassung nach waren ‚alle guten französischen Bedienten … intelligent und treu, aber sie halten sich alle für klüger als ihre Herren, was sie oft genug auch sind; wenn sie ihrer Sache sicher sind, werden sie die Herren ihrer Herren, tyrannisieren diese und behandeln sie oftmals sogar auf eine verächtliche Art‘ (4, 20). Jene Mailänder Gräfin, die er sich in seiner Phantasie reizvoller vorgestellt hatte, enttäuschte ihn. Doch leicht wie immer verliebte er sich in ein Mädchen namens Zenobia, das allerdings einen unansehnlichen Schneider heiraten wollte. Dies tat die 22-Jährige jedoch nur, weil sie nicht länger warten wollte.

Er traf Teresa wieder, die seit sechs Monaten getrennt lebte. Casanova fragte sogleich nach Cesarino, war zunächst wieder verliebt wie vor 18 Jahren. Gegenüber der Gräfin verwahrte er sich gegen die Verachtung der unteren Stände, insbesondere durch Greppi, bei dem er 100.000 Francs hatte, außerdem galt er als Teresas Liebhaber – zu Unrecht. Und: ‚Armut hat mir stets Achtung eingeflößt‘ (4, 20). Doch erneut deutete Casanova an, dass ihn seine Liebeskraft zu verlassen begann.

Die Gräfin, deren Stolz er verachtete, brüskierte er, indem er sagte, er wolle nur eine Nacht mit ihr verbringen ‚um Sie zu demütigen und um Ihren unerträglichen, übelangebrachten Stolz zu ducken‘ (4, 21). Sie wiederum freute sich, als er beim Glücksspiel eine große Summe verlor. Er ließ ihr ein prächtiges Kleid zukommen, und lud sie auf die Hochzeit der schönen Zenobia ein, doch würde ‚die Gesellschaft nur aus braven Leuten der allerniedrigsten Klasse bestehen; ich würde auf keinen Fall dulden, daß sie gekränkt würden‘. Er selbst verbrachte einige Stunden mit Zenobia, wobei er nicht zum ersten Mal die Zahl ihrer Höhepunkte angab (‚Zenobia zum vierzehntenmal ihre Existenz verhauchte‘), nicht mehr die der gemeinsamen Stunden. Der Graf hatte die beiden mit Vergnügen durch einen Spalt beobachtet, wie er Casanova danach lachend eingestand. Infolgedessen war er bei der anmaßenden Gräfin, die nun, im Besitz des Kleides, bereit war, sich ihm hinzugeben, doch ‚der Besitz aller ihrer Reize war nicht imstande, das Werkzeug, ohne welches die Operation unmöglich war, in Tätigkeit zu setzen‘ (4, 21). Casanova, der wegen seiner schlechten Behandlung Gewissensbisse hatte, fand die Gräfin am nächsten Tag überaus freundlich. Beim Glücksspiel gewann er nach geraumer Zeit wieder, nämlich Gold im Wert von 2856 Zechinen, wie er präziser als sonst vermerkt. Noch am Abend der Zweckehe, die Zenobia eingegangen war, nutzten sie und Casanova die Gelegenheit während einer Kutschfahrt.

Zufällig traf er auf die Frau jenes Barbaro aus Venedig, mit dem er im Streit gelegen hatte. Dieser war völlig verarmt. Seine Frau behauptete zunächst, ihre Tochter wäre auch ein Kind Casanovas, doch wusste er, dass sie auf diese Art verhindern wollte, dass er das Mädchen berührte.

Barbaro verriet Casanova, wer die beiden Marchesine waren, denen Casanova auf einem Maskenball seine Tabaksdose mit der verfänglichen Darstellung gezeigt hatte. Doch besaßen sie einen Stolz, ‚der sie unter die niedrigsten Klassen erniedrigt, aber auf die Dummen, deren es überall so viele gibt, stets großen Eindruck macht‘ (4, 20). Da er zudem an sich selbst zu zweifeln begann, unterließ er den sonst zu erwartenden Versuch.

Er zog es vor, seinen Sohn Cesarino und Teresa zu besuchen. Er ‚fand den jungen Mann verständig, wohl unterrichtet und ausgezeichnet erzogen. Er war viel größer geworden, seitdem ich ihn zuletzt in Florenz gesehen hatte, und hatte sich geistig ebensosehr entwickelt wie körperlich. Cesarinos Gegenwart machte unser Abendessen ernst, aber angenehm. Schönheit und reine Jugend breitet einen unaussprechlichen Zauber über unser Leben aus; ihre Unschuld flößt Achtung und Zurückhaltung ein.‘ Er verspürte gar den Drang, Seemann zu werden und Handel zu treiben.

Die gehässige und abergläubische spanische Gräfin verabreichte sich und Casanova ein Rauchkraut, das Nasenbluten verursachte. Gemeinsam bluteten sie in eine Schale, der stark beunruhigte Casanova befragte vergeblich einen Apotheker, um welches Kraut es sich gehandelt haben könnte. Er sollte bald erfahren, wozu das vermischte Blut gebraucht wurde.

Rinaldis Tochter Irene holte er bald nach: 6 Stunden. Sie war eine begnadete Falschspielerin, die nur deshalb nicht zu Vermögen gekommen war, weil sie nur mit Bettlern zu tun hatte, so Casanova. Ihre Eltern verließen mit ihr die Stadt, sie musste mitziehen, wenn Casanova ihr auch versprach, sie wiederzusehen.

Überraschenderweise warnte ihn ein unbekannter, aber würdiger Kapuziner, und ‚ein Rest von Aberglauben, von welchem ich mich niemals gänzlich habe befreien können, hielt mich ab, auf die Stimme der Vernunft zu hören‘. So besuchte er eine ‚angebliche Hexe‘, wie er ja schon einmal in Paris die berühmte Bontems besucht hatte. Gegen Geld zeigte sie ihm ‚Phiolen von allen Größen, Steine von allen Farben, Metalle, Minerale, große und kleine Nägel, Zangen, Öfen, Kohlen, missgestaltete Statuen und tausend andere Sachen‘ (4, 21). In einer Flasche befand sich sein Blut mit demjenigen der spanischen Gräfin vermischt. Für einen Moment brach ihm der kalte Schweiß aus. Casanova glaubte dennoch nicht an ihren Hokuspokus, warf das Fläschchen aus dem Fenster und schmolz die Wachsfigur, die ihn grotesk aber erkennbar darstellte. Ihren Vorschlag, die Gräfin ‚rasend verliebt‘ zu machen, lehnte er ab. Er gab ihr den Rat, ‚ihr abscheuliches Gewerbe aufzugeben, das sie früher oder später auf den Scheiterhaufen führen müsse‘ (4, 20). Casanova schätzte sich glücklich, dass der Kapuziner ihm nicht vorenthalten hatte, was er nur aus der Ohrenbeichte hatte wissen können; außerdem freute er sich, dass die Gräfin an Hexen glaubte, denn sie hätte ja auch einen Mörder dingen können.

Schließlich lud Casanova zu einem Maskenball im Karneval (er dauerte in Mailand vier Tage länger als in anderen Orten), bei dem unter allen Umständen verhindert werden sollte, dass diejenigen, die er mit selbst an bestimmten Stellen durchlöcherten, sehr prachtvollen Kleidern ausstattete, erkannt würden. Sie sollten zwei Männer und drei Frauen in Lumpen spielen. Er selbst wollte als Pierrot gehen, um gleichfalls unerkannt zu bleiben. Dabei gewann er 2500 Zechinen, verriet sich aber nicht durch seine gewohnte Art zu spielen. Danach vergnügte er sich wieder mit Zenobia, wiewohl er ein Auge auf eine der von ihm Maskierten, die Marchesina Q. geworfen hatte. Mit dieser vergnügte er sich nach einem weiteren Maskenball bis zum Morgengrauen, dann, am nächsten Tag wieder fünf Stunden. Da am Rosenmontag kein Ball stattfand, spielte Casanova wieder, und er verlor sehr viel Geld. Noch unglücklicher war Croce, der allen Unglück brachte, und der aus Mailand verwiesen worden war. Daher konnte er nur, maskiert, zum Karneval dort bleiben – er ließ seine Geliebte zurück, die er nicht der Gefahr aussetzen wollte. ‚Am vierten Tage der Fastenzeit verabschiedete ich mich auf zwei Wochen von Teresa, Greppi, der zärtlichen Marchesa, und wir reisten ab‘ (4, 22). Es ging auf ein Landgut in Sant' Angelo, das weitgehend verfallen war.

Von den Mailändern meint Casanova, sie seien ,im allgemeinen gut, ehrlich, dienstbereit und gastfreundlich; die Offenheit ihres Charakters beschämt die Piemontesen und Genuesen, ihre beiden Nachbarn‘ (5, 1). Beim bescheidenen Gastmahl erwies sich, dass das Stillen in der Öffentlichkeit üblich war, dies ,sei das Vorrecht einer Mutter, die ihr Kind säugt‘ – die Mutter war 22, und Casanova fand den Anblick offenbar als ausgesprochen erotisch. Casanova, der darauf beharrte, ein Türschloss zu bekommen, war aber eher von einer der Schwestern, der 18-jährigen Clementina, beeindruckt, die allerdings beständig errötete. Sie zwang ihn, seine Vorstellung, dass Schüchternheit ein Anzeichen für Dummheit sei, zurückzunehmen. In einem Kloster besuchten sie die besonders schöne Maria Maddalena, die ursprünglich Teresa geheißen hatte. Sie war nur wegen ihrer Schönheit ins Kloster gesperrt worden, was Casanova zu Tränen rührte. Man glaubte sie sei wahnsinnig geworden – alles wegen der Tyrannei der österreichischen Kaiserin.

Über Clementina notierte Casanova: ‚niemals aber hatte bis dahin eine Schöne in so kurzer Zeit eine derartige Verheerung in meinem Innern angerichtet‘. In einem Nebenbuhler, einem Abbate, sah er ‚eine Wespe, die zerquetscht werden musste‘, er war eifersüchtig (‚das schrecklichste aller Gefühle‘), nahe an der Rachsucht. Doch war ihm Clementina schließlich dankbar, dass er ihren Geist glänzen ließ. Sie war frei vom ‚dumme[n] Stolz …, der Emporkömmlingen und eitlen Tröpfen eigen ist‘ (5, 1). Aber sie schätzte Casanova richtig ein, was ihn versteinert zurückließ: ‚Ich würde unglücklich werden, weil ich einen Unbeständigen lieben würde, und Sie, weil Sie Gewissensbisse empfinden und damit die Vernichtung meiner Ruhe teuer erkaufen würden!‘ Vor dem Hintergrund, dass man in der feinen Gesellschaft am besten gar keine Fragen stellte, auch nicht nach der Herkunft, auch keine Komplimente verteilte, und auch sonst viele Themen mied, waren seine Gespräche geradezu eine Unhöflichkeit: ‚In London gilt es für die allergrößte Unhöflichkeit, jemanden nach seiner Religion zu fragen; auch in Deutschland kann dies der Fall sein; denn ein Herrenhuter oder ein Wiedertäufer werden ungern sagen, wes Glaubens sie sind. Wenn dir also daran liegt, bei allen Leuten beliebt zu sein, so ist es das sicherste, keinen Menschen nach etwas zu fragen, nicht einmal ob er einen Louis wechseln kann‘ (5, 1). Clementina hingegen war … zum Entzücken, denn sie antwortete anmutig, geistreich und gewandt auf alle Fragen, die ich an sie richtete.‘ So konnten die beiden Anspielungen austauschen, während sie sich über mythologische Gestalten unterhielten. Sie besaß ‚nur etwa dreißig‘ Bücher, hatte beim inzwischen altersschwachen Sardini gelernt. Casanova fuhr heimlich nach Lodi. Diese Stadt kannte er nur wegen des berühmten, von dort stammenden ‚Parmesankäses‘, wie er ausdrücklich vermerkt: ‚Dieser vortreffliche Käse ist nämlich aus Lodi und nicht aus Parma‘. Zu dieser Zeit arbeitete er an einem ‚Käse-Lexikon‘, das ihn jedoch überforderte, wie er einräumte. In Lodi wollte er die seiner Ansicht nach fehlenden Bücher erwerben, von denen er etwa hundert seiner geliebten Frau schenkte. ‚Die Wonne über den Ausdruck von Dankbarkeit auf dem Antlitz einer angebeteten Frau hat etwas Erhabenes, Unbeschreibliches an sich. Wenn du dies nicht ebenso fühlst wie ich, mein lieber Leser, so beklage ich dich und bin der Meinung, du musst ein Geizhals oder ein Teufel und folglich nicht wert sein, geliebt zu werden.‘ Doch Clementina war der Auffassung, dass sie sich zwar liebten, aber dass sie ‚vernünftig‘ wären. Erst als er den Schwestern eröffnete, sie würden nach Mailand fahren, wo sie noch nie zuvor gewesen waren, genossen sie die Liebe für zwei Stunden, wie Casanova auch diesmal nicht zu vermerken vergisst. Sie lebten als Paar, doch trennten sie sich. ‚Ist es möglich, daß ein Mensch, der sein eigener Herr, der unabhängig ist wie der Adler in den Lüften, sich entschließen kann, ein solches Glück aufzugeben?‘ Als er seine Memoiren schrieb, verstand er diese Entscheidung selbst nicht mehr. ‚Tränen des Schmerzes wechselten unaufhörlich mit Tränen der Liebe, und ich erneuerte neunmal das Opfer‘: acht Stunden. Sie sahen sich nie wieder, aber Casanova ‚habe Clementina niemals vergessen können‘. Drei Jahre später heiratete sie, hatte zwei Söhne, doch nie beschrieb er die Trennung von einer Frau so lang und bewegend. Am 20. März 1763 verließ er Mailand Richtung Genua.

Rückreise nach Marseille (1763), der jüngste Bruder, Urfés Zeremoniell, Henriette, Lyon[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit sich führte er die Geliebte Croces, die er nach Marseille bringen wollte, und der er den Namen Crosin beilegte, um ihr Inkognito zu wahren. Er gab sie als seine Nichte aus; sie reisten über Tortona. Seine angebliche Nichte schien sich bereitwillig zu fügen, ‚aber in jenem Tone der Unterwürfigkeit, die alle Begierden tötet‘. Ihm fehlte das Gefühl, eine Frau verführt zu haben.

Als sie in Genua ankamen, wandte er sich an Marchese Grimaldi, um herauszufinden, wo Rosalie wohne, die sechs Monate nach seiner Abreise Petri geheiratet hatte, und die eine sechs Monate alte Tochter hatte. Sie war Casanova dankbar, doch sie meinte: ‚lass uns nicht den Frieden stören, den ich dir verdanke! Von morgen an wollen wir uns auch nicht mehr duzen‘ (5, 3). Immerhin war Veronika inzwischen ihre Kammerzofe. Casanova bedang sich aus, dass Annina ihrerseits die Kammerzofe seiner „Nichte“ sein sollte. Als letztere ihren Zukünftigen kennenlernte (Croce hatte sie längst vergessen) notierte Casanova: ‚Welche Wonne empfand ich darüber, dass ich mich gleichsam als Glücksstifter ansehen durfte, den das Schicksal diesem reizenden Mädchen zugeführt hatte, um sie vom Abgrund der Schande zurückzureißen, in welchen Armut und Verzweiflung sie zu stürzen drohten!‘ (5, 3). Sie wusste von Annina, dass Casanova ihr Liebhaber gewesen war, wie auch der ihrer Schwester.

Giuseppe Maria Mitelli (1634–1718): Anleitung zu einem dem Biribi verwandten Spiel, 1702

Casanova, der die höfische Gesellschaft liebte, spielte bei Signora Isolabella das zu dieser Zeit beliebte Glücksspiel Biribi mit. Er sprengte die Bank, doch sah er, dass nach dem Ende des Spiels sich die Damen langweilten, woraufhin Casanova selbst eine Bank eröffnete. Wenig später meldete sich Irena Rinaldi bei ihm, und er besuchte ihren Vater. Doch nachdem ihm dieser eröffnet hatte, Casanova habe mit einem der drei Biribanti unter einer Decke gesteckt, was ganz Genua zu glauben schien, und was ihm in Betrügerkreisen viel Ehre machte, verließ dieser entrüstet das Haus, stieß sogar Irena beiseite. Nach Rücksprache mit dem Marchese, der derselben Auffassung war, ärgerte er sich, dass er sich ärgerte, vor allem aber wohl, dass ‚man mir eine Heldentat zuschrieb, deren Verdienst ich nicht beanspruchen konnte.‘

Casanova lud wieder einmal zum Speisen, wobei die Damen sich nach ihren Möglichkeiten schmückten. Signora Isolabella und ihr unzertrennlicher Schatten, Marchese Grimaldi, kamen spät, wie es in der vornehmen Gesellschaft üblich ist.‘ Während des Essens erhielt er von seinem Haushälter Passano, dem er eine der Goldmünzen aus dem Spielgewinn geschenkt hatte, einen Brief der Polizei. An der Münze fehlten nämlich zehn Karat. Sie war also beschnitten worden, was in Genua mit dem Tode geahndet wurde. Es stellte sich heraus, dass sämtliche Münzen, die Casanova gewonnen hatte, beschnitten waren. Der Marchese sorgte dafür, dass sie eingeschmolzen und verkauft wurden. Der Verkauf des Goldes brachte 1300 Zechinen ein. Doch im nächsten Glücksspiel verlor Casanova gleich wieder 3000. Davon beglich er zwei Drittel in Form von Wechseln, die er jedoch, als er in England war, mangels Geldmitteln protestieren lassen musste. Passano, sein ‚bitterer Feind‘, rächte sich später, indem er dafür sorgte, dass Casanova in Barcelona in Schuldhaft kam. So hatte seine Spielsucht wieder einmal üble Folgen.

Casanova genoss wieder Annina, deren Kurzsichtigkeit es erlaubte, dass seine „Nichte“ ihn währenddessen liebkoste – er fasste sich in Geduld, auch diese für sich zu gewinnen. Doch bald musste er nach Marseille abreisen, wo ihn Frau d'Urfé erwartete.

Doch nun tauchte plötzlich aus Venedig sein jüngster, 29-jähriger Bruder Gaetano Alvise auf, dessen Namen Giacomo nicht einmal erwähnt. Dieser fiel ihm um den Hals. Doch in seinem jüngeren Bruder sah er seit jeher einen ‚verkommenen Menschen‘, der ihm ‚stets zuwider gewesen war. Ich hatte ihn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen, und er interessierte mich so wenig, daß ich mich nicht einmal in meinem Briefwechsel mit den Herren Bragadino, Dandolo und Barbaro nach ihm erkundigte‘ (5, 4). Als der Ältere den Jüngeren abwies, drohte dieser damit sich umzubringen, doch Giacomo antwortete nur: ‚Nur zu! Das wäre das beste, was du tun könntest. Aber du bist ja zu feige.‘ Er schäme sich, dass sein Bruder zu ihm gehöre. Dieser gestand ihm, dass er, obwohl Priester, mit einer Frau zusammen sein wolle, die er entführt habe. Die erste Frage, die diese Frau Casanova stellte, war: ‚Sind Sie der Bruder dieses Lügners, dieses Ungeheuers, das mich betrogen hat?‘ Der jüngere Bruder hatte ihr, unter dem Vorwand, dort könnten Priester nach dem Wechsel der Konfession heiraten, in Genf die Ehe versprochen. Marcolina, so hieß die junge Frau, sprach nur Venezianisch, während Annina nur Genuesisch sprach – die beiden konnten sich kaum verständigen. Marcolina lehnte es ab, eine ‚Konkubine‘ zu sein. Casanova behauptete diesmal, bereits verheiratet zu sein, was sie jedoch als Lüge erkannte. Indessen verbrachte Marcolina eine Nacht mit Casanovas angeblicher Nichte. Da er ‚bei ihren wollüstigen Tollheiten anwesend sein konnte, so hatte ich nichts dagegen einzuwenden‘, sie mit nach Paris zu nehmen. Seinen Bruder wollte er ebenfalls mitnehmen, um ihn bei irgendeinem Bischof unterzubringen, doch verbot er ihm, sein Haus zu betreten.

Als die kleine Reisegruppe vom Hafen abfuhr, ließ sie Annina unter Tränen zurück. Casanova versprach ihr, auf der Rückreise von England wieder nach Genua zu kommen. Seine „Nichte“ sollte nach Marseille fahren, um dort zu heiraten. Der Zwölfruderer hatte zwei Steinkanonen und 24 Gewehre an Bord, um sich gegebenenfalls gegen Korsaren wehren zu können. Um seinen Bruder nicht zu ärgern, unterließ er es, ein Liebesverhältnis zu erkennen zu geben. In San Remo sah er die Gauner aus Genua wieder, doch diesmal ließ Casanova die Münzen zuerst prüfen – und Marcolina gewann als einzige.

Marchesa Brignole‘, über deren Herabwürdigung durch ihren Mann, den Fürsten von Monaco, sich Casanova so sehr empörte, dass er den Hof und die Stadt sogleich wieder verließ

In Menton mussten sie wegen starker Winde wieder an Land gehen, außerdem waren alle mit Ausnahme Casanovas seekrank. Dort traf er jenen Fürsten von Monaco, dem er die unselige Bekanntschaft der Herzogin von Rufec zu verdanken hatte (und dessen Namen Casanova noch nicht einmal nennt). Inzwischen war er mit einer vermögenden ‚Marchesa Brignole‘ verheiratet, doch verfolgte Casanova mit Missbilligung den kalten Herzog, wie er in Gegenwart seiner Frau einer Zofe hinterherlief. So verließ er fast formlos den Hof, an dem er nicht willkommen war. Erst als der Fürst von den beiden Frauen in Casanovas Gefolge erfuhr, wurde er eingeladen, ja, der Fürst wollte sogar selbst zum Schiff kommen. Doch Casanova befahl den sofortigen Aufbruch nach Antibes (obwohl sein Bruder und sein Diener noch nicht an Bord waren), denn er tue was ihm gefalle. Seine „Nichte“, die während der ganzen Zeit befürchtet hatte, ihre Liebe würde nur als Dankbarkeit aufgefasst, gestand Casanova ihre Gefühle. Diesmal gab Casanova in seinem Werk ausnahmsweise nicht die Zahl der gemeinsam verbrachten Stunden an. Marcolina freute sich über das Glück der beiden und zog sich zurück (5, 4), zumal sie wusste, dass sie nicht Casanovas Nichte war (5, 5).

Da Casanova die Trennung von seiner „Nichte“ in Marseille vor Augen stand, wählte er möglichst kurze Tagesetappen, um noch einige Tage zu gewinnen. Für die Nacht in Fréjus gibt Casanova wieder die Dauer an, nämlich zwölf Stunden. Ebenso verhielt es sich in ‚Luc, Brignoles und Aubagne, wo ich die sechste und letzte Nacht des Glückes verbrachte‘ (5, 5). Bei einer Frau Audibert trennten sich schließlich ihre Wege, Marcolina weinte wegen der Trennung. Auch diese brachte Casanova unter, nämlich dort, wo er mit Rosalie ‚so glückliche Stunden‘ verbracht hatte. Ihr händigte er ihr Geld aus und rundete auf 1000 ‚Silberdukaten‘ auf. Er selbst bezog ein Zimmer in den Dreizehn Kantonen, unmittelbar neben den Räumen ‚der Frau Urfé‘. Kurzerhand erklärte er: ‚Ich war in mein Wüstlingsleben versunken und liebte ein Dasein, wie ich es führte; darum machte ich mir den Wahnsinn der Frau zunutze, die sich doch nur bemüht hätte, sich von einem anderen betrügen zu lassen, wenn ich sie nicht betrogen hätte; denn im Grunde betrog sie doch nur ihr eigener Geist, da für sie ihr Irrtum gleichbedeutend war mit ihrem Leben.‘ Er glaubte zu wissen, dass er keinem Menschen unrecht tue, wenn er sich ‚die Verrücktheit dieser sehr reichen Dame zunutze machte‘, und – so bekennt er – weil für ihn ‚der Vorteil außerordentlich groß war‘ (5, 5). Allein zur Weihung der Geschenke an die sieben Planeten brauchte Casanova eine Woche. Dann folgte eine Woche des Planetenkultus.

Er besuchte seine ‚Nichte‘ und Marcolina, die meinte, er ‚scheine nur darum die Welt zu bereisen, um unglückliche junge Mädchen glücklich zu machen, vorausgesetzt, daß ich sie hübsch fände‘ (5, 5). Er betonte, sich an ihrem Appetit zu erfreuen, wie immer bei Frauen, und das Essen in der Provence und besonders in Marseille sei ganz ausgezeichnet, ‚abgesehen vom Geflügel, das nichts taugt; allerdings muß man einen Geschmack für Knoblauch haben, denn dieses Gewürz wird an alles getan‘. Maßvoll angewandt sei es ein ‚Reizmittel sondergleichen‘. Doch bald beschwerte sich Marcolina über Casanovas Bruder, der ihr nachstelle und unverschämte Bemerkungen gemacht habe. Casanova zwang ihn, per ‚Schnellpost‘ nach Paris abzureisen. Da er vorhatte, sich mit Urfé zu vereinigen, sich seiner Potenz aber nicht sicher war, da sie ihn nicht anzog, sah er Marcolinas Anwesenheit bei der Zeremonie vor. Diese, in die er sich immer mehr verliebte, war ‚ganz und gar von Wollust durchdrungen‘, was ihm ungemein gefiel. Sie sollte als Stumme beim Bad mit d'Urfé anwesend sein, auch wenn dies beiden unangenehm war.

Passano, der sich von dem Betrug an Urfé einen großen Verdienst erhoffte, wurde von Casanova in dieser Hinsicht enttäuscht. So griff er zum Mittel einer brieflichen Denunziation. Doch die Marquise glaubte dem Briefschreiber kein Wort. Passano wurde zu dieser Zeit mittels Quecksilber wegen einer Geschlechtskrankheit behandelt. Casanova bot ihm, den er sofort entließ, an, entweder ins Hospital zu gehen, wo er als Pestkranker ausgewiesen werden würde, oder nach Lyon abzureisen, wo er ihm 100 Louis zusagte. Ausdrücklich duzte er Passano dabei, den er sonst immer gesiezt hatte. Damit wurde er jedenfalls seine beiden lästigen Begleiter los.

Inzwischen hatte Casanova die Kisten mit den wertvollen Opfergaben der Frau Urfé gegen solche ausgetauscht, in denen sich nur Blei befand. Diese wurden am Meer „geopfert“, während sich die ursprünglichen Kisten bereits in seinem Zimmer befanden. Die Nacht vor der Vereinigung verbrachte er mit Marcolina, jedoch vollkommen enthaltsam, um seine Kräfte aufzusparen. Diese überreichte der Marquise einen Brief, der ihr Schweigen erklärte. Tatsächlich gelang die erste Vereinigung mit der 70-Jährigen. Doch beim zweiten Mal musste er, zumal sein schlechtes Gewissen sich meldete, bereits einen Höhepunkt vortäuschen: ‚so erheuchelte ich denn alle jene Zuckungen, zu denen sonst wirkliche Wollust zwingt‘. Auch beim dritten Mal erging es ihm so, obwohl sich Marcolina als ‚vollendete Lesbierin‘ erwies. Urfé beschenkte die junge Frau dafür mit ihrem prachtvollen Halsband. Casanova versprach der Marquise, sie ‚werde zu Anfang des Monats Februar mit ihrem anderen Ich niederkommen, das dem Geschlecht des Erzeugers angehören werde‘. Am nächsten Tag bat sie ihn, sie zu heiraten, um Erziehung und Vermögen des zu erwartenden Sohnes zu sichern.

Mit Marcolina, in die sich sogar die Marquise verliebt hatte, verbrachte er zuvor ‚eine der köstlichsten Nächte, die ich nur mit den Liebesnächten vergleichen kann, die ich in Parma mit Henriette und auf Murano mit meiner unvergleichlichen Nonne verlebt hatte. Wir blieben vierzehn Stunden im Bett‘ (5, 5). Casanova griff hier erstmals zu einem unmittelbaren Vergleich mit anderen Geliebten.

Als die beiden später ins Theater gingen, traf Casanova wieder auf die Schwestern Rangoni. Babet Rangoni ‚war zwar nur die Tochter eines Marseiller Kaufmanns, des römischen Konsuls, aber sie verdiente, Fürstin zu werden‘. Dort konstatierte er: ‚Ihr sehr eitler Gatte ist entzückt, daß die Leser dieser Almanache seine Gemahlin für eine Angehörige des erlauchten Hauses Medini halten. Dies ist eine unschuldige Eitelkeit, die der Welt weder nutzt noch schadet. Dieselben Almanache machen aus Medini den Namen Medici, was ebenso unschuldig ist. Diese Lügen haben ihren Ursprung in dem dummen Stolz des Adels, der sich allen Ernstes einbildet, von einer höheren Natur als die übrigen Menschen zu sein, weil er im Besitz von Namen und Würden ist, die nur zu oft durch niedrige Handlungen erworben wurden. Man muß ihm das hingehen lassen, weil die Dinge dieser Welt doch nur den Wert haben, den man ihnen beimißt, und weil man doch den stolzesten Adel sofort seines Glanzes entkleiden kann, wenn man ihn so sieht, wie er ist‘ (5, 5).

Fürst Gonzaga Solferino, verarmt, war dennoch von hoher Bildung und literarischen Kenntnissen. Casanova stellte nun Marcolina als seine ‚Nichte‘ vor; materiell sicherte er sie umfassend ab. Seine „andere Nichte“ brachte er zu ihrem Vater, wo bald ihr zukünftiger Ehemann erschien, ebenso wie Marcolina. Er empfand ‚diesen Augenblick als einen der schönsten meines Lebens. Mein Geist war sozusagen vollständig von jener Ruhe durchdrungen, die das Gefühl einer guten Handlung verleiht. Ich sah in mir den Verfasser einer Komödie, deren Ausgang so außerordentlich glücklich war.‘ Doch gelang ihm noch mehr, denn: ‚Ich bin, meinem Charakter entsprechend, stets sehr eifersüchtig auf meine Geliebten gewesen, wenn ich aber voraussehen konnte, daß sie durch einen Nebenbuhler eine vorteilhafte Lebensstellung erhalten würden, machte meine Eifersucht einem edleren Gefühle Platz.‘ So wollte er es auch Marcolina ermöglichen, einen Mann zu gewinnen, einen Weinhändler. Doch diese lehnte empört ab, und der Aspirant zog sich bald zurück. Marcolina wollte nur nach Venedig zurückkehren, wenn Casanova ihr dies befehlen würde.

Auf dem Weg nach Lyon zwang sie ein Achsbruch, eine Einladung anzunehmen, um die Reparatur abzuwarten. Der Gastgeber fragte Casanova, ob Marcolina seine Tochter sei, was er nicht ernst nahm, ‚denn obgleich ich zwanzig Jahre älter war als sie, gab man mir doch ganz allgemein zehn Jahre weniger, als ich in Wirklichkeit zählte‘ (5, 6). Casanova wurde (seiner Meinung nach) wohl auf Ende 20 geschätzt, statt Ende 30. Nachdem Marcolina die Nacht mit der 33-jährigen ‚Gräfin‘ verbracht hatte, wurde Casanova und seine Begleitung aus dem Haus komplimentiert, wie er glaubte. Doch schämte sich die Frau offenbar nur, seine Geliebte zur Untreue verführt zu haben. Nicht zum ersten Mal bat diese Casanova, sie nach London mitzunehmen, einer Stadt von einer ‚Million Einwohner‘ (5, 6), zumal dort ihr Bruder mütterlicherseits, Mattio Bosi, lebe. Der wiederum sei der Kammerdiener von ‚Monsignore Querini, der mit dem Prokurator Morosini von der venetianischen Regierung nach London geschickt worden‘ sei. Diese Glückwunsch-Gesandtschaft werde passend im Juli nach Venedig zurückreisen. Casanova sagte der Plan zu, sie reisten weiter nach Avignon.

Dort durfte sie, nach Anweisung der „Gräfin“, ihm einen Brief übergeben, in dem einzig und allein das Wort „Henriette“ stand. Der Name seiner großen Liebe, die er vor 16 Jahren zuletzt gesehen hatte. Casanova war eine Viertelstunde wie betäubt, wie er berichtet. Bei dieser Gelegenheit räumte Casanova den Grund für seine Englandreise ein: ‚Ich gehe nach England, weil ich versuchen will, meine Tochter aus den Händen ihrer Mutter zu befreien‘ (5, 6).

Auch traf er dort Irene wieder, in die sich Marcolina sogleich verliebte. Wieder einmal schaute er zwei Frauen zu, doch zogen die beiden ihn mit ins Spiel. Die Rinaldi, ihre Eltern, die ohne Geld waren, löste er bei ihrem Wirt aus. Casanova und Irene sollten sich erst zehn Jahre später wiedersehen. Marcolina gestand Casanova freimütig, dass sie schon als 7-Jährige Frauen liebte, und dass sie schon 400 Freundinnen gehabt habe – diesen ‚Geschmack‘ habe sie ‚Von der Natur‘ –; ihren ersten Freund hatte sie mit 11. Ihr erster Mann war ihr Beichtvater Molini vom Kloster San Zanipolo – was Casanova unkommentiert lässt.

Urfé sollte ihre Mannwerdung in Paris erwarten, alle Maßnahmen wurden getroffen, die angeblich verhindern sollten, dass sie, bzw. er in Armut leben würde. Casanova würde nach London gehen, ihr einen Edelmann aus England zur Ehe schicken; das Orakel befahl ihr, in drei Tagen abzureisen. Den kleinen Aranda, der ihn gleichfalls versuchte zu verraten, wollte er zu seiner Mutter nach London bringen. Allerdings glaubte Passano, Casanova habe ihn vergiften lassen. Er behauptete, Casanova sei ‚Hexenmeister, Zauberer, Fälscher, Dieb, Spion, Münzenbeschneider, Giftmischer‘ (5, 6). Obwohl ihm ein Herr Bono, sein Bankier, riet, Lyon zu verlassen, ließ sich Casanova von ihm einen Anwalt empfehlen, doch vertrat dieser bereits Passano. Genauso wie der erste Anwalt, so lehnte auch der zweite, der nun Casanova vertreten wollte, den Geldbetrag ab, der ihm zurückgelassen worden war – was Casanova dazu veranlasste zu schreiben: ‚nirgends habe ich so redliche Anwälte gefunden wie in Frankreich‘ (5, 6). Währenddessen fühlte Frau Urfé schon die Symptome der Schwangerschaft. Doch zum ersten Mal notiert Casanova, er habe schlecht geschlafen. Einige Tage später bot Passano an, gegen 100 Louis die Stadt zu verlassen, die ihm Bono hinter dem Rücken Casanovas gab. Diesem gestand er später, dass er ihm einen Freundschaftsdienst erweisen wollte, indem er einen unabsehbaren Skandal vermeiden geholfen habe. Casanova war sehr erleichtert (5, 6).

Doch bald hatte er ein Vorgefühl, dass er sich bald von Marcolina, seine ‚schöne Venetianerin‘ würde trennen müssen. Tatsächlich sah er die Venezianer aus London, ‚Herrn Querini, den Prokurator Morosini, Herrn Memmo und den Professor an der Universität Padua, Grafen Stratico‘ in der Theaterloge. Während die beiden Adligen Casanova höflich begrüßten, der ihnen seine Aufwartung machte, war ‚Memmo … sichtlich aufgeregt, denn er erinnerte sich wohl, welchen Anteil seine Mutter an der Verschwörung gehabt hatte, die mich acht Jahre vorher unter die Bleidächer gebracht hatte‘ (5, 7). Als Casanova der 17-jährigen Marcolina mitteilte, mit wem er gesprochen hatte, erkannte sie sofort die Folgen für sie. Sie nutzte bald die Gelegenheit dem Querini die Hand zu küssen. Casanova riet ihr, gegen die Herren gleichermaßen freundlich zu sein, ihren Onkel Mattio hingegen, der auftragen würde, nicht zu beachten. Casanova wiederum erbot sich, für Morosini ein Päckchen für Lady Harrington nach London mitzunehmen. Außerdem sollte ein kurzer Brief an ‚Fräulein Charpillon‘ gehen. Marcolina riet Casanova, sich unter Querinis Schutz zu stellen und nur unter dieser Bedingung nach Venedig zurückkehren zu wollen. Er selbst wollte ‚in den Augen meiner stolzen aristokratischen Landsleute glänzen‘, wie er schrieb (5, 7). Seine prächtige Kleidung stellte einen Wert von 150.000 Francs dar. Er fand das Gepränge ‚kindisch‘, doch: ‚die tyrannischen Oberen, die mich gezwungen hatten, meine Heimat ohne andere Mittel als meinen Geist zu verlassen, sollten wissen, daß ich davon so guten Gebrauch gemacht hatte, um sie auslachen zu können.‘ Außerdem sollte dies Bragadin wissen, sein alter Gönner. Marcolina beherrschte die Regeln der Konversation, Casanova erzählte zwei Stunden lang von seiner Flucht aus den Bleikammern. Ihre gefühlvolle Reaktion darauf verriet, dass sie nicht seine Nichte war, aber es gelang ihr, den frommen, alten Querini für sie einzunehmen. Casanova vermerkte: ‚Das junge Mädchen war dazu geboren, eine Rolle zu spielen, sei es auf einer Bühne, sei es auf einem Throne – was so ziemlich auf das Gleiche hinauskommt.‘ Bald fragte Querini ihn aus, Casanova räumte ein, dass sie nicht seine Nichte sein, dass sie seit zwei Monaten ihm folge, Querini wusste inzwischen, dass sie die Nichte seines Kammerdieners war. Nun musste Marcolina nur noch dem Ansinnen Querinis zustimmen und beim Anblick ihres Onkels die Überraschte spielen. Doch: ‚Auf Marcolinas Zügen lag eine unbeschreibliche Mischung von Trauer und von jenem Glücksgefühl, das in einer schönen Seele die Erinnerung an das Vaterland hervorruft.‘ Querini, der um seinen Ruf fürchtete, sich jedoch auch ein wenig verliebte, stellte die Bedingung, dass Marcolina bei seiner Haushälterin schlafen würde. Als Casanova ihr seine Kutsche schenkte, musste er sich vor Rührung abwenden. Ihr Wert belief sich auf ‚tausend Dukaten … dies sind dreitausend Franken; denn der venetianische Dukaten gilt nur den vierten Teil des holländischen‘. Casanova meinte sogar, sie sei 3000 wert.

Morosini erklärte sich bereit, Casanova ein Empfehlungsschreiben für ‚Minister Lord Egremont‘ mitzugeben, ebenso für den ‚Residenten der Republik Venedig, Herrn Zuccata‘. Dies konnte er tun, da ihm die Inquisitoren nie den Grund für Casanovas Verhaftung mitgeteilt hatten. Casanova schrieb, danach: ‚warf ich mich auf mein Bett und überließ mich meinen Tränen, wie wenn man mir ein Gut entrissen hätte, das ich nicht imstande gewesen wäre zu verteidigen‘. Vielleicht ‚war es auch Furcht vor einer Verpflichtung, die mich hätte binden können‘, die ihn dazu veranlasste, sein Wort nicht zurückzunehmen, und ‚schließlich war es wohl auch die Heuchelei eines Günstlings, der unwillkürlich und aller Überlegung zum Trotz mehr nach Veränderung als nach neuen Genüssen strebte‘ (5, 7). Alle Wertsachen, die Marcolina veräußern könne, dazu ein Wechsel über 5000 Dukaten, würden es ihr gestatten von 10.000 Dukaten in Ehren zu leben. Sie verbrachten eine letzte Nacht: ‚Unaufhörlich fragte sie mich immer wieder, wie ich mir mein eigenes Glück zerstören könnte, und sie hatte recht; denn ich begriff dies ebensowenig wie sie.‘ Casanova fühlte sich, wie er erklärte, von einer Kraft angetrieben, der er absichtlich keinen Widerstand entgegensetzte, die er aber nicht verstand. Nie beschrieb er so ausführlich die gemeinsame Traurigkeit – erst elf Jahre später sollten sie sich wiedersehen.

Erst nach drei Tagen überwand er seine Trauer und beschaffte sich eine zweirädrige Kutsche. Doch nun baten eine Adele und ihr Vater Moreau ihn, sie mitzunehmen, wozu er sich nach langem Bitten auch bereiterklärte. Er übernahm sogar alle Kosten mit der Begründung: ‚Sie haben mir gesagt. Sie seien arm; das ist keine Schande. Und so will ich Ihnen sagen, daß ich reich bin; Reichtum aber ist nur dann ein Verdienst, wenn man ihn benutzt, um Gutes zu tun‘ (5, 7). Die drei wollten Richtung Nevers aufbrechen, doch der Mann, der die Lampen für die Nachtfahrt kontrolliert hatte, hatte sie beschädigt, um sich auf diese Weise ein Zuverdienst zu ergaunern. Casanova vertrieb ihn mit der Pistole in der Hand und mit Tritten – wobei der Wirt und die anderen Gäste ihm beipflichteten. Ein herbeigeholter Laternenmacher lachte über die ‚Spitzbüberei‘ seines Kollegen. Casanova ließ den Betrüger ins Gefängnis bringen, war aber so in Rage geraten, dass er sich bei Adele entschuldigen musste. Auf Bitten der Mutter und der Familie des Betrügers sorgte er für dessen Wiederfreilassung. Auf dem Einsitzer saßen er und Adele gezwungenermaßen recht eng, und, weil Frauen mit Hosen ihm ‚immer ein Greuel [waren], besonders aber mit schwarzen Hosen‘, weil dies ihn an seine Trauer erinnerte, wechselte sie ihre Unterwäsche. In Moulin fielen ‚Eine Menge Weiber … über uns her und boten uns Schnitzwaren an‘. Casanova ließ Adele Zeit, und erst nach Tagen bot sich Gelegenheit. Wie immer bei „Jungfrauen“ berichtet, die ‚Kleine‘ half ‚mit aller Glut …, um das Werk zu erleichtern, so war doch der erste Angriff so mühevoll wie eine von den Arbeiten des Herkules‘, um dann zu schreiben, dass ‚nach drei aufeinanderfolgenden Kämpfen das Schlachtfeld ganz von Blut überströmt war‘. Erst in Nevers stieß der Vater wieder zu ihnen, da er sich Geld beschafft hatte. Wieder wollten Frauen ihnen ‚allerlei Tand verkaufen‘. Schließlich kamen sie nach ‚Fontainebleau, wo ich meine schöne Adele zum letztenmal besaß‘ (5, 7). Sein Versprechen, sie auf der Rückreise von England zu besuchen konnte er nicht einhalten.

Paris, Reise Richtung London[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Paris besuchte er gleich zum Mittagessen ‚Frau von Urfé‘ (5, 8), die wichtigste seiner Gönnerinnen. Beim Besuch des Balletts entdeckte er zu seiner Überraschung Corticelli, er traf auch Balletti, der Pensionär war, besuchte seinen Bruder, genannt Checco, und dessen Frau, die im Begriff standen, den jüngsten Bruder hinauszuwerfen. Sie hatten sich dafür eingesetzt, dass er eine Stellung als Priester bekomme, doch war diesem der Lohn zu gering, und außerdem wollte er niemandem dienen. Darüber hinaus hatte er das Küchenpersonal belästigt, einige hatten deshalb gekündigt. Auch Casanova war wütend auf ihn, denn er sah in ihm einen Verräter: ‚Ich besitze den Brief, den du an Passano geschrieben hast, und wonach ich ein Betrüger, ein Spion, ein Dukatenbeschneider, ein Giftmischer bin.‘ Dennoch bot er ihm an, für seine Reise nach Rom die Kosten zu übernehmen, nämlich als Anweisungen zu je 5 Louis in Lyon, Turin, Genua, Florenz und Rom, wenn er nur verschwände. Wenige Tage später sollte sein Diener Clairmont den Bruder hinauswerfen und ihn nie wieder in sein Haus lassen. Casanova rächte sich so an seinem Bruder, den er sogar gern am Galgen gesehen hätte, denn die Rachsucht war stets seine ‚höchste Leidenschaft‘ – so rechtfertigte er ausdrücklich gegenüber den Lesern sein Verhalten, das diese als ‚barbarisch‘ hätten ansehen können. Die Brüder sahen sich erst sechs Jahre später wieder, in Rom.

Auch seine zweite Gönnerin, Frau Rumain, besuchte er, doch beklagte sich diese nun, dass seine Prophezeiung, ihr Mann sollte doch schon vor einem halben Jahr gestorben sein, nicht eingetreten sei. Doch viel mehr bedrängte sie, dass sie nicht mehr singen konnte, da sie seit drei Monaten ihre Stimme verloren hatte: ‚Man hat mich mit Arzneien vollgestopft, die alle nichts genützt haben‘ (5, 8). Casanova sollte das Orakel nach einem Heilmittel fragen. Heilerisch erfahren, wie er war, verordnete er ihr einen ‚Sonnenkultus‘, der sie dazu veranlassen musste, einem gesünderen Lebenswandel zu folgen. So ging sie früh schlafen, um vor Sonnenaufgang mindestens sieben Stunden geschlafen zu haben, bevor sie einen ‚Kultus‘ ausüben konnte, sie sollte wenig Kaffee trinken. In London erreichte ihn ein Dankesbrief für ihre Heilung. Sie ‚vollzog den Kultus mit der ganzen Würde einer antiken Baalspriesterin‘. Ansonsten hatte sie die übliche Not, die Zeit bis zum Mittagessen auszufüllen. Zwei Uhr ‚war damals die Essensstunde der vornehmen Welt‘.

Bei Urfé fand Casanova einen Brief Teresa Imers, die ihren Sohn abholen wollte. Doch Casanova fand ihre Art ‚unverschämt‘. Aranda sollte also, gekleidet als ‚Kabinettskurier‘, nach Abbeville reisen. Seine eigene Reise nach London bereitete er ebenfalls vor, während Aranda noch glaubte, bald nach Paris zurückzukehren. ‚Ich wurde von allen verraten, deren ich mich bei meinem Zauberschwindel mit der Frau von Urfé bediente, nur von Marcolina nicht, und alle, mit Ausnahme der schönen und geistreichen Venetianerin, sind im Unglück gestorben. Der Leser wird später Passano und Costa wiederfinden.‘ Sie verabschiedeten sich mit großer Herzenswärme, während Casanova glaubte, sie nie wiederzusehen.

Die Corticelli, die durch ihren ‚verruchten‘ Lebenswandel ins Unglück geraten war, beklagte sich über Casanova, der einsah, dass er die Ursache für ihr Unglück war. Zunächst gab er ihr Geld für ihre Gesundung. Er schickte sie inkognito für sechs Wochen zu einem Arzt. Danach sollte sie nach Bologna zurückkehren. Doch sie starb während ihrer Kur.

Seine Schwägerin beklagte sich, dass sie immer noch Jungfrau sei, nach zehn Jahren Ehe. Doch fürchtete sie den Skandal, wenn sie die auf diese Art ungültige Ehe lösen würde.

Mit Aranda fuhr er nach Abbeville, doch der Junge versuchte heimlich, nach Paris zurückzukehren. Casanova ließ ihn einfangen, und die beiden fuhren nach Calais, wo sein Koffer längst wartete. Dort gab er ‚Aranda‘ seinen bescheidenen Namen ‚Trenti‘ zurück (5, 9). Mit dem Kurier des Herzogs von Bedford, des englischen Botschafters, einigte er sich darauf, dass ihm das gemietete Schiff zur Verfügung stehe. Nach zweieinhalb Stunden hatten sie ‚den Kanal‘ überquert.

London (Juni 1763 – März 1764) – seine Kinder, Pauline, Marie Charpillon, fünf Schwestern, Flucht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Juni 1763 erreichte er England. Die Durchsuchung durch den Zoll empfand er als ‚kleinlich, schikanös, indiskret, ja sogar unverschämt‘. ‚Der Engländer beschränkt sich auf die Rechte, die die Gesetze ihm zuweisen, und erlaubt sich nur, was die Gesetze nicht verbieten; dies macht ihn schroff, schwer zu behandeln und grob.‘ Ganz im Gegensatz zu den französischen Beamten, wie Casanova konstatierte. Zudem: ‚Nichts ist in England wie im übrigen Europa: die Erde selber hat eine andere Färbung, und das Wasser der Themse hat einen Geschmack, den man bei keinem anderen Flusse trifft.‘ Darüber hinaus fiel Casanova die ‚allgemeine Sauberkeit‘ auf, dann ‚die Schönheit der Landschaft, die Sorgfalt der Landbestellung, die kräftige Nahrung, die schönen Straßen und Postwagen, die Gerechtigkeit der Fahrpreise, die Leichtigkeit, wie diese mit einem Stück Papier bezahlt werden konnten, die Schnelligkeit ihrer Wagenpferde, obgleich diese stets nur trabten, und endlich die eigentümliche Anlage ihrer Städte, die auf dem Weg von Dover nach London liegen, wie zum Beispiel die sehr volkreichen Städte Canterbury und Rochester, die man mit großen Därmen vergleichen könnte, denn sie sind außerordentlich lang und haben fast gar keine Breite‘ (5, 9).

Thomas Bowles III (1712?–1767): A View of St. James's Palace, Pall-Mall, etc. / Vüe du Palais Royal d St. Jacques, Pall-Mall etc, publiziert 1763

‚Gegen Abend kamen wir in London an und stiegen bei Madame Cornelis ab. Diesen Namen hatte Teresa angenommen; sie war zuerst mit dem Schauspieler Imer und hierauf mit dem Tänzer Pompeati verheiratet gewesen, der sich in Wien das Leben nahm, indem er sich mit einem Rasiermesser den Bauch aufschlitzte.‘ In London trug sie den Namen ‚ihres Liebhabers Cornelius Rigerboos‘, den sie ruiniert hatte. Sie wohnte ‚am Soho-Quare, dem venetianischen Geschäftsträger gegenüber‘. Sie hatte 33 Bediente, doch auch Casanova wurde wie ein ‚Subalterner‘ behandelt. Doch hatte er seinen Zorn diesmal im Griff.

Durch Zufall geriet er ins ‚Café d'Orange‘, das verrufenste in London. Dort, unter Italienern, lernte er den Schriftsteller (Vincenzo) Martinelli (1702–1785) kennen, dem er gleich vier Ausgaben seiner Decamerone-Übersetzung abkaufte, die noch unfertig war.[20] Dieser vermittelte ihm sofort ein Wohnhaus in Pall-Mall, womit er bereits nach zwei Stunden eine ihm angemessen erscheinende Unterkunft besaß.

Imer-Cornelis behandelte ihn gleichgültig, erzählte nur von sich und ihren gewaltigen Festen, die sie dem Adel gab (der in drei Wochen, wie üblich, aufs Land ziehen würde), von ihren Schulden, ihrem Prozess um das Eigentum an ihrem Haus. Die Tochter enthielt sie ihm tagelang vor, mokierte sich über die Unerzogenheit des Sohnes (für den Casanova ja verantwortlich gewesen war). Nur bei dieser Gelegenheit ließ er seinem Sohn gegenüber durchblicken, dass jener auf keinen Fall nach Paris zurückkehren könne, denn er werde dort kein Haus mehr haben. Vom venezianischen Geschäftsträger, einem Zuccata, wurde er so kalt abgefertigt, dass Casanova ihn nie wieder aufsuchte: ‚Es war von seiner Seite aristokratischer Hochmut‘. Dann übergab er Lord Egremont auftragsgemäß den Brief, der jedoch wenige Tage später starb. So nutzten ihm beide Empfehlungsschreiben Morosinis nichts.

Der englische König und die Königin im Krönungsornat

Im Gegensatz dazu brachte er den Brief des ‚Marquis de Chauvelin zum französischen Botschafter, dem Grafen Guerchy‘, der ihn freundlich empfing. Guerchy bot sich an, Casanova bei Hof vorzustellen. An dessen Tafel lernte er den ‚Gesandtschaftssekretär Chevalier d'Eon‘ kennen. Dieser ‚war eine schöne Frau, die vor ihrem Eintritt in den diplomatischen Dienst Advokat und Dragonerrittmeister gewesen war‘. Sie diente Ludwig XV. ‚als tapferer Soldat und als geschickter Unterhändler‘ (5, 9). Trotz seiner fehlenden Sprachkenntnisse besuchte er Theater, Bankiers, bei denen er ein Vermögen von 300.000 Francs deponiert hatte, Badehäuser, die Börse. ‚Ein Kaufmann, an den ich mich gewandt hatte, verschaffte mir einen Neger, der englisch, französisch und italienisch sprach‘ – er hieß Jarbe – sowie ‚einen französisch sprechenden, sehr guten englischen Koch, der mit seiner ganzen Familie in meine Dienste trat‘. Der Gesandte stellte ihn schließlich König Georg III. vor; er parlierte mit der Königin, doch die Gelegenheit einer Rache an Zaccata, der gleichfalls zugegen war, musste er auslassen.

Er ließ sich am nächsten Tag zur Mutter seiner Kinder tragen, denn: ‚Ein Herr in Hoftracht kann es nicht wagen, zu Fuß sich in den Straßen von London sehen zu lassen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, von gemeinem Pack mit Kot beworfen zu werden‘. Sein ‚Herz zog sich schmerzlich zusammen‘, als Sophie (1753/54–1823) eintrat, sie sich jedoch vor seiner Umarmung zurückzog, eine Verbeugung machte und artig vorgefertigte Sätze gebrauchte. Die Mutter redete Englisch in seiner Gegenwart, obwohl alle Anwesenden Französisch verstanden. Er rief ein ‚scherzhaftes Gespräch über meine Beobachtungen englischer Gebräuche herbei, doch vermied ich sorgfältig jede Kritik, da eine solche stets den Nationalstolz verletzt, wenn ein Ausländer sie übt‘. Dann wandte er sich seiner Tochter zu, die bald froh war, sich keinen Zwang mehr auferlegen zu müssen, nämlich den, ihn nicht anzusehen: ‚Meine kleine Sophie war überglücklich, daß sie sich keinen Zwang mehr anzutun brauchte, und sah mich unaufhörlich mit einem Ausdruck kindlicher Zärtlichkeit an, der mich entzückte.‘ Sie spielte Klavier und Gitarre. Vater und Tochter waren sich sehr zugetan, wobei nun die Tochter auch die Erlaubnis der Mutter erhielt.

‚Sonst darf in ganz England am Sonntag niemand zu spielen oder Musik zu machen wagen. Die zahlreichen Spione, die sich in den Straßen der Hauptstadt herumtreiben, horchen auf jedes Geräusch, das aus den Gesellschaftszimmern der Häuser dringt‘, jedoch im Hofbezirk war dies sehr wohl gestattet. ‚Dafür kann aber der Engländer ungestraft den Tag Gottes in den Schenken feiern oder in den Freudenhäusern, von denen die Stadt wimmelt.‘ So besuchte Casanova Lady Harrington, die 40 Jahre zählte und ‚noch schön‘ war, und die ihn bei der Königin gesehen hatte. Sie hatte vier erwachsene Töchter. Er solle mit seinem einjährigen Besuch in London damit beginnen ‚am Donnerstag den ganzen Adel bei Madame Cornelis am Soho-Square zu sehen‘. Sie verkaufte ihm ihre Eintrittskarte. Nun hatte seinerzeit Lord Percy ihm ein Porträt seiner Mutter gegeben, und er habe ihm gesagt, es könne als Empfehlungsbrief dienen, wenn er es seiner Mutter überreichte. Beim Glücksspiel zahlte er mit Gold, was geradezu als ‚Verstoß‘ galt, denn auch mit Münzen wurde nicht gezahlt. Man zahlte nur in Banknoten (dies galt als Vertrauensbeweis in die Stabilität der Staatsfinanzen). Zudem lernte er ‚Lord Hervey kennen, den Eroberer von Havana‘ (der ihn später über die andersartigen Rechts- und Ehrvorstellungen der Engländer aufklärte, etwa: ‚Da wir wissen, daß dies Ungeziefer [Straßenräuber] in unserem Lande vorhanden ist, so führen wir Engländer auf Reisen zwei Börsen mit uns, eine kleine für die Räuber, die uns etwa begegnen werden, eine andere für unsere Bedürfnisse‘).

Ansonsten speiste Casanova zu Hause, was ihm zeitweise ein Eremitendasein aufnötigte. ‚Der Engländer ißt hauptsächlich Fleisch‘, Suppen sind eher für Kranke gedacht. ‚Brot ißt er fast gar nicht … Suppe zu essen wird für eine große Verschwendung angesehen, weil nicht einmal die Dienstboten das Suppenfleisch würden essen wollen. Sie behaupten, mit dem Kochfleisch könne man nur die Hunde füttern. Allerdings ist das gesalzene Rindfleisch, das sie anstatt der Suppe essen, ganz ausgezeichnet. Anders ist es mit ihrem Bier; es war mir unmöglich, mich an dieses zu gewöhnen, denn es erschien mir unerträglich bitter‘ (5, 9). Casanova hingegen liebte Suppen.

Theatre Royal, Drury Lane, Innenansicht von 1808
David Garrick 1753 in einer Szene aus Romeo und Julia, Shakespeare: The Globe and the World

Sein Besuch im Drury-Lane-Theater endete in einem Fiasko, wo er ‚ein Beispiel von den etwas rauhen Sitten dieser Inselbewohner‘ erlebte. Die Truppe konnte diesmal ihr Stück nicht geben, was nicht nur zu Missfallenskundgebungen Anlass gab. Als einige brüllten: ‚Rette sich wer kann‘, verließ das Monarchenpaar und seine Gesellschaft ‚so schnell wie möglich das Haus‘, das nun bis auf die Grundmauern verwüstet wurde. Nur diese widerstanden der Wut des ‚Pöbels, der diese ganze Verwüstung nur aus Übermut anrichtete, weil es ihm Vergnügen bereitete, seine Macht zu zeigen.‘ Danach betrank man sich in den Schenken. 14 Tage später wurde schon wieder eine neue Vorstellung gegeben, der Theatersaal war bereits wiederhergestellt. Garrick, der berühmte Schauspieler, musste auf Knien um Verzeihung bitten. Selbst die Monarchen zeigten sich angesichts dieser Unsicherheit nur selten in der Öffentlichkeit, und wenn, dann unter dem Schutz hunderter von ‚Constablern‘.

Die ‚Dame Cornelis‘ war so hoch verschuldet, dass sie nur sonntags auf die Straße zu gehen wagte. An diesem Wochentag durfte niemand seine Schulden eintreiben. Casanova bedauerte sie ausdrücklich nur wegen ihrer Kinder. Er folgte ihrer nicht ausgesprochenen Einladung, und jedermann hielt ihn für Teresas Mann – wegen der Ähnlichkeit mit ihrer gemeinsamen Tochter. Casanova tanzte mit Sophie ein Menuett vor den wohlwollenden Augen der ganzen Gesellschaft. Während sie glänzte, blieb der Sohn linkisch und tat seinem Vater leid. ‚Die Cornelis hatte mehr als zwölfhundert Guineen eingenommen; aber die Ausgaben waren ungeheuer; denn es herrschte keine vernünftige Einteilung, und es war keine einzige von den Vorsichtsmaßregeln getroffen worden, die notwendig gewesen wären, um zu verhindern, daß an allen Ecken und Enden gestohlen wurde‘ (5, 10).

Lord Pembroke hatte ihm den Hinweis gegeben, man könne in der Staven-Tavern hübsche Engländerinnen kennen lernen. Der ‚Bordellwirt‘ stellte ihm ein Mädchen nach dem anderen vor, die Casanova alle nicht zusagten. Er bezahlte die Sänften jeweils, und zwar zehn an der Zahl, bis er begriff, dass das Ganze dazu diente, diesen Trägern einen Verdienst zu verschaffen. Nun verzichtete Casanova und begnügte sich mit einem Essen.

Inneres der Rotunde von Ranelagh, Gemälde von Canaletto, 1754, Öl auf Leinwand, 47 mal 75,6 cm, National Gallery (London)

Bei einer Feier in Ranelagh, das er kennen lernen wollte, tanzte er einige Menuette und trank Tee. Doch nach der Dunkelheit war sein Kutscher verschwunden, und er nahm erfreut das Angebot einer ‚hübschen Frau‘ an, ihn in ihrer Kutsche mitzunehmen – eine Gelegenheit zu einem ‚hübschen Abenteuer‘, die sich Casanova nicht entgehen ließ, denn er hatte sie ‚sanft und hingebend gefunden‘. Sie sagte ihm ein neues Treffen zu, doch sollte er verschwiegen sein. Als sie sich zwei Wochen später zufälligerweise bei einer Gesellschaft trafen, konterte sie, als er sie bat, ihn vorzustellen: ‚Ich erinnere mich Ihrer sehr gut; aber ein toller Streich gibt keinen Anspruch auf Bekanntschaft.‘

Hingegen warf ihm bei anderer Gelegenheit eine Tänzerin Kusshände zu, nämlich Madame Binetti, die er vier Jahre zuvor in Stuttgart kennen gelernt hatte. Sie und ihr Mann tanzten im Theater am Haymarket. Sie nannte Casanova ihren ‚Doyen‘, ‚weil ich der älteste von ihren Bekannten war‘. Sie erklärte ihm, dass sie nicht mit ihrem Mann zusammenwohnte, weil das englische Gesetz es erlaube, dass ein Mann den Liebhaber seiner Frau verhaften lasse. ‚Es genügt sogar, daß er ihn auf ihrem Bett sitzend findet; dazu hat nach hiesigen Anschauungen nur ein Ehemann das Recht.‘ Ihr Mann wiederum wusste von ihren „Einnahmen“ und zwang sie, ihm die Summen herauszugeben. Casanova begriff, dass England sehr gute Gesetze habe, aber dass ‚leicht Mißbrauch mit ihnen getrieben werden kann‘. ‚Infolgedessen ist man genötigt, unaufhörlich neue Gesetze zu erlassen und die alten durch neue Auslegungen zu erläutern‘ (5, 10).

Von Lord Pembroke, der ihm den Hinweis auf das Bordell gegeben hatte, erhielt er nun eine Liste der in Frage kommenden ‚Mädchen‘. Casanova schickte ‚Jarbe zu einer von den Schönen‘, doch dieses, und auch das nächste missfielen ihm. In Covent-Garden sprach er nun selbst ein Mädchen an, das für drei Guineen mit ihm ging. Sein Geschmack und derjenige von Pembroke stimmten in dieser Hinsicht nicht überein. Als sich in seinem Haus die Binetti und Pembroke begegneten, stellte sich heraus, dass er sie bereits seit sechs Monaten liebte – doch war sie nicht darauf eingegangen, denn Pembroke galt als Wüstling, der eine Frau immer nur eine Nacht ertragen konnte.

In Vauxhall traf er den ‚französischen Offizier Mallingan, dem ich in Aachen meine Börse geöffnet hatte‘. Wieder hätte er misstrauischer sein sollen: ‚Mallingan stellte mir als etwas ganz Besonderes einen Herrn vor, der mir … sehr nützlich werden konnte. Es war ein Mann von vierzig Jahren … er nannte sich Friedrich und war der Sohn des verstorbenen sogenannten Königs Theodor von Korsika, der … im größten Elend gestorben war, einen Monat nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, worin unbarmherzige Gläubiger ihn sechs oder sieben Jahre lang eingesperrt gehalten hatten. Ich hätte besser getan, an diesem Tage nicht nach Vauxhall zu gehen.‘

Da er sich nach sechs Wochen London allein fühlte, ließ er an seinem Haus einen Aushang anbringen: ‚Zu vermieten: zweites oder drittes Stockwerk, möbliert, an ein alleinstehendes und unabhängiges junges Fräulein, das englisch und französisch spricht, und weder bei Tage noch bei Nacht Besuche empfängt.‘ ‚Schon am zweiten Tage teilte mein Neger Jarbe mir mit, meine Anzeige sei wörtlich in St. James-Chronicle abgedruckt.‘ Casanova freute sich über die leicht ironischen Kommentare und meinte: ‚Glücklich die Völker, bei denen man alles sagen und alles schreiben darf.‘ Binnen neun oder zehn Tagen kamen etwa 100 Kandidatinnen, doch erst am 11. oder 12. Tag erschien eine, die ihm gefiel. Sie sprach nicht nur Französisch, sondern auch Italienisch, ‚das einer Senesin würdig‘ sei. ‚Mistreß Pauline‘ erhielt die Wohnung, doch die Hausmeisterin warnte ihn vor ‚Fallen‘.

Wenig später besuchte ihn sein Sohn zum ersten Mal in London. Er hatte sich nicht getraut, gegen das Verbot seiner Mutter zu handeln. Einer ihrer Wechsel war geplatzt, und sie saß im Gefängnis. Casanova lehnte jede Hilfe ab. Als er mit seiner neuen, 22-jährigen Mieterin speiste und gerade Schach spielte, meldete Clairmont ‚die kleine Cornelis mit Frau Rancour‘. Casanova wollte sie vertrösten, doch Sophie drängte sich ins Zimmer und warf sich vor seine Füße. Nun sagte er ihr unter Tränen Hilfe zu, und auch Pauline weinte. Sophie gestand, dass sie ihre Mutter nur achtete, sie aber nicht liebte, ‚denn sie macht mir immer Angst‘. Casanova ließ der Tänzerin einen größeren Betrag zukommen. Pauline, die von Sophie als ihre Mutter angesprochen worden war, meinte, wenn sie ihre Mutter wäre, wäre das Kind glücklicher. Er jedoch verabscheue die Ehe, ‚weil sie das Grab der Liebe‘ sei. Als Pauline auf ihr Zimmer ging, schrieb Casanova: ‚Als ich allein war, verspürte ich ein gewisses Gefühl von Leere‘.

Die ‚Cornelis‘, wie Casanova Teresa nur noch nannte, kam mit Sophie zu Besuch, eröffnete ihm Pläne, wie sie zu Reichtum gelangen wollte. Sie erklärte sich sogar damit einverstanden, die kleine Sophie bei Pauline übernachten zu lassen. Am nächsten Tag – Casanova hatte ihr gestanden, sie zu lieben, sie wurde jedoch zurückgehalten – sagte Pauline, sie sei Portugiesin (sie sprach zudem fünf Sprachen seit ihrem 18. Lebensjahr). Sie gestand, dass sie ‚die einzige Tochter des unglücklichen Grafen X‘ sei, ‚den Carvalho Oeiras – bekannter als Marquês de Pombal – nach dem den Jesuiten zugeschobenen Anschlag auf das Leben des Königs im Gefängnis sterben ließ.‘ Pauline konnte nur an ihr Eigentum gelangen, wenn sie nach Portugal zurückkehrte. Die Verheiratungspläne ihres Großvaters lehnte sie ab, doch wollte man sie notfalls zwingen. Nun ersuchte sie Pombal um Hilfe, der sie ja schließlich zur Waisen gemacht hatte. Dieser sagte ihr über einen Kurier tatsächlich mündlich seine Hilfe zu. Ausgerechnet in diesen Kurier verliebte sie sich, der es sogar wagte, sich als Modistin ins Haus zu schleichen. Unter Mitwisserschaft ihrer Zofe besuchte der Graf Al. sie drei Monate lang alle zwei Tage. Nun wurde ihr Geliebter jedoch nach England geschickt, woraufhin sie, die größer gewachsen war, seine Rolle und Kleidung übernahm, während er als Frau reiste. 14 Tage später landeten die beiden zwar in Plymouth, doch forderte der Minister nun die Rückkehr der Frau – so kehrte nun er auf einer Fregatte nach Lissabon zurück. Sie war nun gezwungen, äußerst sparsam in London zu leben und unterzutauchen. ‚Das bare Geld, das ich bei mir hatte und noch jetzt besitze, wollte ich behalten, um auf dem Landwege nach Lissabon zurückkehren zu können, sobald man mir schreiben würde, daß ich mich unbesorgt dort wieder sehen lassen könnte. Ich hatte unter der Seekrankheit so sehr gelitten, daß ich mich nicht entschließen konnte, noch einmal eine solche Fahrt zu machen.‘ Der Minister sah sich genötigt, den jungen Grafen persönlich aus dem Kloster zu holen.

Casanova, der immer magerer wurde, forderte sie auf, ohne ihn zu erhören, auszureiten. Dabei stürzte er schwer, verstauchte sich den Knöchel. Besorgt fiel Pauline ihm in die Arme, sie wollte mit ihm wie Mann und Frau zusammenleben, bis der Brief aus Lissabon sie erreichen würde. Sie verbrachten eine Nacht, doch ließen sie auch theologische Erörterungen nicht aus, wie etwa über die Frage, ob Eva von dem bekannten Verbot nur von Adam oder direkt von Gott erfahren habe. Pauline stellte fest: ‚Die Theologen sind eben Betrüger; sie sind fast alle Feinde unseres Geschlechts.‘ ‚Nach der köstlichsten Nacht, die die Liebe mir verschafft hatte und die mir die süßeste zu sein schien, die der liebe Gott mir jemals gewährt hat, beschloß ich, mein Haus nicht mehr zu verlassen, solange Pauline noch in London bleiben würde.‘ Von einem jüdischen Maler, den ihm Martinelli empfohlen hatte, ließen sich die beiden porträtieren. ‚So verbrachten wir drei Wochen in einem Übermaß von Glück, das keine Feder beschreiben könnte.‘ Keine der Frauen beschrieb Casanova so euphorisch. ‚Pauline hatte außer ihrer weiblichen Schönheit, Anmut und Sanftmut auch jenen festen und stolzen Charakter und den weiten Gesichtskreis, die nur höchstbegabten Männern eigen sind.‘

Doch am 1. August kamen zwei Briefe an. Pauline musste nach Portugal zurückkehren, Casanova musste ihr versprechen, niemals ohne ihre Erlaubnis dorthin zu kommen – sie würde jenen Grafen heiraten, da alle Welt glauben musste, sie habe sich ihm bereits hingegeben – ein Gebot der Ehre also. Clairmont sollte sie bis Madrid begleiten (er würde nie zurückkehren), im Oktober wollte sie in Lissabon sein.

In Paris war inzwischen Frau Urfé gestorben. Man habe, so schrieb du Rumain, ‚ein Testament gefunden, das nach dem Irrenhause schmecke: sie vermache ihr ganzes Vermögen dem ersten Sohn oder der ersten Tochter, die sie gebären werde; denn sie behaupte, schwanger zu sein.‘ Casanova schmerzte, dass er zum Vormund über das erwartete Kind eingesetzt worden war, worüber ‚ganz Paris mindestens eine Woche lang lachen‘ musste. Pauline und Casanova reisten am 10. August gemeinsam nach Calais ab. Am 12. August brachen Pauline und Clairmont auf, letzteren sollte nun Jarbe vertreten. Der Eindruck, den Henriette auf ihn gemacht hatte, sei nur deshalb noch ein wenig tiefer, weil er zu dieser Zeit erst 22 Jahre alt gewesen war (5, 11).

In den nächsten Tagen war Casanova äußerst niedergeschlagen, beobachtete dennoch die für ihn eigenartigen englischen Sitten. Als er 20 Guineen in Münzen wechseln wollte, und der Bankier ihn vertrösten musste, da er keine Münzen bei sich hatte, lehnte dieser es ab, die Banknote bis zum nächsten Tage zu behalten. Dies könne angesichts der Schwäche des menschlichen Gedächtnisses zu Missverständnissen führen. Männer, die ihr Geschäft auf der Straße verrichteten, taten dies in Richtung Straßenmitte, um von den Vorbeifahrenden nicht erkannt zu werden. Und die Engländer wetteten um alles! So war der Faustkampf, der oft tödlich ausging, nur als Wette erlaubt. Dies bekundete man, indem man vor Kampfbeginn Münzen auf den Boden warf. Casanova wollte in einem solchen Wettklub Mitglied werden. Zugleich hörte er, dass jener Gascogner namens Castelbajac in London war, der ihn wiedererkannte, den er jedoch beleidigte, als er ihm die erbetenen Goldmünzen beim Glücksspiel verweigerte. Er musste zum Wettklub allerdings nach St. Albans fahren, nahm vorsichtshalber zwei Geldbörsen mit. Die von Pembroke angepriesene französische Schönheit reizte Casanova nicht, denn es sei ‚ein großer Schönheitsfehler bei einer Frau; denn das Lachen muß sie verschönern, damit sie wirklich interessant werde.‘

Sophie, seine Tochter, war zuvor an einem Fieber erkrankt. Casanova war der Ansicht, sie habe nur Angst vor ihrer Mutter, und sie sollte in ein Pensionat gehen. Diese Nachricht ließ Sophie gesunden, sie fanden eine Pension in Harwich.

Bei einem Glücksspiel wies Casanova einen Wechsel Castelbajacs zurück, was diesen erneut aufbrachte. Am nächsten Tag ließ Casanova bei einer Bank Castelbajacs Banknoten prüfen; sie waren gefälscht. Doch Castelbaja floh nach Frankreich, seine Frau folgte ihm, den Mittäter, einen angeblichen Grafen Schwerin, ließ er laufen.

Nun verliebte er sich Anfang September in eine kaum 18-jährige Schweizer Prostituierte namens Marie Charpillon, die er umwarb und reich beschenkte, doch kam er nicht zum Ziel. Er hatte sie durch Morosini kennengelernt. An jenem Tag, als er Anfang September 1763 Charpillon kennen lernte, so schreibt er in seinen Memoiren, „begann ich zu sterben und hörte auf zu leben.“ Die spätere Rezeption glaubte, dass seine Verzweiflung nicht aus enttäuschter Liebe geboren wurde, sondern weil ein solcher Misserfolg nicht mit seinem Selbstbild als unwiderstehlicher Liebhaber in Einklang zu bringen war, und weil sie sich über ihn lustig machte. Eigentlich kannte er sie, als er seine Strumpfhändlerin Baret bei sich hatte, also aus Paris (5, 12–13). Für sie hatte er einen Brief von Prokurator Morosini. Sie kündigte ihm sogar an, ihn verliebt zu machen, um ihn zu unterjochen: ‚der Tag, da ich dieses Weib kennen lernte, war für mich ein Unglückstag‘, schrieb Casanova zu diesem Ereignis im September 1763. Ihre Mutter und ihre beiden Tanten hatten ihn 1759 mittels eines Genfers namens Bolomé und eines Wechsels um 6000 Francs betrogen. Ihre Großmutter kam hinzu, auch sie hieß eigentlich Ansperger. Drei Männer gesellten sich hinzu, von denen Casanova einen mit Namen Chevalier Goudar aus Paris kannte (auch ihn sollte Casanova wiedersehen, in Neapel); die anderen wurden als Rostaing und Caumon vorgestellt. ‚Ohne Zweifel glaubte ich, nichts zu wagen, wenn ich auf meiner Hut wäre‘, schrieb Casanova, und ‚das Frauenzimmer hatte mich völlig behext‘. Ihre Tante wollte ‚Lebensbalsam‘ verkaufen, brauchte für dieses Geschäft allerdings 100 Guineen. In dem Haus lebten sieben Frauen, die sich mit den besagten drei Gaunern zusammengetan hatten.

Drei Wochen lang besuchte er Sophie und erfreute sich an ihr und ihren Kameradinnen. Erst danach suchte er die besagte Tante auf, die sie zu ihrer Nichte führte, die gerade im Bad lag. Diese tat überrascht und Casanova beschrieb seine Reaktion auf ihr mehrfaches Bitten zu gehen so: ‚diese brutale Befriedigung bewies mir, daß das Übel nicht tief saß, da es durch eine bloße tierische Betätigung zu beseitigen war.‘ Er gab der Tante dennoch die Guineen. Er wusste, dass er sie hätte meiden müssen, doch sie übte bereits eine ‚unüberwindliche Herrschaft über‘ ihn aus. Bald warf sie ihm vor, sie von ‚Anfang an wie eine ganz gemeine Prostituierte behandelt‘ zu haben, ‚wie ein willenloses Tier‘ (5, 13). Sie erwartete, von ihm umworben zu werden, täuschte ihm Liebe vor, er war bereits voller Reue über sein Verhalten. Sie verließ sich auf die Wirkung ihrer Persönlichkeit, nicht auf die eines Briefes, sie suchte ihn daher wieder persönlich auf. ‚Ohne Zweifel hatte sie dies vorausgesehen, denn der Instinkt der Frau ist so fein, daß in Herzensangelegenheiten das bloße Gefühl sie in einer Minute mehr lehrt, als wir Männer unser ganzes Leben lang lernen.‘ In den nächsten zwei Wochen brachte er ihr täglich Geschenke, warb erneut um sie. Als sie sich schließlich dennoch wortlos verweigerte, war er versucht, sie zu erwürgen. Trotz Misshandlungen und Beleidigungen widerstand sie drei Stunden lang. Daraufhin erkrankte er, erkannte jedoch bald seine Gesundung daran, dass er keine Rachepläne mehr schmiedete.

Nach seiner Gesundung brachte ihm Jarbe einen Brief von Pauline, worin sie schrieb, Clairmont habe ihr bei der Überquerung eines Flusses das Leben gerettet. Sie wollte ihn nun von Madrid bis nach Lissabon mitnehmen. Er sollte per Schiff nach London zurückkehren, doch das Schiff sank und Casanova hörte nie wieder von Clairmont.

In einem weiteren Brief teilte Charpillons Mutter ihm mit, ihre Tochter liege, von den ‚erhaltenen Schläge mit Wunden bedeckt‘ im Bett. Auch die Tochter hatte ihrerseits geschrieben, ihr Unrecht eingesehen, ja, sie schrieb, sie wundere sich, dass er sie nicht erwürgt habe, als er sie am Hals packte. Nun kam wieder Goudar, der Casanova eine Art Vergewaltigungsstuhl anbot: ‚»Der Lehnstuhl hat fünf Federn, die sich gleichzeitig lösen, sobald ein Mensch sich hineinsetzt. Der Vorgang vollzieht sich sehr schnell: zwei Federn umgreifen die Arme und halten sie fest umklammert; zwei andere bemächtigen sich der Knie und spreizen die Schenkel soweit wie möglich; die fünfte Feder hebt den Sitz in die Höhe, so daß die gefangen gehaltene Person eine gekrümmte Stellung einnehmen muß.«‘ Casanova wollte dieses ‚teuflische Instrument‘ nicht anwenden.

Goudar machte ihn aber mit anderen ‚Kurtisanen‘ bekannt, wie der seinerzeit noch immer bekannten ‚Kitty Fisher‘, die allerdings nur Englisch sprach, was Casanova abhielt. Goudar heiratete eine von ihnen namens ‚Sarah Goudar, die in Neapel, Florenz, Venedig und an anderen Orten glänzte und die wir vier oder fünf Jahre später, immer mit ihrem Gemahl, wiederfinden werden.‘ Die Charpillon verärgerte er endgültig, als er sie, die sich nun wohl fügen wollte, seinerseits kalt abwies. Dennoch mietete er in Chelsea ein Haus. Die Mutter erhielt ihre Guineen, die Habe der Tochter kam in sein Haus. Erneut widerstand sie, doch diesmal zartfühlender. Dennoch gerieten sie am nächsten Tag in Streit, wobei ihr verachtungsvoller Ton ihn herausforderte: Er gab ‚ihr eine kräftige Ohrfeige und versetzte ihr einen Fußtritt, daß sie der Länge nach auf die Diele fiel.‘ ‚Als schließlich die Vernunft sich geltend machte, sah ich ein, daß ich ihr unrecht getan hatte, und fand mich in meinen eigenen Augen verächtlich.‘ Er hegte, so schrieb er, Selbstmordgedanken, musste, wie ihm Goudar eröffnete, eine Klage fürchten. Trotz dessen Warnung nahm Casanova abermals Kontakt auf. Sie schrieb ihm und ‚Dieser Brief raubte mir so völlig die Besinnung, daß ich in einem Wahnsinnsanfalle von Begeisterung den Entschluß faßte, ihr die beiden Wechsel über sechstausend Franken anzuvertrauen, die Bolomé mir ausgestellt hatte, und die mir das Recht gaben, ihre Mutter und ihre Tante ins Gefängnis bringen zu lassen.‘ Am Ende war Casanova so ‚entrüstet‘, nicht nur wütend, dass er, obwohl sie sich ihm (scheinbar) anbot, dazu nicht mehr in der Lage war.

Wieder wollte er das Verhältnis beenden, versuchte sich mit anderen Frauen zu vergnügen. So lernte er eine Irin namens ‚Kennedy, die etwas Französisch radebrechte‘ kennen, doch war er danach ‚traurig und unzufrieden‘. Nun versuchte er, wenigstens die beiden Wechsel zurückzugewinnen. Doch bei Malignant, der ihn eingeladen hatte, tauchte überraschend wieder Charpillon auf. Als er die Gesellschaft zu einer Kutschfahrt einlud, lud sie sich selbst ebenfalls ein. Sie forderte Genugtuung für die Beleidigung, versprach ihm im Gegenzug die Wechsel. Wieder ließ sie Vieles zu, doch bremste sie Casanova abermals, woraufhin er sogar zu einem Messer griff – danach hängte sie sich wieder, kaum bei den anderen wieder aufgetaucht, bei ihm ein, als wäre nichts geschehen. Als er schon vorhatte, in ihr Haus einzudringen und sie mit Waffengewalt zur Herausgabe der Wechsel zu zwingen, ertappte er sie mit ihrem Friseur in flagranti. Während Casanova diesen hinausprügelte und Porzellan und Mobiliar zerschlug, tauchte plötzlich die Nachtwache auf.

Als er tagelang glaubte, sie liege im Sterben, wollte auch er sich das Leben nehmen – er wollte sich beim Tower in der Themse ertränken und Bragadin sein Erbe vermachen. Er schrieb sogar einen entsprechenden Brief an den venezianischen Gesandten. Er beschaffte sich genügend Blei, um sich zu ertränken. Doch ‚mitten auf der Westminster-Brücke führte mein guter Geist mir den Chevalier Edgar in den Weg‘, der es sich nicht nehmen ließ, Casanova zu begleiten. Die beiden Männer kannten sich von Pembroke. Er erkannte: »Sie könnten darüber verrückt werden, ja sogar sterben, wie es einem meiner Brüder passiert ist. Da muß ich aufpassen!« Casanova seinerseits erkannte: ‚Der Mensch darf sich niemals töten, denn es ist möglich, daß die Ursache seines Kummers aufhört, bevor der Wahnsinn eintritt.‘ Als Edgar zwei Frauen hinzuzog, eine von ihnen war Französin, stellte er nur fest: ‚Ich hatte einen Ruf, und sobald sie hörten, wer ich sei, sah ich sie von Ehrfurcht durchdrungen.‘ Aber er konnte ihnen in seinem Zustand keine Hoffnung machen. Edgar lud nun zu einer Orgie, die sie als entkleidete Tänzer mit blinden Musikern begannen. ‚Bei dieser Gelegenheit erkannte ich, daß die Freuden der Liebe eine Wirkung und nicht eine Ursache der Fröhlichkeit sind.‘ Daher ‚regte sich in mir nichts‘, dennoch ‚verschob ich meinen Selbstmord auf den nächsten Tag‘, da er bei dem Engländer Schulden gemacht hatte. Er ‚stieg mit Edgar in einen Fiaker, um den Grundsatz der Stoiker zu befolgen, den man mir in meiner kindlichen Jugend eingeprägt hatte: Sequere deum – folge Gott!‘ Sie fuhren nach Ranelagh, tanzten in der Rotunde, wo er eine Frau beim Tanz beobachtete. Es war die Charpillon! Casanova zitterte sichtbar, doch war er unsicher, ob sie es sein könne. Als er auf sie zutrat, lief sie davon. Er ‚machte nach und nach, sozusagen, alle Zwischengefühle von der Verzweiflung bis zur Begeisterung durch‘, er war sicher, dass Edgar sein ‚Genius, mein Schutzengel, mein guter Geist‘ wäre. In ihm selbst, so konstatierte er, ‚war stets ein Keim von Aberglauben, eine Neigung zum Spiritismus‘.

Nach drei Hungertagen konnte Casanova mit Edgar gemeinsam in seiner Wohnung wieder normal essen, und danach auch wieder schlafen – er hatte die Krise überwunden. Goudar hatte ihm geschrieben – den Brief hatte er zunächst ungeöffnet gelassen –, dass das ‚betreffende Mädchen‘ durchaus nicht im Sterben liege, sondern ‚mit Lord Grosvenor nach Ranelagh gegangen‘ sei. Nun sollte der Sachwalter, der ihn gegen den Grafen Schwerin vertreten hatte, ihn gegen die drei Schwestern vertreten. Die drei wurden verhaftet. Nun ließ Edgar sich einwickeln, holte für 200 Guineen Quittung und Abstandserklärung ein.

John Fielding, der blinde Richter, ließ Casanova auf freien Fuß setzen; Gemälde von Nathaniel Hone, dem Älteren, Öl auf Leinwand, 124,5 mal 100,3 cm, National Portrait Gallery (London)

Doch noch immer nahm die Geschichte kein Ende. Der ‚Erbprinz von Braunschweig, der jetzige regierende Herzog‘, heiratete die Schwester des Königs von England. Lady Harrington verschaffte der Cornelis dabei ein großes Fest. Auf der Rückfahrt wurde Casanovas Wagen von Bewaffneten umringt. Den Grund für die Verhaftung wollten sie ihm nicht mitteilen, woraufhin Jarbe Einspruch erhob. Passanten pflichteten ihm bei. Casanova hatte nur den Grundsatz missachtet, dass man bei Nacht niemals antworten solle. Nun wurde er von einer Schänke mit einer Sänfte – ‚… denn der Pöbel würde mich mit Kot beworfen haben, wenn ich in meinem Galakleide es gewagt hätte, zu Fuß die Straßen zu betreten‘ – vor Richter Fielding gebracht. Dieser eröffnete ihm, er sei zu lebenslanger Haft verurteilt. Er habe ein Mädchen entstellen wollen. Der Richter forderte: ‚»zwei Hausbesitzer müssen uns dafür bürgen, daß Sie niemals ein solches Verbrechen begehen werden«‘. Da sich niemand rechtzeitig einfand, wurde er nach Newgate gebracht. ‚Das ist das Londoner Gefängnis, in das man nur die elendesten und verruchtesten Verbrecher bringt.‘ Schon nach einer halben Stunde ging es zurück vor den Richter. Sein Schneider Pégu und sein Weinhändler Maisonneuve wollten für ihn bürgen. ‚Einige Schritte davon bemerkte ich die elende Charpillon und den niederträchtigen Rostaing mit einem Anwalt und Goudar. Der Anblick regte mich nicht weiter auf und ich begnügte mich damit, ihnen einen Blick tiefer Verachtung zuzuwerfen.‘ Casanova wurde freigelassen; als Zeugen der Gegenseite hatten Rostaing und Bottarelli fungiert. Seine Gegnerin musste die Verfahrenskosten übernehmen. Zu spät zwar, doch immerhin, erschienen nun fünf oder sechs weitere Bürgen für Casanova (5, 14). ‚So war also der erste Akt der Komödie meines Lebens beendigt; der zweite begann am nächsten Morgen‘ (5, 15).

Wenig später besuchte er einen seiner Gegner, jenen Bottarelli, der Mönch in Pisa gewesen war. Er hatte eine Frau entführt, die er in London geheiratet hatte. Dort lebte die Familie mit vier Kindern in so tiefem Elend, dass er der Frau eine Guinee in die Hand drückte. Herr de Saa, Diplomat, überbrachte ihm einen Brief, in dem Pauline den Tod Clairmonts und ihre Hochzeit mit jenem Grafen bestätigte.

Schließlich kaufte er auf dem ‚Papageienmarkt‘ einen Vogel, dem er beibrachte zu sagen: ‚La Charpillon est plus putain que sa mère – Die Charpillon ist eine noch größere Hure als ihre Mutter.‘ Er beauftragte ‚Jarbe mit dem Verkauf; denn da er aus Westindien stammte, so paßte die Ware vortrefflich zu ihm‘ (5, 15). Tagelang wurde das Tier angeboten, da Casanova mit 50 Guineen einen sehr hohen Preis verlangte. Goudar teilte ihm mit, ‚die Charpillon finde die Rache sehr geistreich, aber die Mutter und die Tanten seien wütend.‘ Im Chronicle erschien ein Artikel, der den guten Geschmack des Rächers lobte: ‚er verdient, Engländer zu sein.‘ Lord Grosvenor ließ schließlich den Papagei kaufen, ‚um der Charpillon, die ihm zuweilen zum Zeitvertreib diente, einen Gefallen zu tun.‘ Casanova betrachtete die Charpillon nach dieser Rache mit Gleichgültigkeit.

Eines Tages sah er die Töchter jenes Pocchini, der ihn in Stuttgart bestohlen hatte. Im Hyde-Park verprügelte er ihn kurzerhand, da er keinen Degen bei sich hatte. Der englische Offizier, der glaubte, Pocchini sei ebenfalls Offizier, und der sich für ihn schlagen wollte, sah, dass Pocchini ein Feigling war. Doch war er in eine seiner Töchter verliebt. ‚Der Wüstling Goudar machte sie gehörig betrunken und veranlaßte sie, in ihrem Zustande tausend Greuel von ihrem angeblichen Vater zu erzählen.‘ Pocchini war ihr Zuhälter, und sie stahlen in seinem Auftrag. Die Frauen wurden verhaftet, Pocchini floh. Casanova sollte ihm wenige Jahre später wieder begegnen.

Casanova erlebte einige ruhige Tage: ‚Jeden Tag besuchte ich entweder meine Tochter … oder ich verbrachte einige Stunden im Britischen Museum mit dem Doktor Matti. Bei diesem traf ich eines Tages einen anglikanischen Geistlichen, den ich fragte, wieviel verschiedene Sekten es in England gebe.‘ Nun starb Malingans Tochter an den Pocken, und er starb, wie ihm seine Witwe mitteilte, kurz nach seiner Rückkehr nach Lüttich.

Nachdem ‚Herr F. aus Bern‘ Casanova nicht empfangen wollte, da er wohl noch Sarah in Erinnerung hatte, traf er diese zufälligerweise beim Besuch des Marylebone-Theaters. Dort zahlte man nur einen Schilling Eintritt, musste aber etwas verzehren. Sie war in Begleitung der Familie, der wieder Passano ‚böse Dinge‘ über ihn geschrieben hatte, doch erkannte er sie nicht sogleich. Er lud die Familie für zehn Guineen zum Essen, wobei sich Herr F. als Schweizer beschwerte, dies sei viel zu teuer. Demonstrativ gab Casanova dem Kellner eine halbe Guinee Trinkgeld. Die Familie musste ihre Wohnung räumen, da sie in wenigen Tagen London verlassen wollte. Bei der ersten Gelegenheit ‚kosteten wir die höchste Wollust, indem wir ineinander verschmolzen‘ – wenige Augenblicke, bevor der Vater zurückkehrte. Nun bot Casanova der Familie sein Haus als Unterkunft für die kommende Woche an, er selbst wollte Sarah in die Schweiz folgen. Doch wurde die Familie wegen ‚hundertundfünfzig Pfund Sterling‘ Schulden festgehalten. Casanova erledigte dies mit drei Banknoten. Auch schloss er einen Kreditvertrag und übernahm die übrigen Schulden. Doch die Ehe mit Sarah verweigerte der Vater, weil sie bereits versprochen war. Und sie entzog sich, weil sie glaubte, mit ihrer Liebe nur die elterlichen Schulden abtragen zu sollen. Er jedoch verabschiedete sich bereits von allen, auch von seiner Tochter, um bald erkennen zu müssen, dass die Verbindung mit Sarah ohne Aussicht war. Zum ersten Mal machte Casanova die Erfahrung, dass ‚Enthaltsamkeit, die im allgemeinen eine Liebe nur noch mehr anstachelt, zuweilen auch die entgegengesetzte Wirkung hervorbringt. Sarah würde mir mit der Zeit noch völlig gleichgültig geworden sein; denn ich hätte sie niemals meiner Freundschaft unwert finden können.‘ Ganz im Gegensatz zu Charpillon, die er am Ende hasste und verachtete. Casanova blieb in London: ‚Die Familie reiste nach Ostende ab, und ich begleitete sie bis zur Themsemündung. Ich gab Sarah einen Brief für Frau von W., dies war die gelehrte Hedwig, die sie nicht kannte. Zwei Jahre später wurde Sarah ihre Schwägerin, indem sie einen Bruder des Herrn von W. heiratete, mit dem sie glücklich wurde.‘

Über Goudar lernte er nun einen ‚jungen Livländer, der sich Baron von Stenau‘ kennen. Und eine erkrankte, 45-jährige Mutter, die seit zwei Monaten um Wiedergutmachung der Schäden durch die Armee des Herzogs von Cumberland stritt, eine ‚Dame aus Hannover, Witwe und Mutter von fünf Töchtern‘ (5, 15). Ihre Bekannten – eine Tochter nannte ‚Lord Baltimore, den neapolitanischen Gesandten Marchese Caraccioli und Lord Pembroke‘ – hatten sie im Stich gelassen. Unverhohlen bot Casanova nun Geld gegen Dienste an: ‚Wenn sie nach ihrer Art tugendhaft sein wollen, so werde ich sie nicht mehr quälen; sie müssen aber auch nicht die Männer quälen‘ (5, 16). Pembroke meinte ‚»Es sind Frauenzimmer von der Sorte der Charpillon.«‘

Als die Mutter verhaftet worden war, bot sich die Älteste der Töchter an, doch so unterwürfig, dass es Casanova wieder abstieß. Er gab ihr 20 Guineen und ließ sie wissen: ‚Sie haben sich erniedrigt, indem Sie sich prostituierten, anstatt sich der Liebe hinzugeben. Ich schäme mich für Sie!‘ Die zweite, Victoria, erklärte, als sie zu ihm kam, ihre älteren Schwester liebe einen anderen und könne Casanova deshalb nicht lieben. Die beiden vergnügten sich zwei Stunden lang, wie Casanova vermerkt. ‚Ich trieb eine tolle Verschwendung, und ich fühlte, daß meine Mittel sich ihrem Ende nahten; aber ich genoß und ich dachte, ich würde in Lissabon neue Mittel finden.‘

Thomas Gainsborough: Giusto Fernando Tenducci (um 1736–1790), der seit 1758 in England lebte, war ein berühmter Kastrat; um 1773, Öl auf Leinwand, 76,6 × 64 cm, The Barber Institute of Fine Arts zu Birmingham

Im Covent-Garden traf er auf den Kastraten Tenducci, der ‚mir zu meiner großen Überraschung seine Ehefrau vorstellte, von der er zwei Kinder hatte. Er lachte über die Leute, die behaupteten, er könne als Kastrat keine Nachkommenschaft haben‘. Er hatte ursprünglich drei Hoden, von denen ihm nur zwei entfernt worden waren (5, 16).

Mit Victoria verbrachte er weitere Nächte, versprach, den angeblichen Marchese Petina aus Neapel aus dem Schuldgefängnis zu befreien, da dieser der zukünftige Ehemann ihrer älteren Schwester werden sollte. Nun erfreute er sich auch mit Auguste, der dritten Schwester. Der Marchese war tatsächlich ein solcher, doch war er laut Casanova ‚mager, abstoßend häßlich und haarsträubend dumm‘. Die Cornelis wünschte Casanova Glück zu dem ‚schönen Harem‘, den er sich zugelegt habe. Inzwischen hatte Casanova auf die 13-jährige Freundin seiner Tochter, ‚Miß Nancy Stein‘, ein Auge geworfen. Die Gesellschaft ging in den dritten Stock, wo ‚Sophie entzückend Klavier spielte und die Lieder begleitete, die ihre Mutter sang. Der kleine Cornelis glänzte durch sein Flötenspiel‘ (5, 16). Die Mutter der Fünf genoss das ‚dolce far niente‘, er inzwischen Hippolyta. Am nächsten Nachmittag ritten sie aus, immer von Jarbe begleitet, der ebenfalls sehr gut ritt, wie etwa zum Richmond Park. Schließlich kam auch die 15-jährige Gabriele hinzu. Ihre Mutter, eine ‚abgefeimte Heuchlerin‘, bot ihm die Ehe an, damit er seine väterliche Liebe zu den Töchtern pflegen könne. Sie versuchte weiterhin den Anschein zu wahren, es handle sich nicht um Kuppelei und Prostitution.

Lord Pembroke hatte sich in Augusta verliebt. Er bot ihr ‚monatlich fünfzig Guineen auf drei Jahre, dazu Wohnung, Unterhalt, Dienerschaft, Wagen und Pferde in St. Albans, ohne die Geschenke zu rechnen, die sie von seiner zärtlichen Dankbarkeit erwarten dürfte, wenn sie die Liebe teilte, die sie ihm eingeflößt hätte‘. Dieser Vertrag wurde aufgesetzt und von Casanova als Zeuge beglaubigt. Sie verließ sein Haus.

Nach einem Ausritt mit Gabriele und Hippolyta traf Casanova auf einen Sir Frederick; ‚er war angeblich der Sohn des Königs von Korsika, Theodor Freiherrn von Neuhof‘. Er versuchte ihn, sich auf den besagten Marchese Petina berufend, in ein Wechselgeschäft zu verwickeln (s. o.)

Dann meldete sich über Goudard jener Lavalette du Claude an, ‚der den berühmten Bankerott machte, durch den die Gesellschaft Jesu in Frankreich zugrunde gerichtet wurde‘ (5, 16). Dabei war es ihm ‚ganz angenehm, einmal das Gesicht dieses Mannes zu sehen, dessen Gaunerei ein so kunstreich ersonnenes Werk der Hölle vernichtet hatte.‘ Auch er brachte einen Wechsel von Petina mit; mit diesem brannte nun seine Zukünftige durch. Dabei gab sich Casanova eine Mitschuld, denn er hatte Petina aus dem Gefängnis geholt.

Gabriele wurde inzwischen von Victoria und Hippolyta als Casanovas Frau angesehen. Gern hätten die Frauen so weitergelebt, doch ‚Leider ging ich … mit großen Schritten meiner völligen körperlichen und pekuniären Erschöpfung entgegen.‘ ‚Seit einem Monat bezahlte ich weder die Rechnungen meines Kochs noch die meines Weinhändlers‘. Nun wünschte auch noch die Mutter, mit ihren drei jüngeren Töchtern nach Hannover zurückzukehren. Drei Tage später, es war Mitte Februar 1764, brachen sie auf, ‚während ich mich in untröstlicher Trauer befand, wie immer, wenn ich mich von einer Geliebten trennen mußte‘. Beim Abschied gestand die Mutter maliziös, sie habe von ihren Töchtern noch 150 Guineen, die Casanova ihnen geschenkt hätte. Mit den Frauen hatte er ‚alles Geld verschwendet, das ich für meine Edelsteine bekommen hatte‘, dazu hatte er über 400 Guineen Schulden. Nach dem Verkauf seines verbliebenen Besitzes blieben ihm nur noch achtzig Guineen. ‚Ich verließ mein schönes Haus, worin ich so lustig gelebt hatte, und bezog ein Zimmerchen, wofür ich wöchentlich eine Guinee bezahlte. Ich behielt nur meinen Neger, an dessen Treue zu zweifeln ich keinen Anlaß hatte.‘

In seiner Not schrieb Casanova an Bragadin, er möge ihm 200 Zechinen schicken, zumal er sein dort deponiertes Vermögen in den letzten fünf Jahren nicht angerührt hatte. ‚Ende Februar 1764 führte mich mein böser Stern in die Schenke zur Kanone‘. Dort lud ihn „Baron Stenau“ an seinen Tisch. Mit seiner Geliebten verabredete er sich, während der Baron nach einem Spielverlust von 100 Guineen Geld zu holen versprach. Doch musste er dazu einen Wechsel ziehen, was Casanova übernahm, der bei Herrn Leigh 520 Guineen auf das portugiesische Papier erhielt. Drei Nächte verbrachte er mit Stenaus Geliebter, doch bei ihr steckte er sich auch an, nicht zum ersten Mal.

Ein anderer Gefangener, sein Patenkind Daturi, erbat ähnliche Hilfe, wobei sich Casanova kaum erinnern konnte, das Kind, inzwischen 20 Jahre alt, über das Taufbecken gehalten zu haben. Er vermutete, dass es vielleicht sogar sein eigener Sohn gewesen sei. ‚Er war mit einer Seiltänzergruppe nach London gekommen, um die edle Rolle des Strohmanns oder Pagliazzo zu spielen.‘ ‚Ohne ihm etwas über das Geheimnis seiner Geburt oder vielmehr über meine Beziehungen zu seiner Mutter zu sagen, löste ich ihn sofort aus.‘

Am 13. März 1764 verließ er, auch hier wieder Hals über Kopf, nachdem er jenen gefälschten Wechsel entgegengenommen hatte, die englische Hauptstadt. ‚Es war der Schluß des ersten Aktes meines Lebens. Der zweite Akt schloß mit meiner Abreise aus Venedig im Jahre 1783, und der dritte Akt wird offenbar hier in Dux schließen, wo ich mich damit unterhalte, diese Erinnerungen niederzuschreiben.‘ Sein Leben betrachtete er im Rückblick als ‚Komödie‘.

Nun erst bemerkte er seine Erkrankung, die ihn zwang, sich sechs Wochen zu pflegen, und vor allem, nicht nach Lissabon zu reisen, wie es sein Plan gewesen war. An dem Morgen, als er in die ‚Heilanstalt‘ gehen wollte, erfuhr er von seinem geplatzten Wechsel (gegenüber Leigh hatte er ein schlechtes Gewissen). Der Verantwortliche, der angebliche Graf Stenau, hatte sich bereits vier Tage zuvor nach Lissabon abgesetzt, da nutzten Casanova auch seine mitgebrachten Pistolen nichts. Als sich Casanova im Oktober in Riga befand, hörte er, dass Stenau in Lissabon aufgehängt worden war.

Casanova ‚eilte zu dem venetianischen Juden Treves, an den ich von dem Bankier Grafen Algarotti von Venedig empfohlen war, dessen ich mich aber bis dahin niemals bedient hatte‘. ‚Ich begnügte mich mit der Diskontierung eines kleinen Wechsels von hundert venetianischen Zechinen, den ich auf Algarotti zog. Ich schrieb ihm, er möchte sich den Betrag von seinem Verwandten Dandolo bezahlen lassen, der mir seine Empfehlung verschafft hatte.‘ Jarbe entschied sich mitzukommen, er lieh ihm sogar 60 angesparte Guineen. Casanova schaffte es nur noch bis Rochester, wo ihm Daturi das Leben rettete. Am nächsten Tag setzte er nach Calais über, wo er vergebens auf Jarbe wartete. Ihn sah er erst nach zwei Jahren wieder. Er selbst hatte schwere Fieberattacken zu überstehen, während sein (möglicher) Sohn ihn begleitete.

Dünkirchen, Tournai, Bibliothek Wolfenbüttel, Berlin: Lotterieplan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Casanova war offenbar von der Krankheit schwer gezeichnet, denn als er in Dünkirchen ankam, einen Tag nachdem er Calais verlassen hatte, traf er dort den Mann jener Theresa, die er sieben Jahre zuvor geliebt hatte, und dieser ‚wackere‘ ‚Kaufmann S.‘ fand ihn sehr verändert. Dieser beharrte auf einem gemeinsamen Abendessen zusammen mit seiner Frau und seinen drei Söhnen. Casanova bereitete Kummer, ‚in welch einer traurigen Gestalt ich vor sie treten mußte‘. Der älteste der Söhne war etwa sechs Jahre alt: ‚Ich lachte innerlich darüber, daß ich so Kinder von mir über ganz Europa zerstreut fand‘ (5, 17). Von Tiretta erfuhr er, dass er nach Batavia gegangen war, von wo er wegen einer Verschwörung fliehen musste, eine Parallele zu seinem Leben: Es könne ‚einem, wenn man ein Abenteurerleben führt, leicht zustoßen, wegen einer Kleinigkeit gehängt zu werden, wenn man ein wenig unbesonnen ist und sich nicht überlegt, was man tut.‘

Wie geplant kam er bereits am nächsten Tag in Tournai an. Dort traf er sich mit dem Grafen von Saint-Germain, ein äußerst undurchsichtiger Mann, von dem Casanova fasziniert war. Er selbst schrieb: ‚Was für ein Mann! Man konnte sich von ihm täuschen lassen, ohne sich zu entehren.‘ Er hatte seit einem Monat niemanden empfangen, sein Einladungsbriefchen, so vermerkt Casanova, habe er immer noch. Er sollte in österreichischen Diensten eine Hutfabrik aufbauen, kannte Urfé, die sich nach seiner Aussage vergiftet hatte. Er behauptete, in einer Flüssigkeit den ‚Universalgeist der Natur‘ zu besitzen und Casanova damit binnen 15 Tagen heilen zu können. Er ließ ihn mit einer Nadel in den Korkverschluss stechen, und das Fläschchen entleerte sich sogleich. Vor seinen Augen verwandelte der Alchemist eine Silbermünze in Gold. Casanova ‚zweifelte nicht einen Augenblick, daß er meine Münze hatte verschwinden lassen und dafür die andere untergeschoben hatte, die er ohne Zweifel vorher weiß gemacht hatte‘. Auf seine Andeutung von Zweifeln antwortete er überheblich: ‚Wer an meiner Wissenschaft zweifeln kann, ist nicht würdig, mit mir zu sprechen.‘ Vor sechs oder sieben Jahren, so notierte Casanova, sei der berühmte Betrüger in Schleswig gestorben.

In Brüssel erreichte ihn Bragadins Wechsel über 200 Dukaten. ‚Daturi sagte mir …, er habe von einem Seiltänzer gehört, sein Vater und seine Mutter seien mit der ganzen Familie in Braunschweig. Er lud mich ein, dorthin zu fahren, indem er mir versicherte, ich werde mit der größten Sorgfalt gepflegt werden.‘ Doch in Roermond fühlte er sich so schlecht, dass er 36 Stunden ruhen musste. In Wesel ‚beschloß ich meine Postkutsche zu verkaufen, weil in Norddeutschland die Pferde nicht an die Deichsel gewöhnt sind‘ (5, 17). Überraschenderweise traf er dort ‚General Bekw…‘, der in Wesel stationiert war, und dem er seine Kutsche verkaufte. Er empfahl ihm zur Behandlung einen Doktor Pipers von der Leydener Schule, der ihn sechs Wochen lang in seinem Hause wohnen ließ. Casanova schämte sich so sehr, dass er sein ‚Taschentuch vors Gesicht hielt, um dieses nicht der Mutter und den Schwestern des jungen Doktors zu zeigen.‘ Ein schweißtreibendes Mittel und Quecksilber sollten die Krankheit aus seinem Körper vertreiben, dazu kam eine strenge Diät und ein Verbot geistiger Arbeit (5, 19). Hier rekuriert Casanova wieder auf seine persönlichen Autoritäten im Medizinbereich, nämlich auf Hermann Boerhaave (1668–1738), das Haupt der Leidener Schule, dessen berühmtester wissenschaftlicher Schüler jener Albrecht von Haller war, dem er gleichfalls bereits begegnet war.

Casanova fürchtete nichts mehr als die Langeweile. Daturi, der sich gleichfalls langweilte, suchte außerhäusiges Vergnügen, kam jedoch eines Tages verprügelt zurück. Ihm fehlten drei Zähne, er bat Casanova um Rache an seinen Zechgenossen. Dieser schickte ihn jedoch nach Braunschweig vor. ‚Die verlorenen Zähne schützten ihn vor der Gefahr, unter die Soldaten gesteckt zu werden. Das war immerhin ein Trost.‘ Casanova war bereits nach einem Monat wieder vollkommen hergestellt, doch war er erschreckend abgemagert. Am Tag vor seiner Abreise erhielt er einen Brief von Frau du Rumain, die erfahren hatte, dass er Geld brauchte, und die ihm einen Wechsel von sechshundert Gulden auf Amsterdam als Kredit schickte. Sie starb, bevor er die Schuld begleichen konnte.

In Erinnerung an Gabriele beschloss er, über Hannover zu reisen. Er wollte sie auf dem Gut in Stöcken besuchen. Doch ließ er sich auf eine Einladung bei seinem englischen General ein, in dessen Haus er Redegonda und ‚ihre abscheuliche Mutter‘ antraf. Redegonda war vom Herzog von Braunschweig als ‚zweite Virtuosa‘ engagiert worden. Sie stieg am nächsten Morgen einfach in seine Kutsche ein und fuhr mit. Doch die Wege waren ‚entsetzlich‘, sie fuhren die ganze Nacht durch und kamen dann in Lippstadt an, um dann in Minden zu übernachten: fünf Stunden. ‚Sie war vollkommen gut und ließ sich nur der Form wegen ein bißchen bitten.‘ In einem Hannoveraner Gasthof trafen sie ‚den Kellner, der in Zürich gewesen war, als ich die Solothurner Damen bei Tisch bedient hatte. Miß Chudleigh hatte in dem hannoverschen Gasthof mit dem Herzog von Kingston gespeist und war dann nach Berlin weitergefahren.‘ Mutter und Bruder seiner Geliebten überraschten im Gasthof die beiden in flagranti, die Tochter konnte sie beruhigen. Casanova fuhr nun nach Braunschweig voraus.

Daturi, der ihn erwartet hatte, überredete ihn, ihn jenem ‚Signor Nicolini vorzustellen, dem Direktor des Stadt- und Hoftheaters‘, dessen Tochter Anna die Geliebte des Fürsten war. Am dritten Tag kam Redegonda zu Nicolini, offenbar wussten alle über Casanova und sie Bescheid. ‚Zwei Tage später kam der preußische Thronfolger von Potsdam an, um seine künftige Gemahlin zu besuchen; sie war die Tochter des regierenden Herzogs, und er heiratete sie im folgenden Jahre.‘ Ihn hatte er ‚am Tage nach seiner Aufnahme in die Londoner Bürgerschaft bei dem großen Picknick in Soho-Square kennen gelernt‘. Daturis Mutter war nach 22 Jahren zu Casanovas Bedauern ‚sehr häßlich‘ geworden. Bei einer Militärparade der 6000 Mann, über die der Fürst verfügte, traf er Chudleigh: ‚Miß Chudleigh war nur mit einem einfachen Kleide von indischem Musselin bedeckt und trug darunter nur ein Hemd, das offenbar von Batist war; der Regen hatte diese leichte Kleidung an ihren Körper angeklebt, so daß sie schlimmer als nackt aussah.‘ Dies schien sie jedoch nicht zu stören.

‚Da ich in Braunschweig nichts zu tun hatte, so gedachte ich mich nach Berlin zu begeben, um dort den Sommer angenehmer zu verbringen als in einer kleinen Stadt.‘ Gegen 2 % Abzug löste er bei einem Juden Frau Rumains Wechsel gegen Gold ein. Als dieser am nächsten Tag Sicherheiten verlangte, verprügelte Casanova ihn kurzerhand, der sagte, er sei bekannt. Der Prinz, dem die Sache zu Ohren gekommen war, übernahm es selbst, den Wechsel einzulösen, da ihm der Jude leid tat. Gut gemeint in den Augen Casanovas, war dies dennoch Ausdruck des Verzeihens: ‚… es genügt nicht, ein Fürst zu sein, ein ausgezeichnetes Herz zu haben, freigebig und großmütig zu sein, wie der jetzige Herzog von Braunschweig es ist; man muß auch Takt und die nötigen Kenntnisse haben, um nicht das Zartgefühl eines Menschen zu verletzen, dem man ein unzweideutiges Zeichen von Achtung und Wohlwollen geben will. Dieser Fehler ist allen Prinzen gemein; er rührt von ihrer Erziehung her, die sie selten auf das Niveau des Lebens ihrer Mitmenschen erhebt oder, wenn man will, erniedrigt.‘ Casanovas ‚Selbstgefühl war tief verletzt‘. Selbst den Wunsch nach einer guten Reise deutete er nun als Ausweisung.

Er reiste nach Wolfenbüttel, wo sich ‚die drittgrößte Bibliothek Europas‘ befand. Der Bibliothekar wollte ihm sogar die Handschriften in seine Wohnung bringen lassen, ‚die den besonderen Reichtum dieses schönen Instituts bilden‘. Die acht Tage in der Bibliothek zählte Casanova zu den schönsten Tagen in seinem Leben, ‚denn ich war nicht einen Augenblick mit mir selber beschäftigt‘. ‚Ich brachte von Wolfenbüttel eine große Menge Notizen über die Ilias und die Odyssee mit, die man bei keinem Scholiasten findet und die nicht einmal der große Pope kannte.‘ Er fürchtete, seine Aufzeichnungen würden verloren gehen, ‚ich selber werde nichts verbrennen, nicht einmal diese Erinnerungen, obgleich ich oft daran denke. Ich sehe voraus, daß ich niemals den richtigen Augenblick finden werde.‘

Nun fuhr er nach Braunschweig zurück, meldete sich bei Daturi. Bei Nicolinis trat ein Lakai mit dem ‚geprügelten Juden ein‘. Dieser meinte, er sei gestraft, dadurch, dass er seine Provision verloren habe, worauf Casanova sich mit ‚Ich wünschte, Sie hätten nur diese Strafe erhalten‘ gleichsam entschuldigte.

‚Ich liebte Redegonda und hatte sie in Braunschweig nur darum vernachlässigt, weil ich mich nicht in der Laqe befand, ihr ein hübsches Geschenk machen zu können.‘ Nun besuchte er sie, die ihm eine Virtuosa vorstellte, die er aus seiner Zeit aus Venedig kannte. Er erkannte aber auch, dass Redegonda inzwischen die Geliebte des Fürsten geworden war, der sich ebenfalls einfand. Er ‚war entzückt von meinem Lobe seiner Wolfenbüttler Bibliothek‘. Casanova riet ihr zur Treue und reiste Richtung Magdeburg ab. Auch er, so deutet er an, genoss die ‚Freuden der Tafel, der Liebe und des Spiels‘.

Ohne sich in Potsdam aufzuhalten, fuhr er nach Berlin, wo er zwei Monate blieb. ‚Die erbärmlichen Wege auf dem preußischen Sandboden waren schuld, daß ich drei Tage brauchte, um achtzehn deutsche Meilen zurückzulegen. Preußen ist ein Land, wo Gewerbefleiß und Gold Wunder wirken könnten; aber ich bezweifle, daß man jemals ein wohlhabendes Land daraus machen wird.‘

Er stieg im Hotel de Paris. Inhaberin war Madame Rufin. An ihrer Tafel saß ‚Baron von Treidel. Seine Schwester hatte den Herzog von Kurland, Johann Ernst Birlen oder Biron, geheiratet‘. Er wurde sein Freund, wie Casanova vermerkt. Dann ein ‚Hamburger Kaufmann, Namens Greve, nebst seiner Frau, die er kurz vorher geheiratet hatte‘, dann ‚ein sehr fröhlicher Herr, namens Noël; er war der einzige Koch Seiner Preußischen Majestät, die sehr große Stücke auf ihn hielt‘ – und dieser Koch hatte nur einen einzigen Gehilfen. Sein Sohn war ‚der Gesandte der französischen Republik im Haag‘. ‚Beiläufig möchte ich bemerken, daß ich trotz meinem Abscheu vor dem französischen Direktorium es durchaus nicht übel finde, wenn ein verdienstvoller Mann, ohne Rücksicht auf seine Geburt … zu Ämtern verwandt wird, die gewöhnlich nur den privilegierten Ständen offen stehen und oft genug von Dummköpfen verwaltet werden‘ (5, 18). Der ‚berühmte atheistische Arzt Lamettrie‘, ein fröhlicher Tischgenosse, starb an ‚Magenüberladung‘. Der König von Preußen habe die Leichenrede gehalten. Casanova notierte: ‚Übrigens war der große Friedrich niemals Atheist – er war Deist; darauf kommt es jedoch weniger an, da der Glaube an einen Gott niemals seine Lebensweise noch seine Handlungen beeinflußt hat.‘

Casanovas erster Besuch ‚galt Herrn Casalbigi, dem jüngeren Bruder dessen, mit dem ich mich im Jahre 1757 in Paris zusammengetan hatte, um dort Lotterien einzurichten‘. Er hatte in Brüssel eine Lotterie eingerichtet, war aber 1762 bankrottgegangen. Er überredete den König, eine ‚Lotterie in seinem Staate einzuführen, ihm die Leitung anzuvertrauen und ihm den Titel eines Staatsrats zu geben‘. Er verlangte allerdings nur 10 % der Einnahmen. Da sich der König vor einem unglücklichen Lotterieausgang fürchtete, wollte er ‚die Lotterie nicht mehr auf seine eigene Rechnung führen; er überlasse sie ihm und begnüge sich in Zukunft mit hunderttausend Talern jährlich. Soviel kostete ihm sein italienisches Theater jährlich.‘ Genau an diesem Tag besuchte Casanova jenen Casalbigi. Dieser wollte Casanova dafür gewinnen, seine Entscheidung zurückzunehmen, was dieser für unmöglich hielt, da der König nur von seiner Furcht befreit sein wollte. Die 24- bis 25-jährige Frau Casalbigis war ‚Fräulein Bélanger‘, ihre Mutter war die Witwe eines Börsenmaklers, die er aus Paris kannte. Es stellte sich aber heraus, dass Casalbigis Frau noch lebte, Bélanger also nicht mit ihm verheiratet sein konnte. Ihre Mutter war vor drei Jahren gestorben. Zu dieser Zeit gab Casalbigi einem Genuesen namens Brea den Auftrag, einen Ersatz für seine bereits schwer kranke Frau zu finden. Sie sollte bei Ankunft wie seine Frau behandelt werden, dazu reich ausgestattet. Als Casanova sie antraf, war sie bereits seit sechs Monaten bei Casalbigi. Sie fürchtete seinen Bankrott, und auch den Spott über ihren angeblichen Status als Ehefrau.

Sein Plan sah vor, alle ‚Kapitalisten‘ dazu zu bewegen, mit ihrem Namen für Gewinne einzustehen, nicht jedoch, Geld einzuzahlen. Dafür sollten sie entsprechend ihrer Garantiesumme an den Gewinnen beteiligt werden. Casanova rechnete dagegen mit einem Grundbedarf von einer Million statt zwei Millionen. ‚Diese Million müßte in hundert Aktien zu je zehntausend Taler geteilt werden‘, hinzu käme eine notarielle Verpflichtung, eine Dividende jeweils am dritten Tag nach der Ziehung, bei Verlusten das Wiederaufstocken des Aktienanteils. Hinzu kamen allerlei Kontrollmaßnahmen und Verteilungsschlüssel. Doch Casalbigi gefiel sein Plan nicht. Wie es der Zufall wollte, verlor die Lotterie bei der letzten königlichen Ziehung zum ersten Mal, nämlich 20.000 preußische Taler (5, 18).

Wie Casanova vermerkt, stellte er sich am fünften Tage nach seiner Ankunft in Berlin ‚Mylord Keith‘, den er zuletzt in London gesehen hatte. Nachdem ihm seine Güter entzogen worden waren, weil er sich auf die Seite von König James geschlagen hatte, erreichte der preußische König die Wiedereinsetzung in seinen Besitz. Keith lebte in Berlin, wo er ‚immer noch ein Liebling des Königs‘, ‚mischte sich aber wegen seines hohen Alters in keine Hofangelegenheiten mehr ein‘ – er war zu dieser Zeit jenseits der 70. Casanova war überaus erstaunt, dass man den König direkt anschreiben könne, um eine Audienz zu erbitten – ohne Vermittlung. Friedrich, so Keith, bilde sich viel auf seine Menschenkenntnis ein, und seine Fähigkeit Talente einzuschätzen. Tatsächlich antworte der König schon nach zwei Tagen, er unterschrieb mit ‚»Frédéric«‘. In ‚einen einfachen schwarzen Anzug gekleidet, begab ich mich um drei Uhr nach Sanssouci.‘ Von einem Aufseher – man konnte sich überraschenderweise frei im Park bewegen –: »Er ist in diesem Augenblick bei seinem kleinen Konzert, wo er die Flöte spielt. Das tut er jeden Tag nach Tisch. Hat er Ihnen die Stunde bezeichnet?«‘ Pünktlich sah er ihn ‚mit seinem Vorleser und einer hübschen Windhündin erscheinen‘. Der König sprach ihn barsch an. ‚Überrascht von diesem Empfang, konnte ich kein Wort hervorbringen; ich sah ihn nur an, ohne ihm zu antworten.‘ »Nun, so sprechen Sie doch! Haben Sie mir denn nicht geschrieben?« Der König fragte ihn, was er von dem Park halte, dass Versailles doch schöner sei. Casanova antwortete, dass dem so sei, aber dass dies an den Wasserkünsten liege. Friedrich habe 300.000 Taler erfolglos in solche Künste gesteckt. Er fragte, ‚welche Streitkräfte Venedig im Kriegsfalle zu Wasser und zu Lande habe‘, woraufhin Casanova meinte: »Zwanzig Schlachtschiffe, Sire, und eine große Menge Galeren.« Venedig könne 70.000 Mann auf die Beine stellen. Friedrich glaubte ihm nicht. Casanova empfand die Szene, wie eine Improvisation auf der Bühne, und er begann, sich dementsprechend zu verhalten. Freimütig meinte er über die drei Steuerarten: ‚»Die königliche Steuer, Sire, ist diejenige, die die Börsen der Untertanen erschöpft, um die Geldkisten des Herrschers zu füllen.«‘ Sie sei schädlich, denn sie schade dem Geldumlauf, der die Seele des Handels und die Stütze des Staates sei. Die Kriegssteuer sei notwendig, wenn auch der Krieg ein Übel sei. Die Steuer, die dem Volk diene, sei stets ausgezeichnet, ‚denn der König nimmt seinen Untertanen mit der einen Hand und gibt ihnen mit der anderen; dadurch erzieht er sie zu gemeinnützigem Denken. Er begründet die notwendigen gewerblichen Unternehmungen, beschützt Wissenschaften und Künste, die dazu beitragen, das Geld in Umlauf zu bringen; endlich erhöht er das allgemeine Wohlbefinden durch die Verordnungen, die ihm seine Weisheit eingibt, um diese Steuer so zu verwenden, wie sie den Massen am besten nützt‘. Die Lotterie hielt Friedrich allerdings für eine ‚»Gaunerei«‘. Nach weiteren Themen sah der König den Venezianer an und meinte: ‚»Wissen Sie, Sie sind ein sehr schöner Mann.«‘ Vorsichtig wies er dieses Kompliment zurück, denn seine Grenadiere brächten diese Tugend ebenfalls mit, doch hätten sie keine lange wissenschaftliche Unterhaltung geführt. Friedrich ‚lächelte fein, aber freundlich und gütig‘. Er nahm den Hut ab und grüßte, woraufhin sich Casanova entfernte.

Casalbigi machte einen Gewinn von rund 100.000 Talern mit seiner Lotterie. Daraufhin gewann er ‚ohne jede Mühe Bürgen für eine Million Taler‘. Doch nach zwei, drei Jahren ging er bankrott und starb verarmt in Italien. Seine „Witwe“ heiratete und kehrte vermögend nach Paris zurück.

Casanova sah die ‚berühmte Denis‘ in Charlottenburg auf der Ballettbühne, seine erste, inzwischen 26 Jahre alte Liebe, wie er schreibt. Sie war zu jenem Zeitpunkt acht Jahre alt gewesen, er selbst zehn. Noch immer musste er über seine ‚kindliche Galanterie‘ lachen, da sie die erste war, der er ein Geschenk machte. Er hatte ihr einen Ring ‚aus Liebe‘ geschenkt, allerdings von geliehenem Geld; seiner Mutter versprach er, ‚es solle der letzte Fehltritt sein, den ich aus Liebe begehen werde‘ (5, 19). Sie war ein Patenkind seiner Mutter. Seither hatte er das Mädchen nie wieder gesehen. Nun war ihr Mann vom König ausgewiesen worden, ‚weil er sie mißhandelt‘ hatte. Casanova konnte bezeugen, dass sie nicht 36, wie man ihr unterstellte, sondern 26 Jahre alt war – eine ‚Lüge, die bei einer Frau ihres Berufes sehr unschuldiger Art war‘. ‚Die Verheimlichung ihres Alters ist für Theaterdamen gewissermaßen eine Pflicht; denn sie wissen, daß trotz allen ihren Talenten das Publikum ihnen niemals verzeiht, daß sie zu früh geboren sind.‘ So konnte sich Casanova im Übrigen auch zehn Jahre jünger machen. Dieser fragte nach einem Liebhaber, doch hatte sie keinen, denn sie ‚leide an Krämpfen, die mich unglücklich machen‘, wie sie ihm gestand. Sie wollte in die Bäder nach Teplitz gehen, wo man ‚Nervenkrankheiten‘ behandelte, doch gestattete ihr der König dies nicht.

Beim Besuch in ihrem Haus war er wieder ganz in der Theatergesellschaft. ‚Der erste, der auf mich zukam und mich wie einen alten Bekannten umarmte, war ein junger Tänzer, namens Aubry, den ich in Paris als Opernstatisten und später in Venedig gekannt hatte. Er war dadurch berühmt geworden, daß er gleichzeitig der Liebhaber einer der vornehmsten Damen Venedigs und der Liebling ihres Gatten gewesen war. Man behauptete, diese skandalöse Verbindung sei so innig gewesen, daß Aubry zwischen den beiden Gatten geschlafen habe. Nach Schluß der Opernsaison schickten die Staatsinquisitoren ihn nach Triest.‘ Auch seine Petersburger Frau ‚La Santina‘ war anwesend, eine Tochter des Geigers Giuseppe da Loglio, ‚der in ganz Europa berühmt‘ war. Zudem traf er dort auf den Cellisten Giuseppe da Loglio, den er vor 25 Jahren bei Doktor Gozzi kennen gelernt hatte. Dieser war auf dem Weg zu Casanovas Mutter nach Dresden. Das Thema des Abends war aber ‚die große Katharina‘. Diese ‚Verschwörung‘ sei von dem Piemontesen ‚Audar‘ ausgeheckt worden, der wenige Jahre später auf seinem Landgut vom Blitz erschlagen wurde (5, 19). Da Loglio und seine Frau brachten ihn auf die Idee, nach Petersburg zu gehen; von ihnen erhielt er gute Empfehlungen.

Als Denis ‚nach einem Abendessen von Krämpfen wurde‘, blieb er die ganze Nacht bei ihr, ‚ging nicht einen Augenblick von ihrer Seite‘. Ihr ‚Liebesverhältnis dauerte bis zu meiner Abreise von Berlin‘ (sechs Jahre später sollte er sie wieder in Florenz treffen). Sie galt allgemein, wieder einmal, als seine Nichte. So reisten sie nach Potsdam, ‚mir dort alle Sehenswürdigkeiten zu zeigen‘, dort sah er auch den König beim Kommandieren seiner Garde-Grenadiere, ,die sich ebensosehr durch ihre Tapferkeit wie durch ihre Schönheit auszeichnen‘. Casanova meinte über Maria-Theresia, die, porträtiert als junge Frau über seinem Bett hing: ‚Friedrich hatte sich in sie verliebt, weil er Kaiser zu werden wünschte.‘ Der König hatte ‚ein armseliges Zimmer; ein schmales Bett, das hinter einem Schirm stand. Kein Schlafrock, keine Pantoffeln. Der Kammerdiener zeigte uns eine alte Mütze, die der König aufsetzte, wenn er erkältet war.‘ ‚Vor einem Kanapee stand ein Tisch, der mit Papieren, Federn, einem Tintengeschirr und halbverbrannten Heften bedeckt war: dies war der Schreibtisch Seiner Preußischen Majestät. Der Kammerdiener sagte uns, diese Hefte seien die Geschichte des letzten Krieges; der Unfall, bei dem die Hälfte angebrannt seien, habe den König so sehr geärgert, daß er das Werk nicht fortgesetzt habe.‘ Er habe es zwar dennoch vollendet, doch maß man dem posthum veröffentlichten Werk ‚keinen großen Wert bei‘. Der König bewilligte ihm ‚eine Stelle als Erzieher an einer soeben geschafften Kadettenschule für pommersche Junker‘. Jeder der fünf ‚Gouverneure‘ hätte drei 12- bis 13-jährige pommersche Kadetten gehabt – ‚er erhielt sechshundert Taler Gehalt und dasselbe Essen wie die Kadetten‘. Casanova lachte heimlich, besichtigte aber dennoch die notdürftigen Unterkünfte. Zufällig erschien in diesem Moment der König mit seinem ‚Freund Quintus Icilius‘. Vor seinen Augen demütigte der König einen der Gouverneure für eine Nachlässigkeit eines der Kadetten. Casanova war danach eine Begegnung mit dem König so zuwider, dass er es vorzog seine Absage über den Lord Marishal übermitteln zu lassen, der ihm ja auch das Angebot mitgeteilt hatte.

Casanova beschloss, nach Russland zu reisen. Baron Treidel bestärkte ihn zu seinem ‚mutigen Entschluß‘, ‚indem er sich erbot, mir eine Empfehlung an seine Schwester, die Herzogin von Kurland, mitzugeben‘. Herrn von Bragadino bat er um eine Empfehlung an einen Petersburger Bankier, der ihm ‚jeden Monat die Summe auszahlen würde, deren ich zu einem bequemen Lebensunterhalt bedürfte‘. ‚Anstandshalber‘ brauchte er einen Bedienten, den er in dem Lothringer Lambert fand, auch wenn er stotterte. Er hatte in einem Streit in Straßburg einen Mann erdolcht und war daraufhin zu Fuß nach Berlin gegangen. Casanova schrieb an den zu dieser Zeit in Straßburg lebenden Herrn von Schauenburg, ob er die Geschichte bestätigen könne. Dort war der Mann unbekannt, auch sei niemand in dem besagten Regiment ermordet worden. Lambert, der die Geschichte erfunden hatte, um als tapfer und damit geeignet für den Soldatenberuf zu erscheinen, räumte ein: ‚Die Armut ist eine schlechte Lehrmeisterin, die einen zu den übelsten Sachen treibt; ich bin von Natur nicht lügenhaft‘. Lambert war mathematisch begabt. ‚Er sprach schlecht französisch; da er aber Lothringer war, so wunderte ich mich nicht darüber.‘ ‚Er wußte sich auch nicht zu benehmen und betrug sich wie ein richtiger Bauernjunge.‘ Auch die Rechtschreibung beherrschte er nicht. Dennoch wollte Casanova ihn anstellen.

Nun machte ‚Baron Bodisson aus Venedig, der dem König ein Gemälde des Andrea del Sarto verkaufen wollte, mir den Vorschlag, ihn nach Potsdam zu begleiten.‘ Wie erwartet, traf Casanova dort den König, der ihn fragte, wann er nach Petersburg aufbrechen wolle. Friedrich äußerte die Erwartung, dass Casanova bei der Durchreise über Russland berichten würde, und meinte, dass seine Empfehlungen an Bankiers besser seien als eine an die Kaiserin, die er ja nicht besaß; er wünschte ihm knapp »Adieu!«.

Den letzten Abend verbrachte er mit Denis, die ihm seine Postkalesche abkaufte. Er hatte 200 Dukaten, und diese hätten für die Reise genügt, wenn er nicht in Danzig die Hälfte davon verspielt hätte.

Kurland, Riga, Sankt Petersburg, Moskau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie immer ebneten Empfehlungen den Weg: ‚Ich … erhielt vom Baron Treidel einen Brief an den Großkanzler Herrn von Keyserlingk in Mitau mit einer Einlage für seine Schwester, die Herzogin von Kurland. … In Königsberg, wo ich an den Gouverneur Feldmarschall von Lehwald empfohlen war, blieb ich nur einen Tag, um die Ehre zu haben, bei dem liebenswürdigen alten Herrn zu speisen. Er gab mir einen Empfehlungsbrief an seinen Freund, den General Wojakoff, Gouverneur von Riga‘ (5, 19). Binnen drei Tagen reiste er von Mitau, um ‚als großer Herr ankommen zu können‘ mit einem viersitzigen Wagen mit sechs Pferden, nach Memel. Dort überhäufte ihn eine Florentiner Sängerin namens Bigonci, die angab, Casanova noch in der Soutane als Kind zu kennen. Sie wohnte sechs Jahre später mit der Denis in Florenz zusammen. Unterwegs versuchte ein Jude ihn zum Verzollen seiner Waren zu veranlassen, da er auf polnischem Gebiet sei. Casanova griff – nicht zum ersten Mal – zur Pistole und prügelte den Mann in die Flucht. Der Postillon hatte ‚mit seinem deutschen Phlegma‘ derweil nichts unternommen, sein Bedienter wollte den Eindruck vermeiden, sie wären zu zweit über den Mann hergefallen. Als sie nach zwei Tagen in Mitau ankamen, es war Anfang Oktober 1764, gegenüber dem Schloss, hatte er nur noch drei Dukaten.

Mit seinem Brief, den ihm von Treidel mitgegeben hatte, ging er zu Herrn von Keyserlingk. Von dessen Gattin wurde er zu einem Maskenball eingeladen. Wieder gegenüber einem Juden erklärte er sich ‚bereit, hundert [Dukaten] zu nehmen, um ihm einen Gefallen zu tun. Er zählte mir mit dankbarer Miene sofort hundert Dukaten auf, und ich gab ihm dafür eine Anweisung auf den Bankier Demetrio Papanelopulo, für den da Loglio mir einen Brief mitgegeben hatte‘. Diesen Dienst erlangte er, weil er der polnischen Zofe der Frau Keyserlingks seine letzten drei Dukaten gegeben hatte – er nannte es seine ‚Renommisterei‘. Diese bewirkte jedenfalls den Eifer des Juden, dessen Namen Casanova wie so oft nicht nennt.

Ernst Johann von Biron, Porträt aus den 1760er Jahren

Wie üblich wurde er auf dem Fest vorgestellt, hier dem ‚berühmten‘ Herzog Biron oder Birlen und seiner Frau. Ihn bezeichnete Casanova als ‚früheren Günstling der Kaiserin Anna Iwanowna, der nach dem Tode dieser Herrscherin Regent von Rußland gewesen und hierauf zu zwanzigjähriger Verbannung nach Sibirien verurteilt war‘. Die Herzogin eröffnete mit ihm als geladenem Gast die Polonaise, die Casanova nicht kannte. Seine ‚elf Tischgenossinnen waren Matronen, die schon längst das Vorrecht verloren hatten, Männern den Kopf zu verdrehen‘. Offenbar kaufte man Kleider üblicherweise bei Juden, denn auch diesmal schickte er Lambert aus, sich einzukleiden.

Aus dem Stegreif veranlasste man ihn, einen Vortrag über Bergbau zu halten, während ein ‚alter Kammerherr, dem alle Bergwerke von Kurland und Samland unterstanden‘ anwesend war. Da Casanova dies nicht ahnte, plauderte er, mit Erfolg, drauflos, was den Herzog im Glauben bestärkte, er sei bei dieser Thematik sehr beschlagen. Er lud Casanova ein, mit ihm die Bergwerke zu besuchen, wobei sie Lambert mit seinen Rechenfertigkeiten begleitete. Die anderen Begleiter waren ‚bis an die Zähne bewaffnet‘. ‚Unsere Rundfahrt dauerte vierzehn Tage, und wir besuchten fünf Kupfer- oder Eisenwerke.‘ Casanova gab eine Reihe von Hinweisen zu Einsparungen, ließ aber auch Kanäle trocken legen, um ‚Schwefel und Vitriol‘ gewinnen zu können. Er freute sich, dass er sich hatte nützlich machen können. ‚Auch freute ich mich, in mir ein Talent entdeckt zu haben, von welchem ich bisher keine Ahnung gehabt hatte.‘ Dafür erhielt er ‚vierhundert Albertstaler, die mir der Kassierer in schönen Mitauer Dukaten auszahlte. Der Albertstaler gilt einen halben Dukaten.‘ Mit Lambert brach er nach Riga auf und er ‚schickte sofort dem Prinzen Karl den Brief seines Vaters‘.

Dieser 36-jährige ‚Generalmajor in russischen Diensten, Ritter des Alexander-Newskis-Ordens‘ ‚bot mir seinen Tisch, seine Gesellschaft, seine Vergnügungen, seinen Marstall, seinen Rat und seine Börse an, und er tat es mit jenem freimütigen Ton, der einem Soldaten so gut ansteht, und mit jener herzlichen Güte, die eigentlich eine unzertrennliche Eigenschaft aller Fürsten sein sollte.‘ Bei ihm befand sich jener Tänzer Campioni, den er immer wieder traf (5, 20). Dieser hatte Schulden in Petersburg zurückgelassen, hatte mit seiner englischen Frau Betty, die eine 11-jährige Tochter in die Ehe einbrachte, weitere Kinder. Die Schuld belief sich auf 500 Rubel, bzw. 2000 Francs. Ähnlich wie der Baron von Ste.-Héleine, der gleichfalls verschuldet war, bereitete er seine Flucht nach Polen vor. General Wojakoff ‚war vor fünfzig Jahren in Venedig gewesen, als die Russen noch Moskowiter genannt wurden und der Gründer oder Schöpfer von Petersburg noch lebte‘. Von Collins, einem englischen Kaufmann, erfuhr er von der Hinrichtung des Barons Stenau, dessen gefälschtem Wechsel Casanova die Flucht aus London zu verdanken hatte. Auch er war nur seinem Glück nachgejagt. ‚Der liebe Gott schenke ihm seinen Frieden.‘

Wegen eines großen Betruges beim Glücksspiel wurde dies fortan auch den Stabsoffizieren untersagt. Der dahinter steckende Russe hatte zugleich als Spion gegen die Zarin Elisabeth agiert: ‚Nach Elisabeths Tode machte Peter der Dritte den Halunken zum Vorsitzenden des Handelsgerichts, und dieser veröffentlichte mit Ermächtigung des neuen Zaren die von ihm geleisteten Dienste, die ihm diese schöne Belohnung eingetragen hatten: er rühmte sich also seines abscheulichen Vorgehens, statt sich dessen zu schämen. Peter wußte offenbar nicht, daß man aus Politik zuweilen ein Verbrechen belohnt, daß man aber den Verbrecher stets verachtet.‘

Alexei Petrowitsch Antropow: Katharina kurz bevor sie zur Zarin erhoben wurde. Casanova: ‚Obwohl sie nicht schön war, hatte sie etwas an sich, was gefiel: sie war groß, gut gewachsen, freundlich, leutselig und besonders von einer Ruhe, die sie nie verließ.‘ Und: ‚Die Kaiserin war von mittlerer Größe, gut gewachsen und von majestätischer Haltung. Sie besaß die Kunst, allen Liebe einzuflößen, von denen sie glaubte, daß sie neugierig seien, sie kennen zu lernen. Ohne schön zu sein, war sie doch sicher, durch ihre Sanftmut und Liebenswürdigkeit zu gefallen, besonders aber durch ihren Geist, dessen sie sich mit feinstem Takt bediente, um den geringsten Anschein von Anmaßlichkeit zu vermeiden, und dies war um so bewunderungswürdiger, da sie mit bestem Recht eine sehr gute Meinung von sich selber haben durfte‘ (6, 1).

Als Zarin Katharina in Riga erschien, wurde er ‚Zeuge der Liebenswürdigkeit und der anmutigen Freundlichkeit, womit sie die Huldigungen des livländischen Adels entgegennahm: alle adligen Fräuleins, die ihr die Hand küssen wollten, küßte sie auf den Mund‘ (5, 20). Just in dieser Zeit drohte in Russland ein Umsturz, als Aufständische versuchten, den ‚unglücklichen Iwan Iwanowitsch‘ zu befreien. Seine beiden Wächter töteten ihn, als sie erkannten, dass sie seine Befreiung nicht verhindern konnten. So sah sich die Zarin, deren Alter Casanova mit 35 angibt, gezwungen, ‚Mitau schon vierundzwanzig Stunden nach ihrer Ankunft wieder zu verlassen‘. Die Orloffs hatten in Russland das Glücksspiel verboten, obwohl sie selbst dadurch reich geworden waren. Doch zog dies zu viele Gauner an. Ein solcher erschien auch bei Casanova; er war einst Fechtmeister am russischen Hof. Mit 100.000 Rubel ging er an den Hof des Königs Stanislaus, ,wo alle Spiele erlaubt waren‘. ‚In Riga stellte Ste.-Héleine ihn dem Prinzen Karl vor, der ihn bat, am nächsten Tage mit dem Florett gegen ihn und einige Freunde seine Kunst zu zeigen. Ich hatte die Ehre, dabei zu sein. Er verdrosch uns alle ganz gehörig, denn seine Geschicklichkeit war wirklich teufelsmäßig.‘ Doch in Warschau fiel er noch größeren Gaunern zum Opfer.

Johann Baptist Homann: Karte von Petersburg um 1716/1717
Karte von 1753

Insgesamt war Casanova zwei Monate in Riga. Am 15. Dezember reiste er ‚bei fünfzehn Grad Kälte‘ von dort ab. Zuvor ‚reiste Campioni mit Unterstützung des trefflichen Prinzen Karl in aller Heimlichkeit ab. Drei oder vier Tage später folgte ihm der Baron von Ste.-Héleine, ohne sich von seinen zahlreichen Gläubigern zu verabschieden.‘ Mit dem sechsspännigen Schlafwagen Campionis fuhr Casanova nach Petersburg; ‚während der sechzigstündigen Fahrt verließ ich meinen Schlafwagen nicht ein einziges Mal.‘ Ein Franzose bediente ihn auf seiner Reise dafür, dass er auf dem Kutschbock sitzen durfte. ‚Nur ein Franzose kann derartige Temperaturunterschiede aushalten; ein Russe würde in einer so leichten Kleidung wie mein Franzose in vierundzwanzig Stunden erfroren sein, trotz allem Kornbranntwein, den er trinken würde.‘ Lambert hingegen ‚war langweilig, denn er war dumm; aber dieser Eigenschaft verdankte er den Vorzug, sich selber niemals zu langweilen.‘ Nur einmal hielt die Kutsche an, nämlich in Narwa, als Casanova einen Pass zeigen musste, den er jedoch nicht besaß. Nachdem er erklärt hatte, Venedig liege mit niemandem im Krieg, ‚gab der Gouverneur mir einen Passierschein, den ich noch jetzt aufbewahre‘. ‚Ingermannland‘ fand er öde ‚und man spricht nicht einmal russisch‘. Die Sprache hatte mit keiner anderen etwas zu tun, wie Casanova festhielt, die Bevölkerung raubte die Wagen der Reisenden. Casanova kam in Petersburg genau zur Wintersonnenwende an, und so wusste er, dass dort der längste Tag des Jahres ‚achtzehn und dreiviertel Stunden‘ dauerte.

Ab Ende Dezember 1764 hielt sich Casanova für neun Monate in Sankt Petersburg auf. Zunächst bewunderte er die russischen Öfen: ‚Diese Öfen werden nur einmal in vierundzwanzig Stunden geheizt, weil man eine oben angebrachte Klappe schließt, sobald das ganze Holz in glühende Kohlen verwandelt ist.‘ Im Falle, dass eine hochgestellte Persönlichkeit wegen mangelhafter Wartung dieser Klappen erstickte, so wurde der Bedienstete sogleich aufgehängt. Dies betrachtete man laut Casanova als Schutzmaßnahme vor Rachegelüsten des Personals. ‚Die Umgangssprache in St. Petersburg, ausgenommen in den Kreisen des niedrigsten Volkes, war die deutsche.‘

Auf einem Fest mit wohl 5000 Besuchern erschien auch Katharina und Gregor Orloff. Nicht jeder erkannte sie, und so konnte sie hoffen ‚Wahrheiten‘ statt Schmeicheleien zu erfahren. Neben Casanova stellte sich ein Venezianer, ‚aber an dem Worte sabato Samstag, das man in Venedig sabo ausspricht, erkannte ich, daß er zwar Venetianer war, aber nicht aus der Hauptstadt stammte.‘ Er nannte sich Graf Volpati von Treviso. Auch erkannte er Baret, ‚die Strumpfhändlerin von der Ecke der Rue St. Honoré!‘ Sie sang und tanzte, war über verschiedene Liebschaften nach Petersburg gekommen.

Casanova registriert die Preisveränderungen seiner Zeit nur gelegentlich: Papanelopulo ‚besorgte mir einen Bedienten … sowie ein Mietsfuhrwerk für achtzehn Rubel monatlich, etwas mehr als sechs Dukaten. Eine Billigkeit, die heutzutage nicht mehr vorhanden ist.‘ Auch manchen Usus registriert er: ‚Der Graf wollte abreisen; seine Abreise war bereits in der Petersburger Zeitung angekündigt, wie es damals in Rußland Vorschrift war. Niemand bekam einen Paß früher als vierzehn Tage, nachdem seine Abreise öffentlich angekündigt war.‘ Beim Glücksspiel galt: ‚Es ist eine stillschweigende Bedingung, daß derjenige, der auf Wort verliert, nur bezahlt, wenn er will; der Gewinner würde sich lächerlich machen, wenn er ihn an seine Schuld erinnern würde‘ – einige Glücksspieler gingen sogar ins Ausland, um mit ihren Betrügereien ein Vermögen heimzubringen.

Casanova machte die Bekanntschaft des englischen Gesandten Macartney, eines, wie er schreibt, ,schönen und geistvollen jungen Mannes, der ein großer Freund des Vergnügens war. Er hatte sich in ein Fräulein von Schitroff, eine Hofdame verliebt. Die Kaiserin hatte diese ‚englische Freiheit sehr unverschämt gefunden‘, zumal ein Kind daraus hervorgegangen war; ‚sie ließ den Verführer abberufen‘ (5, 20). Nur einen einzigen Gelehrten lernte Casanova in Russland kennen, nämlich den Minister Alsuwieff. Über diesen lernte er den ‚Kabinettssekretär Teploff‘ kennen. Er hatte ‚das Verdienst, Peter den Dritten erdrosselt zu haben, als dieser durch den Genuß von Limonade die Wirkungen des Arseniks beseitigt hatte, das man ihm in einer Flasche Burgunder hatte trinken lassen‘ (5, 20). Über die ‚Tänzerin Mécour, der ich einen Brief von der Santina überbracht hatte‘, lernte er ihren Liebhaber kennen, ‚den dritten Kabinettssekretär Yelagin, der zwanzig Jahre in Sibirien verbracht hatte‘.

Über weitere Empfehlungen und Einladungen lernte er Künstler ebenso kennen, wie Angehörige des Hofstaates und der Verwandtschaft der Zarin, aber auch Fürstin Daschkoff: ‚diese ist jetzt Vorsitzende der Akademie der Wissenschaften, und ohne Zweifel haben die Gelehrten in ihr eine zweite Minerva erkennen müssen, denn sonst würden sie wahrscheinlich darüber erröten, daß eine Frau an ihrer Spitze steht‘ (5, 20). Auch beobachtete er die Kindertaufe im Eiswasser der Newa. Als ein Kind ertrank, glaubten die Eltern es sei direkt in den Himmel aufgefahren: ‚Glückliche Unwissenheit!‘

An dieser Stelle erwähnt Casanova einen Vorgang, den er wohl vergessen hatte: Vor 20 Jahren war er der Venezianerin Roccolini begegnet, die – ohne Engagement und ohne Ausbildung – als Sängerin nach Petersburg gegangen war. Sie wurde die Kupplerin der schönsten Frau Petersburgs, wie Casanova vermerkt, einer Proté. Roccolinis Bruder ‚Montellato‘ ‚hatte mich eines Nachts, als ich vom Ricotto kam, mitten auf dem Markusplatze ermorden wollen. Bei der Roccolini hatte man das Komplott geschmiedet, das mir das Leben gekostet hätte, wenn ich einen Augenblick gezögert hätte, durch das Fenster auf die Straße zu springen (5, 20)‘. Zugunsten der Proté verzichtete er auf seine Liebschaft mit der Anglade, die wenige Monate später an den Pocken starb. Für hundert Rubel kaufte er eine schöne Bauerntochter als Leibeigene. Einer der Adligen bot ihm an, einen ganzen Harem zu kaufen, doch Casanova antwortete: ‚»Wenn ich verliebt bin, brauche ich nur eine«‘. Um sie nicht zu beleidigen musste er ihre Jungfräulichkeit feststellen. ‚Ich untersuchte sie daher so zartfühlend, wie ich nur konnte, aber ganz gründlich, und fand sie unberührt. Allerdings würde ich sie sicherlich nicht verraten haben, selbst wenn ich sie nicht als Jungfrau gefunden hätte.‘ Nun wurde der Vertrag unterzeichnet, Casanova gab ihr den Namen Zaïra. Binnen drei Monaten lernte sie Italienisch, es ‚dauerte nicht lange, so liebte sie mich‘ – sie erinnerte ihn an eine Psyche-Statue in der Villa Borghese. Er selbst sagte, er hätte sie nicht entlassen, wäre sie nicht so eifersüchtig gewesen, und hätte sie nicht so sehr an die Antworten der Karten geglaubt. Lambert entließ er aus seinem Dienst: ‚Er betrank sich jeden Tag, und dann war er ein unausstehlicher Flegel.‘ Er trat später in österreichische Dienste sein.

Mit der 14-jährigen Zaïra reiste er nach Moskau (die Erzählung springt nun immer wieder zwischen Petersburg und Moskau hin und her), ging mit ihr ins ‚Russische Bad‘, wohl eine Sauna. Dort sah man sich nicht gegenseitig an. Jedoch litt das Mädchen unter Eifersucht und Casanova rechtfertigte sein Verhalten ihr gegenüber – er hatte sie geschlagen – folgendermaßen: ‚Der Leser möge sich darüber nicht wundern: es war das beste Mittel, ihr zu beweisen, daß ich sie liebte. Die russischen Frauen sind nun einmal so. Wenn sie ihre Schläge bekommen hatte, wurde sie allmählich wieder zärtlich, und die Liebe vollendete die Versöhnung.‘ Andererseits trieb sich Casanova mit einem Hamburger namens Bomback herum, der eine Französin namens Rivière zu verkuppeln suchte, um ihren gemeinsamen Lebensunterhalt zu verdienen. Auch traf er auf ‚Lustknaben‘: ‚Um zu wissen, ob ich bei dem Anblick seiner Schönheit kalt bleiben könnte, bemächtigte er sich meiner und nahm, in der festen Überzeugung, daß er mir gefalle, eine geeignete Stellung ein, um, wie er sagte, ihn und mich glücklich zu machen. Ich gestehe zu meiner Schande, daß es vielleicht dazu gekommen wäre, wenn die Rivière sich nicht geärgert hätte, daß in ihrer Gegenwart ein Lustknabe sich ihre Rechte anzumaßen wagte; sie nötigte ihn daher, seine Heldentaten noch aufzuschieben.‘ Schließlich kam es zu einer ‚Orgie‘, in deren Mittelpunkt die Rivière stand, bei der Casanova aber nur zusah, wie er betont. Als er zu Zaïra zurückkehrte, hatte diese aus den Karten gelesen, was er getrieben hatte. Sie versuchte, ihm eine Flasche an den Kopf zu werfen, schlug selbst ihren Kopf auf den Boden, so dass Casanova glaubte, sie sei wahnsinnig geworden. Wieder begründete Casanova: ‚In Rußland ist das Prügeln absolut notwendig; denn Worte haben keine Macht. Ein Bedienter, eine Geliebte, eine Frau von gewöhnlichem Stande kennen nur den Stock.‘ Die russischen Bedienten seien die Treuesten, doch würde man sie nicht prügeln, würde man selbst geprügelt. Ähnlich urteilte er über russische Soldaten: ‚Mit einer Anrufung des Ehrgefühls ist bei ihm nichts anzufangen; aber mit Schlägen und Branntwein kann man von ihm alles erlangen, was man will, nur keine Heldentaten‘ (5, 21). An letzterem, der Alkoholkrankheit, kranke das ganze Volk.

Casanova wusste offenbar nichts von der Wirkung der Kälte, insbesondere von Erfrierungen, war aber, wie immer, an medizinischen Fragen interessiert: ‚Als ich eines Tages bei sehr starkem Frost im Schlitten nach Petersburg zurückfuhr, bemerkte ein Russe, daß ich in Gefahr war, ein Ohr zu verlieren. Sofort rieb er mich mit einer Handvoll Schnee, bis der ganze knorpelige Teil durch diese Reibung sich wieder belebt hatte. Als ich ihn fragte, woran er die Gefahr erkannt hätte, antwortete er mir, man sehe es leicht an der bläulich-weißen Farbe; diese sei ein untrügliches Kennzeichen, daß das Fleisch erfriere. Überraschend war für mich, und es scheint mir noch heute unglaublich, daß zuweilen der verlorene Körperteil wieder wächst.‘ Mehrere Zeugen, darunter Prinz Karl von Kurland, behaupteten selbst erlebt zu haben, dass ihre erfrorene Nase nachgewachsen wäre.

Eines der Bauwerke Rinaldis am Ufer der Newa in Petersburg

Zarin Katharina II. ließ durch ihren Baumeister Rinaldi ein riesiges hölzernes Amphitheater für 100.000 Besucher errichten. Dort sollte der gesamte Adel an einem Turnier teilnehmen, doch sollte dieses erst am ersten schönen Tag stattfinden. Doch das Petersburger Wetter ließ dies nicht zu, so dass nach Monaten das Bauwerk abgedeckt werden musste. Derweil hielten sich die Geladenen auf eigene Kosten in der Hauptstadt auf. Das Turnier sollte erst 1766, also im nächsten Jahr stattfinden.

Nun kehrt Casanova wieder zu seiner Moskaureise zurück. Mit Zaïra reiste er Ende Mai in sechs Tagen und sieben Nächten in einem Schlafwagen für 80 Rubel. Er meinte, um Mitternacht könne man einen Brief lesen, und der Mond trüge ‚gar nichts dazu bei, die Nacht heller zu machen‘ (5, 21). ‚Dieser beständige Tag dauert acht Wochen.‘ In Nowgorod machten sie eine Pause von fünf Stunden. Als ein Pferd des Kutschers nicht fressen wollte, versuchte er es zunächst unter Tränen und Zärtlichkeiten zu überreden, doch als dies nicht fruchtete, verprügelte er das Tier, bis es wieder fraß: ‚Mir blutete das Herz bei dem Anblick.‘ In Russland waren Stockschläge eben das ‚Allheilmittel‘, konstatierte er. Dies habe sich aber, so sei ihm zugetragen worden, in letzter Zeit gebessert. Über Katharina hieß es, sie habe die Reise in 52 Stunden gemacht. In Russland sollte man einem Ukas nicht widersprechen, hieß es. Casanova wollte einmal bezweifeln, dass es gelingen können, binnen drei Wochen eine hölzerne durch eine Steinbrücke zu ersetzen, jedoch wies ihn der erfahrene Papanelopulo an: ‚»Taci – schweigen Sie!«‘ ‚Glückliches Regiment des absoluten Despotismus!‘ Alle Ämter entsprachen einem militärischen Rang, wie er selbst erfuhr, notfalls nach dem geschätzten Jahreseinkommen. Als er vor einer Wache behauptete, er habe ein Jahreseinkommen von 3000 Rubel, wurde er als General angesprochen. Bei dieser Gelegenheit sah er die Zarin zum ersten Mal in Petersburg. Als er ‚zum erstenmal die Fürstin in ihre Kapelle begleitete‘, küsste sie den Ring des Bischofs, wobei er gleichzeitig, da sie das Kirchenoberhaupt war, ihre Hand küsste. Ein weiteres Mal sah er die Zarin nach einer Aufführung von MetastasiosOlympias‘, als sie bemerkte, sie begreife nicht, wie man Musik, ohne Zweifel schön, leidenschaftlich lieben könne; ‚ich glaube, ich habe von Geburt an kein Gefühl dafür.‘

Über Petersburg wunderte sich Casanova, denn die Stadt sei unter ungeheuren Kosten auf Schlammboden errichtet worden, als ‚wenn alles zu dem kindischen Zweck erbaut wäre, viele Ruinen zu haben.‘ Doch seit Katharina habe sich Vieles geändert: ‚Damit Petersburg dauerhaft sei, werden stets eine beständige Sorgfalt und große Ausgaben notwendig sein; denn die Natur gibt niemals ihre Rechte auf und nimmt sie sich sofort wieder, sobald der Zwang aufhört. Ich prophezeie, daß früher oder später der lose Boden, auf welchem man diese Riesenmasse aufgeführt hat, unter einem Gewicht weichen wird, das in keinem Verhältnis zu seiner Widerstandskraft steht‘ (5, 21).

‚Wer Moskau nicht gesehen hat, kann nicht behaupten, daß er Rußland kennt; denn die Petersburger Russen sind nicht die eigentlichen Russen.‘ Man betrachtete Petersburg, so kolportiert Casanova, als die Ursache ihres Ruins. ‚In acht Tagen sah ich alles: Fabriken, Kirchen, alte Denkmäler, Kunstsammlungen und Bibliotheken‘, wobei letztere ihn nicht interessierten. ‚Ich fand die Frauen in Moskau schöner als in Petersburg, und ich glaube, das liegt an der Luft, die dort unendlich viel gesünder ist.‘ Der höchste Heilige, Nikolaus, stand zuoberst. ‚Wer eintritt, macht die erste Verbeugung dem Heiligenbilde, die zweite dem Hausherrn‘, ‚dem Klerus, der selber sehr unwissend ist, ist es angenehm, das Volk in Unwissenheit und Dunkelheit zu erhalten‘ (5, 21). Nur mühsam konnte er erklären, warum Katholiken und Orthodoxe das Kreuz unterschiedlich schlagen: ‚Ich konnte einem Calogero, der Latein sprach, niemals begreiflich machen, warum die römischen Christen das Zeichen des Kreuzes von links nach rechts machen, während die griechischen Christen es von rechts nach links machen. Der einzige Grund ist der, daß wir sagen: spiritus sancti, während die Griechisch-Katholischen in griechischer Sprache άγιον πνευ̃μα sagen. »Wenn Sie πνευ̃μα άγιον sagten, würden Sie wie wir das Zeichen von links nach rechts machen, wir dagegen würden es wie Sie von rechts nach links machen, wenn wir sancti spiritus sagen würden.« »Das Adjektiv,« antwortete er mir, »muß dem Substantiv vorangehen; denn man darf den Namen Gottes nicht aussprechen, ohne ein ehrendes Beiwort vorauszuschicken.«‘

‚Wir kehrten in derselben Weise, wie wir gekommen waren, nach Petersburg zurück; aber Zaïra wäre es am liebsten gewesen, wenn ich Moskau niemals verlassen hätte. Da sie beständig bei mir war, war sie so verliebt geworden, daß ich nicht ohne Betrübnis an den Augenblick denken konnte, wo ich sie würde verlassen müssen.‘ Der Hamburger Bomback war inzwischen in Mitau verhaftet und wegen Desertion nach Kamtschatka verbannt worden. ‚Crèvecoeur und seine Schöne waren mit Geld abgereist. Ein Florentiner Abenteurer, namens Billiotti, war mit achtzehntausend Rubeln geflohen, um die er Papanelopulo beschwindelt hatte. Aber ein gewisser Bori, der Vertraute meines guten Griechen, hatte ihn ebenfalls in Mitau gefaßt und ihn nach Petersburg zurückgebracht, wo er im Gefängnis saß.‘

Casanova ging es schlecht, auch wenn er Glück vortäuschte: ‚Seit meiner Gefangenschaft unter den Bleidächern litt ich an inneren Hämorrhoiden, die mich alljährlich drei- oder viermal belästigten. In Petersburg wurde dieses Leiden ernstlich; regelmäßig wiederkehrende unerträgliche Schmerzen machten mich traurig und unglücklich.‘ Schon fürchtete er, sich operieren lassen zu müssen, doch sollte eine strenge Diät helfen.

Bei einer Parade, zu der er mit Karl von Kurland fuhr, beobachtete er, wie ‚in einer Minute aus einem Geschütz zwanzig Schüsse‘ abgefeuert wurden. Zudem: ‚Der Witz der Russen ist kraftvoll; sie suchen keine Anmut, keine geschickte Wendung, sondern wollen nur genau und scharf treffen.‘ ‚Voltaire hatte der Kaiserin seine Philosophie der Geschichte gesandt, die er für sie geschrieben und ihr mit sechs Zeilen gewidmet hatte. Einen Monat darauf kam zu Schiff eine Auflage von dreitausend Exemplaren an; diese verschwand in acht Tagen, denn alle Russen, die ein bißchen französisch konnten, wollten das Buch in der Tasche haben.‘ Erneut fuhr er mit seiner Geliebten zu einer diesmal dreitägigen Parade mit Feuerwerk. ‚Da ich der einzige war, der einen Schlafwagen, ein richtiges fahrendes Haus, besaß, so machte man mir in aller Form Besuche, und Zaïra strahlte vor Glück, die Honneurs machen zu dürfen.‘

Auch besuchte Casanova die Städte, bemühte sich um einen Posten im Staat (nachdem er unmittelbar zuvor geschildert hatte, dass er Schulden nicht hatte begleichen können): ‚Zarsko Selo, Peterhof und Kronstadt, denn man muß in einem fremden Lande alles sehen, wenn man sagen können will: ich bin dagewesen! Ich schrieb über mehrere Gegenstände, um eine Anstellung im Zivildienst zu erhalten. Ich reichte meine Arbeiten ein, und sie wurden auch der Kaiserin vorgelegt. Aber ich hatte keinen Erfolg damit. Man legt in Rußland nur auf Leute Wert, die man gerufen hat; wer von selber kommt, macht dort selten sein Glück‘ (5, 21).

Katharina, die seit zwei Jahren Zarin war, konnte er eine Stunde lang bei einem Spaziergang im Garten sprechen. Dabei machte er, wie er selbst meint, eine Anspielung auf ihre geringe Musikliebe, wie ein ‚verschlagener Höfling‘. Dennoch war er ‚ganz bezaubert von der Ehre, die mir zuteil geworden war‘ (6, 1). Graf Panin machte ihm Mut, die Zarin habe Interesse an einem weiteren Gespräch, das Casanova genau schildert. Tatsächlich kam es zu einem weiteren Gespräch im Garten, dem 8 oder 10 Tage später ein weiteres folgte. Sie sah keine Möglichkeit Casanova in ihre Dienste zu nehmen; seinen Vorschlag der Kalenderänderung lehnte sie zwar ab, doch in der internationalen Korrespondenz wurden nunmehr beide Datierungen vorgenommen. Sie wollte nicht zwei oder drei Millionen Russen den Namenstag rauben oder das Jahr um 11 Tage verkürzen. Offenbar hatte sich die Zarin auf das Gespräch vorbereitet, ‚um mich zu verblüffen‘. Er hielt ihr Genie für größer, als das des Preußenkönigs: ‚Prüft man Friedrichs Leben, so bewundert man seinen Mut, aber man sieht zugleich, daß er unterlegen wäre, wenn er nicht viel Glück gehabt hätte. Untersucht man dagegen das Leben Katharinas, so findet man, daß sie offenbar auf den Beistand der blinden Göttin sehr wenig gerechnet hat.‘ Über ihren plötzlichen Tod verfasst Casanova noch einen Dialog mit ihr über die Frage, ob es ein glücklicher Tod gewesen sei – wofür er sich beim Leser entschuldigt. In einem nochmaligen Gespräch erläuterte ihm die Zarin die Folgen der Kalenderreformen, Casanova erläutert, warum es bei der Datierung more veneto keine Irrtümer geben können, die Vorteile der 24-Stunden-Uhr. Das in Venedig wichtige Glücksspiel wollte sie nur ab einem Rubel Einsatz gestatten, um die Armen davon fernzuhalten.

Kurz vor seiner Abreise lernte er Valville kennen, eine französische Schauspielerin, die nur einmal als Zofe in den Folies amoureuses aufgetreten war. Da sie der Zarin nicht gefiel, wurde sie ein Jahr lang bezahlt, trat jedoch nicht mehr auf und sie musste das Land danach verlassen. Binnen zwei Stunden klärten sie und Casanova brieflich ihre Gefühle füreinander und bereiteten die Abreise vor. Er verfasste die Eingabe an die Zarin, damit sie das Land verlassen durfte. Sie meinte zu ihm: ‚Ich glaube, mein lieber Freund, du bist ein besserer Schauspieler als ich, und ich will von heute Abend an deine Schülerin werden.‘ Später stellte sich heraus, dass die Zarin sogar die Reisekosten übernehmen wollte, das Gehalt für ein Jahr sowie den Pass. Zunächst wollte Casanova sich aber von Zaira trennen, wenn möglich, sie dem 70-jährigen Baumeister Rinaldi überlassen, der sich in sie verliebt hatte, wie Casanova schrieb. ‚Sie entwickelte sich immer herrlicher, und bei ihrer Schönheit und ihrem Geist wäre ich ihr Sklave geworden.‘ ‚Sie sah meine Tränen fließen, so oft sie ihren Koffer verließ, um mir einen Kuß zu geben. Als ich sie bei ihrem Vater ließ und diesem ihren Paß gab, sah ich um mich herum ihre ganze Familie auf den Knien liegen. Ich schämte mich der menschlichen Natur, die durch die Sklaverei so tief erniedrigt wird.‘ Rinaldi ‚hat sie bis zu seinem Tode bei sich behalten und ihr viel Gutes getan.‘

Warschau (Oktober 1765–Juli 1766), Flucht nach einem Duell[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Casanova ‚nahm als Diener einen armenischen Kaufmann, der mir hundert Dukaten lieh und recht gut auf orientalische Art kochte‘. Seine Lebensgefährtin war nun Valville, ‚meine einzige Freundin‘. ‚Er hatte einen Empfehlungsbrief des polnischen Gesandten für den Fürsten August Sulkowski und einen anderen von einem anglikanischen Geistlichen für den Fürsten Adam Czartoryski.‘

Polen-Litauen um 1764

So reiste er im Oktober 1765 nach Polen, um sich dort um eine Anstellung am Königshof zu bemühen. Erste Station war Koporje. Zwei Tage später begegneten sie dem venezianischen ‚Kapellmeister Galuppi‘, der auf dem Weg nach Petersburg war. Wegen aufgeweichter Straßen brauchten sie acht Tage bis Riga, von dort vier Tage bis Königsberg. Ohne Traurigkeit trennten sich die Wege Casanovas und Valvilles, die nach Berlin wollte. Casanova verkaufte seinen Schlafwagen, fuhr in einem Mietswagen mit, deren übrige Fahrgäste nur Polnisch und Deutsch sprachen. Er lernte ‚die Langeweile in ihrer ganzen Häßlichkeit kennen‘ (6, 1).

Zugang zu höchsten Hofkreisen, Einfluss Russlands[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine Empfehlungsschreiben öffneten ab seiner Ankunft in Warschau am 10. (?) Oktober auch dort die wichtigsten Pforten. Dort traf er seinen ‚Freund Campioni‘, der eine Tanzschule führte und ihn vor Betrügern warnte. In der Stadt fanden sich laut Casanova viele Betrüger beim Glücksspiel, die Stadt war ‚voll von Griechen‘. ‚Ein … Grieche … war der Major Salvi, von dem ich gelegentlich meines zweiten Aufenthaltes in Amsterdam zur Genüge gesprochen habe. Der Baron von Ste.-Héleine war ebenfalls in Warschau, aber sein Haupttalent bestand nur darin, Schulden zu machen und nicht zu bezahlen.‘ ‚Am nächsten Tage nahm ich einen Lohndiener und einen Mietswagen; ein solcher ist in Warschau unentbehrlich, denn es war dort, zu meiner Zeit wenigstens, völlig unmöglich, zu Fuß zu gehen. Es war Ende Oktober 1765.‘ Die mitgeführten Briefe bahnten, wie immer, die Kontakte an. Sein erster Besuch führte ihn zum ‚Fürsten Adam Czartoryski, General von Podolien, für den ich einen Brief hatte.‘ Dieser meinte ‚in parfümiertem Französisch, er halte große Stücke auf die Person, die mich empfehle; da er aber für den Augenblick sehr beschäftigt sei, so bitte er mich, mit ihm zu Abend zu speisen, ›wenn ich nichts Besseres zu tun habe‹‘ Casanova stieg wieder in seinen Wagen und ließ sich ‚zum Fürsten Sulkowski fahren, der soeben zum Gesandten am Hofe Ludwigs des Fünfzehnten ernannt worden war‘. Er lud Casanova ebenfalls zum speisen ein, wobei sich der Fürst freute, in Casanova einen Bewunderer zu finden, denn er sprach nur über Dinge von denen der Venezianer nichts verstand. ‚Von dort fuhr ich zu einem Kaufmann namens Szempinski, der mir im Auftrage Papanelopulos jeden Monat fünfzig Dukaten auszahlen sollte.‘ Fürst Repnin fiel ihm auf, da er ‚in einem Ton sprach, wie wenn er der Herrscher von Polen wäre‘ (womit er Recht behalten sollte). ‚›Da ich nichts Besseres zu tun hatte‹ – eine Redensart, die alle polnischen großen Herren unaufhörlich im Munde führten, – so ging ich … zum Fürsten Adam‘.

Marcello Bacciarelli: Der polnische König im Krönungsornat: ‚Der König von Polen war von mittlerer Größe, aber sehr gut gewachsen. Sein Gesicht war nicht schön, aber anmutig, geistreich und ausdrucksvoll. Er war ein wenig kurzsichtig, und wenn er nicht sprach, lag auf seinen Zügen ein Anflug von Melancholie; wenn er dagegen sprach, belebte er sich und glänzte durch seine Beredsamkeit. Er besaß auch das Talent, alle Bemerkungen, die es erlaubten, mit feinem Witz zu würzen.‘ Öl auf Leinwand, 265 mal 134 cm, 1764, Warschauer Königsschloss.

Dort erschien auch der König selbst. ‚Ich trat zwei Schritt vor, und in dem Augenblick, wo ich das Knie beugen wollte, gab Seine Majestät mir mit der größten Anmut die Hand zum Kuß. Als er mich anreden wollte, gab Fürst Adam ihm den Brief des anglikanischen Geistlichen, der ihm ebenfalls sehr gut bekannt war. Der König begann diesen Brief zu lesen, ohne sich zu setzen; hierauf stellte er mir allerlei Fragen über die Zarin und über die hervorragendsten Persönlichkeiten der Hofgesellschaft‘. Doch nicht genug damit: ‚Als zu Tisch gerufen wurde, ging der König in fortwährendem Gespräch mit mir in den Speisesaal und ließ mich zu seiner Rechten Platz nehmen.‘ Casanova mochte nichts essen, so sehr schmeichelte ihm die Ehre, dass ‚die ganze Gesellschaft aufmerksam meinen Bemerkungen lauschte‘. Der König ‚sprach übrigens im elegantesten Stil, aber ganz ungesucht‘ (6, 1).

Fürst August Czartoryski

Sein Kontakt zum ‚prachtliebenden Wojwoden von Rußland, Fürsten August Czartoryski‘ öffnete ihm zahlreiche Türen. Dieser hatte äußerst vermögend geheiratet, denn seine Frau ‚entstammte der inzwischen erloschenen Familie d'Enoff, als deren letzte Erbin sie dem Wojwoden ein unermeßliches Vermögen zugebracht hatte‘ (6, 1). Sie litt allerdings unter einer Krankheit, der sie ‚ohne die Geschicklichkeit des Doktor Reimann (1690–1770), eines Schülers des großen Boerhave, erlegen sein würde‘. ‚Er trat aus dem Malteserorden aus, als er sie heiratete, und hatte sie durch einen Zweikampf zu Pferde mit Pistolen gewonnen‘, in dessen Verlauf er seinen Nebenbuhler erschossen hatte. ‚Die Kinder aus dieser Ehe waren Fürst Adam und eine Prinzessin, die jetzt verwitwet und unter dein Namen Lubomirska bekannt ist; während ihrer Ehe nannte man sie Stražnikowa nach dem Range, den ihr Gatte im königlichen Heere einnahm.‘ Maria Zofia Sieniawska (1699–1771) war eine der reichsten Frauen Europas. Ihr Mann und ihr Schwager führten die ersten polnischen Unruhen herbei. Sie versuchten, ihren Neffen Stanislaus Poniatowski auf den polnischen Thron zu bringen. Als jedoch der König am 5. Oktober 1763 starb, wurde am 6. September 1764 Stanislaus August I. zum König gewählt, der zur Zeit von Casanovas Ankunft seit zwei Jahren regierte. Nun war man auf die Ansprüche der russischen Zarin gespannt. ‚Fürst Adam sagte zu mir: »Herr Chevalier, an der Tafel meines Vaters wird stets ein Gedeck für Sie aufgelegt sein.«‘ Dies, so Casanova, habe ihm geschmeichelt. In nur zwei Wochen gelang es ihm in allen Häusern gut aufgenommen zu werden.

Załuski-Bibliothek, Intrige der Binetti und Duell mit Branicki, Flucht in ein Kloster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Załuski-Bibliothek um 1800, sie barg zu Casanovas Zeit etwa 200.000 Druckwerke und war damit die größte Bibliothek Europas; ihre Bestände ließ Zarin Katharina nach Russland verschleppen.

Wenige Monate nach seiner Abreise sollten die russischen Umstürzler unter anderen den Bischof von Kiew, Zaluski, in dessen Bibliothek Casanova viel Zeit verbracht hatte, nach Sibirien schicken. Immerhin: ‚Das Leben, das ich führte, war also sehr eintönig, aber es war das Leben eines Ehrenmannes, und ich erinnere mich dieser Zeit stets mit Vergnügen.‘ Die Vormittage verbrachte er in der Bibliothek, die Nachmittage an der Tafel des Wojwoden. Immer noch erhielt Casanova aus Venedig jeden Monat 50 Dukaten, doch verschuldete er sich zunehmend, ‚denn die Ausgaben für Wagen, Wohnung, Bediente und die unerläßliche gute Kleidung waren zu hoch‘. Des Königs ‚Hof war, wie alle Höfe es sein sollten, für alle Welt geöffnet, und wenn er Gäste mit fremden Gesichtern sah, so war er der erste, das Wort an sie zu richten.‘ Dieser ermöglichte es Casanova, seine Schulden zu begleichen, nachdem er Horaz zitiert hatte: „Coram rege sua de paupertate tacentes plus quam poscentes ferent“ (der besagte Bischof hatte mit ‚»Wer vor dem König nicht von seinen Bedürfnissen spricht, wird mehr erlangen, als andere, die davon sprechen.«‘ übersetzt).

Casanova, der einräumte, nicht ohne Aberglauben zu sein, hatte Ende Januar 1766 einen Traum, in dem er einen Mann erdolchte. Dieser hatte ihm, indem er ihm eine Flasche an den Kopf geworfen hatte, eine stark blutende Wunde beigebracht. Casanova stieg daraufhin in seinen Wagen, um zu fliehen. Prinz Karl von Kurland kam nach Warschau und besuchte mit Casanova ‚ein Diner bei dem Grafen Poninski‘, der beim König wenig beliebt war, so dass wiederum Casanova ihn nie aufgesucht hatte. ‚Während des Essens zersprang eine Flasche Champagner, ein Splitter traf mich über dem Auge und zerschnitt eine Ader.‘ Casanova war überrascht über das ‚Eintreffen‘ seines Traumes, wenn auch etwas abgewandelt.

‚Die Binetti, die ich zuletzt in London gesehen hatte, traf mit ihrem Gatten und dem Tänzer Pic in Warschau ein. Sie kamen von Wien und gingen nach Petersburg.‘ Für 1000 Dukaten sollte sie acht Tage auf Wunsch des Königs in Warschau bleiben und tanzen. Casanova überbrachte den beiden als Erster die Nachricht. ‚Die Binetti und ihr Freund gefielen so sehr, daß unter glänzenden Bedingungen mit ihnen ein Vertrag auf ein Jahr geschlossen wurde. Dies war aber der Catai sehr ärgerlich; denn die Binetti verdunkelte sie nicht nur durch ihre Talente, sondern beging noch das viel größere Unrecht, daß sie ihr ihre Anbeter wegnahm. Von ihr beeinflußt, bereitete Tomatis (der Direktor der Komischen Oper) der Binetti solche Unannehmlichkeiten, daß die beiden Tänzerinnen unversöhnliche Feindinnen wurden.‘ Diese bekämpften sich in aller Öffentlichkeit, und Casanova schrieb dazu: ‚übrigens liebte ich sie noch und machte mir gar nichts aus der Catai, die zwar hübscher als die Binetti war, aber an Fallsucht litt‘. Bei einem Zwischenfall wurde Tomatis geohrfeigt, der jedoch nicht seinen Degen zog. Zuvor war Branicki in den Wagen des Direktors eingestiegen, dieser hatte ihn aufgefordert selbigen wieder zu verlassen. Diese Demütigung war sogleich ‚Stadtgespräch‘. Binetti bezeigte ‚mir mit spöttischen Worten ihr Beileid zu dem Unglück, das meinen Freund betroffen hätte. Sie langweilte mich, aber ich konnte nicht ahnen, daß Branicki nur von ihr aufgereizt gewesen war, als er sich so benommen hatte, und noch weniger konnte ich ahnen, daß sie mir feindlich gesinnt war‘ (6,2).

‚Dieser Branicki galt für einen emporgekommenen Kosaken, der eigentlich Branecki hieß.‘ Der gleichnamige Marschall erkannte die erfundene Verwandtschaft nie an. ‚Branicki war die Seele der russischen Partei, die Hauptstütze der Nichtkatholiken und Feind aller derer, die sich nicht dem Einfluß der großen Katharina beugen wollten und sich dagegen sträubten, daß Rußland die alte Verfassung Polens vergewaltigte.‘ Casanova hoffte zu dieser Zeit, der Geheimschreiber des Königs zu werden. Er stand am 3. März 1766 hinter dem König in der Loge, und ‚die Casacci, eine Piemontesin, tanzte so sehr nach dem Geschmack des Königs, daß Seine Majestät in die Hände klatschte, was eine ganz außerordentliche Huld bedeutete.‘

Branicki folgte Casanova und beschimpfte ihn, da er ein Duell vermeiden wollte, als ‚venetianische Memme‘. ‚Ich sah klar und deutlich, daß Branicki mir nur darum gefolgt war, weil die Binetti ihn aufgehetzt hatte.‘ Über die Polen äußerte Casanova, sie seien: ‚zwar heutzutage im allgemeinen ziemlich höflich‘, doch immer noch seien sie ‚Sarmaten oder Dazier bei Tisch, im Kriege und in der Raserei ihrer sogenannten Freundschaft, die oft nur eine abscheuliche Tyrannei ist. Sie wollen nicht begreifen, daß ein Mensch genügt, es mit einem anderen aufzunehmen, und daß es daher nicht erlaubt ist, rudelweise über einen Menschen, der allein ist und nur mit einem einzigen zu tun hat, herzufallen und ihn abzuschlachten.‘ Casanova entschloss sich, Branicki zum Duell zu fordern, was er ihm schriftlich mitteilte.[21] Der Pole nahm an, Casanova ‚schickte ihm das Maß meines Degens, zweiunddreißig Zoll‘. Doch sein Gegner bestand auf einem Pistolenduell. Noch am selben Tag, am 5. März 1766 duellierte er sich mit dem Grafen Franciszek Ksawery Branicki. Wegen des Standesunterschieds der Kontrahenten hätte im Vorfeld des Duells Unklarheit bestehen können, ob Branicki Casanovas Forderung überhaupt annehmen würde. Für sein Handeln im Falle einer Ablehnung hatte sich letzterer bereits bei Fürst Adam Kazimierz Czartoryski erkundigt, wie in einem solchen Falle weiter zu verfahren sei. Branicki akzeptierte jedoch, da sich im polnischen Adel verbreitet hatte, dass Casanova trotz seiner bürgerlichen Herkunft an mehreren europäischen Höfen verkehrte.[22] Bei dem Pistolenduell wurden beide schwer verwundet, wie oft behauptet wird. Casanova verbreitete das Ereignis 1780 in seiner Novelle Il duello ovvero Saggio della vita di G. C. veneziano (deutsch Das Duell oder Versuch über das Leben des Venezianers G. C.).[23] Doch aus einer Notiz, die sich im Archiv von Dux fand, und die nur acht Tage nach dem Duell entstanden war (Description de l'affaire arrivée à Varsovie le 5 mars 1766), geht hervor, dass es sich zwar um ein Pistolenduell handelte, und dass tatsächlich sein polnischer Kontrahent am Bauch verletzt worden war. Er selbst hingegen hatte nur einen Schlag auf die linke Hand erlitten, was er auch in seinen Memoiren geschrieben hatte, was aber starke Schmerzen zur Folge hatte. In seinen Memoiren schrieb er zudem: ‚Die Kugel war oberhalb des Zeigefingers eingedrungen, hatte die Fingerwurzel zerschmettert und war in der Hand stecken geblieben.‘ Branicki war auf der rechten Seite unterhalb der 7. Rippe getroffen. Auch versuchte der Pole, dem klar war, dass das Duell innerhalb der Starostei Warschau stattgefunden hatte, was streng verboten war, Casanova zur Flucht zu überreden, um ihn vor dem Zorn seiner Landsleute in Sicherheit zu bringen. Casanova bedauerte das alles und küsste ihn zum Abschluss auf die Stirn. Auf einem Bauernschlitten gelangte er nach Warschau. Bisinski, ein Freund des Verwundeten, suchte Casanova, übersah ihn allerdings in dem armseligen Gefährt.

Tatsächlich floh Casanova in ein Rekollektenkloster. Er musste das Land im Juli 1766 verlassen, wobei er sich gezwungen sah, zuerst seine Spielschulden zu begleichen. Bei all dem unterstützte ihn der König. Zunächst wurde das Kloster von 200 Mann geschützt. Zahlreicher Besuch kam schon am ersten Tag. ‚Am nächsten Tage kamen Scharen von Besuchern und zugleich goldgefüllte Börsen von den Magnaten der dem Grafen Branicki feindlichen Partei.‘ Doch in seiner Eitelkeit, wie er später einsah, lehnte er alle Geschenke ab. Dann tauchten drei Ärzte auf, die zu dem Ergebnis kamen, die Hand müsse amputiert werden. Casanova zog es vor zu warten, denn ein Arm ohne Hand sei ihm nicht nützlich, dann könne der ganze Arm abgenommen werden. Ein französischer Chirurg aus dem Hause des Fürsten Sulkowski heilte ihn stattdessen. Zwar gelang die Heilung innerhalb von 25 Tagen, doch den linken Arm habe er erst 18 Monate später wieder richtig benutzen können. Er selbst empfand große Lust, die angeblich bedeutendsten Chirurgen für ‚Schelme‘ zu halten.

Am Gründonnerstag erschien er bei Hof. ‚Der König reichte mir die Hand zum Kuß und ließ mich auf den Parkettboden niederknien. Er fragte mich, warum ich den Arm in der Binde trüge – (dies war vorher vereinbart worden) – und ich antwortete ihm, ich hätte Rheumatismus.‘ Branicki ‚hatte sich während meiner Krankheit regelmäßig jeden Tag nach meiner Gesundheit erkundigen lassen und mir meinen Degen zurückgeschickt‘, er bot ihm seine Freundschaft an. Er brauchte noch sechs Wochen zur Gesundung, von seiner Liebhaberin Binetti wollte er nichts mehr hören. Bininski war ‚degradiert und aus dem Adelsstande ausgestoßen worden‘, Casanova hingegen wurde begnadigt. Immer wieder musste er seine Geschichte erzählen, doch: ‚Die Geschichte hing mir zum Halse heraus, aber aus Gefälligkeit und auch aus Eitelkeit konnte ich solchen Wünschen nicht widerstehen.‘ Als der König ihn fragte, erklärte er, dass er innerhalb Venedigs keinen Patrizier zum Duell hätte fordern können, das wäre ‚lächerlich‘ gewesen, auch hätte sein ‚Adelsstolz‘ dies nicht gestattet.

Reise Richtung Dresden über Lemberg, Puławy, Warschau, Breslau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Casanova ‚reiste mit einem einzigen Bedienten und mit Campioni, der ein aufrichtiger und treuer Freund und zugleich in Fällen der Not ein Mann von mutigem Herzen und fester Hand war.‘ Karl von Kurland reiste mit Empfehlungen Casanovas nach Venedig, er war also immer noch in der Lage, seinerseits Verbindungen für andere spielen zu lassen. Wie Casanova später, als er bereits in Wien war, berichtet, waren ihm diese Kontakte tatsächlich äußerst nützlich: ‚Prinz Karl schrieb mir sehr dankbare Briefe; er erklärte, er habe niemals liebenswürdigere und zuvorkommendere Menschen getroffen als meine drei Freunde, und ich könne meinerseits bis zum Tode auf ihn rechnen.‘ Karl hatte sich einen Monat in Venedig aufgehalten (6, 3). Er deutete aber auch an, dass der König Verleumdungen sein Ohr geschenkt hatte, auch wenn Casanova diese später berichtigen konnte.

Lemberger Marktplatz vor dem Abriss der Stadtmauer, um 1787, Josephinische Landesaufnahme 1769–1787

Nun reiste er nach Lemberg. Zuvor hatte er sich ‚bei dem jungen Grafen Zamoiski aufgehalten …, der vierzigtausend Dukaten Rente besaß, aber an der Fallsucht litt. »Ich würde«, sagte er zu mir, »mein ganzes Vermögen demjenigen geben, der mich wieder gesund machen könnte.«‘ (6, 2). Seine Frau ‚liebte ihn sehr, wagte ihm aber nichts zu gewähren, weil seine Krankheit ihn stets in der Erregung der Liebe befiel.‘ In Lemberg musste er bei ‚der berühmten Kasztellana Kaminska‘ nächtigen, doch sprach sie nur Deutsch und Polnisch. Dort blieb er acht Tage bei der Frau, die die politischen Konstellationen – sie war Gegnerin Branickis und des Königs – trotz ihres Reichtums ruinierten.

Daran schloss Casanova an: ‚Von Lemberg reiste ich nach einem Städtchen, dessen Namen ich vergessen habe; die polnischen Namen sind entsetzlich schwer zu behalten.‘ Vom Fürsten Lubomirski überbrachte er dem General Józef Rzewuski, der eine Garnison von 500 Mann führte, bei dem er drei Tage wohnte, einen Brief. Der General trug aus Trauer über die politischen Umwälzungen einen langen Bart. ‚Er war reich, gelehrt, abergläubischer Christ und über alle Maßen höflich.‘ Doch er war auch einer ‚von den vier Magnaten, die Repnin aufheben und nach Sibirien bringen ließ‘ (6, 2).

Nun reiste Casanova nach ‚Christianpol‘, wo der Wojwode von Kiew lebte, Potocki, ‚einer der Liebhaber der russischen Kaiserin Anna Iwanowna‘. Dort blieb er 14 Tage. Sein Leibarzt ‚war der berühmte Styrneus, ein geschworener Feind des noch berühmteren van Swieten.‘ ‚Dieser Styrneus war zwar sehr gelehrt, aber etwas verrückt und ein Anhänger der empirischen Methode. Er befolgte das asklepiadische System, obgleich dieses seit dem großen Boerhave unhaltbar geworden war; trotzdem machte er erstaunliche Kuren.‘ Danach kehrte Casanova nach ‚Lemberg zurück, wo ich mich acht Tage lang mit einem sehr hübschen Mädchen amüsierte‘ – etwas, was er seit Monaten unterlassen hatte. Sie heiratete später den ‚Grafen Potocki, Starost von Sniatin‘.

Von Lemberg ging die Reise nach Pulavy, in ein Schloss an der Weichsel, das ‚dem Fürsten Wojwoden von Rußland gehört, der es selber erbaut hat‘. Während Campioni weiter nach Warschau reiste, machte sich beim zurückgeblieben Casanova ‚die Langeweile bemerkbar.‘ Ein Bauernmädchen lief davon, als Casanova ihre Gunstbezeigungen kaufen wollte, stellte er fest, dass der Vater sie wohl mit der Peitsche hatte zwingen wollen. Er wollte ihr Gesicht sehen, denn er fand: ‚»Für mich, mein guter Freund, ist das Gesicht das Wesentliche und alles übrige nur ein Anhängsel.«‘ Ihm gefiel keines der Mädchen und nach ‚acht Tagen des Überflusses und der Langeweile kehrte ich nach Warschau zurück‘.

Der Beginn der Aufteilung Polens unter Preußen, Russland und Österreich im Jahr 1772

So besuchte er ‚Podolien und Wolhynien, die wenige Jahre später Galizien und Lodomerien genannt wurden, denn sie konnten nicht österreichisches Gebiet werden, ohne den Namen zu ändern.‘ In Warschau wurde er ‚geradezu schlecht empfangen‘. ‚Nur die Fürstin Lubomirski, die Schwester des Fürsten Adam, lud mich in gütigem Ton ein, bei ihr zu Abend zu speisen. Voller Freuden begab ich mich hin und sah mich an einem runden Tische dem König gegenüber, der nicht ein einziges Mal das Wort an mich richtete. Das war mir noch nicht widerfahren.‘

Schließlich erhielt er königlichen Befehl, die Starostei Warschau binnen acht Tagen zu verlassen. ‚Kochend vor Zorn, ohne alle Rücksicht auf die etwaigen Folgen, schrieb ich an den König, meine Ehre erheische, daß ich seinem Befehl nicht gehorche. Ich schrieb: »Meine Gläubiger, Sire, werden nur verzeihen, daß ich Polen nur darum verlassen habe, ohne sie zu bezahlen, weil Eure Majestät mich mit Gewalt ausgetrieben haben.«‘ ‚Am nächsten Morgen brachte Graf Moszczynski mir tausend Dukaten. Er sagte mir, der König hätte nicht gewußt, daß ich Geld brauchte, und es wäre viel wichtiger, daß ich mein Leben behielte; aus diesem Grunde hätte Seine Majestät mir den Befehl gesandt, Warschau zu verlassen; denn wenn ich in Warschau bliebe und nachts ausführe, oder am Tage zu Fuß ginge, so wäre ich Gefahren ausgesetzt, denen ich auf die Dauer unmöglich entgehen könnte.‘ Casanova hatte fünf oder sechs Forderungen ignoriert, und der König fürchtete nun von diesen Herren Anschläge gegen ihn.

Nun beglich Casanova seine Schulden in Höhe von 200 Dukaten und sah vor, mit dem Grafen Clary nach Breslau zu reisen. Dieser war einer von jenen, die ‚sich in der schimpflichen Lage [befanden], daß kein Mensch ihnen glaubt, selbst wenn sie einmal die Wahrheit sagen‘. Graf Clary war zudem desertiert und konnte sich in Wien daher nicht mehr blicken lassen. ‚Er ist in Venedig in tiefstem Elend gestorben.‘ Campioni begleitete Casanova bis Wartenberg, er traf erst sieben Monate später in Wien wieder mit Casanova zusammen, nachdem er nach Warschau zurückgekehrt war.

Während Clary bereits abreiste, blieb Casanova noch in Breslau,[24] da er noch die ‚Bekanntschaft des Abbés Bastiani machen wollte. Dieser berühmte Venetianer hatte durch den König von Preußen sein Glück gemacht und war Domherr in Breslau.‘[25] Sein Lob über den Sohn eines venezianischen Schneiders war überschwänglich: ‚Er war blond, schön von Gesicht, gut gewachsen und sechs Fuß hoch; ich habe niemals einen schöneren Mann gesehen. Außerdem war er sehr geistreich, besaß ausgezeichnete Kenntnisse der Literatur, große Beredsamkeit, eine verführerische Stimme, ein sehr heiteres Gemüt, eine zahlreiche und gutgewählte Büchersammlung, einen guten Koch und einen ausgezeichneten Keller.‘ Er war bisexuell, liebte eine Frau im elften Stock seines Hauses, war vielleicht Vater ihrer Kinder. ‚Er war Franziskanermönch und hatte als solcher wegen eines leichtsinnigen Streiches harte Strafe zu befürchten; zum Glück gelang es ihm aber, aus dem Kloster zu entfliehen. Er ging nach dem Haag und suchte dort den venetianischen Gesandten, Tron, auf, der ihm hundert Dukaten lieh. Mit diesen begab er sich nach Berlin, wo der König ihn seiner Aufmerksamkeit würdig fand.‘

Einen Tag vor seiner Abreise warb Casanova eine 25-jährige ‚Gouvernante‘ an, die Maton hieß – ihren Vornamen nennt Casanova nicht. ‚Ich lebte eben so dahin, ohne meine Gewohnheiten zu ändern und absichtlich nicht daran denkend, daß ich anfing, nicht mehr ein junger Mann zu sein, und daß ich auf Liebe auf den ersten Blick, die mir so oft zuteil geworden war, nicht mehr rechnen konnte‘ (6, 3). Doch: ‚Wie der Leser weiß, litt ich an der fixen Idee, geliebt sein zu wollen.‘ Seit Zaïra hatte er nur Genüsse der oberflächlichen Art gehabt.

Dresden (ab Mitte 1766), Leipzig, Wien (25. Dezember 1766 bis Ende Januar 1767), Verbannung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Altmarkt in Dresden im Jahr 1752

In Dresden stiegen die beidem im Hotel de Saxe ab. Seine ‚Mutter war auf dem Lande; ich fuhr zu ihr hinaus, und die liebe gute Frau war überglücklich, mich zu sehen, besonders meinen Arm in der Binde, denn das sah sehr malerisch aus. Hierauf besuchte ich meinen Bruder Giovanni und dessen Frau, die Römerin Teresa Roland, die ich bereits vor ihm gekannt hatte, und die mich mit großer Freude empfing. Ferner besuchte ich meine Schwester, die Frau von Peter August. Hierauf ging ich mit meinem Bruder zum Starosten Grafen von Brühl, um ihn und seiner Gemahlin, der Tochter des Wojwoden von Kiew, meine Aufwartung zu machen.‘ Er musste überall die Geschichte seines Duells erzählen, eine Geschichte, auf die er ‚eitel‘ war. Casanova besaß noch 800 Dukaten.

Nach ‚einer wollüstigen Nacht‘ waren Maton und Casanova ‚die besten Freunde von der Welt‘. Er nahm sie nicht mit zu seinen Besuchen, doch da er sie ‚nicht zur Sklavin machen wollte, so fuhr ich manchmal in der reizenden Umgegend von Dresden mit ihr spazieren; bei solchen Gelegenheiten konnte sie nach ihrem Belieben mit allen meinen Bekannten sprechen, denen wir begegneten.‘ Maton, die 14 Tage bei ihm blieb, wurde schon bald der Hof gemacht, vor allem durch den Schweizer Grafen Bellegarde. Vom benachbarten Haus, wo seine Mutter wohnte, beobachtete er zufällig, wie sich Bellegarde und Maton unterhielten, denn der Offizier wohnte direkt nebenan. Casanova ‚war eifersüchtig, aber mit dem Verstande, nicht mit dem Herzen.‘ Ihm wurde ihre bevorstehende Untreue klar: ‚Und von diesem Augenblick an liebte ich sie nicht mehr.‘

Maton litt seit sechs Monaten unter einer Geschlechtskrankheit, hatte aber gehofft, Casanova nicht anzustecken. Er zwang sie, in ein anderes Gasthaus zu gehen, und überließ ihr 50 Heller. Er selbst ‚mietete auf sechs Monate das möblierte erste Stockwerk des Hauses‘, in dem seine Mutter wohnte. Acht Tage später hörte er von seinem Bruder Giovanni, ‚der Graf von Bellegarde und fünf oder sechs von seinen Freunden befänden sich in ärztlicher Behandlung‘. ‚Ich unterwarf mich einer strengen Kur und hatte das Glück, Mitte August mich vollkommen gesund zu sehen.‘

‚Da die Leipziger September-Messe sehr schön war, so fuhr ich dorthin, um zu meiner Kräftigung recht viele Lerchen zu essen, die mit Recht sehr berühmt sind.‘ Beim Glücksspiel gewann er einige hundert Dukaten, so dass er ‚mit einem Kreditbrief von dreitausend sächsischen Talern auf den Bankier Hofmann nach Leipzig abreiste.‘ Vom Direktor aller Bergwerke des Kurfürstentums erfuhr er, dass die brünette Zarin Katharina ‚eigentlich blond war‘. Er habe ‚sie von ihrem siebenten bis zum zehnten Jahre täglich in Stettin gesehen‘.

‚In Leipzig hatte ich ein Abenteuer, dessen ich mich stets mit Vergnügen erinnere‘, so leitet Casanova seinen Umgang mit der Prinzessin von Arenberg ein. Sie wohnte im selben Gasthof und ‚hatte die Laune, die Messe zu besuchen, ohne erkannt zu werden‘. Sie ließ sich durch eine ihrer Kammerfrauen vertreten. Sie war ‚sehr hübsch‘, besaß ‚viel Geist‘ und sie hatte ‚den verstorbenen Kaiser Franz den Ersten mit ihrer Huld beglückt‘. Als sich die Prinzessin inkognito unter das Volk gemischt hatte, bot er ihr an, er ‚würde gern hundert Dukaten geben, um die Nacht mit Ihnen zu verbringen‘. Sie stellte sich als Caroline vor. Ihre wirkliche Zofe sollte nun zur Strafe Casanova in ein lichtloses Zimmer locken. Am nächsten Mittag traf er sie in Begleitung des Grafen von Zinzendorf, den er aus Paris kannte, in einem Laden. Dieser sprach ihn auf das Duell an. Weitere Folgen, außer dass beide so taten, als würden sie sich nicht kennen, hatte das ‚Abenteuer‘ nicht.

Dann traf er wieder Castelbajac, deren Graf Schwerin wegen eines Wechsels über 300 Taler der Galgen drohte – sie war unglücklich, denn ‚überall hat er gestohlen, gegaunert, betrogen und dann die Flucht ergriffen‘. Mit ihm hatte er kein Mitleid, denn drei Jahre zuvor hatte er ‚»… versucht, mich mit seinen falschen Banknoten an den Galgen zu bringen. Aber ich gestehe Ihnen, um Sie tut es mir leid. Darum lade ich Sie ein, übermorgen mit mir nach Dresden zu fahren, und verspreche Ihnen dreihundert Taler, sobald die Justiz über diesen Spitzbuben die verdiente Strafe ausgesprochen hat. Ich begreife nicht, daß eine Frau wie Sie sich hat in einen Mann verlieben können, der weder hübsch noch geistreich ist, der weder Talent noch Vermögen hat; denn alles, was er hat, ist sein Name Schwerin.«‘ Die etwa 26-Jährige – ‚eine der größten Schönheiten Frankreichs‘ – hatte nichts mehr und bat ihn auf Knien um Hilfe. ‚Sie war die Frau eines Apothekers in Montpellier und hatte das Unglück gehabt, sich von Castelbajac verführen zu lassen.‘ ‚Der Kellner brachte, ohne daß ich ihm etwas gesagt hatte, sofort ein zweites Bett in mein Zimmer, worüber ich herzlich lachen mußte.‘ Ehrlicherweise zeigte sie Casanova, dass auch sie sich angesteckt hatte: ‚Die Handlungsweise der Frau fand ich edel und zartfühlend‘; sie bedauerte es, sich ihm unter diesen Umständen nicht dankbar erweisen zu können. Casanova vermerkte: ‚Dies entspricht der Natur: eine gefühlvolle Frau glaubt einem Manne, der ihr Wohltaten erwiesen hat, nichts Besseres antun zu können, als daß sie sich rückhaltlos ihm hingibt. Ich glaube, ein Mann denkt anders, und der Grund davon ist sehr einfach: der Mann ist geschaffen, um zu geben, das Weib aber, um zu empfangen.‘

Er reiste mit ihr nach Dresden. ‚Sie hatte nicht, wie Maton, das Aussehen einer Dirne, sondern konnte sich in der Gesellschaft sehen lassen, beherrschte den guten Ton und hatte ein bescheidenes und doch imponierendes Auftreten.‘ Er stellte sie seiner Mutter als ‚Gräfin Blasin‘ vor. Ende November hatte er ihre Krankheit auskuriert. ‚Die Vermählung wurde in aller Heimlichkeit vollzogen und war sehr süß. Als Hochzeitsgeschenk erhielt ich am Tage darauf die Nachricht, der König von Preußen habe Schwerins Schuld bezahlt, und der Taugenichts sei unter guter Bedeckung nach Berlin gebracht worden. Wenn er nicht gestorben ist, befindet er sich noch in Spandau.‘ Als die beiden Mitte Dezember Dresden verließen – er hatte nur noch 400 Dukaten zu seiner Verfügung – hatte er ihr bereits versprochen, ihr die Rückkehr nach Montpellier zu ermöglichen.

Canaletto: Wien, vom Belvedere aus gesehen, Öl auf Leinwand, 136 mal 214 cm, zwischen 1758 und 1761, Kunsthistorisches Museum Wien

Sie machten in Prag einen kurzen Aufenthalt und kamen in Wien am ersten Weihnachtsfeiertag an. Gräfin Blasin hatte sich bis Wien in eine Modistin verwandelt. Obwohl sie getrennte Zimmer hatten, wurde sie völlig überraschend von Bütteln aufgefordert, die Stadt binnen 24 Stunden zu verlassen. Dennoch verbrachten sie noch vier Tage und Nächte, bis sie abreiste, wobei sie den französischen Botschafter eingeschaltet hatten. Sie schrieb von Straßburg aus und bei seiner Durchreise durch Montpellier würden sie sich wiedersehen.

Am Neujahrstag suchte er Casalbigi auf, der, von Beulen übersäht, nur noch im Bett ‚unter dem Fürsten Kaunitz für das Ministerium arbeitete‘. Auch besuchte er Metastasio, ebenso wie sein Theater. ‚Am 7. oder 8. Januar sah ich die Kaiserin-Mutter ganz in Schwarz gekleidet ins Theater kommen. Sie wurde mit allgemeinem Händeklatschen empfangen, denn es war das erstemal, daß sie sich seit dem Tode ihres kaiserlichen Gemahls in der Öffentlichkeit zeigte‘ (6, 3).

Beim ‚Grafen de la Perouse‘ traf er ‚Las Casas, einen geistvollen und, was selten vorkommt, vorurteilsfreien Spanier. Bei dem Grafen fand ich ferner den Venetianer Uccelli, mit dem ich im Kollegium San Cipriano auf Murano zusammen gewesen war; er war in Wien als Gesandtschaftssekretär bei dem Botschafter Polo Renieri, der in jenen Tagen starb. Der Botschafter, ein geistreicher und gebildeter Mann, schätzte mich, konnte mich jedoch wegen meines Handels mit den Staatsinquisitoren nicht empfangen. In jenen Tagen kam mein Freund Campioni in Wien an; er war von Warschau über Krakau gereist. … Er hatte ein Engagement in London, konnte jedoch ein paar Monate mit mir verbringen, worüber ich hocherfreut war.‘ Casanova lebte ruhig, wie er notiert, er ‚sah weder gute noch schlechte Gesellschaft, ging regelmäßig ins Theater und speiste oft bei Casalbigi, der sich mit seinem Atheismus brüstete und in unverschämter Weise auf Metastasio lästerte, der ihn verachtete.‘

Nun beging Casanova wieder, wie er meinte, von seinem bösen Geist getrieben, den Fehler, sich von einem lateinischen Verse aufsagenden Mädchen von 12, 13 Jahren in eine Falle locken zu lassen. In ihrer Wohnung warteten der Dieb Pocchini, ‚seine angebliche Frau Catina‘ und ‚zwei slawonische Räuber‘. Unumwunden erklärte Pocchini, dass die Zeit der Rache für England gekommen sei. Die Männer zwangen ihn seine Geldbörse herauszugeben und sogar, Pocchini als Versöhnung zu umarmen. Casanova sah schon sein Ende voraus, doch man ließ ihn überraschenderweise gehen (6, 3).

Mit Campioni, ohne ‚sich damit aufzuhalten, mich zu bedauern, wie die Dummköpfe es tun‘, bereitete er Gegenaktionen vor, durch die sie hofften, das Geld zurückzuerlangen. Doch nun wurde Casanova zum Grafen von Schrattenbach vorgeladen.[26] Er wurde wegen Glücksspiels aus der Stadt gewiesen: ‚Dies, lieber Leser, war einer der fürchterlichsten Augenblicke, die ich in meinem Leben gehabt habe; ich zittere noch jetzt, so oft ich daran denke‘ (6, 4). Er versuchte, den Grafen Kaunitz für sich zu gewinnen, der ihn jedoch an den Vertreter Venedigs verwies. Casanova antwortete: ‚»Ach, mein Fürst, ich habe kein Vaterland mehr, obgleich ich es immer noch liebe. Eine Gewaltmaßregel beraubt mich meiner Bürger- und Menschenrechte. Ich bin Venetianer und heiße Casanova.«‘ Während Polo Renier, der Gesandte Venedigs, untätig blieb, stellte ihn Graf von Vitzthum unter seinen Schutz. Binnen zehn Minuten schrieb Casanova unter dem 21. Januar 1767 eine Eingabe an die Kaiserin, deren genauen Text er überliefert. Er ‚zitterte wie ein Paralytiker und fürchtete, mein Zorn könnte mich krank machen‘. Doch die Kaiserin stellte sich vor den ‚kaiserlichen Henker Schrattenbach‘, wie Casanova ihn nennt, der ein Amt führte, das niemand sonst ausüben wollte.

Inzwischen waren die Betrüger aus Wien geflohen. Casanova gab auf, zumal andere ähnlich mit Zwang überzogen, ihrer Freiheit beraubt wurden: ‚Es steht außer Frage, daß jede edle Seele stets an das unantastbare Recht glauben wird, »frei zu sein«. Und doch, wer ist wirklich frei in dieser Hölle, die man Welt nennt? Niemand. Nur der Philosoph vielleicht, aber er ist es durch Opfer, die für das mit dem geheiligten Namen »Freiheit« geschmückte Trugbild wahrscheinlich zu kostspielig sind.‘

München, Augsburg (Februar bis 14. August 1767), Spa, Köln, Paris (Oktober 1767)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seinem Freund Campioni überließ er seine Wiener Wohnung nebst dem Brennholz, dass er angeschafft hatte. Um seine Gesundheit zu retten, wie er schrieb, verfasste er einen scharf formulierten Brief an Schrattenbach, den er in Linz persönlich zur Post brachte. In drei Tagen reiste er nach München. Dort besuchte er den Grafen Kajetan Zavoiski, dem er in Venedig nützlich gewesen war. Er gab Casanova bescheidene 25 Louis – sehr viel weniger, als Casanova ihm einst hatte zukommen lassen – und einen ‚Brief für den Hofmarschall des Fürstbischofs von Augsburg, den Grafen Maximilian von Lamberg, dessen Bekanntschaft zu machen ich bereits die Ehre gehabt hatte‘ (6, 4).

Karte von Augsburg, etwa 1730

Casanova entschloss sich, ‚vier Monate in einer freien Stadt wie Augsburg zu verbringen, wo die Fremden dieselben Vorrechte hatten wie die Domherren‘. ‚Da ich in Augsburg bekannt und außerdem in der Nähe von Venedig war, so war ich sicher, stets hundert Dukaten zur Verfügung zu haben, wenn ich zufällig einer solchen Summe bedürfen sollte.‘ Er spielte nun in einer Art Krieg gegen die ‚Griechen‘, von denen es immer mehr gab, ‚wie es ja auch bald mehr Ärzte als Kranke gibt.‘

Vergeblich suchte er Gertrud, denn ‚der Kupferstecher war gestorben, und kein Mensch konnte mir sagen, was aus seiner Tochter geworden war‘. Aber ‚Anna Midel, die kleine Magd bei Gertruds Vater‘, erkannte ihn wieder. Zu seiner Überraschung erklärte sie, er sei schuld an ihrem Unglück: ‚»Die vierhundert Gulden, die Sie mir gaben, veranlaßten den Kutscher des Grafen Fugger, mich zu heiraten. Er hat nicht nur das ganze Geld verzehrt und mich dann verlassen, sondern mir auch eine gräßliche Krankheit mitgeteilt, an der ich beinahe gestorben wäre. Ich bin mit dem Leben davongekommen. Aber wie sehe ich jetzt aus.«‘ ‚Gertrud freute sich, als sie mich wieder sah, stellte mich ihrem Mann als einen früheren Mieter ihres Vaters vor und bewirtete mich gut; als ich aber während der Nacht unter vier Augen mit ihr sprach, fand ich sie von den anständigen Gefühlen beseelt, die ihre Lage erforderte.‘ Seine Versuche, endlich wieder eine Geliebte zu finden, scheiterten auch hier.

‚Zu Beginn der Fastenzeit‘ kamen Campioni und Binetti in Augsburg an. Letzterer reiste nach Paris, ‚um sich dort eine Stelle zu kaufen‘, nachdem er ‚seine Frau ausgeplündert und für immer verlassen‘ hatte. Campioni sagte ihm, dass niemand an Casanovas Schilderung zweifle, und dass Pocchini und der Slawonier wenige Tage nach seiner Abreise verschwunden wären. ‚Alle Welt tadele den Statthalter.‘ Campioni reiste einen Monat später nach London.

Als Casanova bereits drei Monate in Augsburg war, unternahm er mit Graf Lambergs schwangerer Frau, einer geborenen Gräfin Dachsberg, und ‚dem Domherrn Grafen Fugger eine Ausfahrt‘. Eine Dreiviertelstunde von Augsburg entfernt, in einem Gasthof, setzten bei ihr überraschend früh die Wehen ein. Sie wandte sich um Hilfe an Casanova, dem sie ‚mehr Kenntnisse auf dem Gebiete zutraute, und flüsterte mir ihre Mitteilung ins Ohr.‘ Er ‚trug sie sozusagen in den Wagen‘. ‚Obgleich die Schmerzen der armen Gräfin mir ins Herz schnitten, konnte ich mich kaum enthalten, laut herauszulachen, als ich den guten Domherrn abwechselnd leichenblaß und purpurrot werden sah; er erstickte beinahe vor Angst, daß die Gräfin in seiner Gegenwart und in seinem eigenen Wagen ein Kind zur Welt bringen könnte.‘ ‚Die Neuigkeit würde ein gefundenes Fressen für die Zeitungsschreiber sein.‘ Fünf Minuten nach ihrer Ankunft im Schloss – wieder trug Casanova die Gräfin – kam das Kind zur Welt. ‚Dem Domherrn war eine Zentnerlast vom Herzen gefallen, und er ging schnell nach Hause, um sich die Ader schlagen zu lassen.‘

Regelmäßig aß Casanova bei den Lambergs. Bei diesen ‚Soupers‘ waren der seinerzeitige Page des Fürstbischofs, Graf von Thurn und Vallesassina, der spätere Dekan des Regensburger Domkapitels, und der fürstbischöfliche Leibarzt, Dr. Algardi aus Bologna, zugegen. Auch erschien dort oft der preußische Offizier Baron Sellentin, ‚der in Augsburg seinen ständigen Wohnsitz hatte, um für seinen königlichen Herrn Rekruten zu werben‘. ‚Er war liebenswürdig, geistreich im gascognischen Stil, schlau, tapfer, ein Liebhaber des Spiels und ein guter Spieler.‘ Er bestätigte ihn in hohem Alter in seiner Abneigung gegen die Ehe. Casanova besuchten mehrere Polen, ‚die ihr Vaterland wegen der ausgebrochcnen Unruhen verließen‘. Darunter waren der Großnotar der Krone Rzewuski, ‚den ich in Petersburg als Liebhaber der armen Langlade gekannt hatte‘.

Casanova ließ sich überreden, nach Spa zu reisen. Dazu verließ er Augsburg am 14. Juni 1767. Wie so oft knapp bei Kasse, ‚schrieb ich dem Prinzen Karl von Kurland, der in Venedig war, er möchte mir etwa hundert Dukaten schicken. Um ihn zu veranlassen, mir das Geld sofort zu senden, teilte ich ihm ein unfehlbares Mittel mit, um den Stein der Weisen zu gewinnen.‘ Dieser Brief war nicht chiffriert, und so riet Casanova dem Prinzen, ihn zu verbrennen, was er jedoch nicht tat. Als man ihn ‚in die Bastille setzte‘, wurde auch dieser Brief entdeckt. Bei ‚der Zerstörung der Bastille wurde mein Brief aufgefunden‘, und man ließ ihn drucken und sogar ins Deutsche und Englische übersetzen. Als Casanova in Böhmen seine letzten Jahre verbrachte, waren seine dortigen Feinde ‚so dumm, mir vorzuwerfen, daß ich der Verfasser des Briefes sei, und glaubten mich zu Boden zu schmettern, indem sie mir sagten, man habe den Brief zu meiner ewigen Schande ins Deutsche übersetzt. Die dummen, böhmischen Trottel, die mir diesen Vorwurf machten, waren ganz verblüfft, als ich ihnen ins Gesicht lachte und antwortete, gerade dieser Brief mache mir unsterbliche Ehre, und wenn sie etwas weniger lange Ohren hätten, so würden sie mich nicht tadeln, sondern bewundern.‘ Den gesamten Wortlaut des Briefes vom Mai 1767 übertrug er ausdrücklich am 1. Januar 1798 in seine Memoiren: ‚Ich weiß nicht, ob mein Brief verändert worden ist; da er aber nun einmal veröffentlicht wurde, so will ich ihn hier mitteilen, um der Wahrheit die Ehre zu geben; denn diese ist der einzige Gott, den ich anbete.‘ Seinerzeit in Riga hatte Casanova Karl zugesagt, ihm das Geheimnis der Verwandlung von Eisen in Kupfer zu verraten, was er jedoch unterließ. Nun wolle er ihm mitteilen, wie man Gold herstelle, doch betont er, der Vorgang müsse so überaus präzise vollzogen werden, dass er unbedingt abwarten solle, bis sie sich wiedersähen. Als Lohn erhoffte er sich die ‚Direktorstelle‘ über Karls Bergwerke. Im Anschluss an den vollständig zitierten Brief schloss Casanova: ‚Wenn dieser Brief – gleichviel in welcher Sprache er gedruckt sein mag – anders lautet, so ist er nicht von mir, das behaupte ich allen Mirabeaus der ganzen Welt ins Gesicht.‘ Zudem wehrte er sich gegen den Vorwurf, aus Frankreich verbannt worden zu sein, denn der König habe nur gleichsam von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht, er sei aber keineswegs aufgrund eines Gesetzes des Landes verwiesen worden: ‚Wirklich ausgewiesen werden kann man nur durch ein Urteil, das durch das Gesetzbuch begründet ist.‘

So reiste er zunächst nach Ulm. Ein Bote, der ihn in Augsburg nicht mehr angetroffen hatte, erreichte ihn dort mit einem Brief Karls. Um den drei Offizieren, die in Ludwigsburg gegen ihn gestanden hatten, Angst einzujagen, behauptete er, er ‚trete als Geheimsekretär mit zwölfhundert Talern Gehalt‘ in den Dienst des Herzogs von Württemberg und werde nach Stuttgart kommen. ‚Außerdem freute ich mich auf den Empfang von Seiten der vielen Bekannten, die ich dort noch haben mußte: außer der Toscani, die des Herzogs Geliebte war, mußte ich Baletti und Vestri finden; dieser hatte eine frühere Geliebte des Herzogs geheiratet, die später eine berühmte Schauspielerin wurde. Als Kenner des menschlichen Herzens wußte ich, daß ich nichts zu befürchten hatte. Da die Rückkehr des Fürsten unmittelbar bevorstand, so würde man gar nicht auf den Gedanken kommen, daß ich eine Fabel aufgebracht hätte. Der Herzog würde mich bei seiner Ankunft nicht mehr finden, denn ich würde mich natürlich entfernen, sobald der Kurier, der ihm vorausritt, seine Ankunft meldete. Ich würde einfach allen Leuten sagen, ich reiste Seiner Hoheit entgegen, und alle Leute würden sich von mir anführen lassen.‘ Dieser Herzog hatte sicher ‚den beleidigenden Brief nicht vergessen, den ich ihm geschrieben hatte‘.

Die Toscani und ihr Mann, voller Freude, teilten ihm mit: ‚Sie können sich von der Bestürzung ihrer drei Feinde gar keine Vorstellung machen!‘ Nachdem er sich mit der jungen Toscani, der Liebhaberin des Fürsten, besprochen hatte, stellte er fest: ‚Arme Leute, diese Fürsten – sie werden niemals um ihrer selbst willen geliebt!‘ Sie hatte ihn wegen seiner unausgesetzten Affären verlassen, heiratete nun aber einen Mann, den sie verachtete. Und: ‚als ich mit Baletti nach seinem Hause ging, war ich ganz verliebt, besonders in die Vestri und in die junge Toscani.‘ Über Nacht änderte er den Text, den Vestri auf die Bühne bringen wollte, indem er die Stellen änderte, in denen ihr schnarrendes „r“ zu hören sein würde – für einen Kuss. Später verpflichtete der Herzog den Autor dazu, für Vestri ausschließlich Texte ohne „r“ zu verfassen! Die gut gelaunte Gesellschaft endete erst, als der Herzog durch einen Boten angekündigt wurde. Unter dem Vorwand, er wolle seinem Herrn entgegenreisen, verließ er die Stadt. Nur Baletti, bei dem er gewohnt hatte, durchschaute ihn, als Casanova seine Koffer packte.

Casanova wollte acht Tage in Mannheim bleiben, um dort Algardi wiederzusehen, ‚der in den Dienst des Kurfürsten von der Pfalz getreten war.‘ Algardi, der Prinz Friedrich von Zweibrücken behandelte, der mit dem Tod rang, meinte, nachdem Casanova ihn gefragt hatte, ob er dem Patienten die Wahrheit gesagt hätte: Ein ‚kluger Arzt hat die Pflicht, seinen Kranken niemals zur Verzweiflung zu bringen; denn die Verzweiflung kann den Tod nur beschleunigen‘ (6, 4). Casanova räumte ein, dass ‚Sie als sein Arzt sich nicht der Gefahr aussetzen konnten, sein Leben abzukürzen, indem Sie ihm die allerschrecklichste Wahrheit sagten. Und dies bringt mich zu dem Schluß, daß Sie einen unglücklichen Beruf haben.‘ Nach 14 Tagen verließ er das ‚köstliche Schwetzingen‘. Dem Dichter Veraci hinterließ er einen Teil seines Gepäcks, den er noch 1798 aufbewahrte.

Dann reiste er nach Mainz, von wo er mit einem Rheinkahn, auf den er seinen Wagen verfrachtet hatte, ‚in dem häßlichen Köln‘ Halt machen wollte, wo er Ende Juli 1767 ankam. Dort suchte er Herrn Jacquet von der Kölnischen Zeitung auf, der von seiner Verbannung aus Polen geschrieben hatte. Der Bürgermeister und ‚seine schöne Mimi‘ nahmen ihn herzlich auf. Doch konnte er sie, die unter dem schlechten Gewissen gelitten hatte, nicht erneut gewinnen. So reiste er weiter nach Aachen. Doch zuvor wollte er noch Jacquet wegen des besagten Artikels verprügeln, den er für einen ‚Tintenklexer‘ hielt, doch genügte ihm am Ende ein Tritt, nachdem er ihn mit der Pistole bedroht hatte.

Abends in Aachen angekommen, fand er ‚die Fürstin Lubomirska, den General Roniker, mehrere andere vornehme Polen, Tomatis, dessen Frau und eine Menge Engländer, die ich kannte‘ (6, 4). Allerdings meinte er zu Spa: ‚Alle Welt ging dorthin, und wenn jemand in Aachen blieb, so tat er das nur, weil es vollkommen unmöglich war, sich in Spaa Unterkunft zu verschaffen … mehrere waren nach Aachen zurückgekommen, weil sie in Spaa nicht einmal eine Dachkammer hatten finden können‘ (6, 5). Obwohl Casanova nur einen unterwegs verlorenen Hut ersetzen wollte, fand er bei jenen Hutmachern eine Kammer. Er musste nichts bezahlen, sie würden im Laden nächtigen, und – was Casanova stutzig machte – ihre Nichte würde ihm nicht zur Last fallen. Dabei war das Paar, das aus Lüttich stammte, von ‚musterhafter Häßlichkeit‘.

In der Stadt – ‚die Menge des Geldes, das in Spaa umläuft, ist erstaunlich: Speisewirte, Ladeninhaber, Gasthofsbesitzer und Freudenmädchen erhalten einen guten Teil davon; auch die Wucherer machen gute Geschäfte. Die Spielleidenschaft ist stärker als die Galanterie‘ – traf er auch den Marchese Caraccioli wieder, den er zuletzt in London gesehen hatte. Dieser sorgte dafür, dass ein falscher Marchese d'Aragon eine reiche Witwe heiraten konnte, denn Caraccioli hatte ihr die Echtheit seines Titels bestätigt. Er sah den Hochstapler später ‚in Marseille, und etliche Jahre später wurde er Eigentümer von zwei adligen Gütern in Modena. Er wußte sein Vermögen besser anzulegen als ich. Seine Frau starb vor ihm, und nach den englischen Gesetzen erbte er ihr ganzes Vermögen.‘ ‚Das Geld, das aus dem Spielbetrieb herrührt, geht in drei Teile; der erste, und zwar der kleinste, fließt in die Tasche des Fürstbischofs von Lüttich; der zweite etwas größere, verteilt sich unter die Gauner, von denen es hier wimmelt und die im allgemeinen schlechte Geschäfte machen; denn man weicht ihnen aus, und sie haben keinen bestimmten Ort, wo sie mit obrigkeitlicher Erlaubnis ihr Halsabschneidergewerbe betreiben könnten; den größten Teil endlich, den man jährlich auf eine halbe Million schätzt, erhalten zwölf gewerbsmäßige Spieler, die unter sich eine Gesellschaft bilden und vom Landesherrn autorisiert sind. All das Geld kommt aus den Taschen der Dummen, die von vierhundert Meilen in der Runde herbeieilen, um sich in diesem Loch, das man Spaa nennt, ausbeuten zu lassen.‘ Casanova beteiligte sich und gewann 20 Louis. Bei seiner Rückkehr traf er auf die hübsche, 18- bis 19-jährige Nichte. Statt des üblichen Biers ließ er sich Burgunder beschaffen. Merci, so hieß die Nichte, sorgte unter anderem für ‚Strümpfe, aber von den großen, denn der Herr hat starke Waden‘. Sie galt als fromm und infolgedessen als ‚widerhaarig‘. Casanova, der meinte, man solle sie daher in Ruhe lassen, wollte sich bei seinen Freunden für das Paar verwenden, denn der Kundschaft war ihre Ware immer zu teuer – in Spa, so vermerkte Casanova, war alles sehr billig. Allerdings wollte er sich eine andere Unterkunft suchen, denn ‚eine Pamela … war mir ebenso verhaßt wie eine Charpillon.‘ Auf einen Annäherungsversuch reagierte sie mit einem einzigen Faustschlag, der eine blutige Nase und eine Beule zur Folge hatte.

Rzewuski und Roniker kauften, um Casanova einen Gefallen zu tun, reichlich ein, ebenso die Fürstin und Frau Tomatis. Er zog in eine Wohnung, die die Herzogin von Richmond zuvor gemietet hatte. Ein dort wohnender Engländer ‚rieb mir die Stelle mit Branntwein und einem Gewürz, das ich nicht kenne‘, doch schämte sich Casanova, auf die Straße zu gehen. Doch bald klopfte Merci an seine Tür, aber er wies sie, wenn auch zurückhaltend, nun seinerseits zurück.

Der Zufall führte ‚Marchese Don Antonio de la Croce‘ in dasselbe Haus, wo Casanova wohnte. Croce und er erzählten sich die Erlebnisse seit Mailand vor sechs Jahren. Er hatte die im sechsten Monat schwangere Marchesa della Croce – 16 oder 17 Jahre alt –, die ihr Vater ins Kloster stecken wollte, entführt. ‚Die Geschichte ihrer Entführung ist ihren Brüdern und Schwestern bekannt, und da diese vornehmen und ehrenwerten Personen noch leben, so werden meine Leser mir gestatten, ihren Namen zu verschweigen.‘ Er besaß 50.000 Franken in Gold und wollte ‚Charlotte‘ heiraten, um dann nach Warschau zu gehen. Doch Casanova gab ihm keinerlei Empfehlungsschreiben mit, wollte sich aber immerhin ‚neutral‘ halten, denn Croce war Spieler. ‚Sein angeblicher Sekretär war weiter nichts als ein Spießgeselle: es war ein geschickter Veroneser, namens Conti, dessen Frau notwendig mit zum Geschäft gehörte.‘ Wegen eines Diamanten, der so eingefasst war, dass er mehr wog, geriet Casanova in Streit mit einem französischen Betrüger, den er mit dem Degen, nachdem er angegriffen worden war, verletzte. Trotz zahlreicher Zeugen hatte dies keinerlei Folgen.

Unglücklicherweise verliebte er sich in Charlotte, während er ihren Zukünftigen eindringlich davor warnte, ihr Glück zu verspielen. Casanova blieb nur ihr zuliebe in Spa, musste zusehen, wie Croce nicht nur sein Vermögen, sondern schließlich auch ihren Schmuck verspielte, ‚weil er wie ein verzweifelter Narr das Glück gegen jeden Sinn und Verstand zwingen wollte‘. Seine Gehilfen waren längst abgereist. Schließlich legte er Casanova ‚Charlotte ans Herz‘. Er musste die Nachricht vom Unglücklichen, der mit fast nichts zu Fuß nach Warschau gehen wollte, der Hochschwangeren mitteilen. ‚Man konnte an ihrer Haltung, an ihrem unregelmäßigen Atmen erraten, was ihre edle Seele in diesem stillen Kampfe litt, den Liebe, Mitleid, Kummer und vielleicht Entrüstung sich in ihrem Innern lieferten. Ich war tief gerührt. Endlich trocknete sie zwei große Tränen, schlug ihre schönen Augen zu mir auf und sagte mit einem leisen Seufzer: »Mein großmütiger Freund, wenn ich auf Sie zählen kann, bin ich ganz gewiß nicht unglücklich.«‘ ‚Sie fand die Schicksalsfügung wunderbar, daß ich zum zweitenmal die Fürsorge für ein Mädchen übernehmen mußte, das der unglückselige Spieler in einer noch schlimmeren Lage verlassen hatte; denn sie war im achten Monat schwanger.‘ Casanova übernahm eine eher ungewohnte Rolle, denn ‚obwohl ich sie stundenlang in meinen Armen hielt, begnügte ich mich damit, ihre schönen Augen zu küssen und verlangte niemals etwas mehr für meine Zärtlichkeit.‘ ‚Unser Verhältnis hatte etwas von der Reinheit einer ersten Liebe.‘

Sie reisten über Lüttich, dann durch die Ardennen, um Brüssel zu vermeiden, ‚wo sie erkannt zu werden fürchtete‘. Über Luxemburg, wo sie einen Bedienten einstellten, der bis Paris bei ihnen blieb, ging es weiter über Metz und Verdun. ‚Wir stiegen in Paris im Hotel Montmorency in der Straße gleichen Namens ab.‘

Paris (Oktober–November 1767): Charlottes Tod, Nachricht vom Tod Bragadins, Ausweisung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die beiden waren im Oktober 1767 in Paris eingetroffen. Doch ‚Frau von Urfé war tot, meine alten Bekannten waren umgezogen oder befanden sich in anderen Verhältnissen: Arme waren reich, Reiche arm geworden; überall waren neue Gebäude, neue Straßen; ich fand mich nicht mehr zurecht‘ (6, 4). Das Theater hatte sich verändert, der Geschmack, alles war teuer, überall neue Gebäude, neue Straßen. Neue Promenaden, die Boulevards waren entstanden. ‚Die Reichen und die Armen waren gleichzeitig und gegenseitig Schauspiel und Zuschauer. Paris ist vielleicht die einzige Stadt auf der Welt, deren Aussehen sich in fünf oder sechs Jahren vollständig ändert.‘ Mit Freuden empfing ihn Gräfin du Rumain, bei der er seine Schulden begleichen konnte; auch sein Bruder und seine Schwägerin freuten sich. Auch machte er seine Besuche bei der Fürstin Lubomirska und bei den Tomatis.

Am 8. Oktober ging er mit Charlotte zur Hebamme Lamarre in der Rue du Faubourg St. Denis. Auf dem Weg dorthin erschreckte sie ein Leichenzug, den sie für ein schlechtes Vorzeichen hielt. Er versuchte sie zu beruhigen, indem er dies für Aberglauben erklärte, ‚eine gebärende Frau ist keine Kranke, und niemals ist eine Frau im Wochenbett gestorben, wenn nicht eine andere Krankheit hinzutrat‘. Er wusste aber sehr wohl, ‚welche Wirkungen fixe Ideen auf ein zartes Wesen ausüben können, besonders auf eine junge Frau, die sich in einem solchen Zustande befindet wie Charlotte.‘ Er nächtigte zwar bei seinem Bruder und der Schwägerin, aber er blieb jeden Tag von 9 bis 1 Uhr bei Charlotte. Sie hatte am 13. Oktober, wie er sich genau erinnerte, plötzlich hohes Fieber, am 17. brachte sie, trotz anhaltenden Fiebers, einen Jungen zu Welt. Er sollte ‚Jacques (nach mir), Charles (nach ihr), Sohn von Antonio de la Croce und Charlotte ***‘ heißen. Wie immer in solchen Fällen verschwieg Casanova den Namen ihrer Familie. Das Kind wurde getauft und danach gleich ins Findelhaus gebracht, in den Windeln der Taufschein, der Geburtsort, der Name der Mutter. Charlotte starb am 26. Dezember, morgens um 5 Uhr. ‚Ich verließ sie nicht eher, als bis das Grab sie verschlungen hatte‘ (6, 5).

Doch zu diesem Unglück kam ein weiteres, denn ein Brief des ‚Herrn Dandolo, der mir den Tod des Herrn von Bragadino meldete‘ lag seit Tagen ungeöffnet. Casanova ‚verlor einen Mann, der seit zweiundzwanzig Jahren Vaterstelle an mir vertrat, der um meinetwillen mit der größten Sparsamkeit lebte und sogar Schulden machte.‘ ‚Da sein Vermögen ein Fideikommiß war, so konnte er mir nichts hinterlassen. Seine Möbel und seine Bibliothek wurden die Beute seiner Gläubiger. Seine beiden Freunde, zugleich die meinigen, waren arm und konnten mir nur mit ihren Herzen helfen. Diese schreckliche Nachricht begleitete ein Wechsel von tausend Talern, die der Verstorbene, sein Ende voraussehend, vierundzwanzig Stunden vor seinem Tode mir noch gesandt hatte. Ich war wie zerschmettert.‘ Drei Tage verließ er nicht das Haus seines Bruders.

Fürstin Lubomirska setzte sich für seine Rehabilitation beim polnischen König ein, doch vergebens. Dieser kämpfte mit den dortigen Umstürzen. Aber sie konnte ihm mit Empfehlungsschreiben für Madrid behilflich sein, das er besuchen wollte, bevor er nach Portugal gehen würde. Sie gab ihm ein Empfehlungsschreiben für den ‚Grafen d'Aranda [mit], und der Marchese Caraccioli, der noch in Paris war, gab mir drei Empfehlungsbriefe, einen für den Fürsten della Cattolica, den neapolitanischen Gesandten in Madrid, einen für den Herzog von Lossada, den Oberhoftruchseß und Günstling des Königs, und einen dritten für den Marques Mora-Pignatelli.‘

Ein Erbe d'Urfés, ein Neffe, machte sich am 4. November in einem Konzert offen über Casanova auf verächtliche Weise lustig, behauptete, dieser hätte ihn mindestens eine Million gekostet, doch hielten ihn seine älteren Begleiter von einem Duell ab, zu dem Casanova ihn unverblümt gefordert hatte. Noch am selben Tag traf er Valville, die es ablehnte, seine Schuldenrückzahlung außerhalb ihrer Wohnung entgegenzunehmen. Sie gab ihm ihre Adresse.

Doch nun änderte sich seine Situation schlagartig, denn am 6. November erhielt der Venezianer ein Schreiben vom König, worin er aufgefordert wurde, Paris binnen 24 Stunden zu verlassen. Die knappe Begründung war: sein bon plaisir. Casanova hatte dem Erben wohl Fußtritte angedroht (6, 6). Dennoch verließ er Paris erst am 20. November.

Frau du Rumain wollte noch eine Rücknahme der lettre de cachet erwirken, deren Begründung, so glaubte Casanova, ‚erniedrigt das Menschengeschlecht‘. Am Tag vor seiner Abreise besuchte er zum letzten Mal Valville, die es ablehnte, die 50 Louis, die er ihr noch schuldete, zurückzuerstatten. Sie wiederum bot ihm ihre Börse an, was er seinerseits ablehnte. Er gab ihr ‚Ratschläge, um im Alter eine unabhängige Stellung einzunehmen, wenn ihre Schönheit ihr nichts mehr einbringen würde‘. Sie sahen sich nie wieder.

Casanova klagte und erwies zugleich sein Menschenbild: ‚Oh, mein schönes, liebes Frankreich, wo zu jener Zeit alles so gut ging, trotz den lettres de cachet, trotz den Fronden, dem Elend des Volkes, dem bon plaisir des Königs und der Minister! Mein liebes Frankreich, was ist heute aus dir geworden? Das Volk ist dein Herrscher, – das Volk, der brutalste, tyrannischste von allen Herrschern! Du hast allerdings nicht mehr das bon plaisir des Königs, aber du hast dafür die Laune der Volksmenge, und die Republik ist eine abscheuliche Regierungsform, die für moderne Völker nicht passen kann; denn diese sind zu reich, zu klug und vor allen Dingen zu verderbt für eine Regierungsform, deren Voraussetzungen Selbstverleugnung, Nüchternheit und alle Tugenden sind. Das wird nicht von Dauer sein‘ (6, 6).

Immer noch traurig, reiste er ‚mit hundert Louis in meiner Börse und einem Wechsel von achttausend Franken auf Bordeaux ab.‘ Außerdem ‚hatte ich alle meine Hilfsquellen verloren; der Tod hatte mich einsam gemacht; ich war bereits in meinen eigenen Augen ein Herr von einem gewissen Alter. Von diesem Alter will das Glück für gewöhnlich nichts wissen, und die Frauen noch weniger.‘

Nach einem letzten Besuch bei dem ehemaligen Tänzer Bodin, der ‚die Geoffroy geheiratet hatte, eine von meinen tausend Geliebten, die ich vor zweiundzwanzig Jahren zuerst gekannt hatte.‘ Er ‚hatte sie später in Turin, Wien und Paris getroffen‘, sie ‚war mehr häßlich als alt geworden‘, und nun waren beide fromm. Sie befürworteten seinen spöttischen Vorschlag, Kapuziner zu werden. Nach diesen dennoch glücklich-erinnernden sechs Stunden fuhr er die ganze Nacht durch bis Chanteloup.

Nach einem Besuch des Schlosses, das der Herzog von Choiseul hatte errichten lassen, erreichte er Poitiers. Obwohl ihn die beiden Töchter seines Wirtes unterhielten, war seine ‚Seele … noch zu betrübt über Charlottens Tod, um die Reize der Wollust empfinden zu können‘, nur aus Eitelkeit, wie er einräumt, umarmte er sie unter Vortäuschung von Leidenschaft. ‚In Angoulême, wo ich den Hofkoch des Königs von Preußen, Noël, zu sehen hoffte, fand ich nur dessen Vater; er bewirtete mich ausgezeichnet und zeigte mir sein geradezu wunderbares Talent in der Pastetenbäckerei.‘ Er war in der Lage, Pasteten in alle Städte Europas zu verschicken, selbst nach Konstantinopel. Casanova, der diese Dienstleistung nutzte, erhielt Danksagungen aus Venedig, Warschau und Turin. ‚Er versicherte mir, er schicke viele Pasteten nach Amerika‘.

Nach zwei weiteren Tagen erreichte Casanova Bordeaux, eine ‚eine herrliche Stadt, nach Paris die erste Frankreichs‘. ‚Ich verbrachte dort acht Tage, um gut zu essen; denn man lebt in Bordeaux besser als anderswo.‘ Von da ging seine Reise, nachdem er seine ‚achttausend Franken auf Madrid hatte überschreiben lassen, … durch die Landes über Mont-de-Marsan und Bayonne nach Saint-Jean-de-Luz‘. Die Pyrenäen überquerte er auf einem Maultier, ein zweites trug seine Koffer. So viel sei gewiss, dass ‚die Pyrenäen angenehmer, abwechslungsreicher, malerischer und fruchtbarer sind als die Alpen‘, sie erschienen ihm gar ‚gewaltiger‘. Die ersten 20 Meilen der Straße von Pamplona Richtung Madrid hatte ‚Herrn von Gages‘ ausbauen lassen, der Gouverneur von Navarra gewesen war. ‚Als großer General hatte er nur blutbefleckte Lorbeeren gewonnen, war er nur Zerstörer gewesen; aber indem er diese schöne Straße bauen ließ, wurde er zu einem Wohltäter des Volkes und erwarb sich dauernden und unzerstörbaren Ruhm.‘ Danach endete die Straße praktisch im Nirgendwo, die Herbergen waren primitiv. ‚Elendes Spanien!‘ Sein Urteil über die Kastilier fällt vernichtend aus: ‚In ganz Europa versteht man die Kunst, nüchtern zu leben, nicht so gut, wie in den niedrigen Klassen Spaniens. Zwei Unzen weißen Brotes und ein paar geröstete Kastanien oder süße Eicheln, Bellotas genannt, genügen zum Lebensunterhalt eines Spaniers. Sein Stolz ist, sagen zu können, wenn er einen von ihm beherbergten Fremden abreisen sieht: ich habe mir durchaus keine Mühe gegeben, um ihn zu bedienen. Diese Denkungsweise beruht auf großer Faulheit, die mit viel Stolz gemischt ist: man ist ja Kastilianer; man darf sich nicht so weit herablassen, einen gavacho zu bedienen. Mit diesem Namen bezeichnet man in ganz Spanien die Franzosen und dann die Fremden überhaupt‘, ein hartes Schimpfwort.

Die nächste Nacht verbrachte er in einer hässlichen und traurigen Stadt namens Algrada: ‚Dort wurde die Nonne Maria von Algrada wahnsinnig und schrieb das Leben der heiligen Jungfrau nach dem Diktat der Mutter unseres Heilandes. Man hatte mir ihr Werk zu lesen gegeben, als ich unter den Bleidächern war …‘

Madrid (19. November 1767–Ende August 1768): Doña Ignazia, 60 Stunden Gefängnis, Indiskretion gegen Manucci[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nun suchte er sein Heil in Madrid, wo er am 19. November 1767 anlangte. Auf dem Weg lernte er, dass ein ungünstiges Empfehlungsschreiben, wie etwa von dem Minister Squillace, dem Besitzer dieses Schreibens, in diesem Fall einem sizilianischen Abbé, Prügel durch die Stadtwache einbringen konnte. Dieser ehemalige Minister, den der König zu seinem Schutz nach Venedig geschickt hatte, war als harter Steuereintreiber im Lande verhasst.

In den Herbergen konnte man die Zimmer nur von außen abschließen, damit die Schergen der Heiligen Inquisition jederzeit den Lebenswandel überprüfen konnten. ‚Wenn wir unglücklicherweise einem Priester begegneten, der irgendeinem Sterbenden die Wegzehrung brachte, hielt Señor Andrea an und befahl mir in gebieterischem Ton auszusteigen und niederzuknien; ich mußte gehorchen, selbst wenn der Weg kotig war.‘ ‚Der Hauptgegenstand religiösen Verfolgungseifers waren damals die Hosen mit einem Schlitz. Wer sich erlaubte, solche zu tragen, anstatt nach alter Väter Sitte den anzuknöpfenden Hosenlatz, wurde ins Gefängnis geworfen‘. ‚Man erwartete schon eine Revolution, … die der Schilderung durch einen Tacitus würdig gewesen wäre, und worüber ganz Europa sich schief gelacht hätte.‘ Erst nachdem man die Schlitzhosen zur Kleidung der Henker gemacht hatte, verschwand diese Mode schlagartig.

Über Guadalaxara, dann Alcala, kam Casanova nach Madrid. Wegen des klangvollen „As“ hielt er das Arabische für eine sehr alte Sprache, das Kastilische machte dies ‚zur reichsten aller modernen Sprachen‘, in seinen Ohren war sie eine der ‚schönsten, klangreichsten, kräftigsten und majestätischsten der Welt‘. Nur die ‚Gutturallaute‘ bewirkten, dass sie dem Italienischen nicht gleichkam ‚an musikalischem Wohllaut‘.

Am Alcala-Tor durchsuchte man seine Sachen, ‚und die Aufmerksamkeit der Beamten richtete sich hauptsächlich auf Bücher‘, doch hatte er nur einen Horaz und eine Ilias bei sich. Doch seinen Tabak, ‚Pariser Rape‘, warf man auf die Straße, weil er ‚in Spanien verflucht‘ wäre. ‚Wie alle Menschen von Natur die Neigung haben, die verbotene Frucht der erlaubten vorzuziehen, so legen die Spanier großen Wert auf den fremden Tabak und machen sich sehr wenig aus ihrem eigenen; die Folge davon ist ein riesiges Schmuggelwesen.‘ Die kalte Luft Madrids, der höchstgelegenen Stadt Europas, ‚ist für alle Fremden ungesund; sie ist rein und dünn und taugt deshalb nicht für jeden, der ein wenig korpulent ist. Sie ist nur für die Spanier zuträglich, die im allgemeinen mager und dürr sind. Sie sind außerdem so frostig, daß sie sogar in den Hundstagen niemals ohne Hülle ausgehen; diese besteht für wohlhabende Leute in einem großen schwarzen Mantel und für die niedrigen Klassen, besonders die Landbevölkerung, in einem richtigen arabischen Burnus.‘ ‚Die Galanterie muss in diesem Lande notwendig geheimnisvoll sein, weil sie streng verboten ist.‘ ‚Das Blut, das in ihren Adern kocht, macht sie glühend in der Liebe und stets dazu aufgelegt, ihre Hand zu jeder Intrige zu bieten, um die Menschen zu betrügen, die sie umgeben, um jeden ihrer Schritte auszuspionieren. … Auf den Spaziergängen, in der Kirche, im Theater sprechen sie mit den Augen zu den Männern, nach denen sie begehren; sie beherrschen diese verführerische Sprache in höchster Vollendung.‘ Als Aufpasser diente ein Page, den auch Casanova anstellen musste, den er aber sogleich für einen ‚Halunken‘ hielt.

Casanova überbrachte zunächst den Brief der Fürstin Lubomirska an den Grafen von Aranda, ‚der an einem Tage Spanien von allen Jesuiten gesäubert hatte‘ (6, 6). In Madrid mächtiger als der König hatte er alle Schlapphüte und langen Mäntel verboten. ‚Selbstverständlich war er der bestgehaßte Mann in ganz Spanien, aber er schien sich wenig daraus zu machen. Er war ein tiefer Denker und großer Politiker, unverzagt, entschlossen, unbeugsam, ein großer Epikuräer, der aber ausgezeichnet den äußeren Anschein zu wahren wußte.‘ Aber er war ‚ziemlich häßlich und schielte unangenehm‘ – er riet ihm dazu, da sich der venezianische Gesandte nicht für ihn verwenden konnte, sich nur zu unterhalten. Dies riet ihm auch der Gesandte Neapels, ebenso wie die anderen Adressaten. So schrieb Casanova an ‚Herrn Dandolo‘. Sein Botschaftssekretär Gasparo Sonderini wunderte sich über Casanovas Kühnheit, im Palast des Gesandten zu erscheinen, riet ihm aber zu schreiben. Am nächsten Tag lud ihn ein Graf Manucci ein – er behauptete, ihm sei ein Adelsbrief vom Kurfürsten von der Pfalz ausgestellt worden –, ‚privatim‘ Dandolo aufzusuchen. Dieser Graf war der Sohn jenes ‚Giambatista Manucci …, der die Staatsinquisitoren als Spion bedient hatte, um mich unter die Bleidächer zu bringen.‘

‚Mocenigo ist derselbe, der in Paris durch seinen unglückseligen Hang zur Päderastie eine so traurige Berühmtheit erlangte, denn dieses Laster oder dieser Geschmack ist den Franzosen ein Greuel. Später wurde er vom Rat der Zehn zu siebenjähriger Haft in der Zitadelle von Brescia verurteilt, weil er von Venedig auf seinen Botschafterposten in Wien abreisen wollte, ohne dazu vorher die Erlaubnis des Staatskabinetts erhalten zu haben. Maria Theresia hatte der venetianischen Regierung mitgeteilt, sie werde niemals einwilligen, an ihrem Hofe einen Mann zu empfangen, dessen verruchter Geschmack ihrer ganzen Hauptstadt ein Ärgernis sein werde.‘ Sein Nachfolger war ebenfalls Päderast, doch hielt er sich an Mädchen, worüber man hinwegsah.

Den Maler Mengs, seit sechs Jahren in königlichen Diensten, besuchte er gleichfalls. Dort lernte er den Baumeister Sabattini kennen; vor dessen Ankunft war ‚Madrid die schmutzigste und stinkigste Stadt der Welt gewesen. Sabattini ließ unterirdische Abzugsröhren und Abtritte in vierzehntausend Häusern herstellen und war dadurch reich geworden. Er hatte durch Prokuration die Tochter eines anderen Baumeisters, Vanvitelli, geheiratet‘. Die achtzehnjährige Schönheit war zur selben Zeit angekommen, wie Casanova, erklärte aber, sie würde niemals darin einwilligen, Sabattinis Frau zu werden. Dieser war weder jung noch hübsch, aber er war liebenswürdig und von vornehmem Wesen, und da sie die Wahl zwischen der Ehe und dem Kloster, willigte sie doch ein. Sabattini war ein reicher, zärtlicher und gefälliger Mann, der ihr keinen Wunsch versagte. Casanova ‚glühte für sie, aber ich seufzte in aller Stille und betete sie schweigend an; denn abgesehen davon, daß mein Herz noch um Charlotte blutete, begann es mich zu entmutigen, wenn ich sehen mußte, daß die Frauen mir nicht mehr den Empfang bereiteten wie früher‘.

Die Logen im Theater waren so gebaut, dass man sie gut einsehen konnte, die Inquisition saß mit im Theater. ‚Meine Augen betrachteten gerade diese ehrwürdigen Heuchlergesichter, als plötzlich die Schildwache, die am Eingang zum Parkett stand, mit lauter Stimme ausrief: »Dios«. Auf diesen Ruf warfen alle Zuschauer, Männer wie Frauen, und alle Schauspieler …, sich auf die Knie und verharrten in dieser Stellung bis man nicht mehr das Glöckchen auf der Straße klingen hörte. Dieses Glöckchen verkündete, daß ein Priester vorbeikam, um irgendeinem Kranken die heilige Wegzehrung zu bringen. Ich hatte die größte Lust, laut herauszulachen, aber ich kannte die spanischen Sitten bereits zu gut, als daß ich mich nicht hätte zurückhalten sollen.‘ ‚Trotz allen diesen Vorsichtsmaßregeln herrscht in Madrid die größte Liederlichkeit. Diese ist viel größer als in allen anderen Ländern, weil noch die abscheuliche Heuchelei hinzukommt, die der wahren Frömmigkeit mehr schadet als unverhüllte Unzucht.‘ Da Frauen nicht allein zum Tanz gehen durften, und ihr Partner der einzige Tänzer bleiben musste, hofften viele Frauen, zum Tanz eingeladen zu werden. Er beobachtete zum ersten Mal den Fandango, doch er kannte den Tanz nur ohne die dazugehörigen Bewegungen, ‚durch die der Fandango der verführerischste und wollüstigste Tanz der Welt wird‘. ‚Die Liebe wird von ihrem Entstehen bis zu ihrem Ende dargestellt, vom ersten Seufzer des Begehrens bis zur Ekstase des Genusses.‘ Die Pichona, seine Gastgeberin, meinte ‚der Tanz wäre streng verboten, und man würde ihn nicht zu tanzen wagen, wenn nicht der Graf von Aranda ihn erlaubt hätte.‘ Casanova ließ sich drei Tage lang in dem Tanz unterrichten. Er wunderte sich im Übrigen, dass in Madrid sowohl Dirnen als auch ‚anständige Mädchen‘ in die Messe gingen (was ersteren in Venedig verboten war, es sei denn, zu unterschiedlichen Zeiten). Er folgte einem der Mädchen und bat dann den Vater um die Erlaubnis, seine Tochter zum Tanz auszuführen. Dieser war ‚Schuhflicker‘, und zwar deshalb, weil es ihm als hidalgo gegen die Ehre ging, jemandes Fuß zu berühren. Casanova war erstaunt: ‚Ein Schuhflicker, der die Schuhmacher verachtet, weil sie die Füße ihrer Kunden anrühren! Jedenfalls verachteten sie ihrerseits ihn, weil er nur altes Leder berührte.‘ Als er nun seine ‚Fromme‘ abholen wollte, sah er, sie war ‚fix und fertig, und die rosige Farbe, die ihr Gesicht belebte, verriet mir, was in ihrem Herzen vorging.‘ Erst nachdem sie die Mutter im Wagen zurückgelassen hatten, die warten wollte, gingen sie zum Tanz und Doña Ignazia stellte sich mit Namen vor, er fühlte beim Tanz ihr ‚unwillkürliches Zittern‘. Beim Fandango verliebte sich Casanova wieder einmal (5, 7).

Wie sich herausstellte, hatte sie in dem 22-jährigen, aber hässlichen Don Francisco de Ramos bereits einen Liebhaber. Dieser glaubte, Casanova würde sie lieben, wie seine eigene Tochter. Der junge Mann hoffte auf einen Kredit Casanovas, den dieser ihm jedoch nicht gewähren konnte. Er ‚lachte über das Abenteuer, denn ich hatte für Ignazia nur eine flüchtige Neigung empfunden und ging aus, um der Pichona meine Aufwartung zu machen‘, die erste Frau, die er in Madrid kennen gelernt hatte. Sie war Schauspielerin und verdankte dem Herzog von Medina-Celi ihr Vermögen. Er hatte ihr umgerechnet rund 500.000 Francs geschenkt, da er sah, dass sie es sich nicht einmal leisten konnte, zu heizen, als er sie besuchte. Dieser großzügige Mann starb just an dem Tag, als Casanova den Fandango tanzte.

Überraschenderweise bot ihm ein ‚Graf Marazzani von Piacenza‘ seine Dienste an. Mit ihm ging er zu einem Ball, in der Hoffnung auf eine kleine Liebschaft, obwohl ihn seine innere Stimme, wieder vergebens, warnte. Er fand jedenfalls keine passende Frau für sich.

Gegen Ende des Karnevals ging er zu jenem adligen Schuhflicker. ‚Ich lachte innerlich darüber, einen Schuhflicker Don nennen zu müssen, der nicht Schuhmacher sein wollte, weil er Hidalgo war. Hidalgo, das bedeutet adlig, kommt von hijo de algo, Sohn von etwas; oft rächt das grobe Volk sich für die Verachtung der Hidalgos, die die Bürgerlichen hijos de nada, Söhne von nichts, nennen, dadurch, daß sie sie hideputa nennen, von hijos de puta, Hurensöhne.‘ ‚Doña Ignazia stand höflich von der Erde auf, auf der sie mit gekreuzten Beinen saß wie eine Afrikanerin. Dieser Brauch stammt noch von den Mauren.‘ ‚Die Spanierinnen sitzen auf ihren Beinen in der Kirche, wo es weder Bänke noch Stühle gibt‘. Einen ersten Versuch wehrte sie mit Kraft ab, ihr Gesicht wurde ‚scharlachrot‘, ‚ihre Pflicht nötige sie, ihrem eigenen Wunsche zum Trotz sich meiner Kühnheit zu widersetzen.‘ Casanova hoffte, sie zum Denken zu bringen und dadurch ihre eigenartigen Pflichtvorstellungen zu zerstören. ‚Doña Ignazia war eine vollkommene Schönheit und im höchsten Grade verführerisch, sobald sie ihre fromme Miene ablegte‘ und ‚sie gab sich mir mit jener Miene hin, die zu sagen scheint: »Ich ergebe mich dir, weil ich nicht länger widerstehen kann.«‘ Doch der Karneval war zu Ende: ‚Um elf Uhr neunundfünfzig Minuten sind die Sinne vor Erregung in einer Weißgluthitze; mit dem Schlage Mitternacht, in einer Minute, sollen die Sinne ruhig, die Leidenschaften abgestorben, die Herzen von Reue und Liebe durchdrungen sein.‘

Als er auf dem Weg zu ihr war, sprach ihn ein Unbekannter an, der ihn vor Alcalde Messa warnte, der von Casanovas verbotenen Waffen wusste, und er wusste auch, wo der Venezianer diese Waffen versteckt hatte. Das Haus Mengs' bot ihm Sicherheit, da es dem König gehörte. Während er dort war, wurde von 30 Sbirren seine Wohnung durchsucht. Casanova war sicher, dass ihn sein Page angezeigt hatte. Am nächsten Tag wurde Casanova verhaftet und ‚nach dem königlichen Palast Buen Retiro‘ gebracht, längst ein Gefängnis. Dort saßen bereits Graf Mazzarini und sein Page ein. Manucci gestattete Casanova, Briefe zu schreiben. Von Mocenigo verlangte er darin Schutz. ‚An den gelehrten Don Emanuel de Roda, Minister der Gnade und der Justiz, schrieb ich, ich wende mich an ihn, nicht um eine Gnade zu erlangen, sondern um Gerechtigkeit zu erhalten‘, dem ‚Herzog von Lossada schrieb ich, er möge seinem Königlichen Herrn mitteilen, man ermorde ohne sein Wissen, aber in seinem Namen einen Venetianer, der kein Verbrechen begangen und kein Gesetz übertreten habe.‘ In steter Furcht beraubt zu werden, ständig verhöhnt, ohne ein brauchbares Bett, stand er in Urin und so verbrachte er eine der schlimmsten Nächte seines Lebens. Doña Ignazia und ihr Vater ‚traten mit dem wackeren Hauptmann ein, der mir so viele Freude gemacht hatte … es lagen darin von Seiten des braven Mannes Seelengröße, Tugend und Menschlichkeit und von Seiten der schönen Frommen eine wirkliche Liebe und Ergebenheit.‘ Er drückte ihm sogar heimlich eine Rolle mit 1000 Francs in die Hand, doch musste er sie wieder einstecken, da die Diebe schon darauf lauerten. Mengs ließ ihm Essen bringen.

Der Alcalde ließ ihn zu sich bringen, doch weigerte sich Casanova, dessen Spanisch zu schlecht war, in dieser Sprache zu reden. Aranda erkannte sein Anliegen an, doch ärgerte er sich über Casanovas anmaßenden Schreibstil. Er fuhr persönlich vor, der Page wurde verhaftet – Casanova hörte nie wieder von ihm – er durfte das Gefängnis nach zwei entsetzlichen Nächten verlassen. Mit dreißig Mann wurde er zu seiner Wohnung geleitet. Der Alcalde meinte: ‚»Wenn Sie nicht in Ihrem Dienst einen niederträchtigen Verräter gehabt hätten, den ich auf den Galeeren in Afrika verfaulen lassen werde, Herr Chevalier, so wäre es Ihnen nie in den Sinn gekommen, zu glauben, daß die Diener Seiner Katholischen Majestät Mörder seien.«‘ Dieses Schicksal, so meinte Casanova, hätte ihm wohl auch geblüht, wenn er nicht hätte schreiben dürfen. Der Schuhflicker freute sich, dass er Casanovas Unschuld früh erkannt hatte, ‚Doña Ignazia war halb toll vor Freude‘, vielleicht weil sie nicht so sicher gewesen war, wie ihr Vater. Mengs hatte inzwischen vergebens versucht, sich für ihn bei Don Emanuel de Roda zu verwenden. Nun war ein Brief von Herrn Dandolo eingetroffen. Er ‚enthielt einen anderen Brief für Herrn von Mocenigo. Herr Dandolo schrieb mir: »Wenn der Herr Gesandte diesen Brief gelesen hat, wird er nicht mehr den Staatsinquisitoren zu mißfallen fürchten, indem er Sie in aller Form vorstellt; denn der Briefschreiber empfiehlt Sie ihm von Seiten der drei Staatsinquisitoren.«‘ Mengs dazu: ‚»Ich rate Ihnen, dem Gesandten den Brief augenblicklich zu überbringen. Nehmen Sie meinen Wagen; denn nach einer sechzigstündigen Folterung können Sie sich natürlich kaum aufrecht erhalten.«‘ Nun wurde er vom Gesandten eingeladen (6, 7–8). Inzwischen misstraute Casanova seinem Glück: ‚Es hat mich nur immer in die Tiefe gestürzt, um mich zu einer Höhe zu erheben, die meinem Sturz entsprach, und es hat mich anscheinend immer nur recht hoch steigen lassen, um mich ebenso tief in den Abgrund zu stürzen.‘ Ersterer hatte Aranda das Material gegen die Jesuiten geliefert.

Antonio Carnicero (1748–1814): Pedro Rodríguez de Campomanes, Öl auf Leinwand, Kathedrale Santa María la Mayor de Tudela

Schließlich lernte er Campomanes und Olavides kennen: ‚Campomanes hatte dem Grafen Aranda das ganze Material gegen die Jesuiten geliefert‘ (6, 8). Statt die Schriften des Venezianers Fra Paolo Sarpi zu lesen, überzeugte sich Morosini erst durch die Worte Campomanes′. Doch auch dieser war zeitweise im Gefängnis. ‚Das Krebsgeschwür, das Spanien verzehrt, ist immer noch vorhanden. Sein Freund Olavides wurde noch härter behandelt, und Aranda selber hätte dem blutdürstigen Ungeheuer nicht entgehen können, wenn er nicht als vernünftiger Mann von durchdringendem Verstande den Pariser Botschafterposten für sich erbeten hätte. Diesen bewilligte der König ihm von Herzen gern, weil ihm dadurch die Notwendigkeit erspart blieb, den Grafen der Wut der Mönche auszuliefern.‘ Hingegen sei Karl III. ‚der Sklave seines Beichtvaters‘.

Allegorische Darstellung zur Kolonisierung der Sierra Morena aus dem Jahr 1805. Als Anwerber fungierte Johann Kaspar Thürriegel; er wurde 1787 wegen eines Zollvergehens zu zehnjähriger Festungshaft in Pamplona verurteilt.

Casanova berichtet von einem Projekt der Ansiedlung von Schweizern in der Sierra Morena. Olavides zog den Hass der Mönche auf sich, denn er wollte sie aus der Kolonie fernhalten. Casanova war sich sicher, dass die Schweizer ein Volk wären, ‚das allgemein in hohem Grade dem Heimweh unterworfen ist‘. Auch müsse man ihnen in Gewissensfragen freie Hand lassen. Durch Vermischung mit einer benachbarten spanischen Kolonie könnte das Projekt gerettet werden. Olavides forderte Casanova auf, eine Denkschrift zu verfassen.

Casanova stellte sich nun auch Don Emanuel de Roda vor, jenem Minister, dem er geschrieben hatte, und der ihm sein Bedauern ausdrückte. Der Herzog von Lossada beglückwünschte Casanova, dass der venezianische Gesandte ihn überall loben würde. Er bot ihm sogar an, ihm beim Bemühen um eine Staatsstellung behilflich zu sein. ‚Da Pauline mir nicht mehr schrieb, gab es für mich kein Mittel, zu erfahren, was aus ihr geworden war.‘ Auch wenn er weitere bedeutende Persönlichkeiten traf, so langweilte er sich, da er nicht mit Doña Ignazia allein sein konnte.

Sein Plan, sich von Mocenigo bei Hof zu empfehlen, denn der König war 14 Tage vor Ostern nach Aranjues gegangen, scheiterte, da er sich ein 48 Stunden anhaltendes, heftiges Fieber einhandelte, wobei er acht Tage brauchte, um sich zu erholen. Danach folgte ein Geschwür, das bis auf die Größe einer Melone anschwoll. Ein französischer Arzt öffnete es, und so konnte der Eiter entweichen. Danach lag er fünf Tage im Bett. Inzwischen hatte der Pfarrer Mengs vorgeworfen, er beherberge einen Ketzer, der seine christlichen Pflichten vernachlässige – eine Namensliste wurde an der Tür der Pfarrkirche angeschlagen. Um nicht in schlechten Ruf zu geraten, kündigte er Casanova die Wohnung brieflich. Der wütende Casanova ließ sich bescheinigen, dass er das Abendmahl empfangen habe, ein Franziskaner nahm ihm die Beichte ab. ‚Mein Beichtvater war so gefällig, mir eine Bescheinigung zu schreiben, daß ich vom Augenblick meiner Ankunft an hätte das Bett hüten müssen und daß ich trotz meiner großen Schwäche mich in die Kirche hätte tragen lassen.‘ Der Streit mit Mengs gab Casanova Anlass, über ihre Auseinandersetzungen eine lange Passage zu füllen (6, 8).

Mit Manucci reiste er nach Toledo, sie gingen ‚mit einem Fremdenführer aus, der uns in den Alcazar führte. Das ist der Louvre von Toledo, ein großer Palast, wo einstmals die maurischen Könige wohnten.‘ Als ihm im Dom ein Priester die 30 Silberlinge nannte, die Judas für den Verrat an Jesus erhalten hatte, wollte Casanova diese sehen, was den Priester erzürnte. Casanova schrieb: ‚In Spanien sind die Priester Betrüger, auf die man noch mehr Rücksicht nehmen muß als in anderen Ländern.‘ Nach seiner Rückkehr nach Aranjuez konnte er endlich allen Ministern seine Aufwartung machen. Dem Marques Grimaldi konnte er seine Denkschrift überreichen. ‚Marques Grimaldi versicherte mir: wenn der Plan angenommen würde, sollte ich zum Gouverneur der Kolonie ernannt werden.‘

Casanova nutzte die Gelegenheit, es war im Mai, um für den Hof ‚auf der Stelle ein Drama zu dichten‘, das als Oper aufgeführt wurde. Der ‚Kapellmeister‘ erhielt Geschenke, er den Beifall. Er gewann die Freundschaft einer der Sängerinnen, einer Römerin namens Pelliccia. ‚Der Operndirektor, namens Marescalchi, hatte mit dem Gouverneur von Valencia die Abmachung getroffen, daß er den ganzen September mit seiner Truppe dort zubringen solle, um auf einem eigens dazu erbauten kleinen Theater komische Opern aufzuführen.‘ Er konnte der Sängerin einen guten Kontakt vermitteln. Auch verkehrte er mit dem Kammerdiener des Königs, mit Don Domingo Varnier. ‚Der König war sehr häßlich, aber alles ist verhältnismäßig; denn er war schön im Vergleich zu seinem Bruder, der eine wahre Vogelscheuche war.‘

Wieder in Madrid ‚wollte ich dem Abbate Pico einen Besuch machen; ich befahl meinem Kutscher, nicht durch die Straße der Kapelle zu fahren, damit er keinen Aufenthalt durch die vielen Wagen hätte.‘ Doch die Kirche wurde kaum noch besucht, da man die Brüste der Stillenden Maria verhüllt hatte. ‚Dieses Unglück war gegen Ende des Karnevals des Jahres 1768 geschehen. Der alte Kaplan war gestorben; der Vandale, der ihm nachfolgte, fand den herrlichen Busen skandalös, und so verschwand denn jeder Reiz des Bildes.‘ Casanova wollte diesen ‚Busenzerstörer‘ besuchen. Dieser bot ihm eine Tasse Schokolade an. ‚Ich lehnte diese ab, wie jeder Fremde es tun muß; denn abgesehen davon, daß die Schokolade im allgemeinen schlecht ist, wird sie einem überall und zu allen Stunden angeboten, und man würde ersticken, wenn man sie jedesmal annähme.‘ Die beiden gerieten in Streit, der Priester wies ihm die Tür. Nun fürchtete Casanova das Eingreifen der Inquisition, denn er hatte einen Franzosen namens Ségur kennengelernt, der drei Jahre Gefängnis hinter sich hatte, weil er sich unter einer Figur mit einem Heiligenschein ‚nach der Art des Brüsseler Manneken-Pis‘ gewaschen hatte. Die ‚Inquisition fand es sündhaft, daß er zum Waschen ein Wasser benützte, das man als den Urin Christi ansehen konnte.‘ Sicherheitshalber suchte er den Großinquisitor auf, der sich als gebildet und verständig zeigte. Er teilte ihm mit, dass der Pfarrer ‚»der Sie auf die Liste der Exkommunizierten gesetzt hat, einen derben Verweis erhalten hat; denn er hätte Sie vorher väterlich warnen und vor allen Dingen sich erkundigen müssen, ob Sie krank wären; wir wissen, daß dies wirklich der Fall war.«‘

Casanovas ‚Schriftstücke gefielen dem Minister Grimaldi und schmeichelten Herrn von Mocenigo; dieser hoffte: wenn es mir gelänge, zum Gouverneur der Kolonie ernannt zu werden, so würde dadurch der Ruhm seiner Gesandtschaft erhöht und sein diplomatischer Einfluß gestärkt werden.‘ Der König füllte seinen Tag mit Terminen und vor allem mit der Jagd, um, nachdem er Witwer geworden war, seine sinnlichen Bedürfnisse ‚niederzuhalten‘. Von Varnier erfuhr er zudem: ‚»Er hat daran gedacht, sich wieder zu verheiraten, aber Adelaide von Frankreich bekam Furcht, als sie sein Bild sah, und wies ihn ab. Dies kränkte ihn, und er verzichtete auf eine zweite Heirat. Wehe dem, der ihm vorschlagen würde, eine Geliebte zu nehmen!«‘

‚Ich verabschiedete mich von Herrn von Mocenigo drei Tage, bevor er selber abreiste, und umarmte voll Zärtlichkeit Manucci, der mir während meines ganzen Aufenthaltes unaufhörlich Beweise seiner Freundschaft gab. Ich gestehe dies zu meiner eigenen Schande und hoffe, man wird dieses Geständnis als mildernden Umstand für das Unrecht ansehen, das ich gegen ihn begangen habe.‘ Er kehrte nach Madrid zu seinem Schuhflicker zurück, dort hatte Don Diego eigens ein Haus für Casanova gemietet.

Nun fand es Casanova an der Zeit, seine Vorstellung von Adel darzulegen, den Don Diego für ihn verkörperte: ‚Achtet diesen Mann, der dem Worte Adel einen Sinn gibt, den ihr nicht begreift. Er behauptet nicht, daß der Adel in einer Reihenfolge von Geschlechtern besteht, deren letzter Sprößling er selber ist; denn er lacht über die Stammbäume, die so oft durch unedles Blut befleckt sind, das durch ungetreue Gattinnen in die Adern ihrer Kinder gelangte. Nach seiner Erklärung ist der wirkliche Adelige der Mann, der Achtung verlangt, und nach dessen Meinung es nur ein einziges Mittel gibt, um Achtung zu verdienen: sich selber zu achten, seine Mitmenschen zu achten, ehrenhaft zu leben, niemanden zu täuschen, niemals seine Zunge mit einer Lüge zu besudeln, wenn der, zu dem man spricht, glauben muß, daß man die Wahrheit spricht, und endlich die Ehre dem Leben vorzuziehen.‘

Doña Ignazia war ganz stolz auf das, was ihr Vater für mich getan hatte (6, 9). Dieser fertigte inzwischen Schuhe an, doch nur an einem Leisten, nicht am Fuß. Seine fromme Tochter versuchte sich mit den Pocken anzustecken, um so hässlich zu werden, dass sie sich nicht mehr gegen die Liebe wehren müsse. Casanova kam zu dem Schluss, dass die Freude der Frau in der Liebe allein schon deshalb größer sein müsse, weil sie auch das größere Risiko und die Schmerzen der Geburt ertrage. ‚Nichtsdestoweniger würde ich, wenn ich den Vorzug haben könnte, noch einmal wiedergeboren zu werden, mich gern einverstanden erklären, nicht nur als Weib, sondern sogar als Tier irgendwelcher Art wiedergeboren zu werden; selbstverständlich mit meinem Gedächtnis; denn sonst wäre ich ja nicht mehr ich.‘

Von den Stierkämpfen schrieb Casanova, dass ‚sie eine Barbarei‘ wären, ‚denn die Arena ist zuweilen ganz überströmt von dem Blute der Stiere, der Pferde, denen sie den Bauch aufgeschlitzt haben, und oft sogar der unglücklichen Picadores, deren Geschäft und Vergnügen es ist, die wütenden Stiere noch mehr zu reizen.‘ Dennoch besuchte er mit seiner Geliebten den Stierkampf. Viel stärker betont Casanova den Kampf um Doña Ignazia, den er mit ihrem Beichtvater führte, aber auch beider Zerrissenheit. Dieser Beichtvater verweigerte ihr die Absolution, doch immerhin war sie nun reinen Gewissens. Casanova schreibt nur lakonisch, nicht wie früher unter Angabe der Stunden: ‚Am Morgen verließ sie mich, ermüdet, aber verliebter denn je.‘

Doch nun beging er ‚eine verhängnisvolle Indiskretion, eine begreifliche Leichtfertigkeit, die ich mir niemals habe verzeihen können; denn nach so vielen Jahren, nach so vielen Wechselfällen des Lebens zerreißt sie mir noch heute das Herz‘ (6, 10). Er machte einen angeblichen Grafen Fraiture, den er als Betrüger und Falschspieler bereits aus Spa kannte, und der Casanova nachgereist war, mit dem Grafen Manucci bekannt. Manucci gab Casanova 100 Pistolen, um sie Fraiture zu leihen, der damit gedroht hatte, sich zu erschießen. Inzwischen wurde Mocenigo von Herrn Querini als Gesandter Venedigs abgelöst, der sehr gebildet war, und der einen freundlichen Umgang mit Casanova pflegte. Doch nach der Übergabe des Geldes an Fraiture ließen ihn die Wachen nicht mehr vor, stattdessen erhielt er einen Brief, in dem Manucci ihm vorhielt, er habe Fraiture verraten, dass Manucci ‚nicht den Rang besitze, den er sich beilege usw.‘. Casanova fühlte sich schuldig und schämte sich auch, doch der Aufforderung Madrid binnen acht Tagen zu verlassen, wollte er keineswegs Folge leisten. Er versuchte mittels eines Briefes den einstigen Freund umzustimmen, doch nun wurde er auch von anderen Angehörigen der Gesellschaft nicht mehr vorgelassen. Manucci, der seine Macht über Mocenigo nutzen wollte, war offenbar entschlossen, sich an Casanova für die Indiskretion zu rächen. Nur der Genueser Buchhändler Corrado lieh ihm noch Geld, wofür Casanova außer Dankbarkeit nichts mehr anbieten konnte.

Casanova musste Madrid verlassen, auch wenn ihn Aranda noch davon überzeugen konnte, er müsse nicht weichen, denn wieder ging ihm das Geld aus: ‚Nichts ist für einen Mann süßer, als mit einer Frau zusammen zu leben, die er anbetet und von der er geliebt wird; aber es gibt auch nichts, das bitterer wäre, als die Trennung, wenn die Liebe noch in voller Kraft steht‘. ‚Filippo, ein tüchtiger Junge, der hoch über seiner Herkunft stand, gab mir bis in die Mitte des nächsten Jahres Nachrichten von Doña Ignazia. Sie wurde die Gattin eines reichen Schuhmachers‘, auch wenn ihr Vater damit einer nicht standesgemäßen Verheiratung zustimmen musste.

Saragossa (Anfang September 1768) und Sagunt, Valencia: Nina, Barcelona[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang September kam Casanova, der alles hinter sich lassen musste, in Saragossa an. ‚Arandas Gesetze hatten bei diesem Volke keine Kraft; denn bei Tage wie bei Nacht sah man auf den Straßen Männer mit langen Mänteln und Schlapphüten.‘ Unter anderen hatte er dort ‚Gelegenheit, den Domherrn Pignatelli, einen gebürtigen Italiener, kennen zu lernen, den ehrwürdigen Präsidenten der Inquisition‘. Dieser ließ sich jeden Abend ein Mädchen kommen, bestrafte dann dieses und die Kupplerin, um dann zu beichten. Dies wiederholte sich jeden Tag, so Casanova. Sarkastisch merkte der Venezianer an: ‚Die Stierkämpfe waren in der Hauptstadt Aragoniens schöner als in Madrid; denn sie waren mörderischer, und solche barbarischen Schauspiele sind um so schöner, je mehr Blut dabei fließt.‘

Die Befestigungsanlagen von Sagunt im Jahr 2015

Er reiste weiter: ‚Ich hatte der Doña Pelliccia versprochen, sie in Valencia zu besuchen. Unterwegs sah ich auf einer Anhöhe das alte Sagunt liegen. »Ich will da hinauf!« sagte ich zu einem Priester, der mit mir fuhr, und zu dem Fuhrmann, der am Abend in Valencia ankommen wollte und dem seine Maultiere lieber waren als alle Antiquitäten der Welt. Wie der Priester und der Maultiertreiber sich sträubten und wie sie redeten!‘ ‚Oben auf der Anhöhe sah ich Mauern, die zum großen Teil noch im guten Stande waren, und deutlich erkennbare Zinnen, und doch stammt dieses Denkmal aus der Zeit des zweiten Punischen Krieges. An zwei Toren, die noch aufrecht standen, bemerkte ich Inschriften, die für mich und für viele andere stumm sind, die aber La Condamine oder Séguier, der frühere Freund des Marchese Maffei, sicherlich entziffert hätten.‘ Casanova bedauerte, dass selbst der Name der Stadt vergessen sei, und dass dieser nunmehr Murviedro lautete, ‚wenngleich dieser ebenfalls auch dem Lateinischen entstammt und von muri veteres hergeleitet ist‘ (6, 10). ‚Vergeblich bemühte ich mich, Hannibals Kopf und die Inschrift zu Ehren des Cäsar und Claudius, des Nachfolgers des Kaisers Gallienus, aufzufinden; dagegen sah ich die Spuren des Amphitheaters. Am anderen Morgen besah ich den Mosaikboden, den man zwanzig Jahre vor jener Zeit bloßgelegt hatte.‘

In Valencia fand er kein Café, sondern ‚nur Schenken niedrigster Ordnung, in denen der Wein untrinkbar war‘. ‚In Valencia, das so nahe bei Malaga und Alicante liegt, konnte man zu meiner Zeit eine gute Flasche Wein sich nur mit großen Schwierigkeiten beschaffen.‘ Nicht einen einzigen Gelehrten fand er dort. ‚Die fünf Brücken über den Guadalajara, die Kirchen, die öffentlichen Gebäude, das Zeughaus, die Börse, das Stadthaus, die zwölf Tore konnten mich nicht dazu hinreißen, eine Stadt zu bewundern, deren Straßen nicht gepflastert sind, und wo man nur außerhalb der Mauern spazieren gehen kann.‘ Immerhin: ‚die Umgebung von Valencia ist ein wahres Paradies‘. Insgesamt glaubte er, Spanien brauche ‚eine starke Revolution, eine völlige Umwälzung, einen furchtbaren Anstoß, eine Eroberung, die neues Leben weckt.‘ ‚Solange Spanien eine Inquisition hat, wird dieses Ungeheuer der Stein des Anstoßes für Fortschritt und Glück sein.‘

Der Herzog von Arcos wollte der Sängerin Pelliccia 250.000 Francs zukommen lassen, eine Verschwendung, die selbst den König zum Eingreifen veranlasste. Dieser befahl der Pelliccia, Madrid umgehend zu verlassen. ‚Zum ersten Mal in seinem Leben begab er sich in die Wohnung der Señora Pelliccia und bat sie, ihm zu verzeihen, daß er die unfreiwillige Ursache ihres Mißgeschickes sei, und eine Rolle und einen Brief anzunehmen, die er auf einen Tisch legte, indem er ihr glückliche Reise wünschte‘. Der Brief enthielt eine Anweisung über 400.000 Francs auf Rom. Als Casanova seine Erinnerungen abfasste, lebte die vermögende Frau seit 29 Jahren in Rom.

Beim Stierkampf erblickte Casanova eine 23-jährige Frau namens Nina. Sie ‚sei eine Tänzerin, die der Generalkapitän des Fürstentums Barcelona, Graf von Ricla, seit einigen Wochen in Valencia unterhält, bis er sie wieder nach Barcelona zurückkehren lassen könne, wo der Bischof sie wegen des von ihr erregten Ärgernisses nicht länger habe dulden wollen.‘ Sie führte sich in für Casanova vollkommen ungewohnter Art auf, ohrfeigte den Spitzel ihres Liebhabers, der sie zugleich mit Geld überhäufte. Anfang Oktober besuchte Casanova sie ihn hrem Haus, ‚in Valencia waren zwanzig Grad Réaumur im Schatten‘. Nina begann mit einer Orgie, doch war Casanova jener Spitzel Molinari zuwider, den sie vor seinen Augen benutzte. Casanova bezweifelte, dass sie Ricla liebe, aber sie antwortete: ‚»Doch! Aber nur, um ihn zugrunde zu richten. Leider ist er so reich, daß es mir nicht gelingen wird.«‘ Casanova hoffte ausdrücklich, sich daraus Vorteile verschaffen zu können: ‚Wir aßen gut zu Abend und begingen hierauf alle Tollheiten, die sie von mir verlangte und die ich noch leisten konnte; denn ich war nicht mehr in dem Alter, wo man Wunder vollbringt.‘

Casanova reiste ihr, nachdem Nina briefliche Erlaubnis erhalten hatte, wieder zurückzukehren, nach Barcelona voraus. Sie nächtigten auf dem Weg dorthin in Tarragona. In Barcelona fand er ‚eine sehr schöne Wohnung bei einem Schweizer, der mir im geheimen sagte, er habe Befehl erhalten, mich gut zu bedienen‘. Vermittels eines Empfehlungsschreibens ‚vom Marques de Mora für Don Miguel de Cevallos‘ wurde er von letzterem dem allmächtigen Ricla vorgestellt (6, 10–11). Dieser empfing ihn freundlich, warnte ihn jedoch vor Ausschweifungen, was Casanova ernst nahm. Doch beging er den Fehler, zu Nina zu gehen, als sie ihn brieflich dazu aufforderte. Bei ihr traf er ihre 36-jährige Schwester an, die mit einem italienischen Tänzer verheiratet war. Dieser führte den Beinamen „Schizza“. Trotz Warnung durch einen ‚Offizier von der Wallonischen Garde‘ besuchte er Nina jeden Abend, auch wenn nichst weiter geschah, nachdem Ricla gegangen war. Dies war bereits Thema in den Cafés der Stadt. ‚Am 14. November ging ich um die gewöhnliche Stunde zu ihr. Ich fand bei ihr einen Mann, der ihr Miniaturen zeigte. Ich sah ihn an und erkannte den niederträchtigen Schurken Passano oder Pogomas‘, jenen Genuesen. Am nächsten Abend, als er gegen Mitternacht auf dem Heimweg war, wurde Casanova von zwei Männern angegriffen. Einen stach er nieder (der Stich war wohl tödlich), von den Schüssen des anderen wurde er nur knapp verfehlt. Obwohl ihn sein Schweizer Gastgeber dringend bat, die Stadt zu verlassen, wollte er nicht für schuldig gehalten werden und blieb. Am nächsten Tag wurde er auf der Zitadelle gefangengesetzt, fühlte sich jedoch besser behandelt, als in Madrid. Er ‚machte, um die Zeit totzuschlagen, geometrische Berechnungen.‘ Am 4. Tag wurde er in den unterirdischen Teil der Festung verlegt. In diesem ‚Loch‘ verbrachte er 42 Tage. In dieser Zeit schrieb er ‚mit Bleistift und ohne ein anderes Hilfsmittel als mein Gedächtnis die ganze Widerlegung der Geschichte der Regierung von Venedig von Amelot de la Houssaye; die Stellen für die Zitate ließ ich frei, um sie einzufügen, wenn ich wieder in Freiheit wäre und das Werk selber vor Augen hätte‘ (6, 11).

Nun berichtet Casanova von einem Tadini, einem Okulisten, den er bereits aus Warschau kannte. Er stritt sich seit 20 Jahren mit einem Augenarzt, der den Star operiere. Casanova weigerte sich, für ihn zu sprechen, er solle lieber ‚Operibus credite – glaubet meinen Werken!‘ Man lud bei einer Patientin die beiden verfeindeten Professoren zum Disput. ‚Der Alte war ein Deutscher, sprach aber gut französisch. Er griff jedoch Tadini in lateinischer Sprache an‘, das Tadini nicht verstand, der eine Schachtel mit Kristallinsen hervorzog. Er behauptete, er ‚besitze die Kunst, diese Kügelchen anstatt der Kristallinsen in die Hornhaut einzusetzen‘. Er wurde vor die Fakultät geladen, um seine Kenntnisse vom Aufbau des Auges nachzuweisen, woraufhin er später den Professor mit dem Degen attackierte. Nun musste er aus Warschau fliehen. Dieser Tadini erschien nun als unfreiwillige Schildwache in Barcelona. Er hatte vor, zu desertieren, Casanova hörte nie wieder von dem Mann, der immer noch an seine Linsen glaubte, obwohl er nie Gelegenheit erhalten hatte, sie zu erproben.

Casanova, dem nun alles zurückerstattet wurde, erhielt von Emanuel Badillo, Sekretär der Regierung, ein höflicher Mann, der ihn auch verhaftet hatte, den Befehl, Barcelona binnen drei Tagen zu verlassen. Er kehrte zu seinem Schweizer zurück, während seiner Gefangenschaft waren Briefe aus Paris, Venedig, Warschau und Madrid eingetroffen. Sein Wirt erklärte, der offizielle Grund der Verhaftung seien gefälschte Papiere gewesen, der inoffizielle seine Nächte bei Nina. Zu seiner Freude erhielt er ‚Wechsel, die ich in Genua dem Marchese Augustino Grimaldi de la Pietra gegeben hatte‘ – wie er ausdrücklich vermerkte, ‚der vierte Genuese, der sich gegen mich wie ein wirklicher Held betrug‘. Nur Passano konnte er nicht verzeihen, der wenige Jahre später elend in seiner Heimatstadt Genua starb, wie Casanova zu Ohren kommen sollte. Er hieß in Wirklichkeit Ascanio Pogomas und war gegen Ende November aus dem Gefängnis entlassen worden. Die gefälschten Papiere waren allerdings echt, wenn auch Casanova zu diesem Zweck Mocenigo erpresst hatte, er würde seine Liebschaft öffentlich machen. Dieser venezianische Pass war wiederum die Voraussetzung für den Pass, den Aranda ihm ausgestellt hatte.

Neue Ausrichtung der Lebensziele (1769–1798)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Südfrankreich (Januar 1769), Turin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der, wie er einräumte, abergläubische Casanova wollte Spanien am letzten Tag des Jahres verlassen. Er plante, am 3. Januar 1769 in Perpignan zu sein. Doch sein Piemonteser Fuhrmann machte ihn darauf aufmerksam, dass er verfolgt werde, nämlich von drei gedungenen Mördern. Auf Schleichwegen gelangten sie nach Frankreich. Erst in Perpginan, war Casanova sicher, sein ‚Leben gerettet zu haben; ich verdankte es meinem ehrlichen Fuhrmann.‘ Er entließ seine Gehilfen und eilte am nächsten Tag nach Narbonne, dann weiter nach Béziers. ‚Keine Stadt eignet sich so sehr zur Alterszuflucht für einen Philosophen, der auf alle Eitelkeiten der Erde verzichtet hat, oder für einen wollüstigen Epikuräer, der alle Freuden der Sinne genießen möchte, ohne reich zu sein.‘ ‚… alle Welt hat Geist; das weibliche Geschlecht ist schön, und man ißt ausgezeichnet für einen bescheidenen Preis. Wie man weiß, sind die Weine köstlich und billig.‘ ‚Hoffentlich wird die Gegend nicht durch zu großen Fremdenzustrom verdorben‘ (6, 11). Über Pézénas ging es weiter nach Montpellier – ‚Nirgendwo in Frankreich, selbst in Béziers nicht, ißt man besser als in Montpellier. Es ist ein wahres Schlaraffenland.‘

Dort wollte er Professoren kennen lernen, über die er folgendes Urteil notierte: ‚Der wahre Gelehrte muß der Freund aller sein, die die Wissenschaft lieben, und er ist es in Frankreich noch mehr als in Italien. In Deutschland ist der Gelehrte geheimtuerisch und zurückhaltend. Er glaubt sich zu sehr verpflichtet, als ganz anspruchslos zu erscheinen, während für ein schwaches Auge der Dünkel überall hervorsieht; dieses Vorurteil verhindert ihn, sich die Freundschaft der Fremden zu erwerben, die ihn aufsuchen, um ihn in der Nähe zu bewundern und die Milch seiner Weisheit zu saugen‘ (6, 11). Und, wie immer, zog ihn die dortige Schauspielertruppe an. Er ‚hatte auf der Bühne mehrere Schauspielerinnen von reizender Anmut, Jugend und Schönheit gesehen; und doch hatten sie keinerlei Wunsch in mir erregt, und das war mir angenehm.‘ Er suchte Castelbajac, von der er hoffte, dass es ihr gut ergehe, weniger um ihre Beziehung zu erneuern. Unter dem Vorwand, Chemikalien zu benötigen, besuchte er Apotheken, denn er wusste, sie war mit einem Apotheker verheiratet. Tatsächlich nahm sie Kontakt zu ihm auf, ihr Mann selbst lud ihn ein: ‚Mir klopfte das Herz, aber es gelang mir, mich zu beherrschen.‘ Casanova ‚verbrachte diese vier Tage in der süßen Zufriedenheit einer aufrichtigen und reinen Freundschaft, ohne daß die Erinnerung an unsere früheren Liebesfreuden in uns den Wunsch erregte, sie zu erneuern. Wir brauchten unsere Gedanken nicht auszusprechen, um sie gegenseitig zu kennen.‘

‚Einen Tag nach meinem Abschied von dieser Frau, die mir ihr Glück verdankte, übernachtete ich in Nîmes, wo ich drei Tage in der Gesellschaft eines sehr gelehrten Naturforschers verbrachte, des Herrn de Séguier, eines vertrauten Freundes des Marchese Maffei in Verona.‘ ‚Ich wurde zu einem Ball eingeladen, bei dem ich in meiner Eigenschaft als Fremder die erste Rolle spielte. Ein solches Vorrecht genießt der Fremde nur in Frankreich, während in England und besonders in Spanien das Wort Ausländer eine Beleidigung ist.‘ Den Karneval wollte er in Aix verbringen. Dort traf er den spanischen Kardinal de la Cerda, der sich zur Wahl eines Nachfolgers für den Papst Rezzonico nach dem Konklave begab, er konnte seine Gespräche aus dem Nachbarzimmer hören (6, 12). Scharf urteilte er: ‚Er war nicht nur klein, braun von Farbe, schlecht gewachsen, sondern es war auch ein Gesicht so häßlich, der Ausdruck seiner Züge so gemein, daß neben Seiner Eminenz Äsop wie ein Liebesgott hätte aussehen müssen. Nun begriff ich, warum er das Bedürfnis hatte, sich durch Verschwendung Achtung zu verschaffen und sich durch äußeren Prunk auszuzeichnen; denn sonst hätte man ihn für einen Stallknecht halten können. Sollte jemals das Konklave die sonderbare Laune haben, ihn zum Papst zu machen, so würde Gottes Sohn niemals einen häßlicheren Statthalter auf Erden gehabt haben.‘

Von Aix-en-Provence reiste er nach Schloss Mon Repos in Éguilles zum Marquis d’Argens (1703–1771). In dieser Gesellschaft störten ihn die Rücksichten auf die Ansichten eines Jesuiten. Dies galt auch für einen Berliner, dessen Namen Casanova nicht nennt, der Flöte spielte, während die anderen zur Messe gingen. Mit diesem besuchte er eine 14-jährige, doch gelang es ihm nicht, diese zu entjungern; ‚ich hätte sie vor allen Dingen durchprügeln sollen, wie ich es fünfundzwanzig Jahre früher in Venedig getan hatte; aber törichterweise wollte ich durch Anwendung von Kraft siegen, denn ich glaubte, ich könnte sie vergewaltigen. Die Zeit der Wundertaten war jedoch vorbei. Nachdem ich zwei Stunden lang mich vergeblich bemüht hatte, ging ich allein in meinen Gasthof zurück, indem ich den jungen Preußen weiterarbeiten ließ.‘ Nach einer Kutschfahrt ohne Mantel musste er mit einer schweren Rippenfellentzündung – er diagnostizierte ‚Lungenentzündung‘ – während des Karnevals 1769 in Aix bleiben. Er hustete heftig, spuckte Blut und nach knapp einer Woche beichtete er. Danach lag er drei Tage bewusstlos. Erst nach 18 Tagen hörte er auf Blut zu spucken. ‚Während der ganzen Krankheit wurde ich Tag und Nacht von einer Frau gepflegt, die ich nicht kannte.‘ Ohne dass er sie erkannte, wurde er, wohl in Lebensgefahr, von Henriette gepflegt, die während der ganzen Zeit in seinem Zimmer schlief.

Durch einen Brief seines Bruders erfuhr er, dass Manucci derjenige gewesen war, der das Attentat auf ihn hatte ausführen lassen. Erst Casanovas Brief, den er zuvor von Perpigan nach Paris geschickt hatte, erlöste den Bruder und seine Familie vom Glauben, er wäre an der spanischen Grenze ermordet worden.

Ein Pilgerpaar auf der Rückreise von Santiago von Compostella nach erschien in Aix. Sie war die 18-jährige Serafina Feliciani, er ein 24- bis 25-jähriger Mann, der später als Cagliostro auftrat. In Turin wollten sie ‚zum heiligen Schweißtuch beten‘. Es sei ‚das Tuch, dessen die heilige Veronika sich bediente, um unserem Erlöser den Schweiß abzutrocknen, wodurch das göttliche Gesicht dem Tuche sein Bild eindrückte‘ – wohingegen Casanova einwandte, es gebe mehrere solcher Schweißtücher in Europa. Cagliostro fertigte Kopien von Kupferstichen und Gemälden an, wovon er behauptete, nicht leben zu können. Er zeigte Casanova ‚eine von ihm kopierte Rembrandt-Zeichnung, die beinahe noch schöner war als das Original.‘ Serafina konnte offenbar nicht schreiben, während er selbst einen Brief Casanovas perfekt kopierte, so vollkommen, dass er selbst die Kopie als seinen Brief identifizierte. Das Paar reiste drei Tage später ab, Casanova sollte die beiden zehn Jahre später wiedersehen. Als Casanova an seinen Memoiren schrieb, saß er im Gefängnis, sie ‚in einem Kloster und ist, vielleicht, glücklich‘. Die Anekdoten über Friedrich II., die ihm der Marquis d'Argens beim letzten Besuch erzählte, zu überliefern, dazu hatte er keine Kraft, verschob es auf später. Außerdem warnte der Marquis ihn, seine ehrlichen Lebenserinnerungen zu schreiben, denn das Schlechte würde aufgebauscht werden, das Gute als Eitelkeit ausgelegt. Casanova versprach ihm, ‚niemals eine solche Torheit zu begehen; trotzdem tue ich seit sieben Jahren nichts anderes, und es ist für mich allmählich eine Notwendigkeit geworden, die Sache zu Ende zu bringen, obwohl ich sehr bereue, sie angefangen zu haben.‘ ‚Indem ich täglich zehn oder zwölf Stunden schrieb, habe ich verhindert, daß der düstere Kummer mein Leben verzehrte oder mir die Vernunft raubte.‘

Nicht unterschlagen wollte er den Bericht über das Fronleichnamsfest in Aix. Dort ‚sieht man den Teufel, den Tod und die sieben Todsünden, auf die lächerlichste Art gekleidet, tausend komische Gliederverrenkungen machen, sich schlagen und stoßen, heulen und schreien, wie wenn sie außer sich darüber wären, dem Herrn der Welt dienen zu müssen.‘ Dies alles erinnerte ihn an ‚Karnevalssaturnalien‘, ‚die ganze Landbevölkerung von fünf bis sechs Wegstunden in der Runde kommt an diesem Tage nach Aix, um Gott zu ehren.‘ Ein ‚Herr der St. Marc, ein Mann von Bedeutung und Mitglied des Parlaments‘ erklärte ihm, das Fest bringe 100.000 Francs in die Stadt.

Bei Croix d'Or befand sich Henriettes Schloss, wo er einen Brief hinterlassen wollte, denn sie war angeblich in Aix. Anwesend war nur die Frau, die ihn gepflegt hatte. Er hinterließ ihr einen Brief für Henriette und reiste weiter nach Marseille.

In Marseille traf er auf ‚Donna Schizza‘, Ninas Schwester. Diese versuchte immer noch Ricla zu vernichten. ‚Sie hat nur darum den Grafen gezwungen, hundert Ungerechtigkeiten zu begehen, weil ganz Spanien von ihr sprechen und weil alle Welt wissen soll, daß sie Herrin über seinen Leib, sein Hab und Gut, seine Seele und seinen Willen ist.‘ Sie hatte den Grafen eifersüchtig auf Casanova gemacht, versucht, den Grafen durch das Attentat ins Gefängnis zu bringen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass Nina die Tochter ihres Vaters war, also zugleich ihre Schwester. Zu dieser Zeit war sie 16 gewesen. Nina erfuhr die Wahrheit mit 12 und ‚er würde schließlich auch sie zur Mutter gemacht haben, wenn er nicht in demselben Jahre gestorben und dadurch vielleicht dem Galgen entgangen wäre‘. Als das Publikum von Nina verlangte, nochmals zu tanzen, weigerte sie sich. Sie wurde fast unbekleidet vor den Grafen geführt, beharrte aber: ‚standhaft werde ich die härteste Behandlung erdulden und Ihnen beweisen, daß ich Venetianerin und ein freies Weib bin!‘

Auch erreichte ihn ein Brief Henriettes, die ihr Leben in vierzig weiteren Briefen beschrieb. Sie hatte ihn nicht sehen wollen, da sie sich als dick und alt empfand. Im Gegenzug schrieb er ihr, wie es ihm ergangen war.

Er besuchte Frau Audibert, aber auch Frau N. N., die inzwischen Mutter von drei Kindern war. Sie war glücklich. ‚Ich brachte ihr gute Nachrichten von Marcolina und erzählte ihr Croces Abenteuer und Charlottens Tod, der ihr sehr zu Herzen ging.‘ Sie ihrerseits berichtete über Rosalie, die durch ihren Mann sehr reich geworden war. ‚Ich konnte nicht mehr hoffen, diese reizende Frau wiederzusehen, denn in Genua würde der Anblick des Herrn Grimaldi mir kein Vergnügen gewesen sein.‘ Seine ‚liebe frühere Nichte‘ fand ihn ‚gealtert‘, was ihn betrübte. Er besaß nur noch fünfzig Louis, doch da er nach Turin gehen wollte, konnte er auf Hilfsquellen vertrauen. Auch traf er den ‚Herzog von Villars, den Tronchin künstlich am Leben erhielt‘, bei dem er auch ‚den angeblichen Marquis d'Arragon‘ traf. Dort lieh er sich 50 Louis.

Er ‚reiste allein von Marseille über Antibes, Nizza und den Col di Tenda, die höchste Alpenstraße nach Turin. Auf diesem Wege hatte ich das Vergnügen, das sogenannte Piemont zu sehen, ein Land von großer Schönheit.‘ ‚In Turin empfingen der Chevalier Raiberti und Graf de la Pérouse mich auf das freundlichste.‘ Auch sie fanden, er sei alt geworden. ‚Da ich aber nur im Verhältnis zu den vierundvierzig Jahren alt sein konnte, die ich damals zählte, so tröstete ich mich leicht.‘ Zum englischen Gesandten, ‚Ritter R.‘ schloss er eine enge Freundschaft, ,einem liebenswürdigen, wissenschaftlich gebildeten, reichen, geschmackvollen Mann, der eine ausgezeichnete Tafel führte und den alle Welt liebte, unter anderen auch eine Tänzerin aus Parma, namens Campioni, ein Weib von entzückender Schönheit‘.

Vorbereitung der Rückkehr nach Venedig, Buchdruck in Lugano (Oktober 1769), Älterwerden, schwerer Sturz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Immerhin nutzte er nach seiner Gesundung die Gelegenheit, weiter an einem historischen Werk mehrere Monate am Stück zu arbeiten, nämlich der Confutazione della storia del Governo Veneto d'Amelot de la Houssaie. Zwecks Veröffentlichung reiste er nach Lugano, wo das Werk in drei Bänden noch im selben Jahr erschien.[27] Sein Werk, das er im Gefängnis in Barcelona wohl angefangen hatte, richtete sich explizit gegen die anti-venezianische Geschichte Venedigs aus der Feder des Abraham Nicolas Amelot de la Houssaye (1634–1706), der 1669 bis 1671 Sekretär des französischen Gesandten in Venedig gewesen war. Gegen dieses inzwischen fast bedeutungslos gewordene Werk, die Histoire du gouvernement de Venise von 1676,[28] zu schreiben, hatte wissenschaftlich keinen Wert, doch Casanova wollte mit seiner Verteidigungsschrift die Inquisitoren in Venedig versöhnlich stimmen. Nebenbei versuchte er erneut, Angriffe gegen Voltaire einzustreuen. Tatsächlich wandte sich Casanova in dieser Zeit anderen Lebenszielen zu, Liebe und Abenteuer verloren an Bedeutung.

Casanova zog von Turin nach Lugano, um sein Werk zur Widerlegung der besagten Geschichte Venedigs dort drucken zu lassen. Auf den Hinweis seines Wirtes meldete sich Casanova, nachdem er um eine Art Schutzgeld erpresst werden sollte, beim Landvogt an. Dort traf er völlig überraschend auf den englischen Botschafter und seine ‚reizende Gemahlin‘, die einen etwa fünf- bis sechsjähriges Jungen bei sich trug (6, 12). Er war nach Lugano versetzt worden, auf zwei Jahre. Frau R., die er in Solothurn vor neun Jahren zurückgelassen hatte, war noch schöner geworden. Sie liebte den Sohn sehr, was Casanova skeptisch machte: ‚Es sah auch ganz darnach aus, wie wenn der Knabe etwas verzogen wäre, ich habe jedoch vor kurzer Zeit gehört, daß dieses Kind jetzt ein ebenso liebenswürdiger wie wohlunterrichteter Mann ist‘ (6, 13). Casanova nutzte solche Gelegenheiten immer, um sich nach dem Wohlergehen seiner Verflossenen zu erkundigen. Sie erzählte, ‚Lebel habe sich in Besançon niedergelassen und lebe dort mit seiner Frau in sehr angenehmen Vehältnissen.‘ Auch sie merkte an, sie fände ihn ‚nicht mehr so jugendfrisch aussehend wie in Solothurn‘. Infolgedessen hielt er Abstand, auch weil er nun viel Zeit für sein Werk brauchte: ‚Ich verbrachte den ganzen ersten Monat, emsig arbeitend, in meinem Zimmer.‘ ‚In den letzten Tagen des Oktobers lieferte der Drucker mir das vollständige dreibändige Werk ab, und in weniger als einem Jahre verkaufte ich die ganze Auflage.‘

Casanova hatte inzwischen heftiges Heimweh: ‚Indem ich dieses Werk schrieb, beabsichtigte ich weniger, mir Geld zu verschaffen, als die Gnade der Inquisitoren von Venedig zu erlangen; denn nachdem ich ganz Europa durchstreift hatte, wurde das Bedürfnis, meine Heimat wiederzusehen, so heftig, daß mir zumute war, wie wenn ich ohne dieses Glück überhaupt nicht mehr leben konnte.‘ Er glaubte ausdrücklich, er habe nach ‚einer vierzehnjährigen Verbannung … Anspruch auf Rückkehr in meine Heimat, und ich glaubte, die Staatsinquisitoren würden sich freuen, diese Gelegenheit benützen zu können, um ihre Ungerechtigkeit wieder gut zu machen, indem sie mir zur Belohnung meiner Vaterlandsliebe meine Begnadigung bewilligten.‘ Dandolo fand zahlreiche Subskribenten, in Venedig allein durch Dandolo und Barbaro ‚im geheimen‘ allein fünfzig (6, 13).

Der Neffe des gebildeten Abbate Riva, ‚Giambattista Riva, war nicht nur ein Freund der Musen, sondern er liebte auch den Gott vom Ganges und die Göttin von Cythera; er war mein Freund …. Er lieh mir die jungen Nymphen, die er in die großen Mysterien eingeweiht hatte, und sie hatten ihn darum nur um so lieber, denn ich machte ihnen kleine Geschenke. Ich machte mit ihm und seinen sehr hübschen Schwestern eine Reise nach den Borromeischen Inseln. Ich wußte, daß Graf Federigo Borromeo, der mich im Juni mit seiner Freundschaft beehrt hatte, anwesend war‘. Dieser ‚war zwar ruiniert, lebte aber auf seinen Inseln wie ein Fürst‘, Inseln auf denen ‚ein ewiger Frühling‘ herrschte. Sie blieben vier Tage.

Auf der Rückfahrt ‚wollte ich auf einem ziemlich engen Wege einem Wagen ausweichen; mein Pferd glitt über den Wegrand und stürzte zehn Fuß tief hinab. Ich stieß mit dem Kopf gegen einen großen Stein und glaubte, es sei um mich geschehen‘. Doch ‚in einigen Tagen war ich wieder hergestellt. Dies war das letzte Mal, daß ich ein Pferd bestieg.‘

Wieder holte Casanova Nachrichten ein: ‚Der Schultheiß von Bern gab mir Nachricht über meinen armen Freund F. und dessen Familie. Seine reizende Tochter Sarah hatte Herrn von W. geheiratet und war glücklich.‘

Als Marazzani überraschend erschien, prügelten sich die beiden, der falsche Graf landete im Gefängnis. Er stammte aus Bobbio und war kleiner Bürger, doch stimmte sein Name. Doch habe er ‚mit den Marazzanis von Piacenza nichts zu tun‘. Aus schlechtem Gewissen gab Casanova ihm Geld und ein Empfehlungsschreiben für Augsburg mit. Er sollte auch diesem Mann später wieder begegnen.

Den Winter wollte Casanova in Turin verbringen. Vor seiner Abreise erhielt er ‚vom Fürsten Lubomirski einen sehr freundschaftlichen Brief mit einem Wechsel über hundert Dukaten‘ für seine historische Arbeit, von der er auch diesem 50 Exemplare zugeschickt hatte. Er war inzwischen Großmalschall geworden.

In Turin fand er ‚einen Brief des edlen Venetianers Girolamo Zulian, desselben, der mich mit Erlaubnis der Staatsinquisitoren an den Botschafter Mocenigo in Madrid empfohlen hatte.‘ Der Vertreter Venedigs, Berlendis, war eine Marionette der Inquisitoren: ‚Unter Kollegium versteht man in Venedig den Rat der Staatsinquisitoren. Berlendis lief keine Gefahr, zu mißfallen, denn von Geist war bei ihm keine Rede.‘ Die Inquisitoren warnten ihn vor Casanova. In Turin hatte Casanova ‚keine Liebschaft‘. Doch während seines Aufenthaltes ‚wurde die Geliebte des Grafen de la Pérouse … ernstlich krank. Sie verschluckte bei der letzten Kommunion das Bildnis ihres Geliebten anstatt der Hostie. Ich machte auf diesen Vorfall zwei Sonette‘.

Livorno, Neapel, Rom, Florenz, Bologna[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende 1769 reiste Casanova nach Italien, zunächst nach Livorno, dann nach Neapel, Salerno und Rom, weiter nach Florenz und Bologna. Doch seine wirtschaftliche Lage war inzwischen verzweifelt. 1772 publizierte er zum bloßen Broterwerb ein kleines Opus unter dem Titel Lana caprina. Darin polemisierte er, nicht ohne medizinische Kenntnisse, gegen Schriften, die das Verhalten der Frauen auf bloße Veränderungen im Uterus zurückführen wollten. Für ihn waren die Autoren dieser Schriften Esel, die sich sinnloserweise um „Ziegenwolle“ stritten, wie es sprichwörtlich hieß.

Casanova nahm den Rat seiner adligen Freunde Marco Dandolo und Pietro Zaguri an und zog im Oktober 1772 nach Triest; doch die Inquisitoren ließen ihn weiterhin warten. Dort konnte er immerhin auf die Protektion durch den venezianischen Konsul Marco de' Monti hoffen. Es gelang ihm, für gute Beziehungen zwischen Österreich und Venedig zu werben. Er reiste nach Görz, wo er sich einige Wochen aufhielt. Er hielt sich bei Frauen und Glücksspiel zurück, stattdessen widmete er viele Stunden seinen literarischen Bemühungen, besonders der Geschichte Polens seit dem Tod der Zarin Elisabeth von Russland bis zum Frieden mit den Osmanen (Istoria delle turbolenze della Polonia). Sein Werk erschien bei De' Valeri in Görz.[29] Von diesem Werk wurden nur die ersten drei Bände 1774 publiziert, erst die Wiederentdeckung des vierten Bandes durch Giampiero Bozzolato ermöglichte auch die Veröffentlichung des vierten und letzten Bandes nach zwei Jahrhunderten.

Giacomo Casanova, gemalt von Alessandro Longhi (um 1774)

Ab 1772 setzten sich hochrangige Fürsprecher für eine Begnadigung ein (nach der Flucht war ein Verbannungsurteil ergangen), die jedoch erst am 3. September 1774 erfolgte. Die Mitteilung erfolgte am 10. September während seines Aufenthaltes in Triest, er brach am 15. November nach Venedig auf.

Rückkehr nach Venedig (1774–1782), Zeitschrift, Theater, Pamphlet gegen den Adel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 14. September 1774 traf Casanova wieder in Venedig ein. Mit seiner Heimkehr brechen seine Memoiren ab, doch lassen zahlreiche andere Quellen die weitere Verfolgung seines Lebensweges zu.

Die Begnadigung war tatsächlich auf der Grundlage seiner jüngsten Verdienste erfolgt. Allerdings lebten viele seiner Freunde nicht mehr, vor allem sein Gönner Bragadin. Andere waren nicht mehr geneigt, ihn zu unterstützen. Er war zwar frei, doch drohte ihm die Verarmung. Andererseits war er nicht bereit, an literarischen Werken mitzuarbeiten oder sich als Agent des Landgrafen von Hessen-Kassel zu verdingen.

So versuchte er, sich mit Hilfe seiner Feder zu ernähren. 1775 bis 1778 veröffentlichte er drei Bände einer Übersetzung der Ilias ins Italienische, die aber wenig Beachtung fand, zumal er selbst zwar Latein, aber nicht Griechisch beherrschte, so dass der abschließende 4. Band ungeschrieben blieb.

Mangels anderer Möglichkeiten, Geld zu verdienen, ließ er sich als Spitzel der venezianischen Staatsinquisition gewinnen. Seine Spitzelberichte unterzeichnete er mit dem Decknamen Antonio Pratolini. Zunächst erhielt er nur gelegentliche Aufträge, doch ab dem 7. Oktober 1780 wurde er mit einem festen Salär ausgestattet. Dabei waren es keineswegs besonders wichtige Aufträge, die er erhielt. So misstrauten die Inquisitoren dem römischen Konsul Agostino Del Bene, doch auch nach drei Wochen der Reisebegleitung hatte Casanova nichts Wesentliches zu berichten. Im Staatsarchiv Venedig (Inquisitori di Stato, busta 565) liegen heute etwa 50 riferte, also Berichte, doch findet sich nichts Erhellendes darin, außer, dass er sich um den Sittenverfall insbesondere am Theater sorgte.

Den Hochstapler Alessandro Cagliostro und seine schöne Schwester Serafina, die er bereits 1769 in Aix kennengelernt hatte, warnte er vor der öffentlichen Missachtung der Religion, zumindest in Rom.

1779 erschien ein Büchlein Casanovas gegen den im Jahr zuvor verstorbenen Voltaire: Scrutinio del libro: Eloges de M. de Voltaire par differens auteurs.[30] 1781 stellte er ein Verzeichnis verbotener Bücher zusammen, die er jeweils selbst kommentierte. Casanova selbst wünschte, dass er als Literat Aufmerksamkeit erregte, nicht nur wegen Skandalen und Duellen.

Der Versuch des Jahres 1780, eine Monatszeitschrift zu gründen, die Opuscoli miscellanei heißen sollte, und in der nur er schrieb, misslang – zwischen Januar und Juli 1780 erschienen nur sieben Ausgaben.[31]

Ebenso misslang seine Tätigkeit als Theaterdirektor. Er versuchte vergebens einen Ableger der Comédie-Française in Venedig zu gründen, analog zur italienischen Commedia in Paris. Die erste Aufführung fand in S. Angelo am 7. Oktober 1780 statt, und zwar ausgerechnet mit einem Werk Voltaires (Zaïre). Bis zum Karneval des nächsten Jahres unterstützte Casanova die Aufführungen mit einer Art Programmheft, dem Le Messager de Thalie.

Ein Tiefpunkt war nach zahllosen Rückschlägen schließlich das im Sommer 1782 publizierte Pamphlet Né amori né donne, ovvero La stalla ripulita (Weder Liebschaften noch Frauen, oder der Ausgeräumte Stall) gegen venezianische Adlige, insbesondere gegen Giovanni Carlo Grimani, bei dem er häufig zu Gast gewesen war. Casanova behauptete, Sohn Michele Grimanis zu sein, während jener gar nicht der Vater von Giovanni Carlo Grimani sei. Dabei schien sich seine Lage zu bessern, als er eine Anstellung als Sekretär des Marquis Carlo Spinola erhalten hatte, eines genuesischen Diplomaten. Nachdem er mit einem Grafen Carletti vereinbart hatte, ihm die 250 Dukaten zu beschaffen, die er Spinola schuldete, er aber die vereinbarte Provision nicht erhalten hatte, kam es im Haus von Giovan Carlo Grimani zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf Casanova von Carletti und Grimani beleidigt und gedemütigt wurde.

Auf Anraten des Prokuratoren Morosini setzte sich Casanova nach Triest ab. Nach kurzzeitiger Rückkehr, während der er letzte Dinge regelte, ging er nach Wien. Casanova wurde erneut aus Venedig verbannt.

Im September 1782 reiste er nach Triest und passierte im Juni 1783 nur noch auf der Durchreise Venedig, ohne das Schiff zu verlassen. Nach Reisen über Paris, Dresden, Berlin und Prag kam er 1784 nach Wien, wo er im Februar Sekretär des venezianischen Gesandten Sebastiano Foscarini wurde. Er veröffentlichte Artikel im Triestiner Osservatore triestino. Doch bereits am 23. April 1785 starb Foscarini und Casanova war wieder ohne Einkünfte.

In seinem Haus hatte er allerdings Glück, denn dort hatte er Graf Joseph Karl Emanuel von Waldstein kennengelernt. Dieser hatte ihm, bis dahin vergebens, eine Stellung als Bibliothekar auf seiner Burg Teplice, im Norden Böhmens gelegen, angeboten. Casanova schlug nunmehr bei einem Salär von tausend Dukaten ein.

Erneute Verbannung, Bibliothekar auf Schloss Dux (ab 1785)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schloss Dux
Johann Berka: Medaillon-Porträt von Casanova, als Frontispiz für den Icosaméron verwendet (1788)

1784 traf Casanova in Wien den Grafen Joseph Karl von Waldstein, der ihm 1785 das Angebot machte, als Bibliothekar auf Schloss Dux zu arbeiten. Im September des Jahres kam Casanova auf dem Schloss an. Die letzten Jahre seines Lebens waren von Eintönigkeit und ständigem Streit mit den anderen Schlossbewohnern geprägt. Der Fürst de Ligne, ein Onkel des Grafen von Waldstein, beschrieb Casanovas Leben so:

„Es gab keinen Tag, an dem er sich nicht über seinen Kaffee, seine Milch oder den Teller Makkaroni beschwerte, den er täglich verlangte … Der Graf hatte ihm nicht als erster guten Morgen gewünscht. Die Suppe war ihm absichtlich zu heiß serviert worden. Ein Diener hatte ihn auf ein Getränk warten lassen. Er war einem berühmten Besucher nicht vorgestellt worden … Der Graf hatte ein Buch verliehen, ohne ihn davon zu verständigen. Ein Diener hatte nicht den Hut gezogen, als er an ihm vorüberging … Er hatte seine französischen Verse vorgezeigt, und jemand hatte gelacht. Er hatte gestikuliert, als er italienische Verse vortrug, und jemand hatte gelacht. Er hatte beim Betreten eines Raumes die Verbeugung gemacht, die ihm von dem berühmten Tanzlehrer Marcel vor sechzig Jahren beigebracht worden war, und jemand hatte gelacht.“

Charles de Ligne: Fragment sur Casanova[32]

Es wird vermutet, dass Casanova 1787 in Prag mit Wolfgang Amadeus Mozart und dem Librettisten Lorenzo Da Ponte zusammengetroffen ist, als sie dort die Uraufführung der Oper Don Giovanni vorbereiteten. Casanova war mit dem aus Venedig stammenden Da Ponte befreundet und hat nach dessen Aussage sogar Textentwürfe beigesteuert, welche jedoch keine Verwendung in der Oper fanden. Die betreffenden Textpassagen sind überliefert. 1791 kam er zur Krönung Kaiser Leopolds II. nach Wien und traf dort 1792 zum letzten Mal Lorenzo Da Ponte.

Seine letzten Reisen führten ihn 1795 nach Berlin und Thüringen, 1796 und 1797 nach Dresden. Die Französische Revolution lehnte er entschieden ab, wie sich in seiner Schrift Raisonnement d'un spectateur sur le bouleversement de la monarchie française par la rèvolution de 1789 besonders deutlich erweist.[33]

Eintrag zum Tode Casanovas am 4. Juni 1798 im Archiv des Schlosses Dux

Der einzige Trost für Casanova war das Schreiben. 1787 beendete er die Niederschrift der Histoire de ma fuite (deutsch: Geschichte meiner Flucht). 1788 erschien in Prag sein fünfbändiger utopischer Roman Icosaméron ou Histoire d’Edouard et d’Elisabeth.

1790 begann er mit der Niederschrift seiner Mémoires, wobei er sich auf Capitulaires und Briefe stützte, also tagebuchartige Aufzeichnungen, die er sein Leben lang geführt hatte. Schon seit 1780 hatte er darüber nachgedacht, seine Biographie selbst zu schreiben. Neun Stunden am Tag arbeitete er durchschnittlich an seinen Erinnerungen. Nachdem er 1793 eine erste Fassung vollendet hatte, widmete er sich bis zu seinem Tod am 4. Juni 1798 der Überarbeitung des Textes.[34]

Histoire de ma vie, Préface, Vorwort. Darin betont er, dass er nicht nur Monotheist, sondern ein durch die Philosophie gefestigter Christ gewesen sei, vor allem aber frei.

Auf dem Sterbebett – Casanova litt an Prostatabeschwerden – soll er gesagt haben, er hätte wie ein Philosoph gelebt und lebe nunmehr wie ein Christ. Er wurde in Dux auf dem Friedhof der Hl. Barbara bestattet. Der Ort, an dem sich sein Grab befand, ist heute allerdings unbekannt, denn der Friedhof wurde später in einen Park umgewandelt. Lediglich die Grabplatte wurde an die Außenmauer der noch existierenden Kapelle der heiligen Barbara befestigt.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Liste basiert auf den Ergebnissen der Fondazione Giacomo Casanova.[35]

Zu Lebzeiten herausgegeben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Zoroastro, tragedia tradotta dal Francese, da rappresentarsi nel Regio Elettoral Teatro di Dresda, dalla compagnia de’ comici italiani in attuale servizio di Sua Maestà nel carnevale dell’anno MDCCLII, Dresden 1752.
  • La Moluccheide, o sia i gemelli rivali, Dresden 1753.
  • Confutazione della Storia del Governo Veneto d’Amelot de la Houssaie, Amsterdam & Lugano 1769.
  • Lana caprina. Epistola di un licantropo, Bologna 1772.
  • Istoria delle turbolenze della Polonia, Görz 1774.
  • Dell’Iliade di Omero tradotta in ottava rima, Venedig 1775.
  • Scrutinio del libro „Eloges de M. de Voltaire par différents auteurs“, Venedig 1779.
  • Opuscoli miscellanei – Il duello ovvero Saggio della vita di G. C. veneziano – Lettere della nobil donna Silvia Belegno alla nobildonzella Laura Gussoni, Venedig 1780.
    • deutsch: Das Duell oder Versuch über das Leben des Venezianers G. C. Piper, München 1988.
  • Le messager de Thalie, Venedig 1781.
  • Di aneddoti viniziani militari, ed amorosi del secolo decimoquarto sotto i dogadi di Giovanni Gradenigo, e di Giovanni Dolfin, Libro unico, diviso in quattro parti, Modesto Fenzo, Venedig 1782. (Google Books)
  • Né amori né donne ovvero la Stalla ripulita, Venedig 1782.
  • Soliloque d’un penseur, Jean Ferdinande noble de Shonfeld imprimeur et libraire, Prag 1786.
  • Histoire de ma fuite des prisons de la République de Venise qu’on appelle les Plombs. Écrite a Dux en Bohème l’année 1787, beim Edlen von Schönfeld, Leipzig 1788. (Digitalisat)
  • Icosameron ou histoire d’Edouard, et d’Elisabeth qui passèrent quatre vingts un ans chez les Mégamicres habitans aborigènes du Protocosme dans l’intérieur de notre globe, traduite de l’anglois par Jacques Casanova de Seingalt Vénitien Docteur ès loix Bibliothécaire de Monsieur le Comte de Waldstein seigneur de Dux Chambellan de S.M.I.R.A. l’imprimerie de l’école normale, Prag 1788 (dt. Ausgabe von Heinrich Conrad, 1922, gasl.org [PDF; 21 MB])
  • Solution du problème deliaque démontrée par Jacques Casanova de Seingalt, Bibliothécaire de Monsieur le Comte de Waldstein, seigneur de Dux en Bohème e c. C. C. Meinhold, Dresden (Problem der Würfelverdoppelung).
  • Corollaire a la duplication de l’hexaedre donné a Dux en Bohème, par Jacques Casanova de Seingalt, Dresden 1790.
  • Demonstration géometrique de la duplication du cube, Corollaire second, Dresden 1790.
  • A Leonard Snetlage, Docteur en droit de l’Université de Gottingue, Jacques Casanova, docteur en droit de l’Université de Padoue, 1797.

Posthum erschienen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Histoire de ma vie, zuerst 1789, Digitalisat der ersten beiden Kapitel bei Gallica); 1960–1962 bei F. A. Brockhaus, Wiesbaden und bei Plon, Paris.
  • Jean-Christophe Igalens, Érik Leborgne (Hrsg.): Histoire de ma vie, Bd. I (unter der Direktion von Gérard Lahouati und Marie-Françoise Luna unter Mitarbeit von Furio Luccichenti und Helmut Watzlawick, Collection Bibliothèque de la Pléiade (n° 132), Gallimard, Paris 2013.
    • deutsch: Geschichte meines Lebens, Kiepenheuer, Leipzig 1983–1988 (rev. und erg. Ausgabe nach Histoire de ma vie).
    • italienisch: Storia della mia vita, Mondadori, Mailand 2001.
  • Le Polemoscope, Hrsg. Gustave Kahn, La Vogue, Paris 1886.
  • Enrico Straub (Hrsg.): Rapporti di Giacomo Casanova con i paesi del Nord. A proposito dell'inedito "Prosopopea Ecaterina II (1773-74), Deutsches Studienzentrum in Venedig, Venedig 1978.
  • Marco Leeflang, Tom Vitelli (Hrsg.): Examen des »Etudes de la Nature« et de »Paul et Virginie« de Bernardin de Saint Pierre, Utrecht 1985 (ital. bei Pendragon, Bologna 2003).
  • Federico di Trocchio (Hrsg.): Pensieri libertini, Rusconi, Mailand 1990 (über die unveröffentlichten philosophischen Werke, die auf Dux entstanden)
  • Tom Vitelli (Hrsg.): Philocalies sur les sottises des mortels, Salt Lake City 1993.
  • Iliade di Omero in veneziano Tradotta in ottava rima. Canto primo, Reproduktion des Manuskripts, Editoria Universitaria, Venedig 1997, Canto secondo 1998.
  • Dell'Iliade d'Omero tradotta in veneziano da Giacomo Casanova. Canti otto, Edizioni della Laguna, Mariano del Friuli 2005.
  • Dialoghi sul suicidio, Aracne, Rom 2005.
  • Iliade di Omero in idioma toscano, Reproduktion der von Modesto Fenzo geleisteten Edition (1775–1778), Editoria Universitaria, Venedig 2006.

Die Memoiren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste Seite von Casanovas Memoirenmanuskript

Die Erinnerungen Casanovas, die er unter dem Titel Geschichte meines Lebens bis zum Jahr 1797 – im Manuskript heißt es „Histoire de ma vie jusqu'à l'an 1797“[36] – abfasste, zählen zur Weltliteratur. Sie wurden bis 1972 in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Entsprechend dem Titel im Manuskript plante Casanova seine Memoiren bis in seine letzten Lebensjahre fortzuführen, doch brechen sie 1774 mit seiner Heimkehr nach Venedig ab. In einem Brief aus dem Jahr 1793 begründet Casanova selbst, warum er sie nicht fortsetzte. Er glaubte, über sein Leben, nachdem er über 50 Jahre alt geworden war, nur noch Trauriges darbieten zu können. Das mache ihn selbst traurig und würde sein Publikum, mit dem er sich unterhalten wollte, nur langweilen.

Durch seine Reisen, bei denen er europäische Höfe und Metropolen besuchte, hatte er Kontakt zu bedeutenden Personen seiner Zeit gehabt. Neben einer Reihe von Herrschern war ihm auch die geistige Elite Europas bis zu einem gewissen Grad vertraut: Da Ponte, Voltaire, Crébillon, von Haller, Winckelmann und Mengs zählten zu seinen Bekannten. Doch auch die unteren Stände spielen in seinen Erinnerungen eine bedeutende Rolle.

Das Manuskript der Memoiren vererbte Casanova seinem Dresdner Neffen Carlo Angiolini, der es 1820 dem Verlag F. A. Brockhaus in Leipzig anbot und 1821 verkaufte.[37] Infolge der nun einsetzenden Editionsgeschichte, die dazu führte, dass sehr stark vom Manuskript Casanovas abweichende Ausgaben zugrunde gelegt wurden, verzögerte sich die quellennahe Beschäftigung mit Casanova um rund eineinhalb Jahrhunderte. Dies hielt zahlreiche Autoren jedoch keineswegs davon ab, sich mit der so verfälschten Figur Casanovas auseinanderzusetzen, vor allem fachfremde, männliche Autoren zog das Sujet an.

Im Auftrag des Verlages übersetzte Wilhelm von Schütz das französische Werk ins Deutsche. Bereits Ende des Jahres 1821 wurde der erste Band in deutscher Sprache veröffentlicht, der bezeichnenderweise den Titel Aus den Memoiren des Venetianers Jacob Casanova de Seingalt, oder sein Leben, wie er es zu Dux in Böhmen niederschrieb. Nach dem Original-Manuscript bearbeitet von Wilhelm Schütz trug. Weil dieser Band reißenden Absatz fand, gab der Verlag zwischen 1822 und 1828 eine zwölfbändige, stark überarbeitete Ausgabe heraus.

Aus Sorge, bei der Zensur oder einem breiten Publikum auf Ablehnung zu stoßen, bearbeitete Schütz das Original. Gerd Forsch analysierte in seiner Dissertation diese Bearbeitung und stellte fest, dass „Anrüchige sexuelle Praktiken und dunkle Punkte der Biographie – Onanie, Homoerotik und Päderastie, Abtreibungen und Geschlechtskrankheiten“[38] getilgt wurden.

Bald darauf wurde in Frankreich ein Raubdruck, eine Rückübersetzung der deutschen Übersetzung von Schütz ins Französische, veröffentlicht, worauf der Verlag Brockhaus den Dresdner Romanisten Jean Laforgue beauftragte, das französische Original zu veröffentlichen (1826–1838). Laforgues Bearbeitung griff noch tiefer in den Text ein als jene von Schütz: „Die im Original eher nüchtern gehaltenen erotischen Passagen erhielten eine Tendenz zum Wollüstigen und kamen so dem Wunsch einer vorwiegend männlichen Leserschaft nach Stimulation sexueller Phantasien entgegen.“[39]

Diese Edition blieb über ein Jahrhundert lang die einzige Textbasis. Die Familie Brockhaus schreckte nämlich vor der Veröffentlichung zurück, weil sie fürchtete, der Unmoral beschuldigt zu werden. Nachdrucke und Auswahlausgaben entstanden, die so tendenziös gestaltet waren, dass Casanova nur noch als Verführer erschien. Dies trug andererseits enorm zum Erfolg dieser Ausgaben bei: Laut des Casanova-Biographen James Rives Childs gab es bis 1956 insgesamt 104 deutsche und 91 französische Editionen.[40]

Erst 1960 wurde – eigentlich eine historiographische Selbstverständlichkeit – erstmals der Originaltext der Memoiren veröffentlicht, nämlich durch F. A. Brockhaus, Wiesbaden, und Plon, Paris. Diese zwölfbändige Ausgabe wurde 1962 abgeschlossen (Nachdruck 1985 in 6 Bänden) und, kommentiert von Günter und Barbara Albrecht, neu herausgegeben (Leipzig 1992).

Nun erst wurde der kulturhistorische Wert der Memoiren erkannt. Im Februar 2010 wurde das Manuskript vom französischen Staat erworben. Mit über 7 Millionen Euro ist es der höchste jemals für ein Manuskript erzielte Preis. Im Anschluss daran erfolgte von 2013 bis 2015 unter der Leitung von Gérard Lahouati und Marie-Françoise Luna eine Neuedition in drei Bänden, herausgegeben vom Verlag Éditions Gallimard in Paris.[41]

Heute gibt es keine aktuelle Auflage der deutschen Fassung der Memoiren, so dass die Bücher ausschließlich im Antiquariat zu erhalten sind.

Bildliche Darstellungen Casanovas[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Histoire de ma fuite des prisons de la République de Venise

Trotz der jahrzehntelangen Präsenz Casonovas in den seinerzeitigen Medien und an den Höfen existieren nur wenige zeitgenössische Darstellungen. Anfang der 1750er Jahre fertigte sein Bruder Francesco eine Bleistiftskizze an (s. o.). Als Casanova 30 war entstand eine Miniatur, die Pierre Antoine Baudouin zugeschrieben wird, doch ist das Original verschollen. Mindestens zwei Medaillons mit versteckten Bildnissen Casanovas, die er auf Wunsch von „C. C.“ und „M. M.“ 1753 und 1754 anfertigen ließ, sind verschollen.

Immerhin existiert eine Gravur, die sein Werk Histoire de ma fuite des prisons de la République de Venise von 1787 schmückt, die Casanova zeigt, wie er vom Dach des Dogenpalasts steigt. Als Casanova 62 war, fertigte Jan Berka ein Werk an, das als Frontispiz des Icosameron diente, veröffentlicht in Prag. Schließlich kennen wir ein Bild des 71-Jährigen, das wiederum sein Bruder Francesco angefertigt hat.[42]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeitschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • James Rives Childs (Hrsg.): Casanova gleanings, 1958–1980.
  • L'intermédiaire des casanovistes (1984–2013), hgg. v. Marco Leeflang (Utrecht), Furio Luccichenti (Rom), u. a.
  • Casanoviana. Rivista internazionale di studi casanoviani, hgg. v. Antonio Trampus, Dipartimento di Studi Linguistici e Culturali Comparati, Università Ca' Foscari, Venedig, Ca' Bembo.

Lexikoneinträge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Biographien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Leo Damrosch: Adventurer. The life and times of Giacomo Casanova, Yale University Press, New Haven 2022, ISBN 978-0-300-24828-9
  • Roland Kanz: Die Brüder Casanova. Künstler und Abenteurer. Deutscher Kunstverlag, München 2013, ISBN 978-3-422-07211-4 (mit einer Liste der archivalischen Quellen, einer Bibliographie der Schriften Casanovas und einer Bibliographie zu den vier Brüdern Casanova).
  • Ian Kelly: Casanova. Actor, Lover, Priest, Spy, Tarcher, London 2008.
Gelesen von Benedict Cumberbatch. BBC-Audio 2008. ISBN 978-1-78529-077-0
  • James Rives Childs: Casanova. Die große Biographie, Blanvalet, München 1977, ISBN 3-7645-0683-0.
  • Lydia Flem: Casanova oder Die Einübung ins Glück, EVA, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-434-50436-2.
  • Derek Parker: Casanova. Sutton Publishing, 2002, ISBN 0-7509-2666-X.
  • Heinz von Sauter: Der wirkliche Casanova. Engelhorn, Stuttgart 1987, ISBN 3-87203-020-5.
  • Thomas Schäfer: Casanova. Magier, Gelehrter, Abenteurer, Militzke, Leipzig 1998; Lübbe, Köln 2000, ISBN 3-404-61456-9.
  • Marita Slavuljica: Giacomo Casanova. Die Geschichte seines Lebens. Lang, 2006, ISBN 3-631-55316-1.
  • Philippe Sollers: Casanova. Agenda, Münster 2000, ISBN 3-89688-081-0. (frz.: Casanova l’admirable. 1998)
  • Jean-Didier Vincent: Casanova. La Contagion du plaisir Odile Jacob, Paris 1990.
  • James Rives Childs: Giacomo Casanova de Seingalt. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt. Reinbek 1960.
  • Victor Ottmann: Jakob Casanova von Seingalt. Sein Leben und seine Werke. Nebst Casanovas Tragikomödie „Das Polemoskop“. Stuttgart 1900.
  • Francesca Serra: Casanova autobiografo, Marsilio, Venedig 2001.
  • Max Kunze (Hrsg.): Die Casanovas. Beiträge zu Giacomo, Francesco und Giovanni Battista Casanova sowie Silvio della Valle di Casanova (=Schriften der Winckelmann-Gesellschaft, 17), Stendal 2000.
  • Otto Krätz, Helga Merlin: Casanova. Liebhaber der Wissenschaften, München 1995.

Die Memoiren, ihre Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerd J. Forsch: Casanova und seine Leser. Die Rezeption von Casanovas „Histoire de ma vie“ in Deutschland, Frankreich und Italien (= Bonner Untersuchungen zur vergleichenden Literaturwissenschaft, 1). Rheinbach-Merzbach 1988, ISBN 3-922584-51-9.
  • Franz Blei: Die Memoiren des Casanova, in: Der Amethyst. Blätter für seltsame Literatur und Kunst, hgg. v. Franz Blei. Nr. 8, Juli 1906, S. 247–253, Ders.: Die zwei unveröffentlichten Kapitel aus Casanovas Memoiren, in: Der Amethyst Oktober/November 1906, S. 327–342 (typische Beispiele für die Stilisierung Casanovas zum Liebes- und Lebenskünstler, eine „Projektion männlichen Wunschdenkens“[43]).
  • Stefan Zweig: Drei Dichter ihres Lebens. Casanova – StendhalTolstoi, Insel, Leipzig 1925 (griff 1928 als Erster die Idealisierungen des angeblich nur dem Moment lebenden Casanova an, denn seine Sprunghaftigkeit korrespondiere mit einer fehlenden seelischen Tiefe, ihm würden sittliche Eigenheiten und Überzeugungen und damit Charakter fehlen (Lehnen, S. 56 f.)). (Projekt Gutenberg)
  • Walter Rode: Jakob Zweig gegen Stefan Casanova, in: Die Weltbühne 24, Jg. 19 vom 8. Mai 1928, S. 714–716.
  • Friedrich Wilhelm Barthold: Die geschichtlichen Persönlichkeiten in Jacob Casanova’s Memoiren. Beiträge zur Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts, 2 Bde., Berlin 1846. (Digitalisat)

Einzelaspekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sabine Herrmann: Giacomo Casanova und die Medizin des 18. Jahrhunderts, Franz Steiner, Stuttgart 2012. (online)
  • Lisetta Lovett: Casanova's Guide to Medicine. 18th Century Medical Practice, Pen and Sword History, 2021.
  • Nicola Vinovrški: Casanova. A Case Study of Celebrity in 18th Century Europe, Historische Sozialforschung, Supplementbd. 32 (2019), 99–120 (online, PDF)
  • Ansgar Bach: Casanova in Berlin und Potsdam. Seine Affären und die Begegnung mit Friedrich, Kopfundwelt, Berlin 2019, ISBN 978-3-9816632-2-8 (u. a. zu seinen Begegnungen mit Friedrich II., der Tänzerin Giovanna Denis, dem Lotterieunternehmer Calzibigi und mit der Gräfin Lichtenau).
  • Ders.: Giacomo Casanova in Dresden. Seine Dresdner Affären und die Familie, Kopfundwelt, Berlin 2017, ISBN 978-3-9816632-1-1 (u. a. zum Wirken Casanovas und seiner Mutter Zanetta an der Dresdner Oper und an der Italienischen Komödie).
  • Ders.: Casanova und Leipzig. Seine Leipziger Affären und die Memoiren, Kopfundwelt, Berlin 2015, ISBN 978-3-9816632-0-4 (u. a. zur Editionsgeschichte des Icosaméron und der Memoiren).
  • Jürgen Helfricht: Casanovas ergötzliche Abenteuer in Sachsen, Tauchaer Verlag, Taucha 1998, ISBN 3-910074-89-8.
  • Antonio Trampus: Tra cultura tedesca e letteratura italiana. Storia di un plagio, di un equivoco e di una ripicca, con una lettera inedita di Christian Joseph Jagemann a Giacomo Casanova, in: Leander Moroder, Hannes Obermair, Patrick Rina (Hrsg.): Lektüren und Relektüren – Leggere, riflettere e rileggere – Nrescides letereres y letures critiches. Studia Prof. Ulrike Kindl septuagenariae die XVI mensis Oct. anni MMXXI dicata, Istitut Ladin Micurá de Rü, San Martin de Tor 2021. ISBN 978-88-8171-141-3, S. 497–510.

Veraltet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gustav Gugitz: Giacomo Casanova und sein Lebensroman. Historische Studien zu seinen Memoiren, Wien, Prag und Leipzig 1921.
  • Franz Walther Ilges: Casanova in Köln. Die Kölner Erlebnisse des Abenteurers auf Grund neuer Quellen und Urkunden, Köln 1926.
  • Hermann Kesten: Giacomo Casanova. In: Ders.: Die Lust am Leben. Boccaccio. Aretino. Casanova. München 1968, DNB 457198494, S. 151–174.
  • Albrecht Freiherr von Notthafft: Sexuelles und Geschlechtskrankheiten in Casanovas Memoiren, in: Dermatologische Wochenschrift Nr. 46/47, 15. November 1913, S. 1339–1351, 1366–1383.
  • Charles Samaran: Jacques Casanova, Paris 1931.
  • Edgar von Schmidt-Pauli (Hrsg.): Der andere Casanova – unveröffentlichte Dokumente aus dem Duxer Archiv, Berlin 1930.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Carina Lehnen: Das Lob des Verführers. Über die Mythisierung der Casanova-Figur in der deutschsprachigen Literatur zwischen 1899 und 1933, Igel, Paderborn 1995 (sie schält vor allem die wichtige Rolle Wiens als Zentrum der Casanova-Rezeption heraus[44]). ISBN 3-89621-007-6
  • Werner Wolf Schrader: Leben, Werk und Wirkung des Giacomo Casanova de Seingalt in kultursoziologischer Interpretation, Dissertation. Heidelberg 1956.
  • Hartmut Scheible (Hrsg.): Mythos Casanova. Texte von Heinrich Heine bis Buñuel, Reclam, Leipzig 2003 (Anthologie), ISBN 3-379-20066-2.
  • Eduard und Elisabeth bei den Megamikren (PDF; 20 MB) Fraktur-Reprint in der Arno-Schmidt-Referenzbibliothek der GASL

Bibliographien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • James Rives Childs: Casanoviana. An annoted world bibliography of Jacques Casanova de Seingalt and of works concerning him, Wien 1956.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Giacomo Casanova – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Giacomo Casanova – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Casanova – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marina Crivellari Bizio: Campi veneziani, Filippi, Venedig 2009, S. 243.
  2. Marina Crivellari Bizio: Campi veneziani, Filippi, Venedig 2009, S. 243.
  3. Federico Montecuccoli degli Erri: Dov’era la casa di Zanetta Casanova?, in: L’Intermédiaire des casanovistes. Études et informations casanoviennes 20 (2003) 3–15.
  4. Herrmann, S. 9.
  5. Piero Del Negro: Gli anni padovani di Giacomo Casanova, in: L’Intermédiaire des casanovistes. Études et informations casanoviennes 16 (1999) 7–16.
  6. Giacomo Casanova: Geschichte meines Lebens, Bd. 1, Gustav Kiepenheuer, Leipzig/Weimar 1983, S. 138 f.
  7. Zitiert nach: Bert Hochheim: Casanova und die Empfängnisverhütung zu seiner Zeit, Med. Diss., Würzburg 2006, S. 20 (online, PDF).
  8. Bert Hochheim: Casanova und die Empfängnisverhütung zu seiner Zeit, Med. Diss., Würzburg 2006, S. 23 f.
  9. Sie erhielt Engagements am King's Theatre zu London (1755–1763), dann in Prag (1766–1768), Dresden (1770–1774). Danach reiste sie nach Italien und zog sich 1781 von der Bühne zurück.(Jean-Christophe Igalons, Éric Laborgne (Hrsg.): Casanova. Histoire de ma vie, Bd. 8–11, Robert Laffont, Marseille 2018, Anm. 44)
  10. So schrieb er in seinen Memoiren: ‚Eine geistreiche Frau, die nicht dazu geschaffen ist, einen Mann glücklich zu machen, ist die gelehrte Frau. Gelehrsamkeit ist für eine Frau nicht angebracht, denn sie beeinträchtigt die Sanftheit ihres Charakters, ihre Lieblichkeit, jene zarte Schüchternheit, die dem weiblichen Geschlecht so viele Reize verleiht; übrigens hat noch niemals eine Frau es im Wissen über gewisse Grenzen hinausgebracht, und der Wortschwall gelehrter Frauen imponiert nur Dummköpfen. Keine einzige große Entdeckung ist von einer Frau gemacht worden. Das weibliche Geschlecht entbehrt jener geistigen Kraft, die ein Ausfluss der körperlichen Kraft ist; aber im Ziehen einfacher Vernunftschlüsse, an Zartheit des Gefühls und an vielen Verdiensten, die mehr dem Herzen als dem Geist zuzuschreiben sind, da sind die Frauen uns weit überlegen.‘ (Bd. 2, Kap. 3).
  11. James Rives Childs: Casanova. A Biography Based on New Documents, Allen and Unwin, 1961, S. 61.
  12. Casanova: Meine Flucht aus den Staatsgefängnissen zu Venedig, 2. Auflage. Illgen, Gera/Leipzig 1799, S. 11.
  13. „Quest’uomo, divenuto avventuriere per forza“, Il duello, S. 194.
  14. Francesco Zanotto versuchte anhand einer Art Ortsbegehung nachzuweisen, dass Casanovas Flucht so nicht geschehen sein konnte: I pozzi ed i piombi, antiche prigioni di stato della repubblica di Venezia, Brizeghel, Venedig 1879, S. 89 (Digitalisat, S. 89).
  15. James Rives Childs: Casanova. Die große Biographie, Blanvalet, München 1977, S. 105–118.
  16. Felix Nussbaumer: War Casanova wirklich in Solothurn? Mit einem Brief von Helmut Watzlawick, in: Jahrbuch für Solothurnische Geschichte 79 (2006) 137–153 (online).
  17. Barbara Piatti: Von Casanova bis Churchill. Berühmte Reisende auf ihrem Weg durch die Schweiz, Hier und Jetzt, 2016, S. 23. Sie lebte von 1737 bis 1825.
  18. Zu seinen vier Aufenthalten in der Toskana vgl. Stefano Feroci: Sulle orme di Casanova nel Granducato di Toscana, Fiesole 2018.
  19. Augsburger Bankhaus, gegründet 1727 vom Wechselhändler Tomaso Carli (König Ludwig I. von Bayern und Leo von Klenze, Bd. 1. 1815–1818, Kommission für Bayerische Landesgeschichte, 2004, S. 83, Anm. 13).
  20. Sie erschien 1766 in London, nachdem er sie bereits 1762 vorgelegt hatte (vgl. Carla Sodini: Martinelli, Vincenzo, in: Dizionario Biografico degli Italiani, 71, 2008).
  21. Casanova hatte den Entwurf aufbewahrt, das Schreiben lautete (6, 2): ‚Warschau, den 5. März 1766. Gnädiger Herr, Eure Exzellenz haben mich gestern Abend im Theater leichten Herzens beschimpft und hatten doch kein Recht und keine Ursache, mich so zu behandeln. Infolgedessen nehme ich an, daß Sie mich hassen und demgemäß den Wunsch haben, mich aus dem Buche der Lebenden zu tilgen. Ich kann und will Sie zufriedenstellen. Haben Sie also die Gefälligkeit, gnädiger Herr, mich mit Ihrem Wagen abzuholen und mich nach einem Ort zu bringen, wo meine Niederlage Sie nicht in Konflikt mit den Gesetzen Polens bringt, und wo ich desselben Vorteils teilhaftig werden kann, wenn Gott mir beisteht, Eure Exzellenz zu töten. Ich würde Ihnen diesen Vorschlag nicht machen, gnädiger Herr, wenn ich nicht an den Adel Ihrer Seele glaubte. Ich habe die Ehre zu sein usw.‘
  22. Heinz Marzulla: Ehrensache! Das Pistolenduell – Geschichte, Regeln und Waffen, Ares, Graz 2005, S. 37.
  23. Giacomo Casanova: Das Duell oder Versuch über das Leben des Venezianers G. C. Piper, München 1988, ISBN 3-492-03302-4.
  24. Zu seinem Aufenthalt in Breslau vgl. Luca Palmarini: Giacomo Casanova: l’amore, la storia e la bella compagnia a Breslavia, in: Italica Wratislaviensia 5 (2014) 147–175.
  25. Er lebte von 1714 bis 1786; vgl. Walter Bußmann: Bastiani, Giovanni Battista in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 627 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd135862809.html#ndbcontent.
  26. Franz Ferdinand von Schrattenbach?
  27. Digitalisat.
  28. Digitalisat. Das Werk erschien angeblich in Amsterdam, Druckort war jedoch Lugano.
  29. Google Books.
  30. Scrutinio del libro Eloges de M. de Voltaire par differens auteurs e altri scritti volterriani, Editoria Universitaria, 1999.
  31. Digitalisat der Januarausgabe.
  32. Charles de Ligne: Œuvres melées en prose et en vers, Bd. 15, Wien 1807. Zitiert nach Childs: Casanova, 1960, S. 160ff.
  33. online, PDF.
  34. Carina Lehnen: Das Lob des Verführers, 1995, S. 21 f.
  35. Liste auf der Website der Giacomo-Casanova-Stiftung.
  36. Erich Loos: Einleitung, in: Giacomo Casanova. Geschichte meines Lebens, Bd. 1, S. 37–60, hier: S. 45.
  37. Carina Lehnen: Das Lob des Verführers, 1995, S. 23.
  38. Gerd J. Forsch: Casanova und seine Leser. Die Rezeption von Casanovas „Histoire de ma vie“ in Deutschland, Frankreich und Italien. (= Bonner Untersuchungen zur vergleichenden Literaturwissenschaft. Band 1). Rheinbach-Merzbach 1988, S. 16., zitiert nach Lehnen: Das Lob des Verführers. 1995, S. 24.
  39. Carina Lehnen: Das Lob des Verführers, 1995, S. 24 f.
  40. James Rives Childs: Casanoviana. An annotated world bibliography of Jacques Casanova de Seingalt and of works concerning him. Wien 1956, S. 33, zitiert nach Lehnen: Das Lob des Verführers, 1995, S. 25.
  41. Casanova: Histoire de ma vie, Edition établie sous la direction de Gérard Lahouati et Marie-Françoise Lunda, avec la collaboration de Furio Luccichenti, Alexandre Stroev et Helmut Watzlawik. Gallimard, Paris 2013–2015.
  42. Nicola Vinovrški: Casanova. A Case Study of Celebrity in 18th Century Europe, Historische Sozialforschung, Supplementbd. 32 (2019) 99–120, hier: S. 113.
  43. Lehnen, S. 50–55.
  44. Der dortigen Deutung widmet sie einen erheblichen Teil ihrer Arbeit, wobei Hugo von Hofmannsthal (Der Abenteurer und die Sängerin, Drama. 1899; Cristinas Heimreise Drama, 1910) und Arthuer Schnitzler (Casanovas Heimfahrt, Fischer 1918; Die Schwestern oder Casanova in Spa, 1919) im Mittelpunkt stehen, aber auch Anton Wildgans (Casanova, 1905), Franz Blei, Rudolf Lothar, Ernst Lissauer (Casanova in Dux, Tragikomödie, 1920), ebenso wie Raoul Auernheimer (Casanova in Wien, Lustspiel in Versen, 1924).