Société de Dietrich et Cie de Lunéville

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Société de Dietrich et Cie de Lunéville
Rechtsform Société en commandite
Gründung 30. Dezember 1897
Auflösung 1905 (Automobilbau)
Sitz Lunéville, Frankreich
Leitung Adrien de Turckheim
Branche Automobilindustrie
Anzeige von 1902 für den De Dietrich Type Ibis
De Dietrich Type Ibis von 1903
Rennwagen 45 CV von 1903

Société de Dietrich et Cie de Lunéville war ein französischer Hersteller von Automobilen und Eisenbahnwagen.[1]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Konzern De Dietrich et Cie existierte seit den 1680er Jahren in Frankreich. Zumindest um 1870 lag der örtliche Schwerpunkt im Elsass und teils in Lothringen. Die Abteilung für Eisenbahnfahrzeuge De Dietrich Ferroviaire war in Reichshoffen ansässig. Die Niederlage Frankreichs im Deutsch-Französischen Krieg von 1870–1871 führte dazu, dass das Unternehmen nun seinen Sitz im deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen hatte. Es drohte der Verlust des französischen Marktes.[2] 1880 wurde eine Niederlassung im französischen Lunéville gegründet.[2] Edouard de Turckheim, der in die Familie De Dietrich eingeheiratet hatte, leitete zunächst die Niederlassung.[2] 1890 übernahm sein Sohn Adrien de Turckheim die Leitung.[2]

Eine Absatzrückgang in den 1890er Jahren führte dazu, dass sich das Unternehmen nach einem weiteren Produktionszweig umsah: Automobile.[2]

Eugène de Dietrich leitete das Hauptwerk im deutschen Niederbronn. Zwei Quellen geben an, dass er 1896 ein Abkommen mit Amédée Bollée Junior traf, um eines seiner Fahrzeuge in Lizenz zu fertigen.[3][4] Bereits nach kurzer Zeit war das Modell nicht mehr gut genug.[3][4][5] Zur Verbesserung beauftragte er die Niederlassung in Lunéville mit der Entwicklung und Anfertigung stärkerer Rahmen.[3][4] Auf diese Weise begann 1897 in Lunéville die Automobilproduktion.

Eine andere Quelle meint, dass Adrien de Turckheim im März 1897 die Lizenz von Amédee Bollée Junior erwarb.[2] Zunächst entstanden 20 Fahrzeuge.[2] Im Sommer 1897 wurde ein eigenständiger Lastkraftwagen mit einem Zweizylinder-Frontmotor entwickelt.[2]

Unternehmensgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 30. Dezember 1897 wurde aus der Niederlassung das eigenständige Unternehmen Société de Dietrich et Cie de Lunéville.[6] Die Rechtsform war eine Société en commandite.[2] Mitglieder der Familien de Turckheim und de Dietrich waren beteiligt.[2] Die Produktion von Automobilen wurde fortgesetzt. Der Markenname lautete weiterhin De Dietrich.

1901 waren die Modelle nach Bollée-Art veraltet, was sich auch beim Rennen von Paris nach Berlin im Juni 1901 zeigte.[7] Anfang 1902 wurde ein neues Abkommen mit Turcat-Méry geschlossen, um deren Fahrzeuge mit Frontmotor in Lizenz herzustellen.[2]

1905 kam es zum Streit zwischen Adrien de Turckheim und Eugène de Dietrich. Adrien de Turckheim und Léon Turcat fanden mit Henri Estier, André Lebon, Léopold Renouard und Hubert de Pourtalès vier Personen, die sie finanzkräftig unterstützten, und schafften die komplette Absplittung vom De-Dietrich-Konzern. Das neue Unternehmen hieß Société Lorraine des Anciens Établissements de Dietrich et Cie. Als Markenname wurde Lorraine-Dietrich gewählt.[8]

Die Burlington Carriage Company vertrieb die Fahrzeuge beider De-Dietrich-Marken im Vereinigten Königreich.[9]

De Dietrich baute mindestens bis 1911 weiterhin Eisenbahnwagen in Lunéville.[1]

Fahrzeuge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunächst entstanden Fahrzeuge mit liegenden Zwei- und Vierzylindermotoren von Bollée. Dazu gehören 6 CV, 9 CV, 10 CV und 12 CV, die es als Pkw und Lkw gab, und zusätzlich die Rennwagen 18 CV, 24 CV, 7 CV, 11 CV und 15 CV. Die beiden erstgenannten Modelle gab es auch aus deutscher Produktion, dort 6 PS und 9/10 PS genannt.

Nach Turcat-Méry-Lizenz sind für 1902 und 1903 Type I mit einem Zweizylindermotor sowie die Type H, Type Ibis und Type M mit Vierzylindermotor, automatisch gesteuerten Einlassventilen, Vierganggetriebe und Kettenantrieb bekannt.[10] Außerdem gab es die Rennwagen 30 CV, 45 CV und Type R.

1904 standen die Modelle Type SH, Type SI, Type SM, Type SP sowie der Rennwagen 80 CV im Sortiment.

1905 wurden Type CI, Type CM, Type CO, Type CR und der Rennwagen Type DX angeboten.

Außerdem umfasste zumindest 1900 das Sortiment auch Lastkraftwagen[11] und 1903 Omnibusse[12].

Nachstehend eine Tabelle der Modelle.

Modell Ausführungen von bis Zylinder Bohrung
(mm)
Hub
(mm)
Hubraum
(cm³)
Steuer-PS
(CV)
Radstand
(mm)
Text
6 CV 1897 1899 2 95 160 2268 6 auch Lkw
9 CV 1898 1899 2 112 160 3153 9 auch Lkw
10 CV 1899 1901 2 10 auch Lkw
12 CV 1899 1901 2 12 auch Lkw
18 CV 1900 1900 4 112 160 6305 18 Rennwagen
24 CV 1901 1901 4 24 Rennwagen
7 CV 1901 1901 7 Rennwagen
11 CV 1901 1901 11 Rennwagen
15 CV 1902 1902 15 Rennwagen
Type I 1902 1903 2 104 120 2039 8
Type H 1902 1903 4 90 120 3054 12
Type Ibis 1902 1903 4 104 120 4077 16
Type M 1902 1903 4 120 120 5429 24
30 CV 1903 1903 4 30 Rennwagen
45 CV 1903 1903 4 150 150 10603 45 Rennwagen
Type R 1903 1903 4 155 160 12076 60 2615 Rennwagen
Type SH Type KSH, Type LSH 1904 1904 4 90 120 3054 12 2460–2510
Type SI Type KSI, Type LSI 1904 1904 4 104 120 4077 16 2490–2540
Type SM Type KSM, Type LSM 1904 1904 4 120 120 5429 24 2540–2590
Type SP Type KSP, Type LSP 1904 1904 4 130 130 6902 35 2656–2715
80 CV 1904 1904 4 155 170 12831 80 2720 Rennwagen
Type CI Type SCI, Type CCI, Type TCI 1905 1905 4 104 120 4077 16 2750–3150
Type CM Type SCM, Type CCM, Type TCM 1905 1905 4 120 120 5429 24 2800–3200
Type CO Type SCO, Type CCO, Type TCO 1905 1905 4 140 130 8005 40 2850–3250
Type CR Type SCR, Type CCR, Type TCR 1905 1905 4 155 160 12076 60 2930–3330
Type DX 1905 1905 4 190 150 17011 120 Rennwagen

Erhaltene Fahrzeuge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

De Dietrich 6 CV von 1899
De Dietrich Type SM von 1903
De Dietrich Type SM von 1903

Ein gelber 6 CV als Doppelphaeton gehört zur Sammlung der Cité de l’Automobile in Mülhausen. 2018 war er anlässlich einer Sonderausstellung im Technik-Museum Speyer ausgestellt – dort explizit mit der Angabe Produktionsort Lunéville. Eine Quelle datiert ihn auf das Jahr 1899.[13]

Ein 16-CV-Teilnahmefahrzeug des Autorennens von Paris nach Wien 1902 mit dem britischen Kennzeichen A 2101 wurde 2014 für 1.255.644 Euro versteigert.[14] Bonhams nennt dagegen einen Betrag von 1.121.899 Euro inklusive Aufgeld.[15]

Ein 24 CV von 1903 mit dem Kennzeichen 3 JOT steht im National Motor Museum im britischen Beaulieu und nimmt gelegentlich am London to Brighton Veteran Car Run teil.[16]

Ein anderer 24 CV von 1903 mit dem Kennzeichen A 1853 steht in der Shuttleworth Collection.[17]

Stückzahlen und Umsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachstehend eine Tabelle mit der Anzahl hergestellter Automobile und dem Umsatz aus Automobilverkäufen. Das Geschäftsjahr lief jeweils bis Ende September.[18]

Geschäftsjahr Anzahl hergestellter Automobile Umsatz aus Automobilverkäufen (in Franc)
1898 72 642.000
1899 100 952.000
1900 107 1.121.000
1901 164 1.440.000
1902 253 2.550.000
1903 311 4.950.000
1904 277 4.722.000
1905 430 6.425.000 Diese Angaben können bereits Zahlen der Nachfolgegesellschaft enthalten.

Einzelne Zahlen werden an anderer Stelle in der gleichen Quelle und in anderen Quellen bestätigt, wobei dort nicht auf das abweichende Geschäftsjahr eingegangen wird. So sind 72 Autos für 1898[2], 107 für 1900[19], 164 für 1901[2] und 253 für 1902[7] genannt sowie 642.000 Franc für 1898[2] und 1.440.000 Franc für 1901[2].

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Société de Dietrich et Cie de Lunéville – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Exposition universelle. 1911. Turin (Hrsg.): Groupe VII. Classes 39 et 40. Industrie des Transports. Chemins de fer et tramways. S. Tabelle 6 (cnam.fr).
  2. a b c d e f g h i j k l m n o James M. Laux: In First Gear. The French Automobile Industry to 1914. Liverpool University Press, Liverpool 1976, ISBN 0-7735-0264-5, S. 56–58 (englisch).
  3. a b c Harald H. Linz, Halwart Schrader: Die Internationale Automobil-Enzyklopädie. United Soft Media Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8032-9876-8, Kapitel De Dietrich.
  4. a b c Halwart Schrader: Deutsche Autos. Band 1: 1885–1920. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-613-02211-7, S. 134–137.
  5. Hans-Heinrich von Fersen: Autos in Deutschland 1885–1920. Eine Typengeschichte. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-87943-038-1, S. 148–152.
  6. Sébastien Faurès Fustel de Coulanges: Lorraine-Dietrich. De la voiture de grand luxe au géant de l’aéronautique. E-T-A-I, Antony 2017, ISBN 979-1-02830220-7, S. 15 (französisch).
  7. a b George Nicholas Georgano: The New Encyclopedia of Motorcars. 1885 to the Present. E. P. Dutton, New York 1982, ISBN 0-525-93254-2, S. 185–186 (englisch).
  8. James M. Laux: In First Gear. The French Automobile Industry to 1914. Liverpool University Press, Liverpool 1976, ISBN 0-7735-0264-5, S. 162–164 (englisch).
  9. Burlington Carriage Co Auf gracesguide, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
  10. George Nicholas Georgano: Autos. Encyclopédie complète. 1885 à nos jours. Courtille, Paris 1975, S. 215 (französisch).
  11. De Dietrich Auf gracesguide.co.uk, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
  12. Anzeige von 1903 Abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
  13. Jean-Noël Rossignol: De Dietrich HP Double Phaeton 1899 Auf patrimoineautomobile.com vom 20. Januar 2019, abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
  14. De Dietrich 16 hp Paris-Vienne Tonneau porte arrière (1902) Auf guide-automobiles-anciennes.com, abgerufen am 16. Januar 2021 (französisch).
  15. 1902 De Dietrich 16-hp "Paris-Vienna" Rear-Entrance Tonneau Auf bonhams.com, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
  16. De Dietrich: 3 JOT Auf gracesguide, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
  17. De Dietrich Auf shuttleworth.org, abgerufen am 16. Januar 2021 (englisch).
  18. James M. Laux: In First Gear. The French Automobile Industry to 1914. Liverpool University Press, Liverpool 1976, ISBN 0-7735-0264-5, S. 214 (englisch).
  19. George Nicholas Georgano (Hrsg.): The Beaulieu Encyclopedia of the Automobile. Band 1: A–F. Fitzroy Dearborn Publishers, Chicago 2001, ISBN 1-57958-293-1, S. 397–398 (englisch).